Mr. 193.
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Vorwärts
9. Jahrg.
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Die Geldherrschaft in der Gemeinde.
Das„ elendeste" Wahlgesetz nannte Bismarck , der mitunter, wenn sie ihm paßte, auch die Wahrheit sagte, das Dreitlassen- Wahlsystem. Nicht nur bei den Wahlen zum Landtag, sondern auch bei den Gemeindewahlen kommt dasselbe zur Geltung, und hier dient es gerade dazu, den Geldsack geradezu auf den Thron zu erheben. Bei den Landtags- Wahlen, wo die Wahlmänner der drei Wählertlassen gemeinschaftlich wählen, muß, zumal da sich mehrere Parteien, nur Bourgeoisparteien gegen
wenn auch
Freitag, den 19. Auguft 1892.
jest
III 22 323 9 400 10 098 8 635 8742 6175
1891
I
II
636 3233 386 1356 270 1314
302 1049
III 14 897 6 089 5 784 4 921
311 1208
5 359
372 1277
4767
I II 370 2584 149 1100 152 907 185 1093 155 879 215 1141
190
591
3 363
85
418
Mülheim a. Rh.
81
271
1 039
4
143
68
280
1 109
34
233
•
3
14
202
1 866
74
$
38
167
767
18 121
•
33 116
475
20
102
15
75
520
40
702
Neuß
9899
4 081 3 147
1 393
2242
850 539
Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.
Stadtverordneten- Versammlung nur über ein Drittel der Stimmen geböten, so würden sie doch auftreten als die ausschließlichen Vertreter der großen Mehrheit der Bürger. Je mehr sie in der Stadtverordneten- Versammlung überſtimmt würden, um so mehr würde ihre Agitationskraft unter den Wählern und der großen Mehrheit der Bevölkerung wachsen. Also auch dieses Mittel hilft nicht. Ja, wenn sich ein Mittel erjinnen ließe, welches dem Geldsack die Herrschaft beläßt, aber über diese Herr schaft einen Schleier zöge! Aber solch ein Mittel giebt es heute nicht; und wäre der Schleier noch so kunstvoll ge zogen, wir rissen ihn vor allem Volke herab. Kein Mittel hilft dagegen; wie man das Klassen- Wahlgesetz auch gestalte, in jeder Gestalt bedeutet es nur die Herrschaft des Geldsacks. Und dieser gegenüber giebt es nur ein Mittel, das zu erkämpfen die Sozialdemokratie ringt: das allgemeine gleiche Wahlrecht in der Gemeinde wie in jeder anderen Bertretung!
Baragoza u. f. w.
über stehen, doch auch, um die Wahlstimmen der dritten Klasse zu gewinnen, ein gewisses Gemein- Die Bourgeoisie selbst erschrickt vor diesen Zahlen. Mit interesse, wenn auch nur scheinbar, ins Feld geführt der thatsächlichen Herrschaft des Geldsackes ist sie wohl zu werden. Bei den städtischen Wahlen fällt auch dieser Schein frieden, aber weniger damit, daß sie so zahlenmäßig an die fort. Die beiden ersten Wahlklassen haben schon an und Deffentlichkeit kommt. Mit diesen Zahlen kann auch der für sich 2 Drittel aller Stadtverordneten zu wählen; also verrückteste Professor oder Schulmeister nicht mehr die Doktrin in jedem Falle beherrscht schon der Geldsack die große Ma- aufrecht erhalten, daß das Einkommen zu gleicher Zeit den Maßjorität der Stadtverordneten. Um die bloße Herrschaft des stab für die Intelligenz bilde. Es giebt Städte mit einem Geldsacks zum reineren Ausdruck zu bringen, brauchte man Sandgericht, Gymnasium und Realschule, in welchen ein das freilich sehr durchsichtige Manöver, die Meinung zu halbes Dutzend Schlächtermeister ein größeres Wahlrecht verbreiten, bei der Stadtverordnetenwahl komme es durchaus haben, als sämmtliche Richter, Professoren, höhere und nicht auf politische oder religiöse Parteistellung an. Als ob niedere Lehrer zusammengenommen. Da muß selbst die Granada , 11. August 1892. nicht fast jede Gemeindethätigkeit in Volksschule, Armen Bourgeoispresse die Unhaltbarkeit dieses Wahlrechts an- Besteuerung des Hungers hervorgerufenen Aufstände sich Wie mit Bestimmtheit vorauszusehen war, daß die durch Pflege Banverwaltung u. s. v. bedingt sei durch erkennen. Aber wie es ändern? Das Einfachste und Ber wiederholen würden, jo läßt sich auch heute mit größter Sicher die politische und soziale Auffassung der Träger derfelben. nünftigfte wäre es allerdings, das allgemeine gleiche Wahl- heit sagen, daß sie ihren Abschluß noch nicht gefunden haben. wiederholen würden, so läßt sich auch heute mit größter SicherDa das Wahlrecht in der Gemeinde meistens auch noch recht in den Gemeinden einzuführen. Aber davor schrict Fast jeder Tag meldet von neuen Exzessen und Verzweiflungsan einen Zensus und einen mehrjährigen Aufenthalt in die Bourgeoispresse zurück, das würde ihrer Herr- thaten des hungernden und gepeinigten Volkes. Nach den Vorderselben gebunden war, so war überdies noch die über- schaft ein Ende machen. Diese aber will sie um gängen von Madrid am Anfang des vorigen Monats tamen in große Mehrheit der Reichstags- Wähler vom Gemeinde- jeden Preis behaupten. Die Aenderung, oder Reform, wie schneller Folge diejenigen von Calahorra , Garrussa, Lorca, Wahlrecht vollständig ausgeschlossen. sie es zu nennen beliebt, darf nur eine scheinbare sein, und Tabernas , Almeria , Moratella, Linares, Pontevedra , Vigo , In der Rheinproving war in den meisten größeren Ge- deshalb kommt sie mit Vorschlägen, welche die Herrschaft des meinden das Wahlrecht an eine Steuer von 12 beziehungs- Geldfacks zwar beibehalten, aber nicht so traß hervortreten weise 18 M. geknüpft. Gegenwärtig ist dieser Bensus auf lassen sollen. Es soll vermieden werden, daß ein Einzelner 6. herabgesetzt. Hierdurch hat sich die Zahl der Wähler oder ein Paar in einer Stadt ganz allein 2/3 der Stadtbedeutend vermehrt, wenn auch jetzt noch immer die große verordneten ernennen; diese Stadtverordneten erscheinen zu Mehrheit,% bis 2/3 der Reichstags- Wähler vom Wahlrecht augenfällig als die Werkzeuge der Protzen, die sie ernannt ausgeschlossen blieben. Man sollte nun annehmen, daß bei haben. Es ist der Vorschlag gemacht worden, unter BeiDer großen Rahl der Wähler der Einfluß der Reichen und behaltung der Klaffentheilung und des Zensus, zi eine Regierungsverfügung aufhebt, wozu das Ministerium das Reichsten etwas gemindert würde, indem nunmehr bestimmen, daß die Zahl der Wähler 1. Klasse mindestens auch eine Anzahl der Wähle der dritten Klasse in die ein Zehntel, die der 2. Klasse mindestens zwei höheren Klassen. rückte. Das Gegentheil hiervon hat Zehntel der gesammten Wähler enthalten solle. stattgefunden, und zwar als Folge des neuen Einkommen Herrschaft des Geldsacks wäre dann also noch immer die durch Hunger zum Aufstand Getriebenen für ihr Thun die Steuer- Gesetzes, das den Wohlhabenden und Reichen die gesichert. Die reichsten drei Zehntel der Wähler hätten Verantwortung selbst zu übernehmen haben? Derartige Vorgänge Selbstabschägung auferlegt. Es kam dabei, wie wir schon dann noch immer doppelt so viele Stadtverordnete zu find die letzte Nothwehr der Todesverzweiflung, der letzte Aufoft zu zeigen Gelegenheit hatten, zu Tage, wie die Geld- wählen, als die übrigen sieben Zehntel der Wähler. Außer Schrei der Hungernden gegen ihre Beiniger. Mag die fatte prozen sich bisher von der Steuerzahlung zu drücken gewußt dem bliebe nach wie vor die übergroße Mehrheit der Bourgeoismoral auch noch so sehr die Hungernden schmähen und hatten. Wir entnehmen der„ Kölnischen Bolts- Zeitung" die Reichstagswähler vom Gemeindewahlrecht überhaupt aus die Gewaltpolitik des edlen Canovas preisen, jeder wirkliche Daten, wie sich infolge dessen trotz der Vermehrung der Zahl geschlossen. Aber auch vor dieser Reform hat die Menschenfreund wird von tiefstem Mitleid mit den armen der Wähler in den Städten, die bisher einen Zensus von Bourgeoisie ihr Bedenken. Indem der wohlhabendste Theil Opfern der heutigen Klassenherrschaft erfüllt sein und jene Ge12 und 18 M. hatten, in derselben die Klaſſeneintheilung der Wähler der britten Klasse in die oberen Klassen hinaus waltigen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen. Während auf Befehl der Minister die Armen niedergeschossen der Wähler gestaltet hat. Es hatten Wähler der einzelnen rückte, würden um so leichter in der dritten Klasse die werden, machen Jene Reifen und halten frohe Feſte ab. Der edle Klaffen Arbeiter die Herrschaft erringen. Wenn sie auch in der Canovas läßt sogar einem in Frieden verschiedenen Hunde ein
Feuilleton.
Rachbrud verboten.)
[ 43
Die
daran zu denken, die ungerechten und unerhörten Konsumsteuern Das Elend ist furchtbar. Die Regierung, anstatt ernstlich aufzuheben, schickt ihre Soldaten, um die am Leben Verzweifelnden niederzuknallen.
Diese Grundsäße der modernen Staatskunst scheinen auch hier zum System erhoben worden zu sein, sonst müßte es unbegreiflich erscheinen, wie man nicht die schimpflichen Konsumsteuern durch Recht hat. Oder ist man schon so weit gekommen, daß man Gesetze giebt, welche der Regierung die Macht verleihen, an dem Man wird Proletariate gelegentliche Aderlässe vorzunehmen? doch in leitenden Kreisen nicht so naiv sein, zu behaupten, daß
sie die Förderleute oben, wenn in der Grube ge- Wirbel abgerissener Gedanken und unzusammenhängender arbeitet wurde, nach Belieben auf und niederlassen Visionen. können. War die Stange emporgehoben, so war Nichts Das Bild der glücklichen Babette zog an seinem mehr da, was einen Menschen aufhalten konnte und Innern vorüber, dann ward es verdrängt durch den Geder leere Naum bereit, seinen Fuß zu verschlingen danken an das grauenvolle Nichts des Todes, und am Ende Eine Bewegung und man mußte fallen; ein Schritt und war es wieder Babette, und nun dachte er an nichts mehr man war verschwunden. als an sie. Er sagte sich, daß wenn er sich zu Antwerpen ins Wasser stürzte, das Wasser seine Leiche wieder ans Land werfen würde, und wenn er sich in dem Zimmer eines Gasthauses tödtete, man ihn wiederfinden würde. Selbst wenn er abreiste und sich in das Meer stürzte oder Schiffbruch litte, würde man ihn doch, wenn er auch einen anderen Er blieb noch eine Weile stumpffinnig stehen, zog seinen Namen angenommen hätte, wieder erkennen. Aber hier, Kopf dann aus der Lichtöffnung heraus, ging um die Grube in diesem diesem Schacht, in diesem achthundert Meter herum, legte die Hand auf die Stange, wie um zu probiren, tiefen Loch, dessen Grund noch tief unter die ob sie haltbar wäre und stützte sich mit dem Ellbogen fernsten Stollen hinunterreichte, und in dessen Tiefe darauf. niemals Jemand hinabstieg! Das war ein Selbstmord,
Jacquemin, der sich noch immer auf die Balken stüßte, zwischen denen er seinen Hals durchgesteckt hatte wie durch eine Dachluke, erhob wieder sein bleiches Haupt, schaute vor sich hin und sah am anderen Rande der Grube den Rachen weitgeöffnet ihm entgegenstarren.
Die Arbeitslosigkeit dauerte noch fort, und die Grube war verlassen. Jacquemin ging bis zu der kleinen niedrigen Pforte, durch die er an dem Tage gegangen war, als er aus dem Bellenwagen ausstieg, und blieb stehen. Sein Herz klopfte entseglich. Im Innern herrschte tiefes Schweigen. Die still stehen- Man sah nichts in der Grube, die 800 Meter tief war, von dem Niemand etwas wußte und den Niemand ents den Maschinen waren von allen Seiten von einem matten als ein ungeheures entschliches Loch voller Finsterniß. decken konnte, das Verschwinden für immer, nicht allein die Lichtschein beleuchtet, und eine Art schwarzen durchsichtigen Eisiger Nebel drang daraus hervor und Jacquemin fühlte, Vernichtung seines Lebens, sondern auch die Vernichtung Thurmes, der hergestellt wurde durch ein Gitter von Balken, wie dieser schwarze Mund ihm seinen kalten Athem ins Gesicht jeder Spur seines Todes. Niemals würde Jemand etwas welche die Deffung des Schachtes umgaben, ragte in den hauchte. Der Schwindel begann ihm ins Gehirn zu steigen und davon wissen, und Babette konnte leben, lieben, Rosen trüben grauen Tag hinein. er zog seine Arme auf dem Geländer so fieberhaft zu pflücken, die Vögel singen hören und im wiederkehrenden Jacquemin näherte sich langsam, ging an den Rand, sammen, daß er die Stange unter seinem Ellbogen Sommer lachen bei dem freudigen Rauschen des Waldes steckte den Kopf durch einen der Läden und sah mit leichen- vibriren fühlte. Eine seltsame Gewalt zwang ihn, sich im Sonnenschein, ohne zu wissen, daß ihr vergessener Vater blassem Gesicht in die Tiefe hinab. zu dem Abgrunde hinzubeugen. Es sah aus als hier läge. Es war an dieser Stelle unmöglich hinabzustürzen, neige sich hinab um zu und trinken, er Jacquemin ging noch näher an den Abgrund. Er aber am anderen Rande, an der Seite, wo die Förderwagen trank in Wahrheit den Schrecken, und die Trunkenheit, die hob die Stange auf und ging so dicht an den leeren Raum, in die Gitter hineingeschoben wurden, hatte man den Ab- dieser erzeugte, machte ihn allgemach schwanken. Gesumm daß die äußersten Spigen seine Füße den Boden nicht mehr grund unr abgesperrt mittelst einer beweglichen Stange, die erfüllte sein Ohr, seine Augen fahen in der Finsterniß des berührten. Dann streckte er, wie man es immer thut, wenn gerade in solcher Höhe angebracht war, daß man sich Schachtes, wo sie sich mit Gewalt hineinbohrten, eine Menge man etwas hört, den Kopf vor, fant mit den Füßen in den mit dem Ellbogen darauf stützen konnte und die von grauer Mondscheiben und während dieser Zeit riß ihn eine Sand des Schachtes ein und streckte seine Hände nach hinten. einem Pfeiler der Grube zum anderen, reichte, so daß wahnsinnige Erregung seiner Seele mit sich fort in einen Blöglich hörte er draußen Stimmen.
er