Wir nehmen von dieser Mitteilung Notiz, hegen jedoch de- gründete Zweifel an ihrer Richtigkeit. Denn nach§ 55 des Strafgesetzbuchs können Personen, die bei Begehung der strafbaren Handlung das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, über- hanpt nicht strafrechtlich verfolgt werden. Es wird deshalb Sache der»Tägl. Rundschau" sein, den mysteriösen Fall aufzuklären.— Erhebungen über die Verhältnisse in der Fischindustrie. Wie schon früher berichtet, hat der„Verein der Fischindnstriellen Deutschlands " eine Petition an den Reichskanzler gesandt, in welcher gebeten wird, die Bestimmungen über Frauenarbeit in der Gewerbe- Ordnung für die Fabriken, m denen frische Fische verarbeitet werden, entweder außer Kraft zu setzen, oder wenn der Elfstundentag bei- behalten wird, die Beschäftigung nach S'/z Uhr an Wochentagen und nach bVz Uhr an Vorabenden von Sonn- und Festtagen zuzulassen. Die Sache wurde dem„Beirat für Arbeiterstatistik" zur Untersuchung überwiesen, der nun in den Tagen vom 23. bis 26. d. M. 61 Aus- kunstspersonen verhörte. Die Vernehmungen brachten eine Illustration zu dem Thema, wie werden die Schutzbestimmungen der Gewerbe-Ordnung durch- geführt? In der Fischiuduftrie sind vorwiegend Frauen beschäftigt. An männlichen Arbeitern trifft man höchstens 16 Proz. Die hauptsachlichsten Arbeiten sind Räucherei, Braterei und Marinieren. Daneben kommt noch die Fischschupperei in Betracht, die Betriebe, in denen Ukeleifische geschuppt werden, um den Glanz der Schuppen zur Herstellung von Perlessenz zu gewinnen. In der Fischindustrie sind in der letzten Zeit zahl- reiche Großbetriebe entstanden. Betriebe, in denen mehrere hundert Arbeiterinnen beschäftigt werden, gehören nicht zu den Seltenheiten. Die Großbetriebe trifft man nicht nur in den Küstenstädten, sondern auch im Binnenlande. In Altenburg ist z. B. auch ein solcher Groß- betrieb. Die Verkehrsmittel ermöglichen die Verarbeitung jedes nur denkbaren Materials. Neben den deutschen Heringsfischern liefern englische, norwegische, holländische, belgische und französische Fischer Heringe für deutsche Räuchereien. Aale kommen selbst aus Egypten und Italien und im fernen Westen Amerikas , in Columbia River , gefangene Lachse werden in' Deutschland geräuchert. Der Breitling reist oft in frischem Zustand von Danzig nach Bremerhaven , um dort in Sprott verwandelt zu werden. Der Großbetrieb ist in bezug auf sein Rohniaterial nicht an den Ort gebunden, er hat im Ausland seinen Aufkäufer. Die Betriebe sind also Fabriken im verwegensten Sinne des Wortes und gelten daher die Paragraphen 135 bis 139d der Gewerbe-Ordnung. Die in dem Gesetze aufgestellten Arbeiterschutz-Bestimimmgeit sind aber nur graue Theorie. In der Praxis sieht es anders aus. Gleich die erste Auskunftsperson, ein Fabrikant aus Danzig , teilte mit, daß in seiner Fabrik die Frauen von 7 Uhr morgens bis 10 Uhr abends und auch die ganze Nacht durch arbeiten. Die Frauen ar- beiten gern, denn sie bekommen 16 bis 12 Pf. pro Stunde. Vor 7 Uhr kann er nicht beginnen lassen, da die Frauen meist ein Haus- Wesen zu besorgen haben und bevor sie nach ihrer Arbeitsstätte gehen, den Hausstand in Ordnung zu bringen haben und noch für ihre Kinder sorgen müssen. In dieser Fabrik werden auch Kinder be- schäftigt, uud zwar Knaben mit Kistennageln und Mädchen ,nit Frsche- Aufziehen. Diese arbeiten aber nur bis 8 resp. 8>/z Uhr abends. Die lange Arbeitszeit ist geboten, weil der Hausstand des Fabrikanten sehr viel kostet. Mehr Frauen kann er nicht anstellen, weil die Mädchen fast alle dienen wollen, und kann er auch in den Fabrikräumcn nicht mehr unterbringen.— In einer anderen Fabrik in Danzig ist in der Braterei kontinuierlicher Betrieb und ist hier die Achtstundenschicht eingeführt. Aber es gibt nicht drei Schichten Arbeiterinnen, sondern nur zwei Schichten. Die Arbeitswoche von 6 X 24 Stunden bringt daher für jede Arbeiterin neun Acht- stundentage. In Altenburg ist der Fabrikant früher häufiger bestraft. Mit Unterstützung des Gewerbe-Jnspektors hat er dann eine Eingabe an den Reichskanzler gemacht. Es ist ihm dann auch etwas bewilligt worden und seit der Zeit wird er nicht niehr belästigt. Was über Sonntagsruhe, Elfstnndentag, Verbot der Nachtarbeit usw. in der Gewerbe-Ordnung steht, kümmert ihn seit der Zeit nicht mehr. Aehnlichc idyllische Zu- stände sind in Lübeck . Auch hier werden die Fabrikanten nicht durch den Gewerbe-Jnspektor gestört. Es ist nicht ennittelt, ob der Lübeckische Senat diese Betriebe als Kunstateliers oder als land- wirtschaftliche Betriebe ansieht, soviel steht fest, als Fabriken be- zeichnet er sie nicht, und daher gelten für alle Großbetriebe in Lübeck und Schlutup die ZZ 135— 139 b der Gewerbe-Ordnung nicht. AuS anderen Bundesstaaten berichten die Fabrikanten, daß sie zlvar oft von Gewerbe-Jnspektorcn und Polizei belästigt werden. Sie müssen hin und wieder Geldstrafen zahlen, aber sie bezahlen die- selben, weil sie nie so hoch sind als der durch die Gesetzesverletzung erzielte Gewinn. Durchweg wird Stundenlohn bezahlt. Der Lohn von 10—12 Pfennigen ist im Osten und wird auch noch in Pommern bezahlt. Im Westen, Kiel , Bremerhaven usw., erwerben die Frauen 22— 25 Pfennige in der Stunde. Die Arbeit ist sehr unregelmäßig und oft fallen Tage, selbst ganze Wochen aus, in denen die Arbeite- rinnen gar nichts verdienen. Ist das wilde Auf und Ab die Regel, so gibt eS doch auch Unternehmer, die dieses nicht mitmachen. Schnur bepflanzen, so wird die Lücke, die er hinterläßt, gar nicht sichtbar: sie ist sofort ausgefüllt, ohne daß sich jemand darum kümmert. Man verliert ohne Bedauern einen Tropfen aus dem Wasser eines großen Flusses, weil ohne Unterlaß neue Fluten heran- strömen. So ist es auch mit den Handarbeitern. Die Leichtigkeit, sie zu ersetzen, nährt die Gefühllosigkeit der Reichen ihnen gegen- über." „Diese, sagt man, haben keinen Herrn. Aber das ist hier doch ein reiner Mißbrauch des Wortes. Was soll das heißen, sie haben keinen Herrn? Sie haben einen, und es ist der furchtbarste, despo- tischste von allen Herren: die Not. Diese treibt sie in die grau- samste Knechtschaft. Sie haben nicht einem einzelnen Menschen zu gehorchen, sondern allen insgesamt. Sie haben nicht bloß einen einzigen Tyrannen, dessen Launen sie schmeicheln und dessen Gunst sie suchen müssen— das gäbe der Knechtschaft Grenzen und machte sie erträglicher. Aber sie werden die Diener eines jeden, der Geld hat, wodurch ihre Sklaverei eine unendliche Ausdehnung und Ver- schärfung erhält. Man sagt: wenn sie sich bei einem Herrn nicht wohl fühlen, haben sie doch den Trost, es ihm sagen und sich einen anderen suchen zu können: die Sklaven können weder das eine noch das andere. Sie sind also unglücklicher. Welches Sophismal Man bedenke nur, daß die Zahl derjenigen, die arbeiten lassen, sehr gering ist, die Zahl der Arbeiter dagegen ungeheuer." „Worauf reduziert sich jene anscheinende Freiheit, die ihr ihnen verliehen habt? Sie leben bloß von der Vermietung ihrer Arme. Sie müssen jemand finden, der sie mietet, oder Hungers sterben. Heißt das frei sein?" „Am scheußlichsten ist der Umstand, daß die Geringfügigkeit ihres Lohnes noch ein Grund wird, ihn weiter herabzusetzen. Je weniger man des Taglöhners bedarf, desto billiger muß er sich ver- kaufen. Je größer seine Notlage, desto geringer die Bezahlung seiner Arbeit. Die Augenblicksdespoten, die er unter Tränen anfleht, sie möchten seine Dienste annehmen, erröten nicht, ihm gewissermaßen den Puls zu befühlen, um sich zu vergewissern, ob ihm noch Kräfte geblieben sind. Nach dem Grade seiner Schwäche bemessen sie den Lohn, den sie ihm bieten. Je näher er ihnen dem Untergang durch Entkräftung zu sein scheint, desto mehr verkürzen sie das, was ihn retten könnte. Das, was ihm die Barbaren geben, dient weniger dazu, sein Leben zu verlängern, als seinen Tod hinauszuschieben." „Die Unabhängigkeit des Taglöhners ist eine der verderblichsten Geißeln, die das Raffinement der modernen Menschen hervor- gebracht hat. Sie vermehrt den Ueberfluß des Neichen und den Mangel des Armen. Jener erspart alles, was dieser ausgibt. Dieser ist gezwungen, nicht an Ueberflüssigem. sondern am Notwendigsten zu sparen." Linguet, der in so bitteren und bewegten Worten das System der Lohnarbeit kennzeichnet und die kapitalistische Ausbeutung geißelt, war wohlgemerkt nicht etwa ein Sozialist oder Kommunist, wie es Während die meisten Unternehmer behaupten, daß so ge- arbeitet werden muß, um zu verhüten, daß die Fische verderben, gibt es auch einzelne Unternehmer, die das Gegenteil behaupten. Nach deren Darstellung ist der Einkaufsmarkt so groß, daß man immer hinreichend frische Fische erhalten kann.• Teilt man die Arbeit so ein, daß die Ware, welche zuerst verderben würde, zunächst in An- griff genommen wird, dann kann man eine regelmäßige Arbeitszeit inne halten und die Zeit noch so legen, wie die Gewerbe- Ordnung es gestattet. Der eine dieser„sonderbaeen Schwärmer" ist wohl der Nestor der Fischiudustriellen. Ans kleinen Aufäugen heraus hat er einen Großbetrieb entwickelt und beweist nun schon seit Jahr- zehnten, daß es auck, so geht. Ein anderer ist ein Hamburger Groß- industrieller, für den auch alle Bedenken und Schwierigkeiten seiner Kollegen nicht bestehen. Er richtet sich nach der Gewerbe- Ordpnng und kommt ohne Nachtarbeit und Sonntagsarbeit und auch ohne Strafen für Verletzung der Schutzvorschriften durch und hat doch einen Großbetrieb in der Fischindustrie. Die Verhandlungen sind stenographisch aufgenommen. Sie werden ein wichtiges Dokument werden zu dem Kapitel Theorie und Praxis des Arbeiterschutzes in Deutschland. — Husland. Frankreich . Paris , 27. Januar. Im heutigen Ministerrat wurde die Negiernugserklärnng festgestellt, die heute nachmittag im Parlament zur Verlesung gelaugt. Der Ministerrat beschloß sodann, den pensionierten Major Begnicourt ans den Listen der Ehrenlegion zu streichen, sowie den General Peigns von seinen Stellungen als Kommandant des IX. Armee- korps und als Mitglied des obersten Kriegsrats zu entheben und ihn in Disponibilität zu versetzen.— Die Hull -Kommission. In der heutigen Vormittagssitzung, in der Admirak Fouriücr den Vorsitz führte, erklärte Fischer White, er habe kein un- bekanntes Schiff unter der Fischerflottille gesehen, kein japanisches Schiff sei unter ihnen gewesen. Nur drei russische Schiffe hätten geschossen. Dr. C o l m e r b e st ä t i g t die von White gemachten Aussagen. G i l l a r d, der Besitzer eines der Fischerboote, erklärt, erhabe v o r dem F e u e rn d e r r u s s i s ch en Schiffe keinerlei Signal verno m-m e n: die Nacht sei klar gewesen. Der englische Vertreter O'Beirne und der russische Vertreter Nekludoff tauschten alsdann eine Reihe von Bemerkungen über die Frage aus, ob die Kommission den Zeugen Flechter über die A n- Wesenheit von zwei russischen Agenten in Hull vernehmen solle, die dorthin gekommen seien, um die Fischer zu bestimmten Aussagen zu veranlassen. Die Konmüssion beschloß, diese Frage erst nach der Vernehmung eines weiteren Fischers zu entscheiden. Nachdem dieser vernommen war. wobei er nur die Aus- sagen der anderen Fischer bestätigte, wurde die Verhandlung auf den Nachmittag vertagt.— Dänemark . Antisozialistischc Gesinnungsschnüffclei bei der Post brachte unser Parteigenosse Klausen am Mittwoch bei Beratung des Post- budgets im Folkething zur Sprache. Ein Postexpedient, Vorstands- Mitglied des A n t i s o z i a l i st i s ch e n Wählervereins im ersten Wahlkreise Kopenhagens , hatte an einen Postmeister sChef eines Poslkontors) das schriftliche Ersuchen gerichtet, eine Unter- suchuug über die politische Gesinnung der ihm untergeordneten Funktionäre vornehmen zu lassen und sie zum Eintritt in den„Anti" zu veranlassen.„Am liebsten Mitglieder zu 1 Krone", schrieb dieser übereifrige Agitator der Antisozialisten, die den im März stattfindenden Wahlkampf um die Herrschaft in der Gemeinde- verivaltung offenbar mit allen möglichen Mitteln zu sichren gedenke». Glücklicherweise findet aber jene Art politischer Agitation unter den Staatsangestcllten in Dänemark nicht die Billigung der Re- gierung. Auf die Anfrage Klausens erklärte der M i n i st e r des Innern, Berg: er billige es nicht, daß im Postwesen irgendwelche Agitation getrieben werde. Die Beamten und Funktionäre sollten Ruh und Frieden in ihrer Arbeit haben und außerhalb ihrer Arbeits st ätte das Recht, ihrer Ueberzeugung zu folgen. Ucbrigens wagte kein Folkethingsniann die Handlungsweise jenes Postexpedienten zu rechtfertigen. Die polittsche Moral ist in Dänemark so weit vorgedrungen, daß man es nicht wagen darf, öffentlich eine Gesinnungsprostitution zu verteidigen, wie sie in dem bei deutschen Reaktionären so beliebten Sprichwort ,,Weß' Brot ich esse, deß' Lied ich singe" zum Ausdruck kommt. Erlitt doch selbst unter dem letzten konservativen Ministerium der damalige Verkehrs- minister Junl Rysensteen eine derbe Abftihr, als er sich erlaubte, einen sozialdemokratischen Eisenbahnangestellten zu maßregeln I— Amerika. Von den Philippinen. Dem Kongreß ist der Jahresbericht über die Verwaltung der Philippinen vorgelegt worden. Die offizielle Darstellung der Lage deren mehrere von utopistiscuer Färbung im XVUl. und auch in früheren Jahrhunderten gab. Er stellt dem Kapitalismus nicht eine fortschrittlichere, sondern eine zurückgebliebenere gesellschaftliche Form, nicht den Sozialismus, sondern die Sklaverei entgegen. Dadurch bekommt seine Kritik der kapitalistischen Gesellschaft äußerlich einen reaktionären Schein: sie läuft auf eine Verherrlichung der längst überwundenen patriarchalischen Sklavenwirtschaft und, da die Ruck- kehr zu diesen Gesellschaftsformen offenbar ganz ausgeschlossen ist, auf einen tiefen sozialen Pessimismus hinaus. Aber gerade darin liegt der große und auch r e v o- l u t i o n ä r e Zug der Theorie Linguets. Er, wie auch die Klassiker der bürgerlichen Nationalökonomie, war vollkommen in den Schranken der bürgerlichen Gesellschaft befangen. Sie war ihm „die Gesellschaft", die einzig mögliche und denkbare Form des sozialen Lebens. In jener Epoche, bevor noch die weiterführende, revolutionäre Seite des Kapitalismus in dem Auskommen des modernen Proletariats und seines Klassenkampfes offenbart wurde, vermochte auch die Theorie keinen geschichtlichen Ausweg aus der bürgerlichen Gesellschaft herauszufinden, sie mußte sie also naturgemäß als der historischen Entwickelung letztes Ziel betrachten. Dies machte jedoch die theoretischen Vorläufer der bürgerlichen Herr- schaft nicht etwa blind für die furchtbaren sozialen Schäden, für die schreienden Widersprüche des Kapitalismus . Sie zauderten vielmehr nicht, da sie keinen Ausweg aus dieser Hölle sahen, freimütig die menschliche Gesellschaft überhaupt für ein systematisches Verbrechen ander Menschheit zu erklären. Und wenn Linguet bitter ausruft:„Die dauernde Sklaverei das ijt das unzerstörbare Fundament der Gesellschaften", so liegt darin für sein Teil eine ebenso kühne Tat, wie in dem Ausruf des jungen Engels um beinahe ein Jahrhundert später in seiner«Lage der arbeitenden Klassen in England": Ich klage die bürgerliche Gesell- schaft des Mordes an! Und deshalb kann an Linguet die ganze Tiefe des Abgrundes gemessen werden, in den die bürgerliche Wissenschaft seit der Herr- schaft des Kapitals hinabgerutscht ist. Heute, nach dem politischen Ans- schwung der Arbeiterklasse, wie nach dem wissenschaftlichen Werke von Marx und Engels, liegt der Ausweg aus der bürgerlichen Ge- sellschaft vor aller Augen klar. Allein gerade deshalb leugnet die bürgerliche Nationalökonomie krampfhaft alle Grundübel und Schäden der herrschenden Gesellschaftsordnung. An Stelle des edlen Pessimismus der bürgerlichen Klassiker ist der lobhudelnde Optimismus der vulgären Apologeten des Kapitals getreten. Und wenn ein Linguet als Menschenfreund in tiefem Schmerz die Hände vorS Gesicht schlägt, weil er an der kapitalistischen Gesell- schaft verzweifelt, so ruft heute der außerordentliche Professor Sombart , mit Glockcngetändel vor der Arbeiterklasse in optimistischen Kapriolen einherhopsend: Dennoch I— dennoch, meine Herren Arbeiter, tstng— la la— es ist doch schön auf der Welt I... ist im allgemeinen eine sehr rosige. Ueverall Fortschritte, Ruhe und Gedeihen unter amerikanischer Leitung. Eine Revision des Zolltarifs zugunsten der Philippinen wird als notwendig erachtet. Die Land- lvirtschaft hebt sich wieder, sagt der Gouverneur Woight, aber das bedeutet, daß sie noch immer sehr schlecht steht. Der Gesundheitszustand soll aller Orten weit besser geworden, die Cholera verschwunden sein. Der Sklaven- Handel, der bei den Moros an den Küstenorten in vollem Schwange war, hat endlich ganz aufgehört. Die Moros, ein sehr kriegerischer Stamm, betrachteten es als ihr gutes Recht, sich ihre Sklaven aus dem Innern der Insel nach der Küste zu holen und sie grausam zu behandeln. Die Amerikaner gingen diplomatisch zu Werke um die Moros nicht zu schwer zu reizen. Nicht gewaltsam nahmen sie ihnen die Leute, sondern erklärten den Sklaven, daß sie frei seien und beschützt würden, wenn sie ihre Herren verlassen wollen. Langsam haben sich beide Teile daran gewöhnt, wie die Amerikaner die Dinge ein- richteten, und die Sklaverei kann als aufgehoben betrachtet werden. Der Opiumgenuß ist ziemlich stark verbreitet und man hält Regierungs- maßregeln dagegen als sehr notwendig. In Manilla gibt es 200 Opiumhöhlen, deren Besitzer ihr Gewerbe frei und unbesteuert be- treiben. Es wird gesagt, daß die Amerikaner noch immer in einem sehr schlectitcn Ruf bei der Masse der Bevölkerung stehen, aber das ist erklärlich, weil sich ein hoher Prozentsatz roher und brutaler Gesellen unter den Amerikanern, die auf den Inseln leben, befindet, und die Filipinos sich nicht wie die„Nigger" im Süden der Vereinigten Staaten behandeln lassen. Viele Amerikaner sind auch Besitzer von Schnapshöhlen. Die Filipinos sind sehr be- gierig, die englische Sprache zu erlernen. Der Schulbesuch ist ein guter, und es mangelt noch etwas an Lehrkräften. Für Unterrichts- zwecke wurden auf den Inseln im vorigen Jahre insgesamt zwei Millionen Dollar ausgegeben. Partei- IXacdricdten. poUzeiUeheo, Sericbtlicbes ufw. — Ein Hngcl von Strafmandaten ist zur Zeit der Reichstags- Ersatzwahl in den Kreisen Jerichow I und II über unsere Genossen ergangen, die Sonntags Flugblätter verbreitet und dadurch öffentlich bemerkbare Arbeit verrichtet haben sollen. Es gab Straftnandate in Höhe von 5 bis 15 M Eine ganze Anzahl Genossen aus Burg, Genthin , Brandenburg und R a t h e n otv sind mit solchen Strafmandaten bedacht worden. Gegen einzelne ist Widerspruch erhoben, aber die Schöffengerichte in Genthin und Sandau verwarfen die Berufung. Das Schöffengericht in Genthin fällte das merkwürdige Urteil, daß die Flugblartverbreitung am Sonntag unter allen Umständen strafbar sei. Den Einwand unserer Genossen, daß sie nur ganz kleine Päckchen Flugblätter und diese verhüllt ge- tragen haben, sowie den HimveiS auf andere freisprechende Urteile ließ das Gericht unbeachtet. Ein Urteil des Sandauer Schöffen- gerichts über 15 M. gegen einen Rathenower Genossen hat das Landgericht in Stendal bereits aufgehoben, gestern hob auch das Landgericht Magdeburg das verurteilende Erkenntnis des Genthiner Gerichts, welches unter dem Vorsitz des Amtsrichters Gras v. d. Schulen- bürg Straftnandate in Höhe von 5 M. gegen zwei Brandenburger Genossen bestätigte, ohne jegliche Beweiserhebung auf. Der Staatsanwalt beantragte selbst die Freisprechung. Leider versäumten unsere Genossen, die wegen der Strafmandate ziveimal in Genthin und Magdeburg vor Gericht erscheinen mußten, die Rückerstattung ihrer Unkosten zu beantragen. Diese unaufhörlichen ungesetzlichen Polizeimaßnahmen werden nur dadurch wirksam eingedämmt werden können, daß ihren Ur- hebern die Gesamtkojtrn der von ihnen verschuldeten Verfahren auf- erlegt werden._ Hus Induftnc und Handel. Der Bergarbeiterftreik und der Siegcrlnnder Eiscnmarlt. Wohl am schwersten unter den rheinisch-wcstfälischen Jndustriebezirkcn trifft der Bergarbeiterstreik den Siegerläuder Bezirk, denn die dortigen Eisenwerke hatten nur geringe Kohlenvorräte angesammelt. Bekannt- lich ist den Siegerländer Eisenwerken ftir ihre Anfuhren von der Regierung eine Frachtcrmäßiguug zugestanden worden, und den Eintritt dieser Ermäßigung wollten natürlich die Werke abwarten, ehe sie sich mit größeren Kohlenvorräten versorgten. Inzwischen brach aber der Streik aus und die Versorgung mußte unterbleiben. Der größte Teil der Walzwerke liegt daher still, da die Zufuhr aus dem Saargebiete ungenügend ist und über dieBeschaffuug ausländischer Kohlen erst ein ge- mcinsamer Beschluß gefaßt werden soll. Für die Walzwerke ist der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung" zufolge dieses um so bedauerlicher, als gerade für sie in der letzten Zeit etwas mehr Arbeit in Walz- eisen hereingekommen war und die Beschäftigung sich zu bessern anfing. Bei den Hochofenwerken macht sich der Streik zunächst weniger fühlbar, ihnen kommen die Koksvorräte im Ruhrgebiet noch zu statten. Um sich den Koks zugängig zu machen, läßt man denselben auf den Kokereien durch eigens ent- sandte Arbeiter verladen. Nur ganz vereinzelt sieht man sich genötigt zu dämpfen. Bei längerer Dauer des Streiks werden allerdings auch die Roheisenwerke in Mitleidenschast gezogen werden. Da das AuS- und Anblasen eines Hochofens stets mit größeren Kosten verknüpft ist, so wird die Betriebsunterbrechung durch mangelnde Kokszufuhr die Hüttenwerke noch viel schwerer treffen wie Walzwerke. Bisher hat nur die Johannishütte in Siegen ihren Hochofen gestoppt; doch soll auch die Gaierhiitte zum Aus- blasen entschlossen sein. Stillgelegt wurden ferner von größeren Betrieben das Sieghüttcr Walzwerk, die Werke der„Siegener Eisenindustrie" in Weidenau und die Buschgotthardtshütte. Englische Kohlen in Emden . Der Versand englischer Kohlen nach Emden hat, ivie von dort gemeldet wird, in den letzten Tagen ganz bedeutende Dimensionen angenommen. Im Emdener Außen« Hafen sind bereits so viele Kohlendampfer mit englischen und schottischen Kohlen eingetroffen, daß seit Sonnabend ununterbrochen bei Tag und Nacht gelöscht wird und ganze Züge bis zn 100 Achsen ausfahren. KapitalSerhöhung der Deutschen GaSgliihlicht-Aktiengcscllschiift (Auergesellschaft). Wie das„Berliner Tageblatt" meldet, werden zurzeit Verhandlungen zwischen der Gesellschaft und einem kürzlich in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Unternehmen der Gasglüh- licht-Jndustrie wegen llebernahme. dieses Unternehmens geftihrt. Zu- gleich wird das Aktienkapital der Auergesellschaft, das zurzeit 2 401 000 M. beträgt, erhöht werden. Es verlautet, daß etwa 300 000 M. neue Aktien ausgegeben werden sollen.� Ein Teil der neuen Aktien wird zum Aufkauf des erwähnten Konkurrenz- Unternehmens benutzt werden. In einer für morgen anberaumten Sitzung des Auffichtsrats der Deutschen Gasglühlicht-Gefellschaft wird über diese Projekte entschieden werden. Vom internationalen Weizenmartt. In einem Bericht über die Lage des Weizcnmarktes, fpcziell des englischen, weist der„Standard" darauf hin, daß trotz der außerordentlich niedrigen Zufuhren aus den Bereinigten Staaten von Amerika nur um 2 bis 3 M. pro Tonne gestiegen sind.„Die bedeutenden Weizenverschiffungen aus Rußland , Indien und Argentinien, " schreibt das Blatt,„haben die infolge der knappen Zufuhren aus den Vereinigten Staaten erwartete Preis- steigerung vereitelt. Es ist erstaunlich, daß die Vereinigten Staaten , die noch vor drei Jahren nicht weniger als 30 Millionen Ouarters Weizen ausführten, in der gegenwärtigen Geschäftszeit nur 5 Millionen an das Ausland abgeben können, und dadurch die europäischen Preise um nicht mehr als 2—3 Shilling gehoben wurden. In der Hauptsache ist dies darauf zurückzuführen, daß Indien , dessen Ernte im vorigen Jahre die übliche Durchschnittsmeuge um 50 Proz. übertraf, in diesem Jahre eine fast ebenso reiche Ernte einbringen wird. Auch die für den europäischen Verbrauch so wichtige argentinische Ernte fiyeint kaum hinter der großen letztjährigen zurückzubleiben; wenn auch die Ernte von Santa Fe nicht den Er-
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