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. i|fiio|e des Jütiirtf f eiliief MülsblM. 5.« Reichstag. 133. Sitzung vom Sonnabend, den 4. Februar ISVö, nachmittags 1 Uhr. Auf der Tagesordnung steht die erste Beratung des Gesetz- cntlvurfes Hompesch(Z.) und Genossen, welcher jedem Reichs- augehörigen volle Freiheit des religiösen Bekennt- nisses und der Religionsausübung garantieren will. Abg. Dr. Bachem(3.): Der Gesetzentwurf ist nicht neu und ist seinerzeit vom Reichstage mit großer Majorität angenommen worden. Der Reichskanzler bestritt in seiner Erklärung vom S. Dezember 1900 die Kompetenz der Reichsregierung. Aber gerade über diesen Punkt herrscht in diesem hohen Hause Einigkeit; kaum jemand dürste hier diese Kompetenz bezweifeln. Wir müssen also Iviederkommen. Die einzelnen Bundesstaaten, deren Vertreter(Redner blickt auf die absolut leeren Bänke des Bundesrats) ich allerdings hier nicht anwesend sehe(Heiterkeit), stehen verschieden zu den hier von uns vertretenen Grundsätzen. Daß einzelne Bundesstaaten hier nicht vertreten sind, kann ich ja verstehen(Heiterkeit), aber von anderen wundere ich mich, daß sie keinen Bevollmächtigten geschickt haben. Zu diesen gehört Mecklenburg . Das war früher ein rein lutherischer Staat. Dann sind die Katholiken anerkannt worden. Das war ein großer Erfolg, und wir können der großherzoglichen Regierung dafür unsere Anerkennung aussprechen. Aber ein weiterer Fortschritt ist dringend notwendig. Mecklenburg befitzt 6000 bis 7000 Katholiken. Aber außerdem kommen jährlich 13 000 bis 14 000 katholische Saisonarbeiter ins Land. meist aus polni- schen Gegenden. Wo einige hundert Katholiken sind, will man natürlich einen katholischen Gottesdienst haben.(Staats- sekretär Graf PosadowSkh betritt den Saal.) Der katholische Pfarrer von Schwerin arbeitete infolgedessen einen Plan aus, um für die verschiedenen Sonntage an verschiedenen Orten Messe abhalten zu können. Aber die Behörde machte Schwierig- leiten aus veralteten formalen Gründen. Ich komme zu Braun- schweig, wo 25,000 Katholiken leben und trotzdem geringere Fort- schritte stir die Freiheit der Katholiken vorhanden sind. Durch das Gesetz von 1902 reserviert sich der Staat die absolute Gewalt über das Bekenntnis der Kinder aus gemischten Ehen. Auch haben hier die lutherischen Geistlichen das Recht, Kinder katholischer Eltern ohne weiteres zu taufen (Hört! hörtl beim Zentrum), allerdings ohne Einfluß auf die spätere Erziehung. Katholische Privatschulen sind in manchen Fällen abgelehnt worden, selbst wo 50 bis 100 katholische Kinder vorhanden waren.(Hört! hört! beim Zentrum.) Zwei Fälle vom Geist der braunschweigischen Gesetzestnuß ich anführen es find ja jetzt einige Herren am Bundesratstische erschienen I Der eine Fall ist der, daß ein katholischer Pfarrer, der an einem lutherischen Kinde aus Wunsch des Vaters eine Nottaufe vollzogen hat, zu 30 M. Geldstrafe verurteilt wurde.(Lebhaftes Hört, hört I im Zentrum.) Der andere Fall ist: In Blankenburg ist eine katholische Kirche; katholische Pfarrer dürfen auch beliebig dort wohnen mid Gewerbe treiben; aber Messe lesen darf dort nur ein Pfarrer, der jedesmal aus Halberstadt mit der Eisenbahn angefahren kommt.(Hört, hört I im Zentrum.) Aus den übrigen deutschen Kleinstaaten mit über- lviegend protestantischer Bevölkerung will ich nur noch einen Fall aus Sachsen- Altenburg anführen. Dort wurde einem Pro- t e st a n t e n, der sich mit seiner katholischen Braut katho- lisch trauen lassen wollte, Heiratskonsens und Trauungsurlaub versagt. Das kann nicht gesetzlicher Zustand sein, das ist die reine Willkür I(Sehr richtig I im Zentrum.) Auch im Königreich Sachsen ist von einer Gleichberechtigung der Katholiken nicht die Rede, wenn man auch zurzeit dort besondere Härten zu vermeiden sucht. Vor allem fehlt es infolge der schweren Zulassungsbestimmungen in Sachsen an katholischen Geistlichen. Aehnliche Klagen liegen aus allen anderen deutschen Bundesstaaten vor, auf die ich heute nicht wieder ausführlich eingehen will. Der Staat kann heute nicht mehr das Recht für sich in Anspruch nehmen, ein bestimmtes religiöses Bekenntnis mit seinen Machtmitteln zu unterstützen. Wir wünschen, daß der Staat überhaupt nicht in das innere Glaubensleben der Staatsangehörigen eingreift. Wir der- langen auch für uns keinen Schutz vom Staate, wie er nicht auch allen anderen Religionsgemeinschaften zu teil wird. Nur eine völlige Gleichheit in der Freiheit kann hier zum Ziele führen. Daß Mißstände auf dem Gebiete des Begräbnis Wesens bestehen, geben wir zu; aber die Regelung dieser Materie ist Sache der Landes gesetzgebung. Jedeufalls erkennen wir an, daß jeder da? Recht haben muß, sich seinen religiösen Bedürfnissen entsprechend begraben zu lassen. Natürlich wollen wir die konfessionelle Eigenschaft unserer Friedhöfe gewahrt wissen. In der Polemik gegen mtS haben evaiPeltsche Pastoren den Papst als Antichristen , die Dogmen der katholischen Kirche als römischen Aberglauben, unseren Gottesdienst als Götzendienst öffentlich be- zeichnet; ist das religiöse Toleranz? Wir sind konsequenter. Wir verlangen voll« bürgerliche und staatsrechtliche Toleranz für alle Konfesfionen aus allen Gebieten des staatlichen Lebens. Ich schlage vor, unseren Antrag wieder einer Kommission von 28 Mitgliedern zu überweisen und hoffe, daß, wenn ihn der Reichs- tag wieder annimmt, die Verbündeten Regierungen ihn diesmal nicht leichthin ablehnen werden Wenn sie unser Vaterland zu einem wirklichen modernen Rechtsstaat machen wollen, müssen sie unserem Antrag zustimmen.(Lebhafter Beifall im Zentrum.) Abg. Dr. Sattler(natl.)? Herr Dr. Bachem hat es so dar­gestellt. als ob wir die eir zige Partei seien, die den religiösen Frieden stört. Vor ungefähr 10 Jahren hat Herr Bachem eS selbst als Aufgabe seiner Kirche bezeichnet, alle Abtrünnigen wieder zurück- zuführen.(Zuruf im Zentrum: Los von Rom!) Ich weiß jetzt nach 10 Jahren nicht mehr genau, was Herr Bachem damals gesagt hat, aber ich glaube ihn noch zu sehen.(Große Heiterkeit.) Auch wir verlangen, daß in denjenigen Staaten, in denen die Protestanten die Mehrheit haben, die Katholiken dieselben Rechte wie sie genießen I Aber lvir verlangen auch umgekehrt, daß inden Staaten, wo Sie vom Zentrum den maß- gebenden Einfluß haben, Andersgläubige, z. B. in Bayern die Altkatholiken, nicht bedrückt werden. Des- halb muß der Staat ein gewisses Buffichtsrecht über die Betätigungen der konfessionellen Gesinnung behalten. Namentlich auf den Grenz« gebieten: Schule, Ehe, Begräbnis mutz die Hoheit des Staates bleiben. Die Grundtendenz Ihres Antrages aber ist, diese zu beseitigen.(Heiterkeit beim Zentrum.) Die sorgfältig aus- gearbeitete Rede des Abg. Bachem gibt ein völlig falsches Bild. Der Antrag, der eigentlich heißen sollteKampfantrag gegen die Staats- Hoheit über die kirchlichen Einrichtungen", ist ein alter Bekannter, leider keinguter" alter Bekannter, nur hat er vielfach eine neue, noch toleranzarsiger klingende Fassung bekommen. Wer es für seine Pflicht hält, stir den Frieden zu sorgen, muß gegen den Gesetzentivurf stimmen. Ich warne aliovor�Anualimr des Antrages. Er bedeutet eine falsche Bekämpfung MHBtftlstaaten. Diese werden den Ent- wurf zu Fall bringen. J�M�aber doch von der höchsten Sorge erfüllt.(Beifall bei dmWWAttlideralen.) Wir nehmen dem ZentaSSSAcnüber dieselbe Stellung ein, wie sie mein Freund Vollmar seWtzMjhegründete. Die Motive, die uns leiten, find ganz andereuaSgp wie die Motive deS Zen­trums. DaS Zentrum maatM�Mis der Not eine Tugend; ssver- langt etwas, an dessen Bcrwirkllchiing die katholische Kirche , wo sie die Staatsmacht völlig in Händen hat, nicht denkt; wir mißbilligen ebenfalls die von Herrn Bachem anaeführten Hemmnisse, die man der Ausübung des katholischenHlWttj�in einzelnen deutschen Staaten noch entgegensetzt. Wir tun das-' voni Boden unserer prinzipiellen Stellung aus, die das Recht auf'WHeit des Bekenntnisses, aber im weitesten Sinne, nicht nur dos religiöse, konfessionelle, sondern über- Haupt das Recht auf freie Weltanschauung(ausspricht. Wir werden wahrscheinlich trotz dieser z u st i m Menden Haltung zum Antrage deS Zentrums nach wie vor von der Zeutrumspresse bei jeder Ge- legenheit von neuem als Religionsfeinde hingestellt werden, die wir auf Ausrottung der katholischen Religion ausgingen. So wird in einem Flugblatt des Volksvereius für das katholische Deutschland in einem Artikel:Sind die Sozialdemokraten RcligionSfoindc?" be- hauptet, daß wir es abgesehen hätten ans die Vernichtung der christlichen Religion, insbesondere der katholischen Kirche . Krieg bis zur Vernichtung hätten wir im Erfurter Pro- gramm ausgesprochen. Nun, im Erfurter Programm steht, daß wir die Religion zur Privatsache des Einzelnen erklärten, und in der offiziellen Erläuterungsschrift von KautSky und Schoenlank zum Er- furter Programm heißt es: Eine Pfaffenherrschaft ist gleich un- verträglich, wenn die Pfäfferei als Gottesleugnerin oder als Gottesbekennerin auftritt. Was ein Staatsbürger und ob er etwas glaubt, ist ihm zu überlassen. Der Staat hat sich jeder Einmischung in Privatangelegenheiten zu enthalten, er darf einen Gewissenszwang weder ausüben noch dulden. Das ist unsere prinzipielle Stellung; von ihr aus stimmen wir im wesentlichen dem Zentrumöantrag zu. Bei dieser unserer Stellung ist es ein grober Verstoß gegen die Regel: Du soll st nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Räch st en, wenn die Zentrumspresse immer und immer wieder gegen uns den Vorwurf der Religionsfeindschaft erhebt. Besonders aus Zitaten des Abgeordneten Bebel wird gefolgert, daß die Sozial- demokratie sich zuni Atheismus bekenne. Mein Fraktionsgenosse Bebel hat sich wiederholt in energischer Weise zum Atheismus be- kamit, das ist sein gutes Recht. Aber Bebel hat niemals perlangt, daß der Atheismus als Standpunkt der Partei an- erkannt, programmatisch festgelegt werde.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Bei den Beratungen, die der Schaffung unseres Erfurter Programms vorausgingen, hat Wilhelm Liebknecht in dieser Sache eine Erklärung abgegeben, die aar keinen Zweifel über unsere Stellung zu dieser Frage zuläßt. Er führte damals aus, daß man gegen Denken und Glauben erst vorgehen dürfe, wenn es sich in gemcinschüdliche Handlungen umsetze, an sich aber seien Glauben und Denken frei, absolut frei, und der Sozial- demokrat, der die Menschenwürde achte, werde sich auch hüten, seinen Mitmenschen wegen seiner religiösen Ueberzcugung zu verhöhnen. (Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Und da erheben die Flugblätter des katholischen Volksvereins gegen uns nicht nur den Vorwurf der Religionsfeindschaft, sondern sprechen auch ganz be- stimmt aus, daß die Sozialdemokratie bemüht sei, kirchenfeindliche Gesetze zustande zu bringen. DaS widerspricht den hier aktenmäßig festgelegten Worten des verstorbenen hervorragenden Zentrllmsführers Dr. Lieber. Er sprach in der Sitzung vom 5. Januar 1899 der Sozialdemokratie seinen und seiner Freunde Dank dafür aus, daß lvir, trotzdem man die Rückkehr der Jesuiten wiederholt als Mittel zur Bekämpfung der Sozialdemokratie empfohlen hätte, von Anfang an bis zum heuttgen Tage ds« Antrag auf Aufhebung des Jesuitengesetzes im Interesse der Freiheit und Gerechttgkeit einstimmig unterstützt hätten.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Das genügt wohl, um diese sich immer wiederholenden Angriffe gegen die Sozialdemokratie zurückzuweisen. Bei Gelegenheit des früherenToleranzantrages" war in der Erklärung des Zentrums gesagt, daß die Schulangelegenheiten beiseite gelassen wären. Aber schon die damalige Kommisftonsverhandlung bewies das Gegenteil, und der jetzige Anttag hat das Ergebnis dieser Kommissionsverhandlung in sich aufgenommen. Der§ 4 deS An­trages verbürgt aber in keiner Weise, daß alle Elter» die Freiheit haben, ihren Kindern den Religionsunterricht i» der von ihnen gc- wünschten Weise erteile» z» laffen, insbesondere was die Dissidenten anlangt.(Sehr richttg! links.) Und doch wäre das die Konsequenz deS Artikels 2. Von dem Gedanken aus käme man konsequenter- weise zu einer ganz paritätischen Schule, in der der ReligionS - »nterricht überhaupt keine Stelle als obligatorischer Untcrrichtsgcgen- stand einnimmt. Die ganzeToleranz" muß Schein bleiben, wenn Sie nicht die heranwachsende Generation frei und tolerant erziehen. Aber Ihre Literatur verlangt das Gegenteil. Eine in einem bekannten katholischen Verlage erschienene, vom Bischof approbierte Broschüre be- streitet vem Staate ganz radikal das Recht, dre Kinder zu zwingen, ein gewisses Maß von Kenntnissen zu erwerben. Es ist da von der unerhört langen Dauer von acht Schuljahren" die Rede und der Staat wird alseine verkörperte Blas phemie" geschildert, da er sich selber an die Stelle des Allerhöchsten setzen wolle. Die Staats-Zwangsschule wird alsmoderner Moloch" bezeichnet (Heiterkeit links), derlegalisierte» Kindcrraub" betreibe, und die Eltern werden geradezu zur Gehorsamsverweigerung gegen staatliche Volksschulgcsetze aufgefordert.(Hört I hört I bei den Sozial- demokaten.) Die reinliche Scheidung von Kirche und Staat liegt einerseits im Interesse des Staates, der eine gleichmäßige Geistes« bildung feiner zukünsttgen Bürger wünschen mutz. Sie liegt aber auch rm Interesse der Kirche. Denn dadurch, daß man der Kirche den Zweck gibt, immer das gegenwärtige Staatsregime zu schützen, nimmt sie Schaden an ihrer Seele. Daher hat das Christentum heute eine so militaristische Form angenommen. Die Vorgänge im russisch -japanischen Krieg beweisen aber, daß gute Soldaten nicht Christen zu sein brauchen.(Sehr richttg! bei den Sozialdemokraten.) Hat doch der japanische General Nogi sogar den Orden pour I« merite bekommen!(Heiterkeit bei den Sozialdemo- kraten.) Man wird also wohl den Standpunkt, daß mir der Christ ein guter Soldat sein kaim, jetzt aufgegeben haben. Standen doch den Japanern gerade besonders gläubige Christen gegenüber, die die nllcrrichtigstr Religio» zu haben glauben und noch dazu mit allen Apparaten ihres Glauben?, mit Heiligenbildern und Amulette» ausgerüstet inS Feld zogen.(Heiterkeit links.) Herr Bachem erklärt, die Staatshoheit über die Kirche sei im Prinzip zu verwerfen, aber in seinem Antrage selbst öffnet das Zentrum dieser Staatshoheit Tür und Tor, indem eS von§ 9 ab das ist der früher zlwückgezogene Teil fortgesetzt vonanerkannten" Religionsgemeinschaften spricht. Wer an- erkennt denn die Religionsgemeinschaften? Doch nur der Staat! Sie gehen soweit in der Anerkennung deS staatlichen toheitsre chtes, daß Sie die Lehrerseminarr, die Gymnasien, ealschulen, ja selbst die Universitäten konfessionell machen wollen. Wie wenig weit Ihre Toleranz geht, haben Sie bei der Umsturz- Vorlage bewiesen. Sie haben den Antrag eingebracht: Mit Geld­strafe oder Gefängnis wird bestrast, wer öffentlich oder vor mehreren das Dasein Gottes oder die Unsterblichkeit der Seele leugnet. Jeder Professor der Philosophie, der eine atheistische oder pantheisttsche Weltanschauung vor seinen Hörern entwickelt, würde danach einfach der Bestrafung verfallen. Wenn Sie(zum Beispiel) lehren, daß eS ei» Verdienst fei zu glauben und die Seligkeit als Lohn darauf setzen, so sagen Sie nicht nur, daß der Mittnensch eine falsche Auffassung habe, sondern Sie erkennen ihm, mag er sonst sein, wie er will, im jenseitigen Leben keine Gleichberechtigung zu.(Lachen und Lärm beim Abg. Erzberger .) Indem Sie so auf das Wahrhalten an sich einen Lohn setzen, vergiften Sie daS Verhältnis zum Mitmenschen in der innersten Wurzel, anerziehen Sie die Gemütsrohrit gegenüber denen, die einen anderen oder keinen Glauben haben. Daher kommen die Ausbrüche des Fanatismus, die wir haufenweise in der Geschichte beobachten können und die auch heute noch latent sind und sich bei der geringsten Gelegenheit in Beschimpfungen oder Mißhandlungen der Andersgläubigen entladen. Demgegenüber fordern wir»olle Gleichberechtigung auch für den, den seine Denkarbeit zwingt, dir Existenz eines GotteS wie Sie ihn sich vorstellen, zu leugnen, die traditionellen Wahrheiten der Kirche, die meist noch ans der kind­lichen Phantasie dqs Judenvolkeö herrühren, für«iivereinbar mit der Wissenschast zu halten. Auch für diese» fordern wir Schonung seiner Weltanschauuiigsgefühle. seiner inneren Wahrheiten, die für ihn genau so Leben ausmachen, wie bei Ihnen.(Sehr richtig! bei den Soz.) Ich habe die feste Zuversicht, daß, wenu man mit den äußerlichen Schranken der Religionsübung aufräumt, man mit dazu beiträgt, daß die Menscheii zu dieser höheren Toleranz erzogen werden. Weil lvir auch diese gute Wirkung von dem vorliegenden Antrag erwarten, werden wir um so lieber seinen wesentlichen Teilen zu- stimme».(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Henniiig(kons.): Ich bin beauftragt, im Namen meiner Fraftion mit wenigen Ausnahmen unsere Zustimmung zu dem Antrage zu erklären. Ich gebe gern zu, daß die Benachteiligung der katholischen Kirche in einzelnen Bundesstaaten auf die Dauer unhaltbar ist.(Bravo ! im Zentrum.) Hätte das Zentrum nur Abstellung dieses Uebelstandes verlangt, so hätten alle Parteien von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken dem Antrage zustimmen können. Weniger fordern wäre mehr gewesen. Denn der ziveite Teil des ZentrunlsantrageS enthält gegemiber dem ersten die schon vom Vorredner gerügte Inkonsequenz. Während im ersten Teile nur von Religionsgemeinschaften die Rede ist, spricht der zweite Teil von staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften. Ich kann nicht zugeben, daß ein Riß zwischen Staat und Kirche entsteht, sonst erhalten lvir einen gesetzlosen Zustand, wie in den Vereinigten Staaten . Einer Kommissionsberatung können wir nicht das Wort reden.(Beifall rechts.) Abg. Dr. Müllcr-Sagan(frs. Vp.): Meine politischen Freunde nehmen heute noch genau denselben Standpunkt ein, den mein Freund Richter am 5. Dezember 1900 und am 1. Mai 1902 hier in unserm Namen ausgesprochen hat. Wir stehen also den ersten acht Paragrapheil des Entwurfs durchaus sympathisch gegen­über. Wir hoffen auch, daß die verbündeten Regierungen ihre Be- denken als unbegründet fallen lassen werden. Allerdings halten auch wir dafür, daß die Annahme des Entwurfs eine Versassungs- änderung einschließt und daß das dem entsprechende ge- schäftsordnuiigsgemäße Verfahren eingeschlagen wird. Andererseits können wir, so wie auch früher schon, die§§ 914 nicht anne h m en, weil sie ein Aus nah mer ech t stir die anerkannten Religions- gemeinschaften begründen. Aber auch abgesehen von diesen prin- zipiellen Bedenken sind wir der Meinung, daß die Annahme der§§ 9 bis 14 leicht solche Erregungen der Leidenschaften hier im Reichstage hervorrufen könnte, wie wir sie zur Zeit des sogenannten Kultur- kampfes erlebt haben. Diese aber waren schädlich für die wahren nationalen Interessen. In betreff der ZK 1 bis 3 sind wir der Meinung, daß diese seinerzeit in der Kommission ausgiebig durch- beraten sind. Wir werden daher jetzt gegen den ganzen Antrag auf Zurückweisung des Entwurfes an die Kommission stimmen. Abg. Dr. Stockmlim»(Rp.): Im Namen meiner polittschen Freunde habe ich zu erklären, daß wir diesem Gesetzentwurf gegen« über dieselbe ablehnende Stellung wie vor vier Jahre» ein- nehmen. Ja, unsere Bedenken sind noch gesttegen. Die Erregung in weiten Kreisen des evangelischen Volkes über die Aufhebung des K 2 des Jesuitengesetzes ist noch nicht geschlvunden(Sehr richtig I rechts), und die Lage der katholischen Kirche in Deutschland ist durchaus nicht derartig, daß ein Gesetz wie das vorgeschlagene notwendig wäre. Papst Leo XIII . hat ausdrücklich anerkannt, daß die Lage der katholischen Kirche nirgends so günstig ist wie in Deutschland. (Sehr richttg! rechts.) Ganjj ähn­lich hat sich der jetzige Papst Pius X. noch jüngst zu einem franzöfischen Journalisten geäußert. Der Zentrums-Abgeordnete Dr. Pichler hat vor vier Jahren erklärt, er würde seine Unterschrift unter dem Toleranz- antrag sofort zurückziehen, wenn er jemals einen so schönen Bericht über die Einweihung einer katholischen Kirche in Mecklenburg zu lesen bekäme, wie er damals gerade über die Einweihung einer evangelischen Kirche vorlag. Jetzt kann ich Herrn Dr. Pichler Lienen. Redner verliest den Bericht desBonifaziuSboten" über die Ein- weihung einer katholischen Kirche in Wismar , an der sich die Spitzen der Behörden beteiligt und zu deren Gründung evangelische Gutsbesitzer bedeuten deGeldsummen beigesteuert haben. Ich erwarte nun, daß Herr Dr. Pichler sein Versprechen hält.(Große Heiterkeit� Wir wären nur bereit, an das Reich eine Aufforderung zu richte», daß eS in dem hier gewünschten Sinne auf die Einzelstaaten ein- wirkt, eine gesetzgebende Aktion des Reiches in dieser Richtung würden wir aber als unzulänglichen Eingriff in das Landeskirchenrecht be- trachten. In weiten evangelischen Kreisen wird der Toleranzantrag lediglich als Versuch angesehen, auf Umwegen die Machtstellung des Katholizismus zu erweitern.(Unruhe im Zentrum.) Abg. Dr. Stöcker(toildk.): Ich begreife, daß in unserem Staats- kirchentum die realen Voraussetzungen für die Durchsührung eines solchen Antrages gegeben sind. Es wäre mein höchst« Wunsch, wenn beide Kirchen vom Staate in keiner Weise mehr berührt würden, aber dazu wäre eine große vor« bereitende Arbeit in den Einzelstaaten notwendig. Eine Resolution, die die Einzelstaaten ausforderte, in diesem Sinne zu wirken, könnte einen Sinn haben, aber eine gesetzgeberische Aktion, wie sie hier gewünscht wird, halte ich für ganz zwecklos. Wir können den§ 4 nicht annehmen; denn wenn wir auch den Unterricht der Dissidenten im Katechismus nicht wünschen, so dürfen doch die biblischen Erzählungen, dieses wichtigste Kulturelement, keinem Kinde unbekannt bleiben. Wir können auch dem K5 nicht unsere Sttmme geben; denn nach ihm könnten alle aus Frankreich vertriebenen Kongregationen und alle russisch -polnischeir Rabbiner in Deutschland sich ansiedeln. Kurz, so entschieden wir für volle Freiheit des reli- giosen Bekenntnisses sind, so wenig können wir m diesem Antrage einen Weg zu dem Ziele erblicken.(Beifall rechts.) Darauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. Aus der Tages- oronung stehen die dritte Leiung des NachtragSetatL für Südwestafrika und die Interpellation Ablaß (Frs. Vp.) über die Schiffahrtsabgaben auf natürlichen Wasserstraßen. Schluß(ixU Uhr._ Hbgcordnetenbauöo 132. Sitzung vom 4. Februar, 11 Uhr. Am Ministertisch: v. Budde, Frhr. v. R Heinbaben, v. P 0 d b i e l s k i. Die zweite Beratung des Gesetzentwurfs über die Herstellnna und den Ausbau von Wasserstraßen wird fortgesetzt. Abg. v. Arnim(k.): Ich bettachte eS als ein großes Verdienst meiner politischen Freunde, daß sie 1899 und 1901 der Rcgicrungsvorlagc einen ent- schiedenen Widerstand entgegengesetzt haben, denn nur dadurch ist es möglich geworden, daß die Regierung uns im vorigen Jahre fünf Vorlagen vorgelegt hat, von denen zwei Meliorationen in Sonder. gebieten, zwei allgemeine Meliorationen betrafen, die aber Vorzug?- weise dem Osten zugute' kamen. Auch die jetzige Vorlage bezieht sich in ihrem ztveiten Teil auf den Osten. Namens eines nicht unerheb- lichen Teils meiner politischen Freunde kann ich erklären, daß wir im ganzen dieser Vorlage gegenüber einen etwas freundlicheren Standpunkt einnehmen als ihn unser verehrter Führer Graf Lim- burg-Stirum gestern eingenommen hat. BorauSsetzung für unsere Zustimmung ist die Einführung des Schleppmonopvls und der SchiffahrtSnbgaben für kanalisierte Flüsse. Ist ein Schleppmonopol notivcudig, so ist es besser, wenn es als Staatsmonopol eingeführt wird denn als Privatmonopal. Wir werden in der zweiten Lesung für die Verbcsserungen der Kommission stimmen, müssen aber unsere endgülttge Abstimmung in der dritten Beratung von den Beschlüssen des Hauses in der zweiten Beratung abhängig machen.(Beifall rechts.) Minister v. Budde: Von mehreren Rednern ist mir gestern der Vorwurf gemacht worden, ich hätte die staatsrechtliche Seite der Schiffahrtsnbsabc»