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Nr. ZK. 22. 1. WM des Joniätb" Wim HolMliitt. Dienstag, 7. März 1905. Reichstag. 166. Sitzung vom Montag, den 6. März ISVö, nachmittags 1 Uhr. Am Bundesratstische: Graf Posadowsky  . Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Be- rawng des Etats des ReichSamts des Innern nebst den bereits mit- geteilten 21 Resolutionen. Abg. Dr. Potthoff sfrs. Vg.): Die verschiedenen Angriffe gegen den Hausierhandel veranlassen nrich, eine Lanze für diesen Erwerbszweig zu brechen. Speziell in meinem Wahlkreise Waldeck gibt eS einen Bezirk, dessen Bewohner direkt auf den Hausierhandel angewiesen sind. Der Boden gibt so wenig her, daß ein Teil der jungen Generation stets auswandern muß, so daß die Bevölkerung trotz großen Geburtenüberschusses stetig zurückgeht. Es gibt dort kaum ein Haus, in dem nicht der größte Teil der Familienangehörigen fortwährend unterwegs ist. Die Be- wohner dort sind die bravsten und ehrlichsten Menschen, die man sich denken kamt! mich geschäftlich, denn sie besuchen manmal zehn bis zwanzig Jahre lang immer dieselben Kunden; und das wäre nicht möglich, wenn fie unehrlich wären. Man darf einen solchen EttverbS- zweig nicht mit einem Ausnahmegesetz belegen. Was die Kartellenquete anlangt, so möchte ich die Frage an den Herrn Staatssekretär richten, ob. wie behauptet worden ist, auch das Feuervers icherungs-Kartell mit einbegriffen ist. Sollte dies der Fall sein, so wäre es wünschenswert, daß die Ergebnisse gerade dieser Untersuchung möglichst schnell bekannt werden, damit sie bei einem kommenden Gesetze über Versichernngs« wesen mit berücksichtigt werden können. Jetzt noch ein paar Worte über die Wünsche der P r i v a t a n g e st e l l t e n. Schon 18Sö umfaßte dieser neue Mittelstand 1 Million Erwerbs- tätiger, jetzt wohl schon zwei. Für diese wichtige Klasse ist bisher Sozialpolitik systematisch nicht getrieben worden. Man hat sich damit begnügt, einzelne Vorschriften der Arbeiterversicherung will- kürlich auf die Angestellten auszudehnen. Dabei sind die Handels- angestellten verhälmismäßig gut weggekommen, dank ihrer besseren Organisation. Ich muß betonen, daß die Gesetzgebung bisher durchaus ungenügend für die landwirtschaftlichen, die technischen und die B u r e a u b e a m t e n gesorgt hat. Die Ueberfüllung im Technikerberufe wird durch die vielen technischen Hochschulen noch größer werden, ebenso wie die neuen Handelsverträge die Lebens- verhältniffe der Handelsangestellten noch weiter herabdrückcn werden. Schon jetzt gibt das Material, das die Erhebungen des Verbandes deutscher Bureaubeamten und durch die Privatenquete des Deutschen Technikervcrbandes im Oktober 1963 beschafft worden ist, ein außerordentlich ungünstiges Bild von der Lage dieser Be- amten. Von der letzten Enquete werden wir ja etwas Ausführlicheres hören, da der Staatssekretär erfreulicherweise ihre Beratung durch das ReichSamt des Innern in Aussicht gestellt hat. ES wäre aber allgemein zu wünschen, daß die Kommission für Arbeiterstatistik ihre Erhebungen auch auf die Privat- be amten ausdehnt. Ebenso wie in der Versicherungsgesetzgebung sind die Privatbeamten in der R e ch t s st e l l u n g sehr ungleich bedacht worden. Während die Konkurrenzklausel bei den Handels- angestellten nach drei Jahren erlischt, ist ihre Dauer bei den übrigen Privatbeamten unbegrenzt. Auch in der Kiindigungs« zeit und in der Frage der Gehaltsanrechnung bei Krankheits- l allen sind nur die Handelsangestellten einigermaßen befriedigend geschützt. Leider ist gerade jetzt mehrfach der§ 63 Abs. 1, wonach der Handelsangestellte im Krankheitssalle sechs Wochen lang seinen Lohn unverkürzt weiter bezieht, nicht als zwingendes Recht anerkannt worden. Hier müßte die Gesetzgebung eventuell durch eine Aende- rung eingreifen. Wir verlangen also einheitliches gleiches Recht für alle Privatbeamten und bedauern, daß die Zentrumsresolution sich nur auf die Gehülfen der Rechtsanwalts und Notare und die Angestellten der Krankenkassen be- schränkt. Wir würden ihre Ausdehnung auf alle Bureau- beantten lebhaft begrüßen. Wir bitten ferner den Herrn Staatssekretär, dafür zu sorgen, daß die Gewerbe- Inspektoren sich mehr um die Lage der technischen Beamten kümmern. In den ganzen Gewerbe-JnspektionS- berichten findet sich jetzt nur eme einzige Stelle darüber, tn der mit­geteilt wird, daß ein Techniker drei Tage und drei Nächte hinter- einander im Betriebe tätig war und danach entlassen wurde, weil ihm irgend ein Versehen passiert war. sHört l hört I links.) Ich möchte noch hinzufügen, daß beim Crimmitschauer   Streik die Unter- nehmer auch einen Teil der Werk in ei st er widerrechtlich ausgesperrt und diesen dadurch einen Schaden von 4000 M. ver­ursacht haben. Redner tritt dafür ein, daß die weiblichen Angestellten in chemischen Fabriken unter die Gewerbe-Ordnung gestellt wurden. Diese Damen, die ja allerdings eine höhere Vorbildung haben. wollen zwar nicht gern als Arbeiterinnen gelten, aber wenn sie erst die Schutzbestimmungen näher kennen lernen, dann werden sie ihre Abneigting gegen dte Gewerbe-Ordnung schon verlieren. Was die vorliegenden Resolutionen, die auch auf Privatangestellte Bezug haben, anlangt, so stimmen wir der auf Erweiterung der Sonntags- ruhe zu; in der Frage des Schmiergelderwesens halten wir ein gesetzgeberisches Eingreifen noch verfrüht und wollen zunächst eiimtal abwarten, was auf dem Gebiet der Selbsthülfe da zu erreichen ist. iBravo l links.) Abg. Werner(Ant.): Wer, wie Abg.'Dr. Potthoff, in der Reichs- Hauptstadt wohnt, hat unter der Landplage der Hau- si-rer nicht zu leiden, wohl aber, wer auf dem platten Lande wohnt. Was Kollege Dr. M u g d a n über die Krankenkassen ,esagt hat. unterschreibe ich Wort für Wort. Aber .eine Partei gönnt den deutschen HandelSgeHülsen nicht das Brot.   Wir hoffen immer noch auf den Befähigungsnachweis, namentlich im Bauhandwerke. Der Herr Staatssekretär hat viel zu viel zu arbeiten, man sollte besondere Reichsämter einrichten, namentlich eins für die Arbeiterfrage.(Lebhafter Beifall bei den Antisemiten.) Abg. Horn-Sachsen(Soz.): Ueber den BefähiaungS« Nachweis will ich nur wenig sagen. Die Absage des Herrn Staatssekretärs an seine Verteidiger war ja sehr be- zeichnend für die heute erreichte Stufe des Wirtschaftslebens. Wie in den Vorjahren möchte ich mich zunächst mit einigen Worten zur Fabrikinspektion wenden. Die Berichte heben vielfach iiervor, daß häufig alle Beschwerden� und Wünsche der Gewerbe- Inspektoren auf Verbesserung der Verhältniffe in den Fabriken keine Berücksichtigung finden. Vor allem sind die sanitären Verhältnisse noch äußerst schlechte. So war in dem Betriebe der großen GlaS- fabrikAktiengesellschaftSiemens.dieim vorigen Jahre wieder 18 Proz. Dividende verteilen konnte, nicht einmal für Verbandsstoffe gesorgt, so daß ein verunglückter Arbeiter, dem nicht gleich geholfen werden konnte, dadurch umS Leben kam. DaS ist eine unverantwortliche Sorglosigkeit gegen Gesundheit und Leben der Arbeiter.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) ES kommt vor, daß in Betrieben, die als gesundheitsschädlich bezeichnet werden, infolge genügender Vorsichts- maßregeln weniger Unfälle vorkommen, als in weniger gesundheits- schädlichen Betrieben durch Mangel an Vorsichtsmaßregeln. Schon im vorigen Jahre wies ich darauf hin. daß die Unternehmer die Kontrolle der Gewerbe-�nspektoren vielfach sehr ungern sehen. Der Ver- band sächsischer Industrieller hat sich sogar darüber beschwert, daß die Betriebe durch die Gewerbe-Jnspcktoren geradezu beunruhigt wurden. «her gerade durch unerwartete Inspektionen sind die meisten Fäll« von Uebertretungen konstatiert worden.(Hört! hört!) Durch den TerroriSmuS der Arbeitgeber, der nock uneingeschränkt geblieben ist, wird das KoalitionSrccht der Arbeiter vielfach unmöglich gemacht. Eine Zahlstelle deS GlaSarbeiter-Berbandcs in Schwarz- burg-SonderShausen wurde dadurch illusorisch gemacht, daß man sie «rfS»esondere» Berein ansah. D,e Beschwerde- beim l Ministerium blieb ohne Erfolg. Das beweist, wie nötig ein Reichs- Vereins- und Versammlungsrecht ist. Die ungesetzlichen Bestimmungen der Arbeitsordnungen sind ja einigermaßen vermindert worden. So ist auS einer Arbeits­ordnung, die seit zehn Jahren besteht, die dem I 124 der Gewerbe- Ordnung zuwiderlaufende Bestimmung endlich beseitigt worden. Bezeichnend ist es aber, daß eine solche Ungesetzlichkeit unter den Augen der Inspektoren zehn Jahre lang bestehen konnte. Es besteht noch eine große Zahl anderer Ungesetzlichkeiten in der Glasindustrie. So stellen die Unternehmer den Arbeitern Möbel angeblich zum Selbstkostenpreise zur Verfügung. Das wäre nach dem Gesetz zwar bei Arbeitsinstrumenten und Lebensmitteln zu- lässig, aber nicht bei Möbeln, die doch weder zu den einen noch zu den anderen gehören. Ich möchte weiter bei dem Herrn Staatssekretär anfragen, wie es kommt, daß in den G l a S h ü t t e n und Glasfabriken in Busch im Jnspektionsbezirk Bromberg   ständig Strafgefangene beschäftigt werden. Sogar Leute, die in die A n st a l t für Epileptische aufgenommen sind, sollen arbeiten müssen. Aber für die gefangenen Arbeiter ist auf Wunsch der Gefängnisverwaltung ein besonderer Essensraum hergerichtet worden. Auch brauchen sie nur des Tages zu arbeiten, während nachts die Gefängnisverwaltung für ihre Ruhe sorgt. Die freien Arbeiter hingegen haben fast täglich Nachtarbeit zu verrichten und müssen in den ungesunden ArbeitSräumen ihre Nahrung einnchuicu. Man sieht, welch gelvaltiger Unterschied zwischen den gefangenen Arbeitern und zwischen den freien Arbeitern besteht, die verurteilt sind, als Gefangene des Kapitals selbst nachts für seinen Profit zu arbeiten.(Sehr wahr! links.) Auch davon, daß in Busch und Gertraudenhütte noch immer Kinder unter vierzehn Jahren beschäftigt werden, weiß der Fabrik- inspektor nichts zu berichten. Hingegen lobt er die Familien- Wohnungen, die Pensionskassen und die anderen Wohlfahrts- einrichtungen, die in diesen Filialen der Siemens-Aktiengesellschaft bestehen. Von den entsetzlichen Gesundheitszuständen und Arbeits verhälniffen sagt er kein Wort. Auch in Riesa   in der Mark werden noch immer Kinder von neun biszehn Jahren auch an Sonntagen beschäftigt. Die Arbeiter, deren Alter mit 15 und 16 Jahre an- gegeben wird, sind in Wahrheit nur 11 oder 12 Jahre alt. Diese Kinder verkrüppeln geradezu durch die Schwere der Arbeit, ihre Fuße werden so schwach, daß sie kaum zu laufen imstande sind, aber wenn fie nicht schnell genug zur Arbeitsstelle zurückkehren, bekommen sie obendrein noch Prügel.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) In den Massenquartieren, in denen sie nahe bei der Fabrik unter- gebracht werden, haben sie nicht einmal Betten zur Verfügung, sondern müssen mit ein paar alten Decken auf ebener Erde schlafen. Oesterreicher, Ungarn   und Galizier werden massenhaft in den Glas- fabriken beschäfttgt: aber wenn fie von ihrem gesetzlichen KoalittonSrecht Gebrauch machen, weist man sie aus. Da wäre eS besser, sie gar nicht erst ins Land zu lassen. Sehr gefährlich für die Gesundheit der Glasarbeiter ist das Be­nutzen gemeinsamer Mundstücke. Syphilis, Tuberkulose und andere Krankheiten können auf diese Weise übertragen werden. Ein Maximal-ArbritStag ist für die Glasarbeiter sehr notwendig. Wir stimmen daher der Resolution Erzberger-Dr. Pichler zu, welche in ihrem ersten Abschnitt die Ausdehnung des sanitären Maximal- Arbeitstages auf die Glashütten- Industrie fordert. Wir haben diese Fordenmg in unserer Resolution nicht ausgesprochen, weil wir ja einen Maximal-Arbeitstag für die gesamte Industrie fordern. Der zweite Teil der Zentrums-Resolution deckt sich voll- kommen mit unserer Resolution Albrecht, welche die Sonntagsruhe sürGlaShüttenarbeiter mit Ausnahme einiger Hülfsarbeiter für die Unterhalwng der Feuer in den Schmelzöfen fordert. Die Forderung ist sehr alt, sie stammt schon aus dein Jahre 1876. Da malS   waren nur diejenigen gegen diese Forderung, welche überhaupt Gegner der Sonntagsruhe waren. Dann ist die Forderung oft wiederholt worden. Alles, was die Regierung getan hat nach dieser Richtung, ist, daß sie Erhebungen veranstaltet hat. Der Herr Staatssekretär erklärte aber, daß die Resultate dieser Erhebungen fiir Preußen, Bayern  . Sachsen   usw. so verschieden aus- gefallen wären, daß eine allgemeine Regelung der Verhältnisse sehr große Schwierigkeiten hätte. Die Glasarbeiter haben wiederholt Petttioncn eingereicht, in denen sie um Einführung der Sonntagsruhe gebeten hatten. Da aber hat derZentralverband der Industriellen", welcher vielfach den Ton in unseren Regierungskreisen angibt und welcher der Ansicht zu sein scheint, daß die Regierung nur zu seinem Schutze da sei, eine Gegenpetition eingereicht, welche sich gegen die Sonntagsruhe der Glasarbeiter aussprach. Verband, ivelcher alle möglichen Industrien fachmännisch beurteilen wollen? Die Erfahrungen aus anderen Industrien an, keit gar keine Aehnlichkett mit der Schon diese Tatsache sollte der Regierung genügen, um diese Gegenpetition des Zcntralverbandes unberücksichtigt zu lassen. Die Durchführung der Sonntagsruhe kann ohne Schaden der Industrie von statten gehen, dahin haben sich viele Sachverständige aus- gesprochen. Es sind ja auch mehrere technische Erfindungen gemacht worden, welche das Eintteten einer Ruhepause im Betriebe ermög- lichen. Bei diesen Verhältnissen würde die Verweigerung der Sonntagsruhe für die Glasindustrie ein kulturwidriges Vorgehen be­deuten.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Thaler(Z.) begründet eine Resolution des Zentrums auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs, welcher bezüglich der Gehülfen der Rechtsanwälte, Notare und Gerichtsvollzieher sowie der Beamten und Angestellten der Krankenkassen über die Arbeitszeit, die Kündigungsfristen, die Sonntagsruhe, die berufliche Aus« und Fort- bildung die gleichen oder ähnliche Schutzvorschriften vorsieht, wie sie das Handelsgesetzbuch und die Gewerbe-Ordnung hinsichtlich der Handelsangestellten enthält. Der Reichstag hat bereits 1899 eine ähnliche Resolution be- schloffen. Der Bundesrat erklärte damals, die diesbezüglichen Er- Hebungen seien noch nicht zum Abschluß gelangt, und bis jetzt ist uns diesbezüglich auch noch nichts bekannt geworden. Die Regelung, die in dieser Beziehung in Bayern   getroffen worden ist, ist ganz vorzüglich. Wir glauben, angesichts der schlechten Lage dieser Angestellten eine tunlichst baldige Regelung dieser Frage erwarten zu dürfen. Unser Anttag ist, wenn auch nicht erschöpfend. doch ein Muster für weitere diesbezügliche legislatorische Maß- nahmen.(Bravo I im Zentrum.) Abg. Mertens(fts. Vp.): Die Bestimmungen deS Kinder- schutzgesetzeS sind noch nicht allenthalben so durchgeführt, wie es der Gesetzgeber gewünscht hat. DaS ist um so sonderbarer, als der Zeitpunkt des Inkrafttretens deS Kinderfchutz- Gesetzes infolge der damals verminderten Arbeitsgelegenheit für Erwachsene außer- ordentlich günstig war und daS Gesetz nur in den engen Kreisen der an der Kinderarbeit Interessierten Widerstand fand. Aber die Hauptsache ist nicht das Gesetz, son- dem die Verschmelzung desselben mit dem prakttschen Leben. In dieser Hinsicht sind die Erhebungen deS Breslauer Lehrervereins sehr instruktiv. Sie zeigen, daß nur etwa 50 Proz. der be- schäftigten Kinder Arbeitskarten gelb st haben oder das vom Gesetz vorgeschriebene Alter erreicht hatten, als sie in Arbeit traten. Die Schuld daran, daß da« Gesetz so leicht übertreten werden kann, liegt meines ErachtenS an der Fassung deS Gesetzes selb st. Die Arbeitgeber können die festgesetzte Grenze der Arbeitszeit übertreten, wenn sie den Kindern die Arbeit, statt sie in der eigenen Werkstätte anfertigen zu lassen. in deren Wohnung mitgeben. Die Arbeit- geber können Kinder bis herunter zu 10 Jahren 4 Stunden täglich, unter Umständen sogar 9 Stunden lang beschäftigen. wenn sie nicht ihnen selbst, sondern den E l t e r n die Arbeit mit nach Hause geben. Ehe diese Bestimmung nicht beseitigt ist, werden Zustände, die in keiner Weise mit dem Sinne des Gesetze? über- einstimmen, trotz aller Polizei, trotz aller Gewerbe-Jnspektion, trotz aller Kontrolle nicht beseitigt werden können.(Sehr wahr! links.) Die gesamte Lehrerschaft muß dafür herangezogen werden, daß das Gesetz nicht überschritten wird. In manchen Bundesstaaten, B. in Hamburg  , ist dies schon in segensreicher Weise geschehen. n Preußen dagegen werden die Lehrer nur in Ausnahmefällen gefragt. Wer ist die Schulaufsichtsbehörde in Preußen? Der Kreis-Schul- inspektor. Der kennt die bleichwangigen Kinder nicht. Er aber ist in Preußen allein befugt, der Gewerbe-Jnspektion Mitteilungen zu machen. Nur der Lehrer aber kann gute Auskunft geben. Sehr richtig! bei den Freisinnigen.) Wenn die Ausführungs- b e st i m m u n g e n in Preußen und anderen Bundesstaaten so ' ch l e ch t sind, kann das beste sozialpolittsche Reichsgesetz nichts helfen. Die Erhebungen über die landwirtschaftliche Beschäftigung von Schulkindern entsprach einer von uns ausgesprochenen Resolution. Leider ist dem zweiten Teile der Resolution, welche Erhebungen über. die sittlichen Gefahren von Schulkindern in landwirtschaft- sicher Arbeit und im Gesindedienst verlangt, nicht entsprochen worden. Weiterhin sind die öffentlichen ErziehungS- an st alten von der Gewerbe-Jnspektion befreit. Nun werden aber in Erziehungsheimen häufig Grundsätze befolgt, welche nicht dem Sinne des Gesetzes entsprechen. Kinder sind dort zum Bemalen von Bleisoldaten für eine Fabrik benutzt worden. (Hört! hört I links.) Das sind nicht einzelne extreme Bei- spiele, sondern typische Fälle. Es ist seitens der Vertreter solcher Anstalten öffentlich betont worden, daß es nütz- sich wäre, wenn den Anstalten ans der Kinderarbeit ein materieller Gewinn erwüchse, damit sie den Kindern eine bessere Kost vorsetzen könnten. Ich bitte die Regierung, auf unsere Anregungen hin die Kinderbeschäftigung in den Erziehungsheimen mit den gesetzlichen Bestimmungen in Einklang zu bringen(Lebhafter Beifall bei den Freifinnigen), ehe andere kommen und mit dem Seziermesser der Krittk dort hineinleuchten.(Große Heiterkeit.) Dann werden wir der Jugend die richtige Erziehung angedeihen lassen.(Bravo  ! bei den Freisinnigen.) Abg. W-lff(Wirtsch. Vg.): Eine richtige Sozialpolitik ist nicht möglich' ohne Agrar- und Mittelstandspolitik, denn wenn erst der Bauer und der Mittelstand ins Proletariat herabsintt, kann keine Sozialpolitik mehr helfen. Eine Vereinheitlichung des ganzen Ver- stcherungswesens erscheint auch uns dringend erwünscht, möge Graf Posadowsky, den man den Lokomotivführer der Sozialpolitik genannt hat, sich zum Organisator des Versicherungswesens aufschwingen. Eine Beteiligung von Beamten an Konsumvereinen halte ich für einen Unfug. Den Hausierhandel halte ich mit Herrn Erzberger für eine Landplage. Hierauf vertagt sich das Haus. Persönlich bemerkt Abg. Dr. Potthoff(frs. Vg.) gegenüber dem Abg. Werner, daß er stets für da» Koalitionsrecht der Handlungsgehülfen ein« getreten sei. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr.(Tagesordnung: 1. Erste eventuell zweite Lesung des Nachtrag? zum Handelsvertrag mit Oesterreich-Ungarn  . 2. Fortsetzung der heutigen Beratung.) Schluß 5-/2 Uhr._ Wie kann aber em umfaßt, diese Dinge Gegenpesition führt welche in Wirklich- Glasindnsttie haben. Abgeordnetenhaus. tat», 164. Sitzung vom Montag, den 6. vormittags 11 Uhr. Am Ministertische: v. Budde. Auf der Tagesordnung steht zunächst der Antrag des Ab« geordneten Dr. K r a u s e- Königsberg(natl.) und Genoffen: Die kgl. Staatsregierung zu ersuchen, durch Nachtragsetat oder Anleihe- gesctz schleunigst Mittel bereit zu stellen zur Gewährung von un- verzinslichen oder gering verzinslichen Darlehen an die durch den elementaren Waffrrmangel des Sommers 1904 schwer gc- schädigten Klrinschiffrr zum Zwecke ihrer Erhaltung im Haus- und Nahrungsstande. Abg. Dr. krause(natl.) beantragt, seinen Antrag der Budget- kommission zu überweisen. Es handelt sich um einen Rotstand der Kleinschiffer, der möglichst schnell beseitigt werden muß. Hätteu doch viele Schiffer im vorige» Sommer bis zu 20 und 22 Wochen mit ihren Fahrzeugen stille liegen müssen. Besonders habe sich der Wassermangel auf märkischen Wassersttaßen, auf dem Finowkanal, auf der Oder, ferner auf der Warthe und der Weihsel geltend ge- macht. Bei dem Wassermangel handele es sich um ein elementares Ereignis, deshalb sei eS gerechtfertigt, Darlehen aus öffentlichen Mitteln zu gewähren. Dcis könne umso eher geschehen, als ja die Eisenbahnen infolge der Einstellung der Schiffahrt ganz bedeutende Mehreinnahmen gehabt haben.(Beifall.) Ein Regierungskommissar erklärt, daß die ungünstige Lage der Kleinschiffer weniger in der Wasserkalamität des vorigen Sommers als in dem Rückgang der Erwerbsverhältnisse der Kleinschiffahrt ihre Ursache habe. Vom Rhein   und der Weser   lägen überhaupt keine Klagen vor, aber auch bei den Schiffern, die auf den östlich der Elbe liegenden Flüssen verkehrten, könne nicht von einem allgcoieinen Notstande gesprochen werden, der ein Eingreifen des Staate? be­dinge. Die StaatSregicrung bitte um Ablehnung deS Antrages. Abg. Dr. Rewoldt(fk.) bedauert die ablehnende Erklärung des RcgierungSvertreters. Abg. Blell(fts. Vp.) bedauert ebenfalls die ablehnende Haltung der Regierung. Abg. v. Arnim erklärt, daß feine Freunde dem Antrag sympathisch gegenüberstehen und ist mit der Ueberweisung deS Anttags an die Budgetkommission einverstanden. Abg. Peltnsohn(frs. Vg.) tritt ebenfalls für den Antrag ein. Der Staat habe auch früher schon in ähnlichen Fällen eingegriffen, auch wenn keine allgemeine Landeskalamität vorgelegen habe, Nachdem Abg. Dr. Wagner(fk.) sich in ähnlichem Sinne auS- gesprochen und Abg. Dr. Krause(natl.) nochmals seinen Anftag befürwortet, wir er an die Budgetkommission verwiesen. ES folgt die Beratung des Etats der Eisenbahnvcrwaltung. Die Generaldebatte beschäftigt sich zunächst mit der Frag« der Betrirbsmittelgemeinschaft. Minister v. Budde: Es ist die erste Pflicht der Eisenbahn- Verwaltung, den öffentlichen Verkehr zu bedienen, und dazu ist eine möglichst weitgehende Bettiebssicherhett, eine ausreichende und flotte Zugfolge notwendig. Ebenso gehören dazu Tarifsätze, die der Weiter- entwickelnng des Erwerbslebens in angemessener Weise Rechnung tragen. Die Länge der von der preußisch-hessischen Eisenbahn- gemeinschaft betriebenen Bahnen beträgt 84 080 Kilometer. Die Zahl der Unfälle betrug 1894 auf 100 Kilometer Betriebslänge 8,13, 1903---6,82, auf eine Million Lokomotivkilometer 5,91 bez. 3,23, auf eine Million Achskilometer Lastwagen 0,23 bez. 0,13, auf eine Million Achskilometer Personenwagen 1,01 bez. 0,43. Durch die technischen Einrichtungen, die wir getroffen haben, ist es uns also gelungen, die Unfälle im wesentlichen auf die Hälfte herab- zuminoern. Ich gebe.aber zu, daß wir bemüht sein müssen, ihre Zahl möglichst noch mehr zu vermindern. WaS die ausreichende flotte Zugfolge angeht, so habe ich im letzten Jahre 30 neue Schnellzüge eingelegt und bin namentlich bemüht, die Schnellzüge in möglichst weitem Umfange mit der dritten Klasse zu versehen. Ebenso bin ich bemüht, in die D-Züge nach Möglich­keit die dritte Klasse einzustellen.(Beifall.) Für die Benutzung der Speisewagen möchte ich den Wunsch aus- sprechen, daß diejenigen, die sie benutz«», auch daran denken, daß sie von anderen Reisenden venutzt werden sollen. Das Publkuiu zeigt da vielfach noch einen Mangel an Erziehung. (Lebhafte Zustimmung.) Auf Nebenbahnen kommen viele Unglücks- fälle dadurch vor, daß Fuhrwerke die Schienen kreuzen wollen, wen«