Nr. 195.
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Vorwärts
9. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Steuerreformen.
Sonntag, den 21. August 1892.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
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Politische Uebersicht.
Freilich, nicht lange sollte das Reich mit dem ihm zuge- verbänden überwiesen werden und wird dann schon nach wiesenen Segen zufrieden sein. Der Appetit kommt beim deren Interessen geregelt werden, zumal bereits davon die Der Deutsche verspürt nachgerade ein gelindes Gruseln, Essen, und der Militarismus hat einen nie zu befriedigenden Rede ist, den Kommunen die Einführung indirekter Steuern wenn von Steuerreform die Rede ist. Nicht als ob eine Magen. Kaum ein Jahr verging, daß er nicht er-( Biersteuer, Brausteuer Brausteuer u. s. w.), was wiederum Reform nicht erwünscht wäre, sie thäte vielmehr sehr noth, höhte Ausprüche machte. Die Gier der Agrarier auf eine Belastung zu Ungunsten der arbeitenden Beund zwar eine Reform, welche die Steuerlast den wirth wuchs, die Kornzölle wurden mehrfach erhöht und völkerung hinausläuft, weitere Einnahmequellen" zu erschaftlich Schwachen abnähme und sie auf die Schultern der stiegen auf den fünffachen Betrag der ursprünglichen schließen. Daß dieser Reichstag sich gegen die neuen fapitalistischen Ausbeuter wälzte, also eine Reform, die auf Größe. Wie der Tabat mußte auch der Schnaps mehr Steuerpläne ablehnend verhalten wird, ist nicht zu erder Grundlage der Gerechtigkeit beruht, die nicht den Ar- bluten, und zwar nicht blos für das Reich, dem er einen warten. Der Konservativen und des Zentrums kann die beiter durch die Bertheuerung des nothwendigsten Lebens- jährlichen Mehrgewinn von über 100 Millionen abwarf, Regierung sicher sein, höchstens werden diese noch einige unterhalts erdrückt und ungezählte Millionen den großen sondern auch für die schnapsbrennenden preußischen Junker, spezielle Extra- Vortheile verlangen; die Nationalliberalen Grundbesitzern in die Tasche schiebt, eine Reform, die darin benen man durch ein besonderes Privileg einen Gewinn werden aber schon um ihres finanzministeriellen Parteibestände, daß man die Millionen, welche man den junter- von jährlich 30 Millionen zuschanzte. Alles aber reichte genossen willen mitmachen. Sie können stolz sein auf ihren lichen Schnapsbrennern und den hohen Adligen nicht für den Hunger des unersättlichen Militarismus. Die Miquel; wie himmelweit überragt er seine konservativen zum Geschenk macht, zu kulturellen Zwecken im Aera der Anleihen begann. Eine Schuldenlast von mehr Vorgänger in der Handhabung der Steuerschraube! Die Inlande verwendete, eine Steuerreform, welche die als 12 Milliarden wurde aufgenommen, und dieselbe ist Befürchtung, daß die Konservativen Herrn Miquel nach Gehälter der hohen Beamten beschnitte und die Pen- immer noch im Wachsen. An ein Aufhören der Matrikular Durchführung der Steuerprojekte die Thüre weisen werden, fionen für Taufende arbeitskräftige Offiziere ersparte und beiträge war auch bald nicht mehr zu denken. Die Zuschüsse glauben wir nicht; den Finanzminister werden sie sich dafür den unteren Beamten und Staatsarbeitern und deren an die Einzelstaaten mußten von diesen wieder an das Reich warm halten, es sei denn, daß sie vorzögen, einen noch Wittwen und Waisen ein auskömmliches Leben ermöglichte, zurückgehen. beffern Finanzkünstler sich zuzulegen, und wäre es auch der eine Reform endlich, die vor Allem den Militarismus, der In Preußen schuf die Verstaatlichung der Eisenbahnen freisinnige Eugen Richter . am Lebensmart der Nation saugt, beseitigte. Von alle eine neue Einnahmequelle, aber auch diese gerieth in's diesem ist nicht die Rede, wenn von einer beabsichtigten Stocken. Das Bedürfniß der bloßen Plusmacherei machte Steuerreform der Regierung die Rede ist. Da läuft die fich zum großen wirthschaftlichen Schaden der Arbeiter Reform immer und immer nur darauf hinaus, daß der geltend. Einem Aufschwunge des Verkehrs und der durch Militarismus mehr Geld braucht und dieses zu beschaffen ist. Sen gesteigerten Verkehr auch vorauszusehenden Erhöhung Das ist des Pudels Kern, alles Andere ist nur äußere Ver- der Einnahme, stellte sich die engherzige Sozialpolitik entzierung. Wie die Form der Steuer auch sei, fie ist immer gegen, welche den Industrie- und Landbaronen den Ge derart, daß sie die große Masse des Volkes belastet; gestritten sammtwohlstand der arbeitenden Bevölkerung preisgab. wird höchstens darum, welchem Theil der kapitalistischen Durch Ermäßigung der Kohlentarife hätte der EisenbahnAusbeuter noch besondere Vortheile aus der Mehrbelastung minister Thielen den Kohlenring geschädigt, durch den er-( Nr. 232 vom 19. August) schreibt: zuzuweisen seien. mäßigten Personentarif hätte er die den östlichen Der Vater der Steuer- sowie der Sozialreform ist das Junkern verhaßte Freizügigkeit der Arbeiter gefördert. Sozialistengeset. Bismarck verstand es, die von dem Die Lex Huene brachte den Junkern und GroßStöckerianer Höbel und dem Nationalliberalen Dr. Nobiling grundbesitzern noch neue Vortheile. Sie überwies berübten Attentate zu benutzen, um zwei Fliegen mit einem einen Theil der an Preußen vom Reiche gezahlten Schlag zu treffen. Der neugewählte gefügige Reichstag be- Bollüberschüsse den Kommunalverbänden, in denen fast willigte ihm das Sozialistengesetz und 300 Millionen neuer ausschließlich der Großbesitz und das Großkapital entSteuern. Die Aera der Zölle begann, zunächst vorwiegend scheidende Stimme haben, so daß sie auch hier noch einen zu Gunsten der Großindustrie und in etwas verschämter besonderen Vortheil haben von den Geldern, welche die Weise sich auch auf das Getreide erstreckend. Die Industrie- große Masse des Volkes infolge der Vertheuerung der nothBarone und die agrarischen Junker wurden durch die ihnen wendigsten Lebensmittel aufzubringen hat. Aber Alles erwachsenden Vortheile die Stützen der neuen Finanzpolitit, reicht nicht für den Militarismus. So tritt denn jetzt und um das nationale Mäntelchen für die egoistischste wieder der Plan einer neuen Steuerreform zu Tage. Bu Intereffenpolitik waren die Nationalliberalen nie verlegen. nächst soll diese in der Einführung einer Vermögenssteuer Durch die Zölle sollte das Reich auf eigene Füße gestellt bestehen, der wir an und für sich nicht abhold wären. Sie werden, und nicht mehr von den Matrikularbeiträgen der könnte unseretwegen noch viel einschneidender sein, einzelnen Staaten abhängig sein. Das Reich sollte im Gegen- ebenso wie der Staat bei der Einkommensteuer sich theil noch der Wohlthäter der einzelnen Staaten sein und diesen nicht hätte mit den 4 pCt. für die aller seine Ueberschüsse zuwenden. Das Zentrum hatte, da Bis- höchsten Einkommen zu begnügen brauchen. Aber durch marck bereits den Weg nach Canossa angetreten, die prin- diese neue Steuer wird das Volk immer noch nicht entzipielle Opposition aufgegeben und fand sich befriedigt durch lastet; die Mehreinnahmen fließen alle in den Magen des die Annahme der Franckenstein'schen Klausel, wonach die Militarismus. Ueberdies bewilligt die Bourgeoisie nichts Ueberschüsse der Zölle und Tabatsteuer über den Betrag von ohne Gegenleistung. Und auch hier soll die große Masse 130 Millionen den Einzelstaaten überwiesen werden sollten. des Volkes herhalten. Die Grundsteuer soll den Kommunal
Feuilleton.
Nacbrua verboten.)
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Die Waffen nieder!
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Die Ansprache des Kaisers an die Generale und höheren Offiziere der Garde wird allgemein überraschen, da sie der seit Monaten auf der Tagesordnung stehenden Militärfrage eine Wendung giebt, auf die man nicht gerechnet hatte. Alle Angaben und Erörterungen bewegten sich seither auf der Basis, daß die Regierung eine beträchtliche Verstärkung des Heeres und eine Vermehrung der Gadres fordere, dagegen die Einführung der zweijährigen Dienstzeit für die Infanterie zu gestehen werde. Es darf als sicher angenommen werden, daß Der Gesetzentwurf, soweit er bereits ausgearbeitet war, sich auf dieser Linie bewegte, die ja auch im Reichstag durch Reden des Reichskanzlers vor Jahr und Tag gezeichnet worden war. Aus der Erklärung des Kaisers, daß alle Gerüchte über die bevorstehende Einführung der zweijährigen Dienstzeit unbegründet seien, daß er einer kleineren Armee mit längerer Dienstzeit vor einer größeren mit fürzerer Dienstzeit den Vorzug gebe, muß man den Schlußziehen, daß der dem Kaiser in den Grundzügen oder schon ausgearbeitet vorgelegte Entwurf nicht seine Zustimmung gefunden hat. Es würde damit aber, da für eine abermalige Vermehrung des Heeres auf Grund der jetzigen Präsenzzeit eine Mehrheit sich im Reichstage nicht gewinnen läßt, die Militärfrage vorerst von der Tagesordnung abgesetzt sein, was man nach Lage der politischen Verhältnisse wohl auf allen Seiten, wo man nicht auf Konflikte spekulirt hat, mit Freuden begrüßen wird. Auch die Frage der Vermehrung der Einnahmen des Reiches aus den indirekten Steuern, insbesondere der Streit über das Opfer, das zunächst mehr bluten
zurückfiel, ihr mit den schwingenden Tüllwolken meines Kleides um den Kopf wirbelnd.
" O pardon, pardon, Tanti!" bat ich und setzte mich zurecht. Ich kann nichts dafür dafür..."
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heute noch: ich liebe Sie."
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Gie
die unbewußten Bestrebungen des erwachenden verliebten Triebes . In diesem Sommer wurde meiner Tante ein Kurgebrauch in Marienbad verordnet. Sie fand es für gut, mich mitzunehmen. Obgleich meine offizielle Einführung" Davon ist auch nicht die Rede- mein Vorwurf galt in die sogenannte Welt erst in der kommenden Winterszeit Deinem Benehmen mit diesem Husaren- Du darfst Dich stattfinden sollte, so wurde mir doch gestattet, einige kleine beim Tanzen nicht so anschmiegen und schaut man denn Kurhausbälle mitzumachen; gleichsam als Borü bung im einem Herrn so in die Augen?" Tanzen und Konversiren, damit ich in meiner ersten Faschings - Ich erröthete tief. Hatte ich etwas Unmädchenhaftes Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner. faison nicht gar zu schüchtern und ungelenk auftreten möge. verbrochen? Mochte der Ünvergleichliche etwa eine schlechte Am 10. März 1857 feierte ich meinen siebzehnten Ge Doch was geschah auf der ersten" Reunion", die ich Meinung von mir gefaßt haben? burtstag. Schon siebzehn", lautet unter jenem Datum die besuchte? Ein großes, sterbliches Verlieben. Natürlich war's Von diesen bangen Zweifeln wurde ich im Verlaufe Eintragung ins Tagebuch. Dieses schon" ist ein Poem. Es ein Husarenlieutenant. Die im Saale anwesenden Zivilisten des Balles befreit, denn während des Souperwalzers flüsterte steht kein Kommentar daneben, aber vermuthlich wollte ich schienen mir neben den Militärs wie Maifäfer neben mir der Unvergleichliche zu: damit sagen:„ und noch nichts für die Unsterblichkeit ge- Schmetterlingen. Und unter den anwesenden Uniform-„ Hören Sie mich au- ich kann nicht anders than". Diese rothen Hefte leisten mir heute, da ich meine trägern waren die Husaren jedenfalls die glänzendsten; müssen es erfahren Lebenserinnerungen aufzeichnen will, gar gute Dienste. Sie unter den Husaren schließlich war Graf Arno Dotzky der Das Klang ein bischen anders angenehm, als Johannas ermöglichen mir, die vergangenen Ereignisse, welche nur als blendendste. Weber sechs Fuß groß, schwarzes Kraushaar, famose" Stimmen".... Aber so im Weitertanzen konnte verschwommene Umrißbilder im Gedächtniß haften geblieben, aufgewirbeltes Schnurrbärtchen, weißglitzernde Zähne, dunkle ich doch nichts antworten. Das mochte er einsehen, denn bis in die kleinsten Einzelheiten zu schildern, und ganze, Augen, welche so durchdringend und zärtlich schauen konnten jetzt hielt er inne. Wir standen in einer leeren Ecke längst vergessene Gedankenfolgen oder längst verklungene furz, auf seine Frage: Haben Sie den Cotillon des Saales und konnten die Unterhaltung unbelauscht fortGespräche wörtlich wiederzugeben. noch frei, Gräfin?" fühlte ich, daß es noch andere, führen: Im nächstfolgenden Fasching sollte ich in die Gesellschaft ebenso erhebende Triumphe geben kann, wie das„ Sprechen Sie, Gräfin, was habe ich zu hoffen?" eingeführt werden. Diese Aussicht entzückte mich aber nicht Bannerschwingen der Jungfrau von Orleans, oder das " Ich verstehe Sie nicht," log ich. so außerordentlich, wie dies gewöhnlich bei jungen Mädchen Szepterschwingen der großen Katharina. Und er, der" Glauben Sie vielleicht nicht an Liebe auf den ersten der Fall ist. Mein Sinn strebte nach Höherem als nach Zweiundzwanzigjährige, hat wohl Aehnliches empfunden, Blick"? Bis jetzt hielt ich es selber für eine Fabel, aber Ballsaal Triumphen. Wonach ich strebte? Diese Frage als er mit dem hübschesten Mädchen des Balles( nach heute habe ich die Wahrheit davon erprobt." hätte ich mir wohl selber nicht beantworten können. Ber- dreißig Jahren kann man schon so etwas konstatiren) im Wie mir das Herz flopste! Aber ich schwieg. muthlich nach Liebe... doch das wußte ich nicht. Alle diese Walzertakt durch den Saal flog; da dachte er wohl auch:" Ich stürze mich kopfüber in mein Schicksal," fuhr er glühenden Sehnsuchts- und Ehrgeizträume, welche im Jünglings- Dich besitzen, Du süßes Ding, das wöge alle Marschall fort„ Sie oder keine! Entscheiden Sie über mein und Jungfrauenalter die Menschenherzen schwellen, und welche stäbe auf. Glück oder über meinen Tod... denn ohne Sie kann unter allerlei Formen- Wissensdurst, Reiselust, Thatenaber Martha!" brummte die und will ich nicht leben.... Wollen Sie die Meine
brang
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Aber Martha
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fich verwirklichen wollen, sind doch zumeist nur Tante, als ich athemlos auf meinen Sessel an ihrer Seite werden?"
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