Nr. 21.
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22. Jahrg.
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Telegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".
Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutfchlands.
Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Der Sturmeskünder.
Von Magim Gorki St. Petersburg.")
Ueber grauen Meeresflächen Sammeln Winde Wetterwolfen, Zwischen Wolfen und dem Meere
Schwebet stolz der Sturmeskünder,
Einem schwarzen Blize gleichend,
Bald im Flug die Wellen streifend,
Pfeilschnell bald zur Höh' sich schwingend, Schreit er und die Wolken hören
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In dem Schreie kühne Freude. In dem Rufe Kampfessehnen! Zorneswut und Kraft und Feuer, Zuversicht und Siegeshoffnung Hören in dem Ruf die Wolken. Möven stöhnen vor dem Sturm, Stöhnen, flattern über'm Meere; Und auf seinem Grund sich bergen Möchten sie aus Angst vor Stürmen. Dumme Pinguine bergen Ihren feisten Leib im Felsen. Nur der stolze Sturmesfünder Schwebt in fühnem, freiem Fluge leber grauem Meeresschaume. Immer finstrer, immer tiefer Neigen sich zum Meer die Wolken; Und die Wellen jauchzen, tanzen In die Höh', dem Blitz entgegen. Donnerrollen. Wütend schäumen, Stöhnend streiten Wind und Wellen. Da ergreift der Wind, umklammert Fest der Wellen truk 'ge Scharen, Wirft fie dann mit einem Male Voller Wut so auf die Felsen, Daß die glänzend großen Wellen Jäh in Staub und Schaum zerschellen. Schreiend schwebt der Sturmeskünder; Einem schwarzen Blige gleichend Dringt er pfeilschnell durch die Wolfen , Streift den Wellenschaum im Fluge.
Sich: da schwebt er wie ein Dämon Stolz und schwarz: ein Sturmesdämon. Und bald lacht er und bald weint er Und den Wolfen gilt sein Lachen, Und vor Freude muß er weinen.
Denn er merkt, daß im Erschlaffen Längst die Zornestraft des Donners , Und er weiß, die Sonne fönnen Nie die Wolken ganz verdecken, Werden sie durch nichts verdecken. Winde wüten... Donner dröhnen... Und im blauen Licht erglänzen Ueberm Meer die Wolkenmassen. Drauf empfängt die See die Blizze, Löscht sie aus in ihren Fluten
Und wie Flammenschlangen winden
Sich im Meere und verschwinden
Jener Blige grelle Bilder.
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„ Sturm! Bald wird ein Sturm erschallen!"
So der fühne Sturmeskünder
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Schwebend stolz dort zwischen Blizen, Ueberm Meer, das zornig heulet,
Also ruft der Siegestünder:
,, Mag der Sturm noch stärker schallen! Wilder mag das Wetter wüten!"
Kohlenarbeiter- Streit in England
und
Mittwoch, den 25. Januar 1905.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
Sieg der Arbeiter. Hoffentlich werden wir dies auch vom Gruben fonnten ihre aufgehäuften Vorräte mit fetten Profiten an Ausgang des vestfälischen Streits sagen fönnen.
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den Mann bringen. Unter anderem ward festgestellt, daß die Der Gegenstand des Kampfes war, zum Unterschied von dem Grubengesellschaft, der der Präsident des Unternehmerverbandes der westfälischen Bergarbeiter, lediglich die Lohnfrage. Die angehörte, am Verkauf ihrer Vorräte 60 000 Pfd. Sterling- d. h. anderen Forderungen, um welche heute in Westfalen gekämpft wird, eine und ein Fünftel Million Mark über den alten Preis erzielt waren zumeist in England keine Forderungen mehr, sondern an habe. Die Grubenbefizer konnten den Strieg ruhig mit ansehen, die erkannte Rechte der Arbeiter. So war ihnen das Recht Soften fielen auf die Arbeiter und das Publikum. auf Erwählung eigener Wagenkontrolleure schon 1860 gesetzlich Ganz oesonders schtver hatten die Arbeiter zu leiden. In den zuerkannt und die Stellung dieser Wagenkontrolleure der Arbeiter wenigen guten Jahren, die dem Geschäftsdruck der achtziger Jahre durch spätere Gefeße zuletzt 1887 gegen Schikanen gefolgt waren, hatten sie nicht so ansehnliche Fonds aufhäufen des Unternehmertums sichergestellt worden, so daß können, wie sie für einen sich über Monate hinausziehenden Generalihre Kontrolle aufs beste funktionierte.nps streit erfordert waren. Der Gauverband Yorkshire 3. B. hatte bei Auch das Koalitionsrecht der Arbeiter stand nicht Beginn des Ausstandes 160 000 Pfd. Sterling( 3 200 000 M.), in Frage. Die Gewerkschaft der Arbeiter der große Lancashire 80 000 Pfd. Sterling( 1 600 000 m.) in der Kasse. Britische Bergarbeiter Verband wurde von den Das sind ganz anständige Summen, aber wie bald waren sie er verbündeten Unternehmern von Anbeginn bis zu Ende des Kampfes schöpft, wo Yorkshire über 70 000, Lancashire nahezu ebensoviel als die berufene Vertretung der Arbeiter anerkannt, Bergarbeiter zu unterstützen hatte! So stellte sich nach Verlauf der vor, während und am Abschluß des Kampfes ward offiziell von ersten sechs Wochen fast überall tiefe Ebbe in den Kassen ein, und den Unternehmern mit ihr verhandelt. Will man in der Geschichte die Arbeiter waren auf Hülfe aus anderen Quellen angewiesen. des englischen Kohlenbergbaues Beispiele für einen Unternehmer- Sie ward ihnen auf die verschiedenste Weise zuteil. Da der standpunkt suchen, wie ihn Herr Matthias Stinnes und seine Ge- Frühherbst gekommen war, fanden diejenigen Arbeiter, die Feldsimmungsgenossen vertreten, so muß man gut zwei Menschen- gärten bewirteten, an ihren Kartoffel- usw. Ernten eine gewisse alter zurückgehen, bis auf den famosen Lord Londonderry, Hülfe. Vielen ward ihre Zugehörigkeit zu Arbeiter- Konsumvon dem Engels in der Lage der arbeitenden Klassen" und die vereinen zum Segen, aus denen sie ihre Guthaben und RückWebbs in der Geschichte des englischen Trades- Unionismus erzählen, vergütungen herausnehmen konnten, und die ihnen auch sonst Dieser Feudalherr war es, der gegen Ende der dreißiger Jahre des mancherlei Erleichterungen zuteil werden ließen. Uebervorigen Jahrhunderts seinen Unternehmerabsolutismus mit der jest haupt benahmen sich die Arbeiter- Konsumvereine in dieser Sache viel von Herrn Stinnes aufgeworfenen Frage zu verteidigen suchte: solidarischer, als eine Anzahl der größeren Gewerkschaften, die es Kann ich mit meinem Eigentum nicht tun was bei verhältnismäßig fargen Unterstüßungen bewenden ließen. Die ich will?" was schon damals auch in bürgerlichen Kreisen mit Großeinkaufs- Genossenschaft der englischen Stonsumvereine be cinem sehr kräftigen Nein! beantwortet wurde. willigte schon im September eine Gabe von 100 000 M. für die Ausständigen.
Ganz aus eigener Machtvollkommenheit den Lohn zu be stimmen, beanspruchten denn auch die englischen KohlengrubenUnternehmer schon lange nicht mehr. Ueberall bestanden schon aus Vertretern der Unternehmer und der organisierten Arbeiter zusammengesetzte gemischte Lohnämter, die je nach der Marktlage bezw. dem Verkaufspreis der Kohle den Lohnfah bestimmten.
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Auch aus den Kreisen des großen Publikums flossen ansehnliche Beiträge. 3tvei liberal radikale Londoner Blätter(„ Daily Chronicle" und" Sun") brachten allein rund eine halbe Million Mart auf. Wie die Not größer und das Wetter kälter wurde, bildeten sich in vielen Revieren Notstandskomitees, die Suppen usw. austeilten. Geistliche predigten von der Kanzel zugunsten der AusNun hatten aber die Arbeiter herausgefunden, daß es mit der ständigen und ließen nach der Predigt für sie sammeln, Lehrer ver Bemessung der Löhne nach dem Verkaufspreis der Stohle seinen anstalteten Sammlungen unter ihren Schülern. Ju Derbyshire bösen Hafen hat. Sie jetzt die Unternehmer in die Lage, bei der leisteten dortige bürgerliche Abgeordnete dem Gauverband der Bergs Jagd um Lieferungsverträge die wahnsinnigste Unterbietungspolitif arbeiter Bürgschaft für ein Darlehen von über 300 000 M. Auch zu betreiben. Fällt dann der notierte Marktpreis der Sohle, so verschiedene Staatsminister zeichneten namhafte Beiträge für die müssen die Löhne nach, und nicht die Unternehmer, sondern die Arbeiter. So der Unterrichtsminister Acland( über 4000 M.), der Arbeiter haben den Schaden. Unterstaatssekretär für die Lokalverwaltung, Sir Walter Foster, Auf diese Weise waren in den achtziger Jahren Kohlenpreise und etwas für Herrn Möller!- der Minister für Handel und Bergarbeiterlöhne im Verbandsgebiet auf einen jammervollen und Gewerbe, Mundella. Stand gesunken, Snapp 5 M. kostete die Tonne Kohlen ab Grube, Natürlich fehlte es nicht an Vermittelungsversuchen aller Art. und auf kaum 16 M. pro Woche stellte sich das Durchschnitts. Sie schlugen indes lange fehl, weil die Arbeiter von der Forderung einkommen vieler Arbeiter. Da rafften sich die Arbeiter, deren ihres Lohnes zum Leben" nichts ablaffen, die Unternehmer eine Organisation ziemlich in Berfall geraten war, endlich wieder auf, größere Lohnreduktion durchsetzen wollten. Nur in einigen Bes und von 1888 ab setzte allmählich eine Besserung ein. Langsam sirken der südlichen Mittelgrafschaften und gewissen vereinzelten stiegen die Löhne, indem die Unternehmer angesichts der sich Gruben verzichteten die Unternehmer auf die Reduktion und ward beffernden Marktlage schrittweise Aufschläge auf den Lohnjak von den Arbeitern vom Verband gestattet, die Arbeit daraufhin wieder 1888, der als Grundlage galt, bewilligten. 1893 war der allgemeine aufzunehmen. Sonst aber war der Generalausstand aufrechtLohnfazz 40 Pros. über 1888. Mittlerweile war aber die Konjunktur erhalten. wieder schlechter geworden, und so verlangten die Unternehmer, daß die Arbeiter in eine größere Lohnermäßigung willigten. Sie sollten von den 40 Proz. Aufschlag den größten Teil fallen lassen und sich mit 15 Broz. über 1888 begnügen. Wie leicht auszurechnen, bedeutete das eine Lohnreduktion von 18 Prozent.
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Darauf wollten die Arbeiter unter keinen Umständen eingehen. Das Lohnniveau von 1888 war in ihren Augen ein so unmenschlich niedriges, daß jede Annäherung an dieses wie eine Best gemieden werden mußte. Unter einen zum Leben einigermaßen austömmlichen Lohn a living wage, wie sie ihn nannten nicht mehr heruntergegangen werden, und als solcher sollte fortan der damalige Lohn gelten. Den dies für unmöglich erklärenden Unternehmern hielt auf einer im Juni 1893 abgehaltenen gemein samen Konferenz der Bergarbeiterführer Benjamin Pickard entgegen, daß die Arbeiter beim Aufschlag von 40 Broz. Halt gemacht hätten, trotzdem die Kohlenpreise noch luftig bis auf 70 Proz. über den Satz von 1888 weiter gestiegen seien, es könne daher von ihnen nicht verlangt werden, in eine Reduktion zu willigen, bloß weil der Preis von dieser Höhe zurückweiche. Außerdem würden sie von dem " Lohn zum Leben" nicht abgehen. Man solle auf andere Mittel zur Behebung des Preisdruds finnen.
Selbstverständlich wurde mit dem Fortgang des Kampfes dic Stimmung eine immer gereiztere. Doch fam es nur an ganz ber einzelten Stellen zu Tumulten. Ein solcher, und obendrein mit blutigem Ausgang, fand vor der Zeche Feadherstone bei Doncaster ( Yorkshire ) statt. Aber die Masse der Erzedenten waren gar keine Bergarbeiter gewesen, wurden vielmehr von diesen sehr entschieden desavouiert.
Sturze Zeit nach diesem Vorkommnis fand in Heanor in der Grafschaft Terbyshire eine öffentliche Versammlung statt, in der sollte der Redner des Tages laut Berichten der großen Bresse folgendes ausführte:„ Er gratuliere den Bergarbeitern zu der von ihnen betätigten höchsten Form des Mutes, d. h. daß sie trotz Hungerleidens geduldig für ein Prinzip ausharrten. Mit leerem Wagen standhaft bleiben, sei echtes Heldentuni. Tapferkeit unter solchen Umständen zu zeigen, sei eine Ehre für England! Die Arbeiter feien mit Recht darüber verstimmt gewesen, daß man Truppen in ein Revier gesandt habe; glücklicherweise seien die Truppen aber bald wieder abberufen worden. Er halte nichts von der Phrase von Angebot und Nachfrage. Er ziehe die Menschlichkeit im Gewerbe vor, wie sie in der Forderung des „ Lohnes zum Leben" formuliert sei; ein solcher sollte die erst e Pflicht jeder Unternehmung sein, sonst sei die Arbeit Effaverei. Er hoffe, die Arbeiter würden den Kampf bald zu seinem Ende führen, den sie jetzt schon fast gewonnen hätten." Der so sprach, war und das ist etwas für den Reichsfanzler der borerwähnte Unterstaatssekretär Sir Walter Foster, Mitglied des damaligen Ministeriums, also ein Re
" Das geht nicht," erklärten die Unternehmer. " Dann haben wir somit die Schreden des Krieges vor uns."
Ein Vergleich.
Worauf der Präsident des Unternehmerverbandes verlegen zurückgab:" Bitte, nennen Sie es nicht Strieg.".. Es ward aber Krieg.
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Es sind jetzt über elf Jahre her, seit England einen gewaltigen Bergarbeiter- Ausstand hatte, der aus verschiedenen Gründen den Am 30. Juni ward von den Unternehmern durch Anschlag gierungsmann! Vergleich mit dem jezigen Ausstand der westfälischen Bergarbeiter bekannt gegeben, daß vom 28. Juli ab alle Gruben geschlossen In der Tat war der Kampf seinem Ende nahe. Am 25. Oktober Herausfordert. Es war ein Riesenkampf, der an Ausdehnung dem werden würden, wo die Arbeiter nicht in die Lohnreduktion willigten. hatte die vorerwähnte Versammlung stattgefunden; am 3. und Ausstand der westfälischen Bergarbeiter nicht nachstand, ihn vielleicht Die Arbeiter blieben jedoch fest, und so trat die Arbeitssperre in 4. November fand in London im Bureau des Ministeriums des noch übertraf. Er erstreckte sich über das ganze weite Gebiet der Straft, auf die die Arbeiter im Verbandsgebiet mit dem General- Auswärtigen unter dem Vorsitz des Ministers Lord Rosebery eine Mittelgraffchaften Englands( Yorkshire , Lancashire , Staffordshire , streit antworteten. Konferenz von Vertretern des Unternehmerverbandes und des Gloucestershire , Leicestershire usw.), Teile des nördlichen Wales der Grafschaft Cumberland, gewisse Regionen Schottlands und sah mehr als breimalhunderttausend Gruben= arbeiter außer Arbeit.
Er machte durch ganz England gewaltiges Aufsehen. Ein Bergarbeiterverbandes statt, in der man sich dahin verständigte, daß großer Zeitungskampf über Recht oder Unrech. der beiden Parteien die Arbeit zunächst zu den alten Bedingungen wieder aufgenommen erhob sich. Doktrinäre und interessierte Anwälte des Unternehmer- werden sollte, d. h. die Unternehmer verzichteten bis auf tums warfen den Arbeitern Hochberrat an den Gefeßen der politi- weiteres auf eine Lohnermäßigung. Des weiteren wurden die chen Defonomie vor, unparteiische, bürgerlich- radikale und fo- Grundfähe für spätere Lohnkonferenzen vereinbart der so. zialistische Blätter erklärten die Sperre für ein Manöver der Unter- genannte Rosebery- Vertrag" die unter Vorsitz eines vom Sprecher des Hauses der Gemeinen zu ernennenden Unparteiischen die Preise mit Eintritt der Sperre schnell in die Höhe und die tagen sollten, und die seitdem auch wiederholt in Wirkung getreten
Um es vorauszuschicken: sein. Ausgang war- nach nahezu biermonatlicher Dauer! ein entschiedener 17 Uebersetzt von Eugen Levine in der Frankfurter nehmer, die Kohlenpreise in die Höhe zu treiben. In der Tat gingen
Zeitung".
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