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Nr. 194.

Erscheint täglich außer Montags. Prets pränumerando: Biertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage ,, Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1892 unter Nr. 6652.

Vorwärts

9. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Bfg Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Eernsprech- Anschlus Amt I, Nr. 4186.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

» Das Ende einer Welt

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Sonnabend, den 20. August 1892.

wir. Wir meinen das kapitalistische Frankreich .

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Es

windet sich in tausend Nöthen. Es zittert vor dem Die Welt des Kapitalismus kann nicht schnell genug Sozialismus und vor der Revolution, und es wirft sterben so reißend schnell auch die Auflösung vor sich sich in seiner Todesangst dem Sozialismus und der Revo­geht, sie muß den Prozeß noch beschleunigen. Sie scheint von lution in die Arme. Das ist keine Redesigur, die wir da Schwindel erfaßt und, gleich dem Thier, das vom Blick der gebrauchen kein Scherznein, es ist die volle, wahr­Schlange gefeffelt ist, stürzt sie, von unwiderstehlicher Macht haftige Wahrheit. Man lese nur, was die Kölnische Zei getrieben, sich selber dem Verderben entgegen, welchem zu tung" in einer ihrer letzten Nummern aus Paris meldet. entfliehen seit Jahrzehnten ihr Dichten und Trachten ist. Zur Erklärung der Korrespondenz erst einige Worte. In Deutschland haben die Fortschritte des Sozialismus In Frankreich haben trotz der Niedermegelung der Kommune die Bourgeoifie geistig wie gelähmt, und ftatt von 1871 die sozialistischen und demokratischen Ideen während daß sie ihre Kräfte zur Bekämpfung des ge- der letzten 20 Jahre so gewaltige Fortschritte gemacht, daß die fürchteten Feindes zusammenfaßte, hat sie sich in zwei feind- monarchischen und christlichen Ordnungsparteien am äußersten liche Lager gespalten, und führt unter dem Schlachtruf: Ende ihres Lateins sind. Der Papst hat, um zu retten, Hie Bismarck! Hie Caprivi! einen Bruderkrieg, dessen un- was möglicherweise noch zu retten ist, seinen Anhängern vermeidliche Folge die ist, der Sozialdemokratie den Sieg den Rath ertheilt, mit der Revolution zu pattiren und sich rascher zufallen zu lassen, als nach dem natürlichen Gang zur Republik zu bekehren, und die Monarchisten der der Entwickelung nothwendig wäre. Doch freilich, diese verschiedenen Abarten- Legitimisten, Orleanisten und Hypnotisirung durch die andringende Gefahr liegt mit in Bonapartisten haben in der Mehrzahl das Spiel ver­dem natürlichen Entwickelungsgang- namentlich wenn die Gefahr nicht verstanden wird. Wäre unsere Bourgeoisie fähig, den Sozialismus zu begreifen, sie würde nicht so blödsinnig handeln. Allerdings wäre sie dann keine Bourgeoisie.

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loren gegeben; sie haben die Fahnen des Königs- und Kaiser­thums weltklug in die Rumpelkammer geworfen und warten fatalistisch der Dinge, die kommen werden. In Boulanger ging den französischen Reaktionären der einzige Mensch verloren, der prinziplos und niederträchtig genug war, ihre vereinigte Daß die Träger des gleichen Systems in Kampf mit Prinziplosigkeit und Niedertracht in sich zu verkörpern. einander gerathen und, in mörderischem Bruderkrieg, es mit Nur ein Häuflein von Bonapartisten ist übrig, das eigenen Händen zerstören, ist übrigens eine alte geschichtliche mit dem Muth des fanatischen Donquixotismus noch für Thatsache, die in allen Perioden der Auflösung zu Tage die Monarchie- und nebenbei für unseren Bismarck, den tritt. Nicht die Plebejer und Proletarier waren es, die deutschen Boulanger schwärmt. Von der letzten Kund­dem römischen Weltreich den Todesstreich versetzten, es gebung dieser würdigen Schaar berichtet die Kölnische waren die herrschenden Klassen, die, trotz der Interessen­gemeinschaft im Großen, um untergeordneter Interessen willen fich gegenseitig zerfleischten, die öffentliche Ordnung" vernichteten, die Grundlagen des Staats und der Gesellschaft untergruben, den Umsturz und allgemeinen Kladderadatsch" vorbereiteten. Die Catilina, Sulla, Cäsar und Konsorten haben im alten Römerreich die nämliche Rolle gespielt- ohne daß wir darum die Personen ver gleichen wollten wie im neuen Deutschen Reich die Bismard, die Stöcker, die Buttkamer, die Baare und Konsorten: sie sägten aus Leibeskräften an dem

Wer

Aft, auf welchem fie saßen. Die heroftratische Demagogie unseres sogenannten Reichsgründers" und seiner schienenflickenden, judenhezerischen, taschenleerenden ,, Schwefel­bande" ist von den Todtengräbern des alten Römerreiches nicht übertroffen, vielleicht nicht erreicht worden. Tacitus und Juvenal liest und in ihren Kulturgemälden die antike Zivilisations- Fäulniß phosphoresziren steht, braucht heute nur um sich zu schauen, und im Gegenwartsbild schaut er die Vergangenheit. Nur daß die Ausdehnung eine größere, und bei riesenhafteren Verhältnissen die Korruption all­gemeiner und monströser geworden ist in dem Maße des Wachsthums der Zivilisation".

Unsere Nachbarn und Nebenbuhler jenseits des Rheins oder der Vogesen sind in keiner besseren Lage, als

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Feuilleton.

Madbrud verboten.)

Die Waffen nieder!

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Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner .

Beitung":

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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

geführt, und er will, daß man ihn auf's eifrigste fortsetze. Die Gesellschaft", so fuhr er fort, theilt sich in zwei Armeeni auf der einen Seite die unzählige Heerschaar der Arbeiter, die von ihrem Lohue leben; auf der andern eine Handvoll Finanz­Leute, die Jene zu ihrem Nußen ausbeuten. Der Krieg zwischen diesen beiden Parteien wird unfehlbar ausbrechen. Die jüdische Haute Finance ist daran schuld, daß die soziale Frage sich zu ihrer heutigen Schärfe zugespitzt hat, und alle Bemühungen, sie zu lösen, werden vergeblich sein, so lange nicht endgiltig das be­seitigt ist, was man die jüdische Frage nennt. Wenn das Geld unten fehlt, so kommt das daher, weil es oben zusammengespart wird, man muß also das Gleichgewicht herstellen, wenn man will, daß die sozialen Geseze ihren Zusammentlang zurückerhalten. Es giebt Finanzleute, die soviel Geld einnehmen, daß Hunderte von Familien davon leben könnten, und andererseits giebt es Hunderte von Familien, die verhungern; darin liegt das foziale Problem. Wir arbeiten also im Interesse der Demo­fratie, wenn wir die Antisemiten in ihrem Feldzug gegen die jüdische Haute Finance unterstützen." Es ist faum anzunehmen, daß Herr Engerand ohne Wissen und Einwilligung der Parteiführer gerade bei dieser festlichen Gelegenheit ge sprochen habe. Vom Prinzen Victor lief denn auch das übliche Dankestelegramm ein. Er hat durch seinen Anschluß an den Boulangismus gezeigt, daß ihm alle Mittel zum Zweck recht sind, also wohl auch der Antisemitismus und der Sozialismus. Aber auch der Papst tann mit den Bonapartisten zufrieden sein. Sie erkennen die Republik an wie er, und mit ihrem Grundsatz des Plebiscits dürfte der demokratische Volksfreund im Vatican auch einverstanden sein, sie schreiben wie er die Verbesserung des Looses der arbeitenden Klassen auf ihre Fahne, und daß der Papst die reichen Juden nicht mehr liebt als Herr Engerand, hat er ja der Frau Séverine gestanden. Und da der Papst Leo ein Mann ist, der feine Pappenheimer fennt, so mag er sich auch sagen, daß er schließlich nicht schlecht dabei fahren würde, wenn die Bonapartisten ihr Programm durchführten und wenn Prinz Victor der Auserwählte des Plebiscits würde.

Paris , 16. August. Wenn man nach den Reden urtheilen darf, die gestern, am Napoleonstage, bei dem Fest­essen der 600 Getreuen des Prinzen Victor gehalten wurden, Also die Revolution, welche vor hundert Jahren mit so wollen die Bonapartisten versuchen, durch die Aufstellung ihrer blanken Stahlsense die französische Monarchie abmähte, neuer Programmpunkte für sich aus dem Schiffbruch der Rechten

zu retten, was noch zu retten ist. Eduard Boinvilliers vollzog soll der Monarchie in Gestalt des sozialen und anti­Die reinliche Scheidung" von der konservativen Vereinigung, semitischen Kaiserthums zur Wiederauferstehung verhelfen! die nichts erreicht habe, weil sie kein Programm, feine Finis Poloniae.

" Fahne" habe, und er stellte dann als Grundlage So stirbt in Frankreich zwar nicht der letzte Monarch", des bonapartistischen Programnis das Plebiszit auf, die Wahl aber das monarchische Prinzip.

des Staatsoberhauptes durch das Volf. In einer entsprechenden Es wird verschlungen von der Revolution und dem Tagesordnung erklärte die Versammlung sich damit einver: Sozialismus, bei denen es in toller Verblendetheit Rettung standen. Das ist nun nichts Neues und steht im Ein­sucht. flang mit der bonapartistischen Ueberlieferung und dem bis­herigen Parteiprogramm. Auch die Behauptung des zweiten Redners, Legour, daß die Bonapartisten die einzigen und eigentlichen Vertreter der ewigen Grundsäße der französischen Revolution" seien und allein im Stande wären, das Volk glücklich zu machen, ist einer der am meisten abgeweideten Gemeinplätze des Boulangismus. Ganz neu dagegen waren die Parteigrundsäße, die Herr Engerand, Deputirter des Calvados, früher bonapartistischer Boulangist, aufstellte. Er erklärte, die Bonapartisten müßten die Grundsätze Drumonts, den Antisemitismus, auf ihre Fahne schreiben, um die Tyrannei der jüdischen Haute Finance( Groß- Finanz) zu brechen". Vor Drumont, fagte er, habe schon der bonapartistische Petit Corporal" diesen Krieg

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Politische Uebersicht:

Berlin , den 19. Auguft.

schrieben dieser Tage( Nr. 190 vom 16. August), als die Militärvorlage und zweijährige Dienstzeit. Wir Post" denen, die nicht alle werden, die furchtbare Last der neuen Vorlage durch die Luftspiegelung der zweijährigen Dienstzeit erträglicher zu machen snchte: Mit Speck fängt

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dem

übersenden. Es wird dies ein ganz freiwilliger Aft von Ihrer Seite sein, da ich es sei ausdrücklich wiederholt Vorwärts" das gewünschte Abdrucksrecht bedingungslos überlasse. Hochachtungsvol Bertha v. Suttner. Es versteht sich von selbst, daß wir dem Wunsche der Dichterin gemäß, der wir hiermit nochmals unseren Dank ausdrücken, die für das Honorar ausgeworfene Sumane an das Friedensbureau in Bern gesandt haben.

Meinungen vertreten; innerhalb der Liga handelt es sich einzig um die Bekämpfung des Krieges. Und unser Kampfmittel ist die Befestigung, Verbreitung und Verkündigung des allgemeinen Friedenswillens. Daß dieser Wille in allen Schichten der Ge­sellschaft sich regt, das zeigt die Zusammensetzung unserer Vereine. Wer immer in die Losung: Fort mit dem Kriege" ein­stimmt, kann unser Freund sein, sei er nun ein Sozialdemokrat oder der Bar in Person. Wir vertheidigen kein anderes Recht auf unserer Platform als das Recht auf Frieden. Mit Unrecht hält sich die Partei des arbeitenden Volkes von uns fern: wir bekämpfen keine ihrer Bestrebungen, es giebt gar viele überzeugte Die Leser des Vorwärts" aber, denen wir hiermit den Sozialisten unter uns. Mit Unrecht sehen die Regierungen uns Roman übergeben, werden die in ihm niedergelegten Ideen scheel an: wir haben auch überzeugte Monarchisten in unsern nicht blos zu würdigen wissen, sondern auch ihr Möglichstes Reihen. Was wir Alle übereinstimmend wollen, das ist die Ab- thun, sie in Thaten umzuseßen. Die Sozialdemokratie Im Lauf des vergangenen Frühjahrs wandten wir uns schaffung des Ruins, der Schmach und des Jammers, den das ist die Partei des Friedens. an Frau von Suttner mit der Bitte, den Abdruck ihres alte Striegssystem über die Menschheit verhängt. Was immer die Romans:" Die Waffen nieder!" in den Spalten des Vor- politischen Irrthümer oder die politischen Wahrheiten sein mögen, Die Redaktion des Vorwärts". wärts" zu gestatten. Wir stüßten uns darauf, daß gerade welchen jeder Ginzelne der Friedensfreunde im Uebrigen nach­die Partei, deren Organ der Vorwärts" ist, berufen ist, geht, ist einerlei: der Wunsch, an Stelle der Gewalt das Recht ben Friedensgedanken, der die hochsinnige Verfasserin zu zu sehen Schiedsgericht statt Krieg" beruht auf diesem Romane begeistert, zur Verwirklichung zu bringen. feinem Irrthum; und daß das Gerechte schließlich siegen muß, Frau von Suttner willfahrte sofort unserem Wunsch. Sie das ist Wahrheit. Gewiß nicht allein der Krieg hat aus der Welt geschafft zu werden sondern jede Form des Elends, der Wirthschafts­

Einleitung.

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Erstes Buch. 1859.

schrieb uns: Mit siebzehn Jahren war ich ein recht überspanntes Geehrte Nedaktion! Ohne Baudern und mit Freuden be- noth, der physischen und geistigen Knechtung. Aber das eine er Ding. Das fönnte ich wohl heute nicht mehr wissen, wenn willige ich den Abbruck meines Romans:" Die Waffen nieder!" giebt sich aus dem andern nicht nach dem andern. Falsch die aufbewahrten Tagebuchblätter nicht wären. Aber darin in den Spalten Ihres Blattes. Die Partei, welche als einen ist's zu sagen: Erst die, dann das", denn nicht wie die Glieder haben die längst verflüchtigten Schwärmereien, die niemals Hauptpunkt ihres Programms den internationalen Frieden einer gerade gestreckten Kette liegen die Ursachen und Wirkungen wieder gedachten Gedanken, die nie wieder gefühlten Gefühle hinstellt, wird wohl am geeignetsten sein, dem genannten Buche da, sondern wie die in einander verschlungenen Maschen eines sich verewigt, und so kann ich jetzt beurtheilen, was für ihre Sympathie entgegenzubringen, und wird auf diese Weise Neges. exaltirte Ideen in dem dummen, hübschen Kopfe steckten. vielleicht dieselbe Sympathie auch auf die bestehende Fiedensliga Als Beichen der besonderen Genugthuung, die es mir ge- Auch dieses Hübschsein, von dem mein Spiegel nicht mehr viel zu erstrecken, die das gleiche Biel: internationale Gerechtigkeit" als währt, daß meine Arbeit in weitere Boltskreise in von so erzählen weiß, wird mir durch alte Borträts verbürgt. Ich einzigen Punkt ihres Programmns erwählt hat. Auf diesem edlen Jdealen beseelte Streife- dringen soll, möchte ich auf das dringen soll, möchte ich auf das Punkte tönnen wir uns Alle die Hände reichen und zusammen übliche Honorar verzichten. Möglicher Weise wollte aber der kann mir denken, welch beneidetes Geschöpf die jugendliche, borwärts" streben. Grundfäßlich und statutenmäßig gehören die Vorwärts" doch eine Gegenleistung bieten. In diesem Falle als schön gepriesene, von allem Luxus umgebene Romteß Mitglieder der Friedensgesellschaften als solche zu gar feiner ersuche ich Sie, eine beliebige Summe als Liebesgabe aus Martha Althaus gewesen sein mochte. Die sonderbaren- Partei. Außerhalb mag ja Jeder seine eigenen Biele und Deutschland " dem internationalen Friedensbüreau in Bern zu in rothem Umschlag gehefteten Tagebuchblätter jedoch

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