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pagnk der Feuerwehr mehrere Stunden lang,»uf bisher nicht ermittelte Weise war das Feuer auf dem Boden des Hauses ent- standen, hatte an dem Inhalt der zahlreichen Bodenverschläge reiche Nahrung gefunden und war, als es bemerkt wurde, bereits auf den Dachstuhl übergesprungen. Als Brandmeister Hammer mit seinem Löschzuge zuerst eintraf, stand schon der größte Teil des Dachstuhles in Flamnien. Er ließ daher sofort mehrere Schlauchleitungen in Thätigkeit treten und von verschiedenen Seiten aus vordringen. Trotzdem dauerte es aber doch über eine Stunde, bevor die Gefahr als beseitigt gelten konnte. Der Dachstuhl nnt seinen Bodenräumen brannte größtenteils nieder. Außerdem hatte die Wehr in sden letzten 24 Stunden noch in der R ll d e r s d o r f e r st r. 12, B r u n n e n- straß e 24 und in der S t a r g ard e rst r. 2 kleinere Feuer abzulöschen._ Zum Besten der Bergarbeiter. Am Sonntag, den 12. Fe- bniar, mittags präzise 12 Uhr, veranstalten die in Arbeiterkreisen wohlbekannten GesangvereineNordwacht",Weddinger Harmonie", Gefangverein der Schneider", Gesangverein der Zimmerer" in BallschmiedersKastanienwäldchen". Badstr. 16, eine Matinee zum Besten der ausständigen Bergarbeiter im Nuhrrevier, unter gütiger Mitwirkung der Konzertsängerin Frau H. Geipelt, des Biolinvirtuosen Herrn Alexattder Altmann, des Herrn Kapellmeisters Hempel, sowie des Elite-Streichorchesters des Herrn Musikdirektors Blume. In Anbetracht des ausgewählten Programms und des billigen Preises von 36 Pf. pro Billett ist dem Unternehmen ein reger, dem guten Zweck entsprechender Besuch zu wünschen. Der TheatcrvereinAlpenveilchen", gegründet 1892, veranstaltet am Mittwoch in Anton Boekers Festsälen, Weberstr. 17, eme Wohl- tätigkestsvorstellung zum Besten der streikenden Bergarbeiter. Zur Aufführung gelangt:Die Macht der Arbeit", Schauspiel in vier Akten von C. A. Paul. Da der ganze Reinertrag den Berg- arb eitern überwiesen wird, ist reger Besuch erwünscht. Der GesangvereinHarmonie- Ost" hält am Sonntag, 12. Fe- btuar, in Beyers Lokal, Weberstratze, zugunsten der Bergarbeiter eine Matinee mit einem vorzüglich ausgewählten Programm ab. Karten kosten im Vorverkauf 2S Pf., an der Kasse 36 Pf. Für die Bergarbeiter-Familien. Die Schriftsteller Heinz Evers und Roda Roda schreiben uns: Der am 31. v. M. zugunsten der hungernden Frauen und Kinder der streikenden Bergarbeiter im Ruhrgebiet von den SchriMellern Hans Heinz Evers und Roda Roda veranstaltete Abend hat laut dem uns vorliegenden Rechnungs- abschlutz die Summe von 1666,65 M. erbracht. Die Veranstalter haben diese Summe durch Vermittclung des Pfarrers D. Naumann dem Streikkomitee überwiesen. In dem vom MänncrchorGeorginia 1879" zu heute mittag 12 Uhr im Deutschen Hof, Luckauerstr. 15, veranstalteten Konzert wirken unter anderem mit: Frau Pankenin-Aderholt, Konzert- und Oratoriensängerin, Herr Ed. v. Winterstein. Rezitator, Herr Willy Meyer-Guttchen, Klaviervirtuose. Der Ertrag fließt bekanntlich den Bergarbeitern zu. Der Eintritt kostet nur 36 Pf. Zur Borbereitung für die Beobachtung der bevorstehenden totalen Mondfinsternis am 19. Februar spricht Direktor A r ch e n h o l d auf der Treptow -Stcrnwarte am Sonntag, den 5. d. M., abends 7 Uhr, überDie Einzelheiten dieser Mond- finsternis", welche in den bequemen Abendstunden von 6 Uhr 53 Min. bis 9 Uhr 6 Min. stattfindet. Arbeiter-SchwimmvereinNord". Ein internes Schau- und Wettschwimmen findet heute nachmittag 3 Uhr im Admiralsgartenbad, Friedrichstr. 162, statt. Ter Eintrittspreis beträgt 56 Pf. Arbeiter-Bildungsschule. Heute abend 7 Uhr Vortrag von Frau Dr. Zepler überDie Ethik des Sozialismus" im Königstadt- Kasino, Holzmarktsttaße 72. Wintergarten. Saharet ist der bedeutendste Name auf dem Programm. Die Tanzkunst dieser Dame ist oft gerühmt worden; aber immer wieder erfreut die einzige Künstlerin durch die über- sprudelnde Poesie, durch die in aller Lebendigkeit kindliche Art ihrer seltsamen Rhytmik. Aus dem Januarprogramms sind die Lust- gymnasttker Patter dem Repertoire erhalten geblieben; völlig neu ist dagegen ein Fräulein Mimi Letta, die mit einigen anderen Damen aus einer rotterenden Bahn, die durch einen elektrischen Motor an- getrieben wird, eine Art Wettlauf veranstaltet. Unter Leitung eines Herrn Dr. Angela geben eine Anzahl junger Damen sich als lebende Gipsstudien, die zumeist nach bekannten Kunstwerken mit großem Schönheitssinn zusammengestellt sind. Die Schulreiterin Therese Renz zeigt, daß auch die Bühne geeignet ist, um hervorragende Reit- leistimgen zur Geltung zu bringen. Zu schwierigen Akrobatenkünsten hat Herr Rafayette seine Hunde dressiert. Dem bekannten Kopfläufer Bapttste scheinen die englischen Tänzerinnen Snowdrops nacheifern zu wollen; die Damen liegen auf dem Rücken und fuchteln mit den Beinen in der Luft herum. So seltsam diese Art Kunst ist, es läßt sich incht sagen, daß die Sache häßlich wirkt. Im großen ganzen ist das Programm des Wintergartens auch in diesem Monat originell und wirkungsvoll. Die Leitung der Freien Volksbühne beschloß zu Ehren deS russischen Dichters Maxim G o r k i am 19. Februar, nachm. 3 Uhr, eine Extravorstellung des N a ch t a s y l im Kleinen Theater zu ver- anstalten. Teilnehmerkarten sind dazu a 1,56 M. zu haben bei sofortiger Bestellung bei E. Beyer, Brüschke, Böttger, Gottfried Schulz, Horsch, Gewerkschaftshaus, Vogel II, Koppenstraße, Ramm, Molkenmarkt und Löwenberg, Schönhauserstraße. Der 5. Kunstabend im Rathaus am 27. Februar, abends 8>/z Uhr, ist gleichfalls dem Dichter Maxim Gorki gewidmet. Einlatzkarten sind in obigen Zahl- stellen zu bestellen._ fluo den Nachbarorten. Rixdorf. Polizeiliche AusweisungSpraxiS. Auf Grund des Gesetzes über die Aufnahme Neuanziehender hatte der Berliner Polizeipräsident den im April 1964 nach Rixdorf gezogenen Privatlehrer P. ausgewiesen und ihm auch den Aufenthalt rn Berlin , Charlottenburg , Schöneberg und anderen Nachbarorten untersagt. P. soll eine gemeingefährliche Person im Sinne jenes Gesetzes vom 31. Dezember 1342 sein, weil er neben anderen Strafen vor Jahren auch einmal eine solche von vier Monaten wegen Be- truges erlitten hatte. P. beschwerte sich vergeblich und klagte dann beim Ober-Berwaltungsgericht. Dieses setzte die Ausweisung mit folgender Begründung außer Kraft: Aks Landespolizeibehorde sei der Berliner Polizeipräsident auch zu einer Ausweisung aus Rirdorf zuständig. Beim Erlaß der Ausweisung sei aber Kläger nicht mehrNeuanziehender" gewesen. Zugezogen in Rrx- dorf sei er am 7. April, ausgewiesen unter dem 29. Juni. Trotzdem würde die Ausweisung noch keine unzulässige sein, wenn sie erfolgt wäre im Anschluß an ein Ermittelungsverfahren der Polizei, welches unmittelbar an den Zuzug P/s angeknüpft hätte. Das sei hier nicht so Spätestens am 14. April sei der Zuzug der Polizei bekannt gewesen. «Iber erst 5 Wochen später habe die Rixdorfer Polizei Ermittelungen über die Person des P. angestellt. Da sei Kläger nicht mehr Neu- anziehender in Rixdorf gewesen, womit die Anwendbarkeit des Ge- setzeS vom 31. Dezember 1842 ausgeschlossen sei. Rnmmelsburg. Die Gemeindevertretung in Rummelsburg beschloß in ihrer letzten Sitzung den Erlaß eines Ortsstattlts über die Gemeinderats- Sitzungen. Der Entwurf enthielt einen Paragraphen, der für un- entschuldigtes Ausbleiben sowie für ordnungswidriges Benehmen in den Sitzungen eine Geldstrafe von 1 bis 3 M. festsetzte und im Wiederholungsfälle die Ausschließung des betreffenden Mtt- gliedes aus der Gemeindeverttetung bis au; die Dauer emes Jahres verhängte Da der Gemeindevorsteher selbst erklärte, kein besonderes Interesse an diesem Paragraphen zu haben, so wurde auf unseren Antrag hin die Bestimmung gestrichen. Immerhin stimmten drei Mitglieder der ersten Abteilung und der Vorsitzende des Gastwirte- Vereins für den Paragraphen. Bei der Beratung der Frage betreffend Errichtung eines Wochenmarktes im Boxhagener Ortsteil zeigte sich, was für Interessen die Hausbesitzerpartei im Gemeindeparlament glaubt vertreten zu müssen. Die Herren erklärten sich ganz entschieden gegen die Errichtung eines solchen Marktes, da genügend Läden vorhanden seien; sie hielten es für richttger, daß der bereits bestehende Wochenmarkt aufgehoben würde. Unsererseits wurde darauf hingewiesen, daß die Gemeinde verpflichtet sei, für Einrichtungen zu sorgen, die der Bevölkerung den möglichst billigen Einkauf ihrer Bedürfnisse erleichtern. Auch der Gemeinde- Vorsteher hielt den Herren entgegen, daß die Gemeindevertretung nicht nur dazu da sei, für die Interessen der Hausbesitzer zu sorgen. Die Sache verfiel der Vertagung. Die doppelseitige Beleuchtung der Köpenicker Chaussee von der Grenzgrabenbrücke bis zur Wühl- Heide wurde einstimmig gutgeheißen. Ferner wurde die Erweiterung der Wasserwerksanlagen beschlossen; hierzu wurde der Betrag von 67 666 M. bewilligt. Ebenso stimmte man für die Gründung einer dritten Vorschulklasse am Realprogymnasium. Um den vielen berechtigten Klagen über mangelhafte Reinigung der Straßen abzuhelfen, wird die Gemeinde die Reinigung der Straßen in eigene Regie über- nehmen; der Etat hierfür wurde auf 45 666 M. festgesetzt. In nicht- öffentlicher Sitzung wurde der Ankauf des sogenannten Krauseschen Eisgrundstücks, das für 326666 M. angeboten war, gegen zwei Sttmmen abgelehnt. Spandau . Die letzte Stadtverordnctcn-Bcrsammlung in Spandau genehmigte den Magistratsentwurf eines Nachttages zu dem städtischen Spar- kassenstatut, jedoch unter Ablehnung des§ 1, welcher die Herab- setzung des Zinsfußes von 3>/z auf 3 Proz. verlangte. Im übrigen bezweckt der Nachtrag die Einrichtung von Nebenstellen, wovon eine in erster Linie sofort für den neuen StadtteilNonnendamm" in Aussicht genommen worden ist. Auch soll nach dieser Abänderung ein Reservefonds nur in Höhe von Proz. der Einlagen(bisher 16 Proz.) angesammelt werden, damit der Ueberschuß eher der Stadtgemeinde zugeführt werden kann. Das Gesuch der Orts- Krankenkasse auf Herabsetzung der Verpflegungssätze des städtischen Krankenhauses wurde der Krankenhausdeputation zur Begutachtung über- wiesen. Genosse D u ck s ch, der das Gesuch befürwortete, hatte Einsetzung einer besonderen Kommission verlangt, welche mit den Vorständen der verschiedenen Kassen Unterhand- lungen auch zugleich über eine Verschmelzung der Kassen an- knüpfen sollte. Die Schulärzte werden die Spandauer ttotz des Sträubens des Oberbürgermeisters nun doch Wohl bekommen, denn die gemischte Kommission hat seit dem bekannten Stadtverordneten- Beschluß(die Feststellung des Schuletats bis zur Verständigung über die Schul- arztftage auszusetzen) inzwischen wieder getagt und dabei den Herrn Oberbürgermeister vollkommen in Sttch gelaffen. Auf der Vorortstrecke der Görlitzer Bahn werden die Umbauarbeiten auch den Winter hindurch fortgesetzt. Gearbeitet wird gegenwärtig besonders an den großen Brückenbauten hinter der Kreuzung mit der Ringbahn und vor der Haltestelle Baumschulenweg , die not- wendig geworden sind, weil für die Gütergleise der Ringbahn sowie für di- Bahnstrecke Rixdorf Baumschulenweg, die bisher nur dem Güterverkehr diente, aber später auch für Personenverkehr ein- gerichtet wird, ein betriebssicherer Anschluß an die Görlitzer Bahn geschaffen werden mutz. Die Gleise des Ringbahnanschlusses schreiten auf hoher, weit gespannter Brücke über die Görlitzer Bahn, die hier unten liegen bleibt, hinweg und senken sich dann zu ihr hinab. Die Gleise der Strecke Rixdorf Baumschulenweg senken sich vor Baum- schulenweg so weit, daß sie unter der hier hochliegenden Görlitzer Bahn hindurchgeführt werden können, und steigen dann zu ihr und dem neuen Bahnhof Baumschulenweg hinauf. An beiden Ueber- führungs- bezw. Unterführungspunkten sind innerhalb kurzer Strecken beträchtliche Höhenunterschiede zu überwinden. Auch am neuen Bahnhof Nieder-Schöneweide wird jetzt ein wichtiges Stück Arbeit in Angriff genommen, die Unterführung des die Orte Johannisthal und Nieder-Schöneweide verbindenden Weges unter der höher gelegten Görlitzcr Bahn. Vor Jahren war aus Gründen der Betriebssicherheit dieser Weg auf hoch angeschütteten Dämmen über die Bahn hinweggeleitet worden; jetzt muß er in die frühere Höhenlage zurückverlegt werden. Zunächst wird auf der Nieder- Schöneweider Seite die zum alten Bahnhof hinabführende Rampe abgetragen. Infolgedessen hat der elektrische Omnibus Johannis- thal Nieder-Schöneweide, der diese Rampe benutzte, wieder bis auf weiteres seine Fahrten einstellen müssen. Königs-Wufterhausn. Uns wird geschrieben: Wie es um die Krankenfürsorge in unserer Gegend bestellt ist, zeigt folgender Vor- fall. Am 1. Februar, vormittags 8 Uhr, verunglückte ein Arbeiter einer Sandgrube bei Niederlehme: er erlitt eine Quetschung des Oberschenkels. Man brachte den Verunglückten in seine Wohnung und bat telephonisch einen Arzt um seine Hülfe. Als dieser aus- blieb, wurde noch einmal am Nachmittag telephoniert, aber auch jetzt kam der Arzt nicht. Am nächsten Morgen ging der Bruder des Verunglückten persönlich zum Arzt, um etwas zum Kühlen mit- zunehmen, aber erst um 7 Uhr abends, also 35 Sunden nach dem Unfall, erschien der Herr! Der Prozeß Winzler. Der bekannte Exzeß auf dem Stadtbahnhof Alexander. platz, der am zweiten Pfingstfeiertag des vorigen Jahres den Tod des Stationsassistenten Kühn im Gefolge gehabt hat, kam gestern zum zweiten Male zur Verhandlung vor der achttn Strafkammer des Landgerichts l. Aus der Untersuchungshaft wurden der Maurer Paul Winzler und dessen jüngerer Bruder, der Maurer Gustav Winzler vorgeführt. Dieselbe Strafkammer hatte am 1. Oktober vorigen Jahres die beiden Angeklagten wegen wörtlicher und tät- licher Beleidigung, Mißhandlung, Widerstandes und Beteiligung an einer Schlägerei, bei der ein Menschenleben zu Grunde gegangen, zu je 4 Jahren Gefängnis verurteilt. Ein dritter Angeklagter, der Maurer Emil Pape, war zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Er hat seine Sttafe abgebüßt, während die Brüder Winzler das Rechtsmittel der Revision eingelegt haben. Das Reichsgericht hat das erste Urteil aufgehoben, weil der medizinische Sachverständige Medizinalrat Dr. Leppmann sein Gutachten über die Zurechnungs- fähigkeit des Paul Winzler unter Berufung auf den im allgemeinen geleisteten Sachverständigen-Eid abgegeben hatte und das Reichs- gericht Bedenken trug, ob dieser allgemein geleistete Eid auch für den Berliner Bezirk gelten kann. Da für die Verurteilung des Paul Winzler das Gutachten des Dr. Leppmann von ausschlag- gebender Bedeutung war, so ist das Urteil bezüglich Paul Winzler ganz das Urteil gegen Gustav Winzler insoweit aufgehoben worden, als seine Mittäterschaft in Frage kommt. Der Tatbestand dürfte noch im allgemeinen bekannt sein. Der frühere Mitangeklagte Pape hatte am zweiten Pfingstfeiertage seine Verlobung gefeiert; im Stadtbahnzug verübten sie gegen Fahrgäste Ausschreitungen, die sich auf dem Bahnhof Alexanderplatz fortsetzten: der Tod des Stationsassistenten Kühn wird als unmittelbare Folge der Exzesse bezeichnet. Die beiden Angeklagten bestreiten ihre Schuld an dem bedauerlichen Ergebnis und behaupten, betrunken gewesen zu sein. Paul Winzler, der eine angesehene Stellung unter seinen Arbeits- genossen einnahm, Beisitzer des Gewerbegerichts und auch im Vereinsleben sehr tätig war, behauptet, daß er von den Ereignissen auf dem Alexanderplatz keinerlei Vorstellung habe. Er sei in früher Jugend einmal von einem Windmühlenflügel am Kopfe getroffen worden, habe außerdem Krankheiten und Unfälle erlitten und sich vom Alkoholgenuß ganz entwöhnen müssen. Auf der Arbeitsstätte habe er stets Milch statt Alkohol getrunken und als er zur Verlobung des Pape plötzlich 16 Glas Bier zu sich genommen, habe der Alkohol auf ihn schlimmer eingewirkt als bei anderen Leuten. Zu der Verhandlung sind diesmal 64 Zeugen geladen. In dem Prozeß bot die umfangreiche Verhandlung ungeft» dasselbe Bild wie die Verhandlung am 1. Oftober v. I. Den beiden Angeklagten wurde von ihren Angehörigen und mehreren Arbeits- genossen das beste Leumundszeugnis gegeben. Sie wurden als ruhige, fleißige Arbeiter geschildert, die sich stets anständig betragen haben. Insbesondere wurde dem An- geklagten Paul Winzler das Zeugnis ausgestellt, daß er ein guter Ehemann und Vater ist, der bis tuhin für seine Familie nach besten Kräften gesorgt hat. Es wurde auch bestätigt, daß er besonders nüchtern war und sich des Alkohols enthalten hat. Mehrere Zeugen bekundeten, daß er oft über Kopfschmerzen geklagt hat und ein außerordentlich leicht erregbarer Mensch ist, namentlich wenn er etwas getrunken hat. Er hat sich nach dem Zeugnisse seiner Ehefrau zu Hause in seinen Mußestunden außerordentlich viel mit Lektüre beschäftigt, hat wiederholt Nervenzuckungen gehabt und wegen Ueberarbeitung seine Vereinstätigkeit e-'nschränken müssen. Die Frau bekundete, daß die beiden Angeklagten, als sie am zweiten Pfingstfeiertage nach Hause kamen, einen angetrunkenen Eindruck machten und verstört aussahen, beschmutzt waren, aber über das. was ihnen passiert war, keine Mitteilung machten. Anderereits haben die Angeklagten auf die Mitfahrer in ihrem Abteil nicht den Eindruck betrunkener Menschen gemacht. Der Assistent Kühn wurde als ein Mann geschildert, der auch nach außen hin den Eindruck eines großen, kräftigen, gesunden Mannes machte. Die Wahrnehmungen der Zeugen über Einzelheiten der AuS- schreitungen stimmten natürlich nicht bis in das Kleinste überein. Einige Zeugen waren der Ansicht, daß beide Angeklagte sich ziemlich gleichmäßig an der Schlägerei beteiligt haben; beide haben auch ihr Teil abbekommen, von einer Zeugin wurde behauptet, daß sie einen Beamten ersucht habe, auf einen am Boden liegenden Zivilisten nicht noch zu treten, und daß sie gesehen habe, wie ein Beamter einen Mann am Kragen hatte, und ihn so würgte, daß dieser beinahe erstickt wäre. Nach Vernehmung einiger Polizeibeamten gab Medizinalrat Dr. Leppmann sein Gutachten dahin ab, daß in der Verhandlung nichts hervorgetreten sei, was den Schluß rechtfertige, daß der Alkoholgenuß auf P. Winzler wesentlich anders eingewirkt habe, als auf gesunde Menschen. Beweise für eine krankhafte Rauschwirkung auf ihn seien nicht erbracht und§ 51 Stt.-G.-B. sei daher auf ihn nicht anwendbar. Nach längeren Ausführungen de? Staatsanwalts und der Ber - leidiger, fällte der Gerichtshof um 9 Uhr abends folgendes Urteil: Der Angeklagte Paul Winzler wurde zu zwei Jahren sechs Monaten Gefängnis, Gustav Winzler zu drei Jahren Ge- fängnis verurteilt. Beiden Angeklagten wurden je sechs Monate der erlittenen Untersuchungshaft angerechnet. Der Gerichtshof legte diesem Urteil dieselben Feststellungen zu gründe, wie in dem erstergangenen Erkenntnis. Der Sach« verhalt habe sich allerdings in der erneuten Verhandlung zugunsten der Angeklagten etwas gebessert, immerhin er- scheine eine längere Freiheitssttafe erforderlich, um die Handlungsweise der beiden Winzlers genügend zu sühnen. Auf die Frage des Vorfitzenden, ob sich die An« geklagten bei dem Urteil beruhigen wollen, erklärte Paul Winzler: Ich nehme die Sttafe an und spreche dem hohen Gerichtshof meinen besten Dank aus für das mildere Urteil." Soziales. GewerdegerichtS-Brifitzer als ProzeßbevollmSchtigtt. Eine für die Rechte der GewerbegerichtS-Beisitzer und die Praxis auf dem Gewerbegericht wichttge Entscheidung fällte die Sttafkammer des Kieler Landgerichts. Wie seinerzeit imVorwärts" mitgeteilt worden, waren m Neumünster die GewerbegerichtS-Beisitzer wegen grober Verletzung ihrer Amtspflicht in Anklage versetzt worden, weil sie in öffentlichen Lokalen Plakate ausgehängt hatten, in denen Rechtssuchenden unentgeltliche Auskunst in gewerblichen Klagesachen zugesichert wurde. Die gerichtliche Verhandlung endete damals mit der Freisprechung der Angeklaglen, da ihnen daS Bewußtsein rechts- widrigen Handelns gemangelt habe. Daraufhin erließ derRegierungS- Präsident zu Schleswig eine Verfügung, die es den Vor- sitzenden der Gewerbegerichte zur Pflicht machte, die neu einttetenden Beisitzer darauf hinzuweisen, daß es ungehörig sei und gegebenen Falles als Verletzung der Amtspflicht angesehen werde, wenn Ge- werbcgerichts-Beisitzer als Parteibevollmächtigte vor dem Gewerbe- gericht aufttäten oder sich öffentlich zur Erteilung von Auskunst in Rechtsstteitigkeiten erböten. Da in Schleswig-Holstein allenthalben. wo keine Arbeitersekretariate vorhanden, solche von Gewerbegerichts- Beisitzern unentgeltlich versehenen Auskunstsstellen für Rechts- fachen bestanden und nicht nur dem Publikum große Dienste geleistet, sondern auch zur Entlastung der Ge- Werbegerichte selbst vielfach beigettagen hatten, so beschlossen die Kieler Beisitzer, deren AuSkunstsstelle übrigens seit Jahren schon durch das Arbeitersekretariat abgelöst ist, die Rechtsungültigkett jener Regierungsverfügung gerichtlich feststellen zu lassen. Der Gewerbe- gerichts-Beisitzer und Stadtverordnete Genosse Weber übernahm deshalb eine Prozeßverttetung in einer Sache, bei der ein stell- verttetender Vorsitzender, der ihn nicht kannte» amtierte. Nach Schluß der Verhandlung stellte sich Weber dem Borsitzenden als GewerbegerichtS-Beisitzer vor und ersuchte, ein Sttafverfahron gegen ihn einzuleiten. Die Angelegenheit wurde dem Regierungs- Präsidenten gemeldet und dieser veranlaßte, daß gegen Weber Anklage auf Amtsentsetzung erhoben wurde auf Grund des z 21, Abs. 3 deS Gewerbegerichtsgesetzes, der besagt: Ein Mitglied deS Gewerbegerichts, welches sich einer groben Verletzung seiner Amtspflicht schuldig macht, kann seines Amtes ent- setzt werden. Die Entsetzung erfolgt durch das Landgericht, in dessen Bezirk das Gewcrbegericht seinen Sitz hat. Hinsichtlich des Ver- fahrens und der Rechtsmittel finden die Vorschriften entsprechende Anwendung, welche für die zur Zuständigkeit der Landgerichte gehörigen Straffachen gelten. Die Klage wird von der StaatSanwalffchast auf Antrag der höheren Verwaltungsbehörde erhoben. In der am 3. Februar stattgefundenen Verhandlung beanttagte der Staatsanwalt Verurteilung, denn so wenig ein Richter zugleich Richter, Verteidiger und Zeuge sein könne, so wenig dürfe auch ein GewerbegerichtS-Beisitzer zugleich Prozeßbevollmächttgter sein. Je- mand, der sich eine bestimmte Rechtsansicht in einer Sache schon gebildet habe, sei nicht mehr in der Lage, die Einwendungen und Gründe anderer objektiv zu würdigen. Der Angeftagte wies diese Deduftion deS Staatsanwalts schlagend zurück durch die Feststellung. daß er keineswegs in einer Sache, in der er als Beisitzer fungiert, zugleich Parteivertreter gewesen, wie denn auch die AuSkunftserteilung der Beisitzer bloß in solchen Fällen erfolge, zu denen sie als Ge- werbegerichtS-Beisitzer nicht hinzugezogen werden. Da allein das Gericht zu entscheiden habe, wer ms Beisitzer zulässig sei, sei die Verfügung des Regierungspräsidenten ungültig. Das Gericht erkannte denn auch auf Abweisung der Klage. Weber habe sich keiner groben Amtsverletzung schuldig gemacht und könne deshalb mckjt seines Amtes entsetzt werden. Ueber die Rechts- güttigkeit der Regierungsverfügung habe das Gericht nicht zu ent- scheiden, aber die Taffache der unentgeltlichen Prozeßverttetung involviere für einen Gewerbegerichtsbeisitzer auf keinen Fall ein grobes Amtsvergehen, umsoweniger, als über die Zu- lässigkeit solcher Verttetung die Gewerbegerichte selbst geteilter Ansicht seien. In diesem speziellen Falle könne schon deshalb von einer Pflichtverletzung deS Angeklagten keine Rede sein, weil er mit der Absicht, sie zur gerichtlichen Enffcheidung zu bringen, gegen die Verfügung gehandelt und sich selbst denunziert habe. Auch die Art und Weise, wie Weber vor dem Gewerbegericht gegen die Verfügung aufgetreten sei, stelle kein grobes Amtsvergehen vor. wenn es auch richtiger gewesenwäre, er hätte v o r der Verhandlung der Klagesache den Gewerbegerichtsvorsitzenden darauf aufmerksam gemacht, daß er