Den Erlaß eines gesetzlichen Verbotes gegen daS Erscheinen dersozialdemokratischen Zeitung„Vorwärts" fordert ein Herr Fritz P i s S k eaus Charlottenburg in einer dem preußischen Abgeordnetenhauseüberreichten Petttton. Hoffen wir, daß der Landtag und die Re-gierung den Wunsch dieses sonderbaren Heiligen erfüllen!—Aendcrung des preußischen Gewrrbrsteuer-Gcsetzrs. DaS Ab-geordnetenhaus hatte am 17. Februar vorigen JahreS einen AntragFunk sfrs. Bp.) und Genossen, der die Regierung auffordert, als-bald einen Gesetzentwurf zur Abänderung des Gewerbesteuer-Gesetzes vorzulegen, durch welchen unter progressiver Gestaltung derSteuer die beiden unteren Steuerklassen erleichtert und bei Be-rechnung deS Betriebs- und Anlagekapitals die Abzugsfähigleit derKapitalsschulden gewährleistet wird, der verstärkten Handels- undGewerbekommission überwiesen. Die Kommission hat den Anttagabgelehnt und statt dessen einstimmig eine Resolutton angenommen,die die Regierung ersucht, im Wege der Anregung dahin zu wirken,daß die Gemeinden mehr als bisher auf eine gerechte, den kommu-nalen Bedürfnissen möglichst entsprechende Ausgestaltung der Gewerbesteuer Bedacht nehmen.—Der nichtbelcidigte Landtag. DaS sozialdemokratisch«„VollSbattfür Hessen und Waldeck" hatte seiner Entrüstung über das VerhaltendeS Polizeiministers und des preußischen Abgeordnetenhauses in derAngelegenheit der Janina B e r s o n in sehr entschiedener Weise Ans-druck gegeben. Einige starke Ausdrücke, die diese EnlrüstungS-kundgebung enthielt, veranlaßten den eifrigen Polizeipräsidenten zuKassel, die strafrechtliche Verfolgung deS verantwortlichen Redakteurszu beantragen, und dieser Anttag beschäftigte am Sonnabend dieGeschäftsordnungskommission des Abgeordnetenhauses. Der Bericht-erstatter meinte, der Artikel sei vom„physiologischen Standpunkteinteressant", aber den Landtag beleidige er nicht. Bon andererSeite wurde gewünscht, daß ein Exempel statuiert werde. Einweiteres Mitglied war der Ansicht,„man möge gerade jetzt demAngreifer kein besonderes Relief geben, man möge die Geschichteignorieren und die Genehmigung zur Sttafverfolgung verweigern".—Die Kommission beschloß in diesem Sinne.Wenn das preußische Abgeordnetenhaus selbst auf die Wahnmgseiner Ehre Bedacht nimmt, so braucht eS die Verfolgung von Be-leidigem überhaupt nicht in Erwägung zu ziehen. Wären dieHeiterkeitsstürme, die em ordinärer Polizeiwitz in ihm entfesielte,nicht vom psychologischen Standpunkte aus so überaus interessantgewesen, so wäre mich das Kasseler Blatt nicht in die Lage ge-kommen, Proben vom Lutherstil geben zu können. Im übrigen istdie Einsicht der Geschästsordyungskommission erfteulich; wo es sichnicht um tatsächliche Feststellungen handelt, hat das Prozessierengegen Beleidiger überhaupt keinen Sinn.—Die Meinungsfreiheit im bürgerlichen Lager.Welch' ein Geschrei erhob sich in der gesamten bürgerlichenPresse, als unser Parteitag m Dresden die Bedingungenformulierte, unter welchen Parteigenossen an bürgerlichen Preß-organen mitarbeiten dürsten. Das galt als ein Akt angeblich brutalerMeinungsunterdrückung, die mit allen sozialdemottatischen Grund-sätzen im Widerspruch stehe. Insbesondere war es auch derReichskanzler, der wiederholt im Reichstage auf jeneVerhandlungen deS Dresdener Parteitages zu sprechen kam.um nachzuweisen, welchen Terrorismus die sozialdemokratischePartei über die Meinungsfteiheit ihrer Anhänger ausübe und welch'Schreckensregiment demnach im sozialdemokratischen Zukunftsstaat zuerwarte» sei. Nun liegen aber Fälle aus dem bürgerlichenLager vor, die zeigen, daß man auch dort nicht geneigt ist, Partei-genossen daS Recht emzuräumen, in Blättern zu schreiben, in denendie eigene Partei wiederholt beschimpft wurde. ES ist daS„Berliner Tageblatt"— mitjder Hauptschreier gegen den inDresden angeblich geübten MeinungsterroriSmus— das kürzlichsich zustimmend zu Aeußerungen nationalliberaler Preßorgane alsoausläßt:„Auch die Nationalliberalen rücken jetzt immer unzwei-deuttger von der S ch e r I- P r e s s e ab. Dje vom AbgeordnetenPatzig herausgegebenen„Deutschen Stimmen", das Wochen-blatt für die»ationalliberale Partei, wenden sich in ihrer neuestenRummer mit sehr scharfen Ausdrücken gegen dieScherl-Presse. Die„Deutschen Stimmen" spotten über dieguten patriottschen Menschensinder, die sich noch immer nicht ent-halten können, bei„A b l a a e r u n g S st ä t t e n" von der Beschaffenheit des„TageS" Publikum zu spielen. Diese Bemerkungen deSParteiorgans glossiert und ergänzt das ebenfalls national-liberale„Leipz. Tagebl." wie folgt:Eine solche Einschätzung der Scherl-Presse durch ein aus-gesprochen nationalliberales, von einem nationalliberalen Reichs-tags-Abgeordneten— Herrn Patzig— he> ausgegebenen Organwird nicht nur in der nationalliberalen Presse, sondern auch inder nattonalliberalen Wählerschaft mit Genugtuung aus-genommen werden. Um so bedauerlicher ist es. undum so seltsamer mutet es an. daß nationalliberale Par-lamentarier das Organ gewohnheitsmäßig benutzen, um zuAngelegenheiten des öffentlichen Leben» Stellung zu nehmen. Zujenen Parlamentariern, die erfreulicherweise nur ganz dünn gesätsind, gehört leider der Vizepräsident des Reichstages, GeheimerRegierungSrat Professor Dr. P a a s ch e.... Je einmütiger dienationalliberale Wählerschaft in der Ueberzeugung sein dürfe,daß die literarische Mitarbeit an den Scherlschen Or-ganen allenfalls die Einkünfte der Be-troffenen, nicht aber den Ruf und die Be-deutung der nationalliberalen Partei erhöhen kann,um so leichter müßten die nationalliberalenParlamentarier des Abgeordnetenhauses wiede» Reichstages auf die Mitarbeit an der Scherl-Presse verzichten. Eine Berzichtleistung solcher Art sollteihnen deswegen besonder» nahe liegen, weil sie eS jederzeit in derHand haben, sei eS durch Verinittelimg der Partei- offiziösenNationalliberalen Korrespondenz, sei e» durch direkte Jnanspruch-nähme nattonalliberaler Zeitungen, in der breitesten Oeffentlichkeitgehört zu werden.Auch ein andere» Mtglied der nationalliberalen Reichstags-Fraktton, Dr. Hugo Böttger, schreibt für die Scherlsche.Ablagerung«-stätte". Zum Dank dafür verbreitet jetzt der Scherlsche Verlag Hausbei HauS einen Artikel BöttgerS, in dem dieser die„Ablagerungs-stätte" über den grünen Klee lobt, während er die„Partei-presse" mit Fußtritten regaliert."Eine glänzendere Rechtfertigung konnten die bezüglichen Ber-Handlungen des Dresdener Parteitages nicht finden, als in den mit-geteilten Auslassungen geschieht.—Trotz-Bülo«. Der Berliner Leitarttkler der„Frankfurter Ztg."scheint mit seinem Herrn und Meister diesmal wenig zuftieden.Wer was hat er an ihm auszusetzen?„Mahnung und Warnung andie ttotzigen Herren vom Kohlensyndikat", so schreibt er,„kamen zutrotzig heran», und die Polemik gegen die parteipolitischenTendenzen der Sozialdemokratie nahm einen zu breiten Raum ein". Da-gegen lobt sich die Berlin-Frankfurter Diplomaten-Demokratie HerrnMöller:„Er ist wirklich die»erkirperte Objektivität, und soschlecht ihn auch die Herren vom Kohlensyndikat behandelt haben, somischt sich doch in sein ernste» Bedauern, daß sie jetzt mit den Arbeitern nicht verhandeln wollen, keine Spur persönlicher Gereiztheit.Er hält eS für feine und der Regierung Pflicht, weiter zu ver-Mitteln."Man möchte zunächst denken, e» handle sich um ein feinesDiplomatenkunststück: Graf Bülow habe sich bei seinem Lothar B u ch e rein Zeugnis feine» hervorragenden Mutes im auffallenden Plakatstileines Scheintadels bestellt. In Wirklichkeit erklärt sich aber dieSache viel einfacher. Die Frankfurter Kritik bezieht sich nämlich aufdie Red«, die der Reichekanzler nicht gehalten hat. weil ihmGenosse Hue da» Konzept dazu verdarb. So rezensiertHerr Stein den Grafen Bülow wohlgemut al» trusilrovigenrasenden Roland; da» Stück aber ist inzwischen der bekannten„em,getretenen Umstände halber"— abgesagt worden. Dergleichenkommt vor, wo Theater gespielt wird.—Ländliche Kulturbilder.AuS Königsberg wird uns geschrieben:Auf dem Gute Katzenblick im Landkreise Fischhausen wohntder Frciarbeiter R. zu Miete und arbeitet gegen einen Tagelohnvon 1,20 M. im Winter und 1,50 M. im Sommer dort. Laut Kon-ttatt ist auch seine Frau verpflichtet, auf dem Gute zu arbeiten, wennsie gebraucht wird.Am 15. Dezember v. I. fühlte sich die Frau R. recht krank undsagte zumKämmerer, sie werde loohl nachmittags nicht zurArbeit kommenkönnen. Der in der Nähe stehende Verwalter des Gutes. Herr Passarge,rief da�wiscken:„Was, die alte faule Sau will nichtarbeiten?" Als die Frau nun auch etivas erwiderte und sich der-artige Schinipferei verbat, schrie der Verwalter: sie solle dieFresse halten, sonst wolle er ihr einS reindreschen. Als die Frau darauf nach ihrem Stall ging, ging derVerwalter ihr nach und schlug nun die wehrlose Frauin unbarmherziger Weise, bis sie blutüber-strömt zusammenbrach. Dann riegelte er dieTür von draußen zu und überließ sie ihremSchicksal. Als sie sich ein wenig erholt hatte, mußte siedas Fenster in der Türe einschlagen, um ins Freie zugelangen. Nachdem eine Rachbarstrau ihr dann das Blutabgewaschen hatte, begab sie sich nach dem nahe gelegenen DorfeWargen zu dem Gendarm, um Anzeige zu erstatten und dessenSchutz gegen den Verwalter nachzusuchen. Der Gendarm erklärteaber, die Sache ginge ihn nichts an. Inzwischen war das Gesichtund der Kopf zu einer schwarzblauen Masse angeschwollen. Daslinke Auge stand schwer verletzt weit aus dem Kopfe. Die Frauging daher zu der an Stelle eines Arztes in Wargen stationiertensogenannten„barmherzigen Schwester".Zu Hause angekommen, mußte sich die Frau sofort zu Bettlegen. Ihr Ehemann ersuchte nun den Verwalter Paffarge,»hm einFuhrwerk zu geben, um zum Arzt nach der Stadt zu fahren. DaSwurde ihm vom Verwalter verweigert. Auch andere Besitzer ausder Nähe verweigerten die Hergabe eines Fuhrwerks, einige, weil siekeine Zeit hatten, andere, weil, wie sie sagten, sie mit dem HerrnPassarge sich nicht erzürnen wollten. Dieser hatte aber am anderenMorgen die„barmherzige Schwester" zu der Frau holenlassen, die im Gespräch den Eheleuten davon abriet, gegen den Ver-walter zu klagen.Die mißhandelte Frau mußte nun 14 Tage zu Bett liegen.Dem Manne, der seine Frau bedienen muhte, wurde aber gedroht,wenn er nicht zur Arbeit komme, werde man ihn aus der Wohnungschmeißen.Der Verwalter ist sich übrigens seiner strafbaren Handlungwohl bewußt, denn er hat zu dem Ehemann der gemißhandeltenFrau gesagt:„Ich weiß wohl, daß ich verspiele, wenn ich angeklagtwerde, aber dann müßt Ihr sofort die Wohnung verlassen." DerBesitzer des Gutes wohnt in Königsberg.Ein anderes Bild: Der Justmann S. wohnt und arbeitetseit 23 Jahren bei verschiedenen Besitzern im Dorfe Kalkeim imKreise Königsberg. Seit ö Jahren sieht er im Dienste bei demGutsbesitzer und Gemeindevorsteher Bastian daselbst.Im Oktober vorigen Jahres mußte der Jnstmann mit feinerFamilie aus der bisherigen Wohnung ohne vorherige Kündigungheraus und in eine kleine, an den Viehstall augebaute, noch nichtausgetrocknete Stube ziehen, ohne daß ihm vorher die alte Wohnung«kündigt war. Seine Wfttschastsfachen mußte der Mann, weil dieöttibe zu klein war, bei Nachbarn unterbringen, zerkleinern oderauf dem Hofe stehen lassen. Jetzt im Winter läuft nun das Wasservon den Wänden, bei Frost liegt handhoch Schnee darauf. DasStroh, da« den Leuten als Unterlage im Bette dient, istin 14 Tagen so naß und verfault, daß es auf den Misthaufengeworfen werden muß. Die Kleider im Schrank sind mitSchimmel bedeckt und die Möbelstücke verstockt. Durchdie nicht schließenden Türen und die offenen Fugen inden Brettern jagt der Schnee in den Hausflur und in die Stube.Der Kamin, der In der Stube steht, hat keinen richtigen Abzug.Wenn mit dem als Brennmaterial gelieferten nassen Strauch geheiztwird, ist die ganze Stube voll Oualm. In dieser pestarttgen Luftmüssen die Leute schlafen, wenn sie schlafen können. Stundenlangsitzen sie des Nachts im Bett und husten.Am 5. dieses Monats besuchte ein Genosse au» Königsberg dieLeute in dieser Wohnung. Das hatte der Besitzer gemerkt. Als nachder Mittagspause die Tochter dieser Leute, die al« Scharwerkerin beiihren Eltern für den Besitzer gegen 30 Pfennige Tagelohn dient, zurArbeit kam, fragte der letztere, wer der Herr sei und waser wolle. Das Mädchen sagte, sie wisse es nicht. Darauf jagte derBesitzer und Gemeindevorsteher da? Mädchen mit den Worten:„Mach Du dämliches Ding, daß Du ran» komm st I"auS der Arbeit. Am andern Tage holte er das Mädchen jedochwieder. Nun sagte dessen Vater, wenn der Besitzer seiner erwachsenenTochter nicht wie den anderen Frauen und Mädchen 40 bis 50 Pf.Tagelohn gebe, dann müsse sie sich andere Arbeit f ichen. Daraufentließ der Besitzer auch den Jnstmann sofort auS der Arbeit. Ergab ihin einen Zettel, in dem der Mann aufgefordert wurde, binnenvier Tagen, also bis zum 12. dieses Monats, die oben be-zeichnete Wohnung zu räumen. Bei der Verrechnung zogder Besitzer von dem rückständigen Lohn de« Jnstmann»» nebenanderen Beträgen sür jeden Tag, den da» Mädchen infolge der Ent-lassung die Arbeit versänmt hatte. 1 Mark ab, trotzdem daSMädchen nur 30 Pfennig pro Tag eihalten hatte.So sieht es in Ostpreußen mit dem Kontrattbruch der Arbeit-geber auf dem Lande aus._Zum Hercrokrieg.Die bürgerliche Presse konstatiert, daß nach den letzten Nach-richten deS General Trotha der Hererokriegeigentlich zuEnde sei. Eine Anzahl der Führer, darunter Samuel Maharero,seien über die englische Grenz« gegangen. Wilhelm Maharero,dessen Mannschaften sich noch im besten Zustande befunden hätten,haben sich fteiwillig ergeben.„Der dicke Bägno," so lesen wir in der.Deutschen Zeitung",„tot, Mambo und der dreiste Tjetjo, derFührer bei Omikokorero, verdurstet, Pferde und Vieh auf der Herero-nte ganz eingegangen. Ter Reichtum deS Landes also nach diesersiichtung hm gewaltig zerstört."' Aber selbst der Kleinkriegwerde nicht mehr lange dauern. ES bleibe den Hererosalso nichts anderes mehr übrig, als sich unseren Truppen zu e r-geben. Der„Deutsche Zeitung" fügt hinzu:„Daß alle Kapitäne, Großleute, Rädels-f ü h r e r und Mörder erschossen werde», bleibt selbstverständlichBedingung. Und außerdem darf daS Volk der HereroS nicht wiederzusammenkommen."Also auch jetzt, nachdem der zahlreiche Stamm der Hcrerosfast»ollständig ausgerottet ist, hat man der Rache noch nicht genug,auch die Ucbrrlebenden sollen noch dezimiert werden. Auf diesenStandpuntt stellt sich sogar das„Berliner Tageblatt", daserklärt, daß die Ergebung der zerstreuten Hererobanden nur unterder Bedingung angenommen werden dürfe, daß sie ihreHäuptlinge ausliefern. Dies« Bedingung bedeutet nichtsanderes, als daß auch noch der Rest der HereroS verhungern soll,denn daß eS den vollständig zeustreuten Banden gar nicht möglich ist,die Häuptlinge auszuliefern, sollte auch daS„Berliner Tageblatt"kapieren. Werden solche Bedingungen trotzdem gestellt, so bedeutetdas nur die vollständige Ausrottung der HereroS und dir Ber-langerung des Krieges.Die„Frankfurter Zeitung" wundert sich denn auchdarüber, daß trotz der vollständigen Niederwerfung der Hererosimmer neu« Truppen nach Südwestafriko geschickt wurden.'Selbstwenn man auch die Ovainbo» zu entwaffnen Wunsche, sei die Zahlvon 12 000 Mann, die man künftig noch in Südwestafrika la/denwill zu hoch. Sicker könne man mit einer weit geringeren Truppen-zahl auskommen. Das stimmt allerdings, freilich unter der Voraussetzung daß die Bedingungen, die das..Berlin«: Tageblatt" dar»schlägt, nicht gestellt werden. Dem fteisinnigen Blatt kommt eSaber gar nicht darauf an, ob die Hunderte von Millionen, die unsohnehin der Krieg kostet, noch um etliche Dutzend vermehrt werden!Unterschiede werden nicht gemacht!Die„Rheinisch-Westfälische Zeitung" veröffentlicht Stellen auSFeldpostbriefen eines südwesiafrikanischen Offiziers. In diesenBriefen ist folgende interessante Stelle enthalten:„Unserer Kompagnie war die Aufgabe zugefallen, die in derLinie Okosondusu-Otjimbinde liegenden Wasserstellen zu besetzenund gegen die etwa zurückflutenden Hereros zu verteidigen. Sokam ich nach Otupava, einer guten Wasserstelle. Wir lagen dort2 Offiziere und 24 Mann und hatten noch zwei nördlicher gelegeneWasserstellen durch Patrouillen im Auge zu behalten. Hier geschahes, daß ich an einem Morgen beim PUrschgange statt eines BockeSeinen Herero zur Strecke brachte. Noch an demselben Tage hattenwir ein kleines, aber heftiges Patrouillengefecht. Die Patrouillennach den erwähnten Wasserstellen ritten Leutnant Kl. und ichabwechselnd je nach den von unserem Wacht-Termitenhügel ficht-baren Feuern der hier massenhaft umherschweifenden Hereros.Es waren dies jedoch weniger sogenannte Orlogleute, sondern mehrFeldherrros. die meist keine Gewehre hatten und von den eigent-lichen Hereros als Biehtreiber und Dienende benutzt wurden. Diesehatten vielfach die Gelegenheit benutzt, ihren Herren zu entlaufen.Wir können da aber keinen Nnterschied machen."Auch dieser Brief zeugt wieder von der„Humanität"unserer südwestafrikanischen Kriegsführung I Wehrlose«erden skrupel-los niedergemacht, ganz gleich, ob es sich um Orlogleute, daS heißtKrieger, oder um wehrlose Viehtreiber handelt. Man macht darinkeinen Unterschied. Auch die Wehrlosen werden„zur Streckegebracht", wie ja der gemütvolle Ausdruck in dem Briefe selbstlautet. Die Leute sind ohne Gewehre, ohne Waffen, sie haben sichvon den Kriegerbandcn der Hereros hinwcggestohlen, abersie werden gleichwohl niedergeknallt.„Wir können da aberkeinen Unterschied machen." An einer anderen Stelle beweistder Offizier, der hier mit eitter Brutalität ohnegleichen vondem Niederknallen wehrloser Leute spricht, doch noch ein wenigMenschlichkeit. Er erzählt:„An einem anderen Morgen griff ich auf der Früh-Pürsche einen kleinen Herero auf. Ich nahm ihn mitmir und habe den kleinen Mann zu meinem Leibpagenernannt. Er tut mir schon allerlei kleine Handreichungen undweiß genau mit meinen Sachen Bescheid.„Fritz" hat großeIntelligenz und einen gewaltigen Respekt vor mir.viel Vergnügen machen mir die täglichen Unterrichtsstunden, indenen ich ihm durch Zeigen von Gegenständen Deutsch beibringe.Er paßt sehr genau auf mid lernt vorzüglich. Natürlich habenwir dabei und auch sonst viel Spaß mit dem kleinen schwarzenGesellen. Wenn ich ihm ein Stückchen Zucker oder dergleichenreiche, guckt er mich mit seinen blanken Kmderaugen so rührendglücklich an, daß mir ordentlich immer warm ums Herz wird.Wenn sonst nichts dazwischen kommt, soll es mir eineschöne Aufgabe sein, dieses schwarze Menschen-kind der Gesittung und dem Christentum zuzu-führen."Ob es dem Briefschreiber niemals zum Bewußtsein gekommenist. daß Tausend« solcher kleinen„schwarzen Gesellen" ihre„blankenKinderaugen", die so„rührend" blicken können, dadurch dem qual-vollen Tode des Berschmachtcns ausgeliefert worden sind, daß mannach der Trothakchen Strategie Monate hindurch nach der militärischenUnterwerfung der HereroS systematisch keinen Pardon gab, sonderndie zu den Lagerfeuern unserer Truppen kommenden Weiber undKinder erbarmungslos wieder in die Wüste hinauStrieb?!Schweden.Dor schwedische Reichstag, der in dieser Woche zusammengetretenist, ist in sein neneS Heim, dem neuen prächtigen Reichsiagsae'oäudeauf HelgolandSholmen, einer kleinen Insel mitten in Stockholm, ein-gezogen. Leider bleibt der Reichstag selbst, vorläufig wenigstens,auch im neuen Hause da» alte Klassenparlaiiieut, zu dessen ZweitenKammer, der„Volkskammer", nur etwa 27,7 Proz. der erwachsenenMänner Schwedens wahlberechtigt sind.„Ein Vorschlag über erweitertes Wahlrecht zu»Zweiten Kammer wird Ihnen wieder vorgelegt worden", so wurdein der Thronrede ausgeführt und weiter:„DerVorschlag schließt sich b e i n a h e g a n z un dgar dem an. der dem vorjährigen Reichstagevorgelegt wurde und der bei den damals geführten Ver-Handlungen sich als derjenige erwiesen hat. der geeignet schien, dieineisten Stimmen zu erhalten."Der Wahlrechtsvorschlag. von dem hier die Rede ist, wird be-kanntlich von der Arbeiterschaft verworfen, weil er zu einer Stärkungder Ersten Kammer führen niuß und somit die den herrschendenKlasien unentbehrlich scheinende Garantie gegen die Demokrattsterungdes Parlaments bietet.—_Die Bewegung in Nntzland.Petersburg, 21. Januar.(Meldung der„Petersburger Telegr.»Agentur".) Auf morgen ist Militär zusammenberufen zur Bewachungder Fabriken und Werkstätten im Falle von Arbeiterunruhen. Bor-aussichtlich werden auch die Arbeiter in dem nahegelegenen Kolpinoin den Ausstand tteten.Die Meldung, in der Holzladung einer Barke auf der Newasei eine zweite Kartätsche gefunden worden, ist völlig unbegründet.Petersburg, 21. Januar.(W. T. B.) Die Staatsbankwird feit heute abend militärisch bewacht.Ter Bannfluch über Priester Gapon verfügt.Petersburg. 21. Januar.(W. T. B.) Der Priester Gapon, derFührer der Arbeiter, hat gestern an den Kaiser einen Brief gerichtet,mit der eindringlichen Bitte, morgen um 2 Uhr nachmittags imWinterpalaiS die Petition der Arbeiter entgegenzunehmen. In einemBriefe an den Minister deS Innern weist Gapon darauf hin, daß esdie Pflicht deS Minister» sei, auf den Kaiser einzuwirken, daß er dieseBitte erfülle. Um sein« Sicherheit brauche er nicht besorgt zu sein,die Arbeiter würden ihn schützen. Gapon hatte mit dem Justiz-minister eine lange Unterredung. Der Minister nahm die For-dcrungen der Arbeiter zur Kenntnis und äußerte, jeder müsse diePflicht erfüllen, nach seiner Ueberzeugung zu handeln. DerMetropolit Antonius hat über Gapon das Anathema ausgesprochen,da dieser daS Volk in schwerer Zeit aufreize.Letzte JVaebnebten und Pepefchen.Die Briefe des Generals Kretfchman.Leipzig. 21. Januar.(W. T. B.) Da» Reichsgericht verwarfheut« die Revision de» Geschäftsführers der„Mainzer Volks-z e i t u n g" Döller, der wegen Veröffentlichung von Abschnitten auSBriefen de» Generals Krctschman, durch die sich zwei Offizierebeleidigt fühlten, am 26. September v. I. vom Landgericht Mainzzu 100 Mark Geldstrafe verurteilt worden war.Treibei».Ruhrort. 21. Januar.(W. T. B.) Das Treibeis hat sich inden letzten Tagen so stark vermehrt, daß die Schiffe den hiesigenHafen aufsuchen. Die„Ruhrorter Zeitung" erklärt, die Benutzungdieses Wasserweges durch englische und belgische Kohlenschiffe seivorläufig ausgeschlossen.B«antw,RedaNu PaulBüttner, vetttn. Inserat« venmtw.(mU Ausnahm« der.ReueWell'-Beilage):TH. Glocke, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Suchdr. u PerlagSanstPaul Singer&®o., Berlin SW. �*' �ttlngenu.ttnterhaltuugSKl.