VoriilittagS-Titzuus Bim Dienstag.�Tclcgraphischcr Bericht.)Oldenburg, den 4. April.Ter Andrang des Publikums zur heutigen Sihung ist wiederein ganz enormer. Vor Eintritt in die weitere Zeugenvernehmunggibt Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger folgende Erklärungab: Der Herr Nebenkläger, Minister Nuhstrat, hat gestern abend amSchlüsse der Sitzung einen äuherst schweren Vorwurf gegen denReichsta�sabgeordneten Justizrat Leiizmann, der hier nicht an«wesend ist, erhoben. Wir hatten gestern früh bereits feststellenlassen, das; es sich bei der Konstatierung der Verteidiger, daß wirden Meineid des Ministers Ruhstrat in der Verschweigung von Tat-fachen im RieS-Prozesse erblicken, nicht um etwas NeucS handelt,sondern daß wir diese Konstatierung schon in der Verteidigungsschriftbezüglich des Redakteurs Schwcyncrt gemacht haben. Der HerrMinister scheint das nun gestern nicht im Kopfe gehabt zu haben,sonst hätte er den Vorwurf gegen den Justizrat Lenzmann nicht er-heben dürfen. Mit Rücksicht darauf, dafo unserem Kollegen Lenzmann der Vorwurf der wissentlichen Unwahrheit— der Ministergebrauchte sogar das Wort„Verleumdung"— gemacht worden ist,wäre es schon gestern unsere Pflicht gewesen, den Herrn Ministerin der gleich schroffen Weise in seine Schranken zurückzuweisen.Mir wollen aber nicht in den gleichen Ton verfallen, sondern bc-gnügen uns damit, nochmals sachlich festzustellen, daß der gegen denKollegen Lenzmann erhobene Vorwurf gänzlich unbe»r e ch t i g t, da er nur das wiederholt hat, was wir längst in unsererVerteidigungsschrift behauptet und niedergelegt hatten. Mit Rücksicht auf diese Feststellung, kann ich wohl jetzt an den Herrn Ministerdas Ersuchen richten, seinen Vorwurf gegen den Justizrat Lenzmannzurückzunehmen.— StaatsanwaltSimmcn(unter-brechend): Ich bitte doch festzustellen, daß wir uns hier nur mitprozessualen Vorgängen zu beschäftigen haben und nichtmit einer Rechtfertigung des Justizrats Lenz-mann.— Vors.: Ich meine auch, daß gestern die Aufklärungbereits erfolgt ist.— Minister Ruhstrat vortretend: Ich bitte zurAufklärung bemerken zu dürfen, daß ich nicht von einer Verleumdungschlechthin, sondern nur von einer Behauptung, die nicht erweislichIvahr ist, gesprochen habe, die gegen den z 187 des St.-G.-B. verstößt.— Verteidiger Rechtanwalt Dr. Sprenger: Der Herr Ministerhat weiter gesagt, er sei im Reichstage unvertreten gewesen undkönne deshalb den Schutz des§ 193 für sich beanspruchen. Demgegenüber sage ich: der Minister war im Reichstage vertreten durchden Oldenburgischen Bundesrats-Bcvollmächtigten, einem Juristen,der bekanntlich sehr angelegentlichst die Verteidigung dcS Ministersgegenüber den Rcichstagsabgeordneten geführt hat. Dagegen wäreder Abgeordnete Lenzmann hier unvertreten, wenn wir Verteidigerund Kollegen ihn nicht in Schutz genommen hätten.— Vors.: Ichbitte jetzt die Sache auf sich beruhen zu lassen, da sie dem Gerichtvollständig geklärt erscheint.Darauf wird in der Zeugenvernehmung fortgefahren. Zuerstwird der Landtags-Abgeordnete Wessels vernommen.— Vorsitzender: Herr Abgeordneter, Sie sollen uns darüber Aus-kunft geben können, wie der unter Anklage stechendeArtikel„Protest" zustande gekommen ist und welcheMeinung feine Urheber über ihn haben.— Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Herz: Das ist ja etwas ganz Neues. Ich konstatiere,daß uns Verteidigern das BeweiSthema dieses Zeugen nicht mit-geteilt worden ist.— Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger:Auch ich erhebe Einspruch gegen diese Frage. Es scheint eineUederraschung und Ueberrumpelung der Verteidigungbeabsichtigt zu sein. Ich frage den Staatsanwalt, weshalb er unsdies Beweisthema nicht mitgeteilt hat?— StaatsanwaltS i m m e n: Ich vcrstche die Erregung der Verteidiger nicht. Siehaben selbst noch etwa 90 Zeugen geladen, ohne mir ein einzigesBeweisthema anzugeben.— Landtags-Abgeordncter Wesselsbekundet: Gelegentlich des ersten Biermann-Prozesses sei er zu-fällig im Oldenburgischcn Gerichtsgebäude anwesend gewesen unddort von der als Zeugin geladenen Frau Biermann in ein Gesprächüber den heute zur Verhandlung stehenden Artikel„Protest" ge-zogen worden. Sie habe ihm dabei mitgeteilt, daß sie im Laufedes Sommers 1904 wiederholt nach Bremen gefahren sei und dortmit Herrn Dr. Sprenger Rücksprache genommen habe. Bei dieserGelegenheit habe ihr Dr. Sprenger erklärt: sie solle keine Angsthaben, es könne alles bewiesen werden, was in demArtikel über den Meineid des Ministers behauptet worden sei. Siefügte aber noch hinzu: wenn wir gewußt hätten, daß das Beweis-material auf so schwachen Füßen steht, wie es sich nachher gezeigthat, so würden wir den Artifcl wahrscheinlich nicht gebracht haben.—Vorsitzender: Wird eine Frag« zu dieser Aussage gewünscht?— Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Ja, ich....Staatsanwalt S i m m e n(einfallend): Ich bitte zunächst HerrnDr. Sprenger selbst als Zeugen zu vernehmen.— Vorsitzender:Ich beabsichtigte das selbst schon, aber für später.— StaatsanwaltS i m m e n: Ich bitte, ihn sofort zu vernehmen.— Vorsitzender: Dann bitte ich, Verteidiger RechtsanwaltDr. Sprenger(einfallend): Vorher muß ich umS Wort bitten.— Borsitzender: Bitte, jetzt habe ich das Wort.— Rechts-aiüvalt Dr. Sprenger: Ich bitte, mich doch erst zu hören. IchIvollte fragen, warum zunächst Frau Biermann nicht selbstüber diese Sache vernommen worden ist. Heute ist sie nicht da; dasist doch recht merkwürdig. Wir Verteidiger haben bereits alleFragen an sie gerichtet. Weshalb tat der Staatsanwalt nicht dasgleiche? Die Sache sieht doch sehr nach einer planmäßige» Ueber-iiimpelung aus. Ich merke die Absicht und bin verstimmt.—Staatsanwalt Timmen(erregt): Ich bitte, mich doch gegen dieseAusdrücke in Schutz zu nehmen. Ich habe notwendigerweise dieVernehmung des Herrn Abgeordneten voraufgehen lasten müssen.nm zu hören, was er bekundet. Im übrigen bin ich selbst dasür,Frau Biermann hierüber noch zu vernehmen, wünsche aber einesofortige Vernehmung des Herrn Dr. Sprenger.— VerteidigerRechtsanwalt Dr. Sprenger: Ich möchte bitten, vor meinerVernehmung noch einige Erklärungen abgeben zu dürsen. Zunächstbehalten wir uns angesichts dieses Zwischenfalles einenBertagungsantragvor. Wir wollen uns nicht einmal darauf einlassen, irgendwieüberrascht oder überrumpelt zu werden, wie das von der Gegenseitebeabsichtigt wird. Wir protestieren nicht so sehr dagegen, daß manmit dieser Sache erst in letzter Stunde kommt, sondern vielmehrdagegen, daß, nachdem die Verteidigung geglaubt hatte, diesenPunkt verlassen zu können, die Staatsanwaltschaft wieder damitkommt. Ich wiederhole meine Frage an den Herrn Staatsanwalt,weöhalb Frau Biermann über die Angelegenheit nicht befragt wurde,obwohl er wußte, daß der Herr Abgeordnete Wessels dem HerrnMinister Ruhstrat von seinem Gespräch mit Frau Biermann Kenntnisgegeben habe und daß dieser eS hier ausnützen würde.(MinisterRuhstrat verläßt den Saal. In demselben Augenblick erscheintFrau Biermann. Sie wird jedoch aufgefordert, im ZeugenzimmerPlatz zu nehmen, da ihre nochmalige Vernehmung bevorstehe.)—Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger bemerkt weiter: Erhalte es für auffällig, daß der Staatsanwalt es vermieden habe.auch ihn, den Verteidiger, gestern als Zeugen Wer die Besuche derFrau Biermann zu fragen. Er möchte wissen, was der Staats-anwalt im Schilde führt.— Staatsanwalt Simmen: DarüberIja&c ich Ihnen keine Erklärung zu geben.— Vorsitzender:Ich möchte hervorheben, daß Ihr Zeugnis sich doch auch darWererstreckt hat, was Sie etwa mit Frau Biermann gesprochen haben.—Angeklagter Biermann: Ich bitte, mir auch das Wort zu ge-statten zu der Erklärung: Herr Dr. Sprenger hat meines Wissensnie etwas anderes getan, als uns juristische Ratschläge erteilt. Ichbetone, daß dieses die reine Wahrheit ist, denn ich lüge prinzipiellnicht.— Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Es ist jamöglich, daß Frau Biermann renommiert und dem Herrn Ab-geordneten etwas erzählt hat. was einfach nicht wahr ist. Sie hateben offenbar den Mund voll genommen und. weil das möglich ist,jfo finde ich es wenig schön, daß man nun Frau Biermann einenStrick daraus dreht und gleichzeitig die günstig« Gelegenheit benutzt,um die Verteidigung zu überrumpeln. Ich bitte den Herrn Vor-sitzenden, uns künftig vor solchen— den einzig richtigen Ausdruckwell ich lieber nicht gebrauchen— in Schuß zu»ehinen.— Vorsitzender: Ich bitte nunmehr dringend, alle verletzenden Be-merkungen zu unterlassen. Ich habe bereits verfügt, daß FrauBiermann vernommen wird.Hierauf wird Landtags-Abgeordueter Wessels weiter ver-nommen, und zwar darüber, welche Auffassung man im olden-burgisckjen Landtage von der Sache gehabt habe, und wie spezielldie Erklärungen des Ministers aufgenommen und besprochen seien.Der Zeuge erklärt hierzu: Es ist wiederholt Wer diese Affäre vor-handelt worden. Wiederholt haben verschiedene Abgeordnete nneauch der Minister selbst das Wort genommen, und selbstverständlichhabe jedesmal große Erregung Wer die ganze Sache geherrscht. DieBesprechungen fanden immer im Anschluß an die einzelnen Prozessestatt. Infolgedessen sei viel in der Erinnerung verwischt. Tlberdas war wohl immer das allgemeine Empfinden, daß der Ministeralle gegen ihn erhobenen Anschuldigungen weit von sich wies. Ichhabe niemals die einzelnen Angaben nachgeprüft, auch nicht, ob dasSpielen 12 bis 14 Jahre zurückliege. Ich kann aber nur sagen,daß wir immer die Auffassung hatten, daß daS, was der Ministersagtd, seine volle Ueberzeugung war.— Verteidiger RechtsanwaltDr. Sprenger hält dem Zeugen dann die Landtags- Protokollevor, um an der Hand derselben den Wortlaut der ministeriellenErklärungen und der Ausführungen der Abgeordneten festzustellen.— Der Zeuge gibt auf Befragen zu, daß die stenographischenProtokolle den Regierungsvertretern und Abgeordneten vor derDrucklegung zur Vornahme eventueller Korrekturen vorgelegtwürden. Er selbst habe aber niemals Korrekturen vorgenommen.Inwieweit die Ausführungen des Ministers nachträglich korrigiertseien, könne er natürlich nicht angeben.Darauf tritt die Mittagspause ein.In der Nachmittags- Sitzung wird als erste Zeugin Frau Biermann aufgerufen.In der NachmittagSsitzung wird zunächst Frau Biermannals Zeugin vorgerufen. Sie bestätigt zunächst, daß sie die in Fragestehende Unterredung mit dem Landtagsabgeordneten Wessels ge-habt habe. Dabei sei sie auch auf die Tätigkeit des RechtsanwaltsDr. Sprenger zu sprechen gekommen und habe gesagt, daß dieser dieBewecse dafür in Händen habe, daß Minister Ruhstrat im ProzeßRies wie auch im Landtage die Unwahrheit gesagt habe.— Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Frau Biermann, kamenSie damals zu mir, um eine Auskunft über den„Protest"-Artikelzu holen?— Zeugin: Nein. Ich kam wegen einer juristischenAuskunft, wegen des Prozesses gegen unseren Redakteur Kruse.—Staatsanwalt Simmen: Fügte Rechtsanwalt Sprenger seinerBemerkung, daß er die Beweise für den Meineid in Händen habe,hinzu, daß seine Beweise auf schwachen Füßen ständen?—Zeugin: Ich kann das nicht mehr sagen.— Rechtsanwalt Dr.p re n ge r: Ich stelle also fest, daß ich mit Frau Biermannbei Gelegenheit einer beruflichen Besprechung über den„Protest"-Arfikel nicht gesprochen habe, niemals aber mit ihr. eineVorbesprechung über einen noch zu schreibendenArtikel gehabt, wie das hier angedeutet wurde.— Die Zeuginwird auch heute nicht vereidigt.Die Verteidiger als Zeugen.Nunmehr beantragt Rechtsanwalt Dr. Sprenger seine undseines Kollegen Herz Vernehmung als Zeuge.— DaS Gericht beschließt die Vernehmung. Rechtsanwalt Dr. He»� bekundet:Meine erste Begegnung mit Dr. Sprenger fand statt gelegentlich desersten Prozesses gegen Biermann. Nachdem wir un» über ein ge-meinsameS Vorgehen geeinigt hatten, sagte Dr. Sprenger zu mir:Offenheit gegen Offenheit, nur kein« Radau-Verteidigung. Mirerschien diese Bemerkung etwas sehr schroff und als einecharakteristische Wendung blieb sie mir im Gedächtnis haften. Icherwiderte sofort: das ist auch nicht meine Absicht. Wir sprachendann über den literarischen Charakter d«S„Residenzboten" undSprenger erklärte dabei, er habe den„Leuten" gesagt, das Blattgefalle ihm gar nicht, der Ton ebenfalls nicht, er wolle mit demBlatt selbst nicht das geringste zu tun haben. Nur juristischen Bei-stand wollte er ihm leihen. Ich sagte damals, er sollte doch nicht soschroff urteilen, namentlich nicht in seinem Plaidoyer, da er sonstdie Interessen seiner Klienten schädigen könnte. Dr. Sprengerstellte mir dann sein gesamtes Beweismaterial zur Verfügung undsagte dabei, die Sache wäre von den Oldrnburgischen Gerichten ineiner gehässigen Weise geführt und man versuche namentlich ihm,Dr. Sprenger, etwas am Zeuge zu flicken. Ich hielt dies zunächstkür übertrieben, habe mich dann aber im Laufe der Zeitdavon überzeugen müssen, das? Dr. Sprenger recht hatte.(Be-wegung.) ES wurde namentlich immer wieder der Versuch gemacht,den„Residenzboten" und die Verteidigung mit einander zu identifi-zieren. Man schob der Verteidigung andere Tendenzen unter, alssie in Wahrheit verfolgte. Ganz speziell wurde der Versuch gemacht,ihre Haltung hinzustellen als einen Ausfluß persönlicher Gehässigkeitdes Dr. Sprenger. Man hat sogar angedeutet, Sprenger sei dastreibende Motiv, die Angeklagten nur Mittel zum Zweck.— Staatsanwalt Simmen: Sie sagen— es gehört das eigentlich nichthierher— es sei der Versuch gemacht worden� die Sache so hinzu-stellen, wie Sie es sagen. Wollen Sie damit behaupten, daß ichden Versuch gemacht habe Wer was meinen Sie?— Zeuge Rechtsanwalt Dr. Herz: Ich gebe nur meine Empfindungen wieder,die ich im Schweynert-Prozeß gemacht habe, als Frau Biermannerzählte, sie wisse ganz genau den Beweis für den Meineid einesMinisters in Händen zu haben.— Staatsanwalt Simmen:Sie wollen sagen, daß der Nebenkläger dir behauptete Absicht vre-folgt?— Zeuge: Ja.— Staateanwalt Simmen: DaS wollteich auch meinen.Rechtsanwalt Dr. Sprenger richtet die Frage an denZeugen: Habe ich nicht mit Ihnen, Herr Kolleg«, darüber gesprochenund Sie gebeten, sich meiner pessimistischen Auffassung nicht an-zuschließen. Erinnern Sie sich besonders, daß nach dem Verlauf desSchweynert-ProzesseS meine Zweifel sich erheblich verstärkten?—Zeuge: I a.— Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Und nun frageich Sie unter Ihrem Eide: haben bei Ihnen diese Zweifel nichtfesten Boden gewonnen?— Zeuge: Ja. gewiß. Im übrigenmöchte ich betonen, daß Rechtsanwalt Dr. Sprenger niemals Ein-fluß auf die Redaktionsgeschäfte des„Residenzboten" zu bekommenversucht hat. Im Gegenteil, er hat gesagt, 10 000 M. würde er seinerFirma geben, wenn er von dieser Sache loskäme. Und auch ich(Rechtsanwalt Dr. Herz) muß sagen, daß eS mir gar nicht an-genehm ist, meine eintragliche Zivilpraxis wegen dieses Falles ver-nachlässigen zu müssen und dabei noch beschmutzt zu werden.—Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Habe ich Ihnen fernernicht gesagt, daß ich der Meinung sei, daß gegen Biermanngrobe SiechtSverlehungenvorgekommen feien, und daß ich ihm nur deshalb treu bleibe?— Staatsanwalt Simmen: Ich protestiere gegen diese Frage,weil ihre Beaiuwortung eine Beleidigung der OldenburgischeuRichter mit sich bringen würde.— Verteidiger Rechtsanwalt Dr.Sprenger: Ich frage den Zeugen nach einem historischen Bor.gang und der Zeuge muß darauf antworten. Wenn ich Be-leidigungen ausspreebe, so bitte ich mich später zur Rechenschaft zuziehen. Jedenfalls habe ich gesagt, daß im Falle Biermann grobeRechtsverletzungen vorgekommen sind und ich will dies vom Zeugenbestäfigt haben.— Vors.: Herr Dr. Sprenger, wir wollen dochruhig bleiben. Sie kommen zu einer immer schärferen Tonart unddiese wollen wir doch vermeiden.— Rechtsanwalt Dr. Sprenger:Es ist hier gesagt worden, daß ich persönlich beteiligt sei an demInhalt des„Residenzboten". Ich haue geglaubt, diese Frage sei längsterledigt. Heute ist man mit dieser Insinuation ausS neue hervorgetreten. Wir haben sehen müssen, daß trotz unserer Bemühungen�die Angelegenheit in ein ruhiges Fahrwasser zu führen, die Staats-anwaltschaft immer wieder mit persönlichen Dingen kommt. Ichmuß darauf bestehen, daß auch der Schatten einer Jdeenverwandt-schaft der Verteidigung mit dem„Residenzboten" fortfällt.Zeuge RechtZanwakt Herz: Ich bestätige also»die AeußerunAdeZ Kollegen Sprenger und füge hinzu, daß wir g e r n z u g e b en'..,daß unser Auftreten hier vor Gericht die Empfindungen d e etO l d e n b u r g i s ch e n Richter hie und da zu ver-letzen geeignet i st.?lllein ich darf wohl hinzufügen, datzuns jede persönliche Gehässigkeit fernliegt.Damit ist die Vernehmung des Rechtsamvalts Herz beendigtund er nimmt wieder am Verteidigertische Platz.— VerteidigerRechtsanwalt Sprenger bittet dann um die Feststellung, ob undwann der Minister Ruhstrat Strafantrag gegen Biermann gestellthat.— Vorsitzender: Am 10. September.— VerteidigerRechtsanwalt Dr. Sprenger: Also ist der Angeklagteeinen Tag vor Stellung drö Strafantrages in Untersuchungshaftgenommen worden.Staatsanwalt Simmen: Ich bitte mir eine ErklärungdarWer auS, ob da? ein Vorwurf gegen die Staatsanwaltschaft seinsoll. Wenn ja, dann möchte ich darauf hinweisen, daß es g e-s e tz l i ch zulässig ist, den Beschuldigten auf Vorstellung ein-SStrafantrageS in Haft zu nehiüe». Im vorliegenden Falle handelteS sich außerdem um eine vorläufige Festnahme.— VerteidigerRechtsanwalt Dr. Sprenger: Alles das wissen wir. � Ich möchtenur wissen, welche Gründe die Staatsanwaltschaft zu dieser eiligenFestnahme veranlassten-.— Staatsanwalt Simmen: Darüberhabe ich Ihnen keine Auskunft zu geben. Im übrigen betone ichnoch, daß in der Folge unser Vorgehen gegen den Angeklagten Bier-mann von allen Instanzen gebilligt worden ist.— VerteidigerRechtsanwalt Dr. Sprenger: Auch das wissen wir. Alleinich darf wohl mitteilen, daß uns schon von verschiedenen Seitenangedeutet worden ist, daß die Leitung des Prozesses gegen Bier-mann nicht in den Händen der Staatsanwaltschaft, sondernin denen des Ministers Ruhstratliege.(Bewegung.) Das legt uns die Verpflichtung auf. Klarheitzu schaffen.— Staatsanwalt Simmen(erregt auffahrend):Ich bitte doch den Herrn Vorsitzenden, mich gegen solche unerhörtenAnschuldigungen in Schutz zu nehmen.— Vorsitzender: HerrVerteidiger, lassen Sie doch solche Sachen lieber draußen.— Staatsanwalt Simmen: Zunächst betone ich. daß ick mich bezüglichmeines Vorgehens gegen den Angeklagten aus den§ 127 Absatz 3stütze. Was sodann die Behaupttmg anlangt, der Herr Ministerführe in Wahrheit diesen Prozeß, so könne er sie nicht scharf genugzurückweisen. � �Oldenburg, 4. März.(Privattelegramm des„Vorwärts".)DaS Gericht lehnte alle auf Spielvorgänge RuhstratS bezüglichen Beweisanträge ab, weil Ruhstrat im Prozeß Biermaim-Rieß über Zeit, Ort und Art seines Spiels gar keine be-stimmten Angaben gemacht habe, also Meineid unmöglich sei.Die Oeffentlichleit war also bisher im Irrtum, wenn sie annahm,der Minister habe damals unter Eid bekundet, er habe nur vorvielen Jahren hasardiert, dann nicht mehr. Die Ab-lehnung der Beweisanträge enthält das Eingeständnis, daß Ruhstratkeine Neigung hat, seine Spielertaten bis in die neueste Zeit auf-geklärt zu sehen. Am Mittwoch wird das Urteil gefällt werden.Letzte Nachrichten und Depefchen.Der Boykottkampf im Rheinland.Die gestrige Erklärung des BoykottverbandeS der oheinisch-west-fälischen Brauereien, in 34 Großbrauereien die der Organisationder Brauerei-Arbeiter angehörenden Personen auszusperren, be»antwortet die sozialistische„Rheinische Ztg." damit, daß in dennächsten Tagen die Kölner Arbeiterschaft sich zu dieser Angelegenheitäußern werde und daß die 1S000 gewerkschaftlich organisierten KölnerArbeiter den Gewaltstteich des Brauerei-UnternehmertumS abschlagenmüssen.AuS Unternehmerkreisen verlautet: Der Kreis der Großbrauereien,die geschlossen vorgehen wollen, dehnt sich bereits bis Düren aus.Sollte sich in den nächsten Tagen ergeben, daß noch weitere Braue-reien sich anschließen, so dürste der Boykottverband dazu übergehen,obige Maßregel auf ganz Rheinland auszudehnen.Eisenbahn-UnglüaTrier, 4. April. Amtliche Meldung. Beim Auflaufendes Personenzuges 410 vor Bahnhof Schweich auf den Güterzu 6544drei Mann des Zugpersonals von Zug 410 sehr schwer verletzt.Außerdem sind kleine Verletzungen bei etwa vier Reisenden vor-gekommen. Beide Gleise sind auf etwa vier Stunden gesperrt;wahrscheinlich liegt«in Bedienungsfehler am Blockapparat des Stell-Werks vor._Sozialistische Interpellation Wer die Beziehungen zu Deutschland.Paris, 4. April.(W. T. B.) Die sozialistische Gruppe derKammer beauftragte Jaures und Pressenst. bei der Re-gierung eine Interpellation Wer die Lage in Marokkound über die Beziehungyn Frankreichs zuDeutschlands einzureichen.Italienische Deputiertenkammer.Rom. 4. April.(W. T. B.) Haus und Tribünen sind Wer-füllt. F o r t i S verliest die bereits gemeldete Erklärung, bei derenSchluß Beifall laut wird. Es sprechen darauf mehrere Deputierte.unter anderem Bissolati. welcher ausführt, die Sozialisten-Partei werde gegen die neuen MilitärauSgaben stimmen, wenn mannicht nachweise, daß eS sich in der Tat um die Verteidigung desLandes handle. Ebenso nötig sei, daß das Parlament klar sehe in>den Bündnissen und der auswärtigen Politik. In Erwiderung aufverschiedene Redner erklärt Ministerpräsident Fortis, in denleitenden Grundsätzen und in der inneren Polstik stehe als oberstesPrinzip die Freiheit da. Betreffend die Organisationen derArbeiter habe er immer geglaubt, daß sie wie alle anderen freienEinrichtungen respektiert werden müßten, vorausgesetzt, daß sie dieOrdnung nicht bedrohen und das Gesetz nicht verletzen. Gegen-über Chimienti, der ihn des„CriSpismuS" beschuldigt, erllärtFortis, er wisse nicht, was das h«itze. Was seine Ansicht in militäri-sehen Fragen betreffe, so kenne die Kammer diese; daher sei keinAnlaß vorhanden, von Zweideutigkeiten zu reden. Er habe stetsbetont, daß das höchste für daS Land notwendige Ziel der aus-wärtigen Politik die Aufrechterhaltung des Friedens sei. DemDeputierten Bissolati, der unter dem Beifall der Kammer die Not--wendigkeit der nationalen Verteidigung hervorgehoben, erwidert derMinisterpräsident, er freue sich feststellen zu können, daß diesozialistische Partei niemand in der Liebe zum Baterlande nach-stehe. Er erinnere daran, daß die Geschichte beweise, ein wieschwerer Fehler eS sei, die eigene Unabhängigkeit nur von einerPolitik der Bündnisse abhängig zu machen.— Die Besprechung wirdhierauf geschlossen und die Kammer mmmt die Beratung desBudgets des AckerbauministeriumS wieder auf.Erdbeben in Indien.London» 4. April.(W. T. B.) Die Abendblätter bringendie Nachricht, daß in Lahor« heute ein heftiges Erdbebenstattgefunden hat, das einen schweren Menschenverlust zurFolge hatte. DaS Erdbeben habe einen großen Schechen an öffent-lichen Gebäuden und an Privateigentum angerichtet. So sei dasRathaus fast dem Erdbode» gleich gemacht, der Bahnhof, dieKathedrale und die Jumcunasjid-Moschee seien schwer beschädigt.�ZrrantW.Red� Paul Büttner, Berlin. Jnserateverantw.(mitRusnahmcder.NeueW:lt".Beilage):TH- Blocke, Bettln. Druck u. Verlag: Vorwärts Suchbc. a.vcrlazianst.P«ul Singer SeCo., Berlin SW. Hierzu S Beilagen u. Unterhalt» ngsbl