Der gar ließ ftch erft nach längerem Widerstreben dazu be stimmen, feine Familie nach Peterhof zu begleiten. Ob er dort bleibt oder sich nach Livadia begibt, hängt von den Ereignissen ab. Die Kaiferin- Mutter wollte den gegen das Schloß sich bewegenden Boltsmassen entgegenfahren, der Zar wollte sie begleiten, da kam aber telephonisch die Nachricht, daß die Manifestanten zersprengt feien. Infolgedessen unterblieb die Fahrt.
Großfürst Wladimir, der Henker von Petersburg , übermittelt dem Zaren nur die von den Behörden veröffentlichten falschen Zahlen über die bei den gestrigen Vorgängen Getöteten und Verwundeten. Unter der Bevölkerung herrscht tiefste Erbitterung und Verachtung über die Verlogenheit des amtlichen Berichts.
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Diplomatische Intervention?
geplauderten und in weiten deutschen sozialdemokratischen Kreisen gehegten Gedankens einer Massendemonstration haben kann. Zwar hat auch Bernstein zugegeben, daß es bei dieser MassenSemonstration etwas Schrammen" setzen könnte; allein das dürfe die Arbeiter nicht daran hindern. Auch die russischen Arbeiter sind von ihren revolutionären Führern und hingebend unterstützt durch die deutsche Sozialdemokratie in die unblutige" Demonstration hineingetrieben worden. An die ,, Schrammen", die sie dabei erhalten haben, werden sie lange denken, und sich dafür bei ihren Führern hoffentlich entsprechend bedanken. Die„ unblutige" Straßendemonstration sollte die Träger der Staatsgewalt einschüchtern und zur Probe für das Verhalten des Militärs dienen. War doch den Arbeitern vorgeredet worden, gewisse Truppenteile würden mit ihnen gemeinsame Sache machen! Die Revolutionäre wollten zum Blutvergießen durch ihre friedliche" Straßendemonstration anreizen, um die Massen dadurch zu fanatisieren und zu revolutionären Taten anzuspornen. einzusehen, daß die Flintenschüsse von Petersburg das Signal zu Am legten Ende scheint auch die Konservative Korrespondenz" revolutionären Taten ist.
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Wird das Europa , das sich gesittet nennt, der Menschenschlächterei des Zaren ruhig zusehen? In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag soll ein besonderes Arbeiterfomitee beschlossen haben, die fremden Votschafter um Einmischung der Mächte anzugehen. Nach einer Nachricht, die der„ LokalDie Behauptung, es sei am Sonntag von seiten der Arbeiter Anzeiger" aus Paris erhielt, erklärte der General Sacharow, ein gewalttätiges Vorgehen geplant gewesen das Hauptargument daß Konflikte mit auswärtigen Mächten zu befürchten der Reaktionäre stammt aus einem freisinnigen Blatte. Wohl wären. Betit Journal" bestätigt, daß Sonntag 8% Uhr ohne schändliche Absicht, aber mit geradezu verbrecherischer Leichteine hochstehende Persönlichkeit vor einer Botschaft an- fertigkeit hatte das Berliner Tageblatt" am Sonntag morgen eine gespieen worden sei, weil sie sich weigerte, den Schlitten zu infam- sensationelle Lockspikel- Meldung gebracht, in der es hieß: verlassen und der Aufforderung, niederzuknieen und um VerSollte der Bar fie( die Bittschrift) nicht entgegennehmen, so demoliert würde das Winterpalais gestürmt und und die zeihung zu bitten, Folge zu leisten. Stadt in Brand gesteckt werden.„ Und das Militär?" warf ich ein.„ Wir haben Nachrichten," antmete mir ein Mitglied, daß vier Regimenter bereits ertinet haben, nicht auf uns schießen zu wollen. Vielleicht ist die Nachricht falsch, aber wir find entschlossen, unsere Sache mit Gewalt durchzuführen."
Es wäre kindisch, in dergleichen geringen Zwischenfällen den Grund einer diplomatischen Einmischung zu suchen. Nicht um angespieene Herren oder besudelte Wappenschilder handelt es sich jetzt, sondern um die Ehre der Menschheit, die unweigerlich verlangte, daß dem Schlächter Zar ein Mächtigerer in den Arm fiele. Das offizielle Rußland fann nur mehr über wehrlose Arbeiter siegen, aber bewaffneten Mächten müßte es sich fügen, sobald sie nur den Finger an den Hahn legten. Was wird Deutschland tun? Es ist wie Cordelia, es schweigt, wo es liebt! Panit in Moskau .
Brivatmeldungen über die Sonntagsvorgänge in Peters burg riefen in Moskau eine Panik hervor. Die Filiale der Petersburger Agentur wurde förmlich bestürmt, um Auskünfte über die wahre Sachlage zu geben. Die Börse war flau. Die Aufregung war um so größer, als die Stimmung ohnehin erregt ist. Für den 26. wird ein allgemeiner Ausstand er
wartet.
Wegen befürchteter Unruhen verfügte der Stadthauptmann, daß die Gasthäuser von 7 Uhr abends ab gesperrt und keinerlei Versammlungen abgehalten werden dürfen.
Die Marinedepots von Sewastopol in Flammen. Die Marinedepots von Sewastopol stehen in Flammen. Montag nach dem zweiten Fabrisignal zum Sammeln der Arbeiter, um 7 Uhr morgens, brach in verschiedenen Werkstätten der Admiralität Feuer aus. Fast gleichzeitig stand das Dach des Gebäudes in seiner ganzen Ausdehnung in Flammen. Der Brand wuchs so rasch, daß die Arbeiter der Modellabteilung kaum durch einen Sprung durch das Fenster sich auf das Nachbardach retten konnten. Die Ursache des Brandes ist nicht bekannt. Der Schaden beträgt einige hunderttausend Rubel. In den Werkstätten sind gegen 1500 Arbeiter beschäftigt. Dank der vielen Vorkehrungen gegen eine Feuersgefahr gelang es, viele Hafengebäude zu retten. Der Brand war um 1 Uhr nachmittags lokalisiert.
Pobjedonoszew- frank.!
Die Petersburger Telegraphenagentur meldet: Der Oberprokurator des heiligen Synods, Pobjedonoszew, ist gefährlich ertrantt.
Das Nachspiel der Wasserweihe.
Der Kommandant und der älteste Offizier der Gardebatterie, welche während der Wasserweihe am 19. d. Mts. die Salutschüsse abgab, Kapitän Dawidoff und Stabstapitän Karzeff, find am Sonntag verhaftet worden.
Die Internationale der Neaktion.
Nicht alle Organe des reaktionären Preußen- Deutschlands haben es verstanden, das menschliche Grauen niederzufämpfen, das sie angesichts der entseglichen Schlächterei des garen, ihres glorreichen Verbündeten ergriffen hat. Die offiziöse Bresse hat in diesem Augenblick, in dem sich auch dem letzten Mann seine Meinung über die Lippen drängt, nichts zu sagen. Der Reichs- Anzeiger" leitet die Wiedergabe der Petersburger Grenelnachrichten im Stil eines bedeutungslosen Polizeiberichts ein:" In St. Petersburg ist es gestern zu Zusammenstößen zwischen dem Militär und den Arbeitern gekommen." Einen vorsichtigen Schritt tritt die Norddeutsche Allgemeine Zeitung" aus ihrer Reserve heraus. Sie schreibt nämlich:
Wie vorherzusehen war, ist es gestern in Petersburg zu Zusammenstößen zwischen den demonstrierenden Arbeitermassen und der bewaffneten Macht gekommen, wobei eine Anzahl Arbeiter tot auf dem Blaze blieben und zahlreiche Verwundete nach den Krankenhäusern und sonstigen Verbandsstellen geschafft werden mußten.
würde.
Das offizielle Organ hat es also vorhergesehen", daß der Bar, dem es die Freundschaft hält, wehrloſe Untertanen, die ihm eine Bittschrift überreichen wollten, zu Tausenden niederknallen lassen Die eigentlich fonservativen Seitungen verhehlen es sich nicht, daß das System, das sie vertreten, schließlich nur mehr hinter einem Wall von Leichen existieren kann. So schreibt die„ Kreuz- Zeitung ": Die Revolution hat in Petersburg gestern drohend ihr Haupt erhoben, und wer auch heute noch das Vorgehen der Arbeiter als eine nur dem Frieden gewidmete Sache ansieht, der muß entweder fehr harmlos oder sehr interessiert sein.
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Einem solchen Ansturm muß der Staat aber seine volle Autorität entgegensegen oder er ist verloren. Die Geschichte hat erwiesen, daß jedes Nachgeben den Zusammensturz, das Ende mit Schrecken so gut wie verbürgt, und es ist eine alte Erfahrung, daß unerbittliche Energic im richtigen Augenblicke bei weitem humaner ist, als unentschlossenes Schwanken. Die Opfer, die erstere auch fordern mag, find gering jenen gegenüber, die stets eintraten und auch eintreten mußten, wenn die Zügel der Regierung am Boden schleiften. hom
Der Standpunkt der Kreuz- Zeitung" entbehrt nicht einer gewiffen Logit; dabei muß es freilich zweifelhaft sein, ob eine loyale Rundgebung der richtige Augenblick ist, um den Massenmord loszulassen. Die Kreuz- Zeitung " weiß, daß wer herrschen oder zur Herrschaft gelangen will, auch das Töten verstehen muß. Die russischen Revolutionäre werden das aber am Tage nach dem Petersburger Blutsonntag auch wissen.
Die Konservative Korrespondenz" schwelgt bereits in dem Gedanken, daß sich das System des Selbstherrschertums in Deutschland 3 demselben Höhepunkt„ unerbittlicher Energie" erheben tönnte. Dabei sett sie voraus, daß man in Deutschland ebensogut eine Treibjagd auf friedliche Demonstranten veranstalten könnte wie in dem vorbildlichen Barenreich. Sie meint:
Der Verlauf der am Sonntag in Petersburg stattgehabten großen Arbeiterdemonstration ist ein Schulbeispiel für die verhängnisvollen Folgen, die die Ausführung des von Bernstein aus
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Aus den Gefichtern, die ich um mich sah, sprach finsicce Ents schlossenheit. Somit erscheint morgen ein blutiger Zusammenstoß muansbleiblich, denn die Regierung will nicht nachgeben und ist auf eine Katastrophe vorbereitet.
Diese Nachricht, die vom„ Streiffomitee" stammen sollte, aber zweifellos erlogent ist, wurde in Berlin am Sonntag um 6 Uhr morgens öffentlich verbreitet und war naturgemäß kurz darauf in den Händen der Petersburger Polizei! wenigstens will sie sich fein Urteil darüber anmaßen, ob es mit Die scharfmacherische" Post" ist mit der Strede zufrieden; etwas weniger Blutvergießen abgegangen wäre. Sie äußert sich folgendermaßen:
Die Schuld an diesen bedauernswerten Vorgängen tragen in erster Linie die Arbeiter und ihr Führer. Zwar versicherten die Arbeiter ihre vollkommene yuedfertigkeit, aber man darf doch nicht vergessen, selbst wenn man diese Versicherung ernst nimmt, daß die gefährlichste Bestie ein übermächtiger Volkshaufe ift.
Selbstverständlich haben wir, selbst wenn wir die Unterdrückung solcher eigenartiger Massendemonstrationen für das Recht und die Pflicht einer jeden sich selbst achtenden Regierung halten, noch keine Veranlassung, uns mit der Art und Weise einverstanden zu erklären, in der die Aufrechterhaltung der Ordnung von seiten der Staatsgewalt durchgeführt wurde, und es scheint tatsächlich, daß es wohl möglich gewesen sein dürfte, die Ordnung mit etwas weniger Blutvergießen aufrechtzuerhalten. Doch sind das Fragen, die sich ohne genaue Kenntnis der Berhältnisse nicht entscheiden laffen. Jedenfalls muß das eine anerkannt werden, daß die militärischen Maßnahmen rechtzeitig getroffen waren.
Mann, der den friedlichen Demonftranten das Kreuz vorantrug, Auch der pastorale Reichsbste" fcheint zufrieden. Gegen den zetert er also:
Man hatte der Revolte den Schein einer Arbeiterdemonstration gegeben; aber tatsächlich war es die politische Revolution, zu der man die Arbeiter willig gemacht hatte, indem man ihnen vorspiegelte, es handele sich um ihre Interessen; tatsächlich aber ist in der Petition an den Baren von speziellen Arbeiterinteressen taum die Rede; vielmehr wird gleiche Gerichtsbarkeit, persönliche Freiheit, Glaubensfreiheit, Amnestie für alle politischen Verbrecher, Breßfreiheit, fofortige Beendigung des Krieges, Best ungen des Marine- Amtes im Inland verlangt. Das sind laue politische Forderungen eine speziellen Arbeiterforderungen.
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Dagegen fönnen die nächsten Gesinnungsgenossen der" Post", die Berliner Neueste Nachrichten" sich eines gewissen menschlichen Empfindens nicht erwehren. Denn sie schreiben:
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Das allgemeine menschliche Empfinden wird zu dem Ergebnis tommen, daß trotz der großen Gefahren die Behörden gestern anders hätten handeln sollen. Die Aufrührer waren nicht bewaffnet. Es scheint, als würden sie sich begnügt haben mit der Annahme ihrer Bittschrift.
Die Petersburger Arbeiter haben eine schwere Niederlage er litten. Aber daß den modernen Waffen gegenüber die Arbeiter noch erfolgreich werden könnten, darf als ausgeschlossen angesehen werden. Eine Niederlage hat dennoch auch die Regierung erlitten. Ein Bild des Schreckens und des Grauens und noch kei:: e Hoffnung, daß es besser werden könnte!
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Auch die agrarische Deutsche Tageszeitung" hält das Blutbad vom Sonntag für einen schweren Fehler der russischen Regierung. Sie läßt sich folgendermaßen vernehmen:
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zu laden. Du siehst vor dir Menschen dieselben, aus deren Reihen du genommen bist, Männer in Schafspelzen, in Baft schuhen und Frauen, bedeckt mit Kopftüchern, in Jacken, genau solche Frau, wie deine Frau oder deine Mutter.
Den ersten Schuß befiehlt man dir über die Köpfe der Menge zu richten. Aber die Menge geht nicht auseinander und schreit noch lauter; und nun befiehlt man dir zu schießen, wie es fich gehört nicht über den Kopf, sondern gerade in die Mitte der Menge.
Man sucht dir einzuprägen, du trügest feine Verantwortung dafür, was durch deinen Schuß entsteht. Aber du weißt, daß jener Mann, der vom Blute überströmend, fallen wird, von dir und von niemand anderem getötet ist, und du weißt, daß es an dir gelegen hat, nicht zu schießen und dann wäre der Mann nicht tot gewesen.
Was sollst du nun tun? Es genügt nicht, daß du das Geivehr herunterstellst und dich weigerst, jetzt auf deine Brüder zu schießen. Morgen kann sich ja dasselbe wiederholen, und daher, ob du es willst oder nicht, mußt du gut nachde ten und dich fragen, to a 3, das ist der Stand des Soldaten, der dich dahin ge= bracht hat, daß du auf deine wehrlosen Brüder schießen mußt?" In einem anderen Auffaze Tolstois," Die Erekution",
heißt es:
Der Zug, dem ich am 9. September begegnet bin, der Soldaten, Gewehre, Schießpatronen und Ruten zu hungernden Bauern führt, um einen reichen Gutsbesitzer im Besize eines fleinen Waldes zu befestigen, den er den Bauern weggenommen hat, den er nicht braucht, der aber die Bauern auf das dringendste brauchen, zeigte mit einer schlagenden Klarheit, in welchem Maße sich bei den Leuten die Fähigkeit entwickelt hat, die ihren Ueberzeugungen und ihrem Gewissen zuwiderlaufendsten Dinge zu tun, ohne es zu sehen.
Alle diese Leute, die unterwegs waren, um hungernde und wehrlose Leute zu töten oder zu mißhandeln, diefelben Leute, von denen sie ernährt werden, hatten das Aussehen von Leuten, die fest davon überzeugt waren, daß sie gerade das tun, was sie tun sollen und sogar etwas stolz sind, damit sich brüsten, daß sie dieses Werk tim."
Ueber die Soldaten, die im Zuge fahren, sagt Tolstoi im besonderen:
,, Sie alle, die zum größten Teil Bauernföhne sind, wissen, in welcher Angelegenheit sie fahren, sie wissen, daß die Gutsbesizer immer die Bauern bedrücken, und daß es auch in diesem Falle nicht anders war. Außerdem liest ein großer Teil dieser Leute Bücher, und zwar nicht allein solche Bücher, in denen das Kriegshandwerk gerühmt wird, sondern auch solche, in denen seine Unsittlichkeit nachgewiesen wird. Mit ihnen dienen oft zusammen freigesinnte Kameraden, Freiwillige und auch von derselben Art junge liberale Offiziere, und unter ihnen ist bereits der Samen des Zweifels über die absolute Gesetzlichkeit und über die Vornehmheit ihrer Tätigkeit ausgestreut. Allerdings find fie alle durch den schrecklichen, geschickten, während Jahrhunderten ausgearbeiteten Drill hindurchgegangen, der jede Selbtätigkeit des Menschen tötet, und sind so angewöhnt an einen mechanischen Gehorsam, daß bei den Kommandoworten: Die Front schießt! Front Schuß... usw. die Gewehre sich bei ihnen von selbst erheben und die gewohnte Bewegung gewedt werden. Aber das „ Schuß"! heißt jetzt nicht mehr wie beim Schießen nach Bielscheiben, sich zu amüsieren, sondern es heißt, seine gequälten, ausgebeuteten Väter, Brüder zu töten, die hier in Haufen mit Weibern , Kindern auf der Straße stehen und ein wenig schreien, indem sie mit den Händen gestikulieren. Da stehen sie der eine mit einem dünnen Bart in einem geflicten Bauernrock und Bastschuhen, der genau so aussieht, wie der Vater, den er zu Hause im Gouvernement Kasan oder Rjäsan zurückgelassen hatda steht einer mit einem weißen Bart, mit gebücktem Rücken, mit einem großen Stock, ganz wie der Vater ihrer Väter, der Großvater, da steht ein junger Bursche in Stiefeln und rotem Hemd, genau so einer, wie er selbst war, der Soldat, der auf ihn schießen muß. Und da steht eine Frau in Bastschuhen in einer Baneta*), die sieht genau so aus wie die Mutter, die er zu Hause gelassen hat.
Und auf die soll er wirklich schießen?
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Gott allein weiß, was jeder Soldat in diesem letzten Augen blick tun wird. Ein einziger geringster Hinweis darauf, daß er das nicht tun darf, und, was die Hauptsache ist, daß er das nicht zu tun braucht, ein einziges solches Wort, eine Andeutung wird dann genügen, um sie zurückzuhalten."
Der Generalstreik im Ruhrrevier
ist auch am Sonntag völlig ruhig verlaufen. Nirgends tam es zu Ausschreitungen.
Die Zahl der Ausständigen wird amtlich folgendermaßen angegeben:
Essen, 23. Januar. In den 18 Bergrebieren der Oberbergamts- Bezirks Dortmund fehlten heute von der Gesamtbeleg schaft von 240 976 Mann der vom Ausstand betroffenen Zechen 195 071 gegen 193 438 vom 21. d. M., mithin ist eine Zunahme von 1633 zu verzeichnen.
In Wirklichkeit ist die Zahl der Streifenden bekanntlich noch beträchtlich höher.
Diener der Kirche und der Generalstreik. Unser E- Korrespondent schreibt uns:
Was leicht hätte vermieden werden können, ist nun doch eingetreten. Die russische Hauptstadt ist gestern der Schauplas einer blutigen Revolte gewesen, und die Nuhe ist auch heute noch nicht eingefehrt, man erwartet im Gegenteil noch blutigere Zusammen stöße. Es ist ganz anders gekommen, als Fürst Swiatopolt. Welche Sympathie der Streit in der Bürgerschaft besitzt, wie Mirsky bei seinem Amtsantritt versprochen hatte. Statt einer sehr die Prozigkeit des Bergbau- Vereins Mißstimmung in weite russischen Volksvertretung eine Militärdiktatur in Petersburg ! Kreise der Bevölkerung getragen hat, dafür legte Zeugnis ab eine Wer trägt die Schuld daran? In erster Linie die russische Volksversammlung im Hom bruch. Hier trat der bekannte Pastor Regierung. Morgenstern, vielgenannt als Leiter eines Posaunenchors, als Redner Welche von beiden Meinungen Recht behalten wird, muß die auf. In einer einstündigen Rede, in der er betvies, daß die nächste Zukunft entscheiden. Den Reaktionären, die die russische Regie- Materie ihm nicht fremd ist, über die Technik des Bergbaues rung tadeln und jenen, die sie loben, ist es gleichermaßen darum zu abər fich gut unterrichtet zeigte, ging er scharf mit tun, daß der Schutzhort der Reaktion im Osten erhalten bleibt. Die dem schädigenden Treiben des Grubentapitals ins Gericht einen hoffen, daß die Petersburger Bluthochzeit das Ende der und rechtfertigte den Streit der Streit der Bergarbeiter nach jeder russischen Revolution, die andern fürchten, daß sie erst recht ihr Richtung. Aber mit moralischer Unterstüßung sei es Anfang sein werde. Ob sich diese Furcht oder jene Hoffnung nicht getan, jeder Bürger müsse nach Kräften den bewahrheitet, davon wird zum guten Teile die nächste Bukunft ganz Streifenden finanziell zur Seite stehen. Und der Europas abhängen! tapfere Pastor appellierte nicht vergeblich. Eine vorgenommene Sammlung, an der sich höhere Beamte mit namhaften Beträgen bes teiligten, ergab ein erfreuliches Resultat. In einer Resolution wird sodann noch die Erwartung ausgesprochen, es möge der Regierung gelingen, eine Vermittelung zustande bringen.
Tolstoi über die Soldateska.
In seinem„ Merkblatt des Soldaten" wendet sich Tolstoi , der russische Weltpatriot der Humanität, an die Soldaten, die auf ihre eigenen Brüder schießen:
Aehnlich stellte sich zum Streit ein Kaplan in Lünen , der ebenfalls in einer Versammlung den Streit rechtfertigte und die Unterstügung der Streifenden empfahl.
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Um so peinlicher muß das Verhalten des Pastors von Belsen in einem Ort bei Unna ein sehr reicher Mann berühren. Dieser erklärte mehrfach, der Streit fei uns berechtigt und die Bergarbeiter seien nicht mehr wert, als daß
„ Du bist ein Soldat, man hat dich gelehrt, zu schießen, zu stechen, zu marschieren, Gymnastik zu machen, lesen und schreiben; man hat dich geführt zum und zur Parade; vielleicht bist auch im Krieg gewesen und hast mit den Türken und Chinesen gekämpft, wobei du alles tatest, was dir befohlen wurde; dir ist es nie eingefallen, dich selbst zu befragen, ob das, was du tust, gut fie im Rampfe unterlägen! oder schlecht ist.
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Wie mag sich im Kopfe dieses Dieners der Religion der Liebe die Nächstenliebe ausmalen?
Kriegerverein und Streik!
Auf einmal erhält deine Kompagnie oder deine Eskadron den Befehl, loszumarschieren und Schießpatronen mitzunehmen. Du reitest oder gehest, ohne zu fragen, wohin du geführt wirst. Man führt dich vor ein Dorf oder vor ein Fabriktor und Alles ist vertauscht sogar Kriegervereine sind„ berhezt": Im du siehst aus der Ferne, daß auf dem Play Bauern- oder Fabritom bruch beschloß der Kriegerverein, für dieses Jahr bolt, Männer, Frauen mit Kindern, Greise, Greifinnen haufen- eine Kaifer Geburtstagsfeier stattfinden zu weise umherstehen. Der Gouverneur, der Staatsanwalt mit lassen. Auf Antrag eines Vorstandsmitgliedes wurde weiter Bolizisten treten an den Haufen heran und reden auf ihn ein. ohne wider pruch beschlossen, den durch den Ausfall der Feier Der Haufen schweigt zuerst, dann erhebt sich ein Geschrei, immer ersparten Betrag den Streifenden zuzuwenden! Yauter und lauter, und die Obrigkeit entfernt sich von dem Wolke. Ob die Regierung nun bald merkt, welches Mißtrauen fie fäet Und du errätst, daß hier die Bauern oder die Fabritarbeiter mit ihrer Verteidigung der Grubenbarone? rebellieren und daß du hergebracht bist, um sie zur Ruhe zu bringen. Die Obrigkeit entfernt sich ein paarmal von der Menge Fortgesetzt wird die Deffentlichkeit noch mit falschen Berichten und tritt wieder zu ihr heran, aber das Geschrei wird immer iraktiert. Die Zahlen der angeblichen Arbeitswilligen sind vollständig lauter und lauter, und die Obrigkeit bespricht etwas miteinander und man gibt dir den Befehl, das Gewehr mit Schießpatronen
Falsche Berichte.
*) Bauernfrauenrod aus farbigem Wollenstoff.