fällen, sondern auch auf der Stelle zu vollstrecken. Die Ungeheuer- lichkeit dieser Befugms aber steigert sich ins Entsetzliche, wenn es wahr ist. dag die Soldaten überhaupt nicht genau wissen, welche Jnstrultionen sie zu befolgen haben. Ueberhaupt ist nicht einzusehen, warum eS nötig ist, daß Wacht Posten das Recht erhalten, scharf zu schießen? gegen tätliche Angriffe können sie sich auch mit der blanken Waffe wehren. Es ist aber ganz selbstverständlich, daß Posten, die auf Wachtposten da« unum- schränkteste Recht erhalten, das überhaupt einem Menschen eingeräumt werden kann, ein Recht, demgegenüber die souveräne Gewalt eines absoluten Herrschers ein Kinderspiel ist,— daß die Leute unter dem Druck dieser Verantwortung Gespenster sehen müssen. Ei ist fast ein Wunder, daß der Fall des alten Baugenez sich nicht öfter wiederholt. Der Musketier, der mit der allerdings gelinden Strafe von 8 Monaten davongekommen, ist das Opfer jener militaristischen Schneidigkeit geworden, die selbst in dem jüngsten Soldaten schon einen Richter über Tod und Leben sieht. In dem Alter, in dem sich der Soldat befand, darf man zwar noch nicht einen Wahlzettel abgeben, aber er darf töten. Wenn der Totschlag in diesem Falle bestraft wurde, so geschah dies nur deshalb, weil auch der geringste Anlaß für das Borgehen des Wachtpostens fehlte, weil er unter der aufregenden Gewalt widerspruchsvoller Instruktionen auf das Geradewohl in das Dunkel schoß. llnd noch eins verdient aus der Verhandlung beachtet zu werden. Nachdem der Soldat geschossen und gesehen, daß das Opfer gefallen, kümmerte er sich nicht weiter r.m die Wirlungen seiner Schießsertigkeit. Er wartete ruhig, bis die Ablösimg kam, und erst dann findet man den Mann im Blute schwimmend, noch lebend, vielleicht, daß er hätte gerettet werden können, wenn rechtzeitig Hülfe gekommen wäre. - Wir lassen nun den Bericht, soweit er uns vorliegt, folgen: Der Angeklagte Musketier Eduard Böhle ist am 24. Mai 1884 grboren, dient im ersten Jahre und hat„gute Führung". Die Anklage kautet: Der Musketier Eduard Böhle, Regiments 98, ist beschuldigt, in der Nacht vom 26. zum 27. Februar d. I. als Posten vor dem Feldbahn-Dcpot den Vorschriften als Posten entgegen gehandelt zu haben, indem er um etwa 12V4 Ilhr in jener Nacht ohne jede Ber- anlassung auf den Rentner Baugenez aus Woippy , welcher von „Devant-les-Ponts" kommend, den an dem Feldbahndepot vorbei- führenden Feldweg benützte, zwei Schüsse abgab, von denen der eine denselben verletzte und den Tod desselben zur Folge hatte. Die Bernehmnng des Angeklagten. Angeklagter: Als ich auf Posten stand, sah ich gegen 12% Uhr, als ich um die Ecke zwischen die beiden Schuppen bog, eine Person. Berhandlungsführer: Wo befanden Sie sich und wo war die Person? — Angeil.: Zwischen den beiden Schuppen. Ich sah die Person oben, da wo die Straße links acht.— BerhandlnngSf.: Auf welche Ent- fernung haben Sie die Person gesehen?— Angekl. schweigt eine Weile.— Berhandlungsf.: Nun?— Angekl.: So lang wie die schuppen sind.— Berhandlungsf.: Konnten Sie denn die Person sehen? Es war doch dunkel?— Angell.: Die Laternen der Bahn gaben so viel Licht, daß ich sie sehen konnte.— Berhandlungsf.: Wo blieb denn die Person?— Angekl.: Sie ging der Bahn zu. Ich lief ihr nach, verlor sie aber aus den Augen. Als ich vorn um die Ecke bog, sah ich den Mann dicht an dem Schuppen. Ich lief weiter, er auch. Ich rief ihm dreimal„Halt!" zu, er blieb nicht stehen. Dann gab ich einen Schreckschuß ab.— Berhandlungsf.: In welcher Richtung haben Sie denselben abgegeben?— Angekl.: Nach der Bahn zu. Da plötzlich bückte sich der Mann zur Erde. Ich dachte. er wollte Steine schmeißen.— Berhandlungsf.: Woraus schloffen Sie das?— Der Zaun war doch da?— Angekl.: Der Mann bückte sich— Berhandlungsf.: Also sie schlössen dies lediglich aus der Tatsache, weil er sich bückte?—?lngekl.: Ja.— Berhandlungsf.: Erzählen Sie weiter.— Angekl.: Dann legte ich mein Gewehr an und feuerte. Im Moment des AbseuernS streckte sich der Mann und erhielt den Schuß in die Brust.— Berhandlungsf.: Was taten Sic nun? Blieb der Angeschossene liegen oder lief er noch weiter?— Angekl.: Er blieb auf der Stelle liegen. Ich lief hinzu, blieb jedoch innerhalb des Gitters. Ich sah mich um, ob niemand kam, da alles rnhig blieb, ging ich meinen Posten weiter ab. Als ich ans meinem Postengange zurückkam, hörte ick» den Mann wimmern und weinen. Als die Ab lösung kam, sagte ich ihnen, was geschehen sei. Dann kam auch der Bahnwärter....— Berhandlungsf.: Warum haben Sie nicht sofort die Angabe gemacht, daß Sie den Mann schon vorher und hinter dem Schuppen gesehen haben?— Angekl. schweigt.— Berhandlungsf.: Das ist aber sehr wesentlich, wenn Sie es uns sagen?— Angekl. schweigt. Berhandlungsf.: Jetzt sagen Sie uns: Wann dürfen Sie schießen?— Angekl.: Wenn ich jemand arretiert habe, wenn er sich dann wehrt oder wegläuft. Ich rufe ihm dreimal:„Halt" zu, steht er dann nicht, darf ich schießen.— Berhandlungsf.: Wie arre. lieren Sie denn jemand?— Angekl.: Indem ich ihm die Hand auf die Schulter lege.— Berhandlungsf.: Das trifft doch hier alles nicht zu. Sie durften doch nicht sofort von der Waffe Gebrauch machen? — Angekl.: Er konnte aber auch gestvhlen haben.— Berhandlungsf.: Dürfen Sie dann schießen?— Angekl.: Wenn er gestohlen hat und wegläuft? Wenn ich nicht geschossen hätte und er hätte eine« Revolver bei sich gehabt, dann hätte er aus mich geschossrn.— Berhandlungsf.: Dürfen Sie denn auf jeden schießen?— Angekl.: Er lief doch weg und außerdem glaubte ich von der Waffe Gebrauch machen zu können; weil ich fürchtete, er griffe mich an.— Berhandlungsf.: Ist Ihnen Ihre Instruktion als Posten bekannt gegeben?— Angekl.: Jawohl. Unteroffizier Schmidt hat unS am Freitag instruiert.— Berhandlungsf.: Sind Sie auf Wachs auch noch instruiert?— Angekl.: Jawohl. Berhandlungsf.: Ist Ihnen folgendes vorgelesen: Dem Militär ist auf Wache und Posten sowie bei Patrouillen der Gebrauch der Waffen aus eigenem Recht gestattet: 1. wenn dasselbe angegriffen oder mit einem Angriff gefährlich bedroht wird oder durch Tätlichkctt oder gefährlich« Drohung Widerstand findet— um den Angriff abzuwehren und den Widerstand zu bewältigen: 2. wenn es zur Ablegung der Waffen oder anderer zum An- griff oder Widerstand oder sonst gefährlicher Werkzeuge auffordert und dieser Aufforderung nicht sofort Folg« ge- leistet wird, oder die abgelegten Waffen oder Werkzeuge wieder aufgenommen werden— um den ihm schuldigen Gehorsam zu erzwingen; 3. wenn bei Feswahmeu der bereits Verhaftete oder ein zur Abführung oder Bewachung anvcrtrauter Gefangener ent» springt oder auch nur den Versuch dazu macht; 4. nötigenfalls zum Schutze der seiner Bewachung anvertrauten Personen oder Sachen. Angekl.: Jawohl.— Berhandlungsf.: Ist Ihnen auch In- struktion geworden, wann der Posten nicht schießen soll? Wenn das Leben einer unbeteiligten dritten Person ge- fährdet ist, wenn auf Anruf die Person davonläuft oder wenn der Anruf nicht erwidert ist. Angekl.: Jawohl. Zeuge Karl Renüat, Bahnwärter: Zeuge hatte die Schüsse gehört, wagte sich aber erst mit der Ablösung a» den Tatort.— Berhandlungsf.: Haben Sie mit den» Verletzten gesprochen?— Zenge: Ja, ich sprach französisch mit ihm. Er sagte, er sei auf dem Wege nach Hause gewesen. Plötzlich habe er den Posten rufen hören. Er habe nicht gewußt, was los war, dann habe der Posten auf ihn geschossen. Berhandlungsf.: Wissen Sie, ist der Weg, auf welchem sich Baugenez befand, ein öffentlicher Weg?— Zeuge: Ja.— Berhandlungsf.: Angeklagter, war dies Ihnen auch bekannt?— Angekl.: Ja. Zeuge Bahnwärter Jacques: Es wurde mir telephoniert, daß der Posten jemand angeschossen habe. Ich ging hin. Baugenez sagte: Sie wissen nichts, ich sprechen nur französisch. Ich frug lhn darauf französtsch: Woher er gekommen sei? Er sagte: Ich war auf dem Wege nach Woippy . Ich frug ihn: Waren Sie im Militärfiskus? Nein, sagte Baugenez. Er erzählte dann, daß er den Posten rufen hörte, weshalv habe er nicht gewußt, auch nicht. daß der Anruf ihn anging. Er sei auf einer öffenrlichcn Straße gegangen und wohl tausendmal hier vorbeigekommen. Ehe der Schuß gefallen, sei er beim Barricrrwärter gewesen und habe„guten Abend" gesagt.— Berhandlungsf.: Sit hören, was Baugenez dem Zeugen erzählt hat; wie sollte der Mann auch innerhalb»er Nmzämuing kommen?— Angekl.: Ich habe ihn innerhalb der Bahn gesehen.— Ber- handlungSf.: Kann man leicht in die Umzäunung kommen?— Zeuge: Das wäre schwer für so einen alten Mann, wie es Baugenez war, gewesen. Zeuge MuSketier Kopotka 7., 98. Als ich den MuSketier Walkowiak aufführte zur Ablösung, trafen wir auf Baugenez. Er lag auf dem Wege dicht am Zaun nach dem Depot zu. Auf unseren Ruf kam Böhle vom Schilderhaus her. Berhandlungsf.: Was wissen Sie aus Ihrer Instruktion über den Gebrauch der Waffe und das Schießen? Zeuge: Man soll nicht schießen, sondern zuerst amtieren. ES gibt aber doch noch einen anderen Fall. z. B. am Pulvermagazin. Wenn der Zivilist wegläuft und ich rufe ihn dreimal mit„Halt" an, dann kann ich schießen." Berhandlungsf.: Und sind Sie vom Wachhabenden so instruiert? Zeuge: Nein, der Wachhabende instruierte, erst solle man arretieren, dann erst schießen. Berhandlungsf.: Wer hat Ihnen denn daS gesagt, daß Sie schießen dürfen, wenn Sie dreimal„Halt" gerufen haben? Zenge: In der Kompagnie bin ich s« instruiert. Anklagevertreter: Es scheint mir, als ob die Leute die Wachposten inftruktion mit der Felddienstinstruttio» verwechseln. Zeuge: Es ist so instruiert wie ich bereits angegeben habe. Verteidiger Dr. Kaiser: Wie benehmen Sie sich, wenn der Rondcoffizier kommt? Zeuge: Ich rufe ihn mit Halt! Halt! Haltwerda l an und mache fertigl Berhandlungsführer: Wenn man nun trotzdem auf den Posten zugeht, was muß der Posten tun? Muß er ihn nicht arretieren? Zeuge: In der Kompagnie ist instruiert, daß man schießen darf, wrn» er nicht auf daS dritte Halt steht. Zeuge Sanitätssoldat Peter Schleid, Drag. 13: Baugenez habe erzählt: Er habe zweimal Rufe gehört, dann sei ein Schuß in unmittelbarer Nähe von ihm gefallen, die Kugel sei ihm an» Kopfe vorbeigepfiffen, eingeschüchtert habe er sich gebückt, da sei der zweite Schuß gefallen, mit den» er zusammengebrochen sei. Was die Rufe bedeuteten, habe er nicht verstanden. Baugenez sagte dann: Wenn mich doch der Unglückliche nur in den Kopf geschossen hätte, anstatt in die Brust, dann brauchte ich hier nicht zu liegen. Zeuge MuSketier Dannrnberg: Nachmitttag sah ich eine verdächtige Person. Berhandlungsf.: Haben Sie Böhle nicht ängstlich gemacht? Zenge: Nein. (Schluß folgt.) Achter NerNndstag der Kanhölfsarbeiter Deutschlands . Bei der Fortsetzung der Beratung über die Maifeier nimmt das Wort r ü g e r- Berlin. Er meint, als Parteigenosse müsse sich jeder schämen, der die Maifeier nicht durch ArbeitSruh« begehe, obwohl er dazu in der Lage sei. Er will jedoch dazu keine Mittel aus der Hauptkasse hergegeben wissen, daS müsse den örtlichen Ver. walttingen überlassen werden. Er möchte eS keinen» raten, den Kollegen das Arbeiten am 1. Mai zu empfehlen, solange der Gewerk- schaftskongreß nicht gesprochen. H a a s e- Dresden findet es ebenfalls beschämend von einem aufgeklärten Arbeiter, nicht an der Feier deS 1. Mai teilzunehmen. Durch das Vorgehen der Scharfmacher habe sich zwar die Partei ver. anlaßt gesehen, die Arbeitsruhe nur dort zu empfehlen, wo Wirt- schaftliche Nachteile nicht zu befürchten seien, aber das fei ein Zwitterding. ES liege lediglich an den Arbeitern selbst, wenn die Scharfmacher zu Aussperrungen verschritten. Er will für die Rc- solution des Borstandes stimmen. Jeder, der halbwegs rn der Lage dazu sei. solle daS kleine Opfer auf sich nehme»». H a r t m a n n- Görlitz sieht in der jetzigen Maifeier noch keine Feier, die der Bedeutung des Tage? entspreche. DaS lieg« daran, daß leider die übergroße Mehrheit der Arbeiterschaft daS Prinzip der Arbeiterschaft nur im Munde führe, aber nicht im Herzen trage. Er tritt für die Resolution ein und wünscht, überall zu feiern, wo eS»nöglich ist. In seinem Schlußwort polemisiert Töpfer- Hamburg gegen diejenigen Redner, die behauptet haben, die Gewerkschaften betrieben zu viel AengstlichleitSpositik. Dazu hätten sie keine Ursache. Es handelt sich nur darum, die Ge- werkschasten nicht in Konflikt zu bringen. DaS könne aber eintreten, wenn inan den Aeußerungcn einzelner Gewerkschaftsführer auf dem letzten Parteitage folge. Er wolle den ideellen Charakter der Maifeier aufrecht erhalten wissen als Demonstration zur Herbeiführung deS Achtstundentages. U h d e- Magdeburg beantragt, der bereits veröffentlichten Re. folutton noch einen Zusatz anzufügen, daß nicht nur auS Verbands- Mitteln, sondern auch aus der Lolallasse Unterstützung auS Anlaß der Maifeier zu verweigern fei. Gegen diesen Antrag tritt aber Heide- mann-Berlin auf, der betont, daß bei Annahme dieses Zusatzes den Berliner Kollegen die Arbcitsruhe unmöglich gemacht werde, obwohl, wie er schon gestern ausgeführt, die Unterstützung durch Extrasteuern wieder bis auf den Pfennig gedeckt würde. Darauf wird die vom Vorstande vorgeschlagene Resolution un- verändert einstimmig angenommen. Nachdem der Dcrbandsvorsitzende Behrendt die Anträge deS Vor- standes über Einteilung des Verbands in Bezirke und Neu» anstellung der Gaubeamten begründet, wird die Diskussion eröffnet. Die einzelnen Delegierten treten im Interesse einer wirksameren Agitation sämtlich für Ver» mehrung der Gaubeamten ein und befürworten ihr« dahingehenden Anträge. Nach weiterer Diskussion über die Agitation werden die Anträge des Vorstandes, drei neue Gauleiter anzustellen, angenommen, und die Ermächtigung zur eventuellen Anstellung zweier weiterer Gau. leiter erteilt. Ebenso werden zwei Anträge, betr. Bekämpfung der überhandnehmenden Frauenarbeit, dem Vorstande zur Berück. sichtigung überwiesen. Auch hat der Vorstand jedes Jahr eine Broschüre nach der Art derjenigen deS Maurerverbandes heraus- zugeben. ES folgt der Punkt Gren-zstreitigkeiten. . Unter dieser Bezeichnung werden alle Differenzen verstanden, die sich besonders auS der Zugehörigkeit der BauhülfSarbeiter zum BauhülfSarbeiter- oder zum Fabrikarbciterverband ergeben. Wie aus den Klagen der einzelnen Delegierten des VerbandStageS her- vorgeht, hat der Fabrikarbeiterverband die Abmachungen zwischen beiden Organisationen nicht respektiert. Beklagt wurde auch, daß der Vorstand deS FabrikarbetterverbandS den wichtigen Vorschlag des Vorstandes der BauhülfSarbeiterorganisatton, einen im Fabrik» arbeiterverband Organisierten, wenn er drei Monate auf Bauten beschäftigt ist, auszuschließen, damit er sich beim Bauhülfsarbctter- verband organisiert, zurückgewiesen hat. Der Vorsitzende des Fabrik- arbeiterverbandes ist auf dem Vcrbandstage erschienen und beteiligte sich ebenfalls an der Debatte über diesen Gegenstand. Auf Ansuchen der Beschwerdekommission wurde auch eine Ent- scheidung darüber getroffen, ob die Jnhaftierten-Unterstützung auch erst, wie der Rechtsschutz, nach 26wöchiger Karenzzeit, oder ob sie auch schon früher gewährt werden solle. In der Debatte über diese Angelegenheit richtet der Kölner Dele» gierte heftige Angriffe gegen den Verbandsvorstand, weil er bei dem Kölner Streik wohl Rechtsschutz, aber keine Jnhaftierten-Unter» stützung gezahlt habe. Der VerbandStag entscheidet sich schließlich für die vom Vor- stände beobachtete Praxis, für diese Unterstützung die Karenzzeit für Rechtsschutz maßgebend sein zu lassen. UKeater. Deutsches Theater.„Die Boheme." Schauspiel in fünf Aufzügen von H. M»» r g e r und Theodor Barriöre. Be- arbeitet von Paul Lindau . Mit dem leichten Gepäck seiner Er- zählungen au» den» Lebe » der Pariser Künstlerbohöme wandert Henri Murger einer bescheidene» llusterb lichkeit entgegen. Der über« sprudelnde, farbenreiche Witz, der holde, abenteuerfrohe Jugend- leichtsini», der der gewöhnlichen Misere lacht und, Ivo kein Lachen »nehr»nöglich, dem schneidend Schmerzlichen der Wirklichkeit noch eine poetiich sentimentale Umhüllung leiht, wirkt heute, ein halbes Jahrhundert nach den» Erscheinen deS Büchleins, so frisch wie je. Der Frohsinn der Murgerschen Rudolf, Marcel, Schaumard, der Mimis und Musetten steckt an; man merkt darüber kaum, wie sparsam das Völkchen sonst mit Tugenden ausgestattet ist. Der Dichter, selbst ein richtiger Boheme, dessen Gesundheit durch die Entbehrungen und Unregelmäßigkeiten dieses Lebens vorzeitig »lntergraben wurde,»nag sich in seinen Helden selbst geschildert haben, aber so sehr ihn ihre Streiche amüsieren, er ist von keiner blinde» Verliebtheit für seine Ebenbilder. Wenn er dem Typ»ls junger Künstler, den er vorführt, keinen andere» Gehalt als de» einer lustigen Unbekümmertheit zu geben vennochte, so hat er, hierin bis zun» Ende konsequent, auch jede Pose falscher Größe verschmäht. Diesen Bohemies, so charakterisiert er sie im Vorwort, sind alle Wege recht, wenn sie nur zum Ziele führe». Sie wissen sogar a»lS den unerwartetsten Zufällen Kapital zu schlagen. Ihre Existenz ist ein geniales Kunstwerk, ein täglich sich erneuerndes Problem, das nur mit Hülfe kühnster Kombinationen gelöst werden kann. Sie würden Harpagon anborgen und auf dem Flosse der Medusa Trüffeln entdecken. Wenn möglich, wissen sie auch Ent- haltsamkeit zu üben wie Anachoreten. Kommt ihnen jedoch Geld in die Hände, dann reiten sie unverzüglichst die kostspieligsten Stecken- pferde, lieben die Schönsten und Jüngsten, trinlen vom Aeltesten »lnd Besten und können gar iricht Fenster genug finden, un» möglichst schnell ihr Geld hinaus zu werfen. Wenn dann der letzte Taler tot und begraben, beginnen sie wieder an der Table ä'boto des Zufalls zu speisen, wo ihr Gedeck stets bereit liegt, und brechen mit einer ganzen Meute von Kniffen gleich Wilddieben in alle der Kunst verwandten Erwerbszweige ein, un, mit unermüdlicher Ausdauer jenen» Bilde nachzustellen, das man für gewöhnlich Fünffrankenstück nennt.— So leben Rudolf und seine Freunde und schlagen sich im Kampfe durch. Aber wie sie sich wegen der Fünffrankenstücke nicht mehr zu sorgen brauchen, hälr zugleich auch das Philisterium bei ihnen Einzug. Was sie hatten, war ihre J>»aend; kein hohes vor- wärtsweisenoes Ziel hebt sie empor. Der fluchtige Glanz verfliegt. DaS Schlußkapitel Murgerö init den» melancholisch resignierten Ab- schiedsiiede an die Jugend ist nicht die geistreichste, aber die psycho» logisch wahrste in der Reihe seiner Schilderungen. Mit Theodor Barriere zusaminen hat Murger die Skizzen, die gesaminelt erst später in Buchform erschienen, zu einem fünsaktigen Schauspiel verarbeitet, das man seiner wohlverdienten Vergeffenheitmcht hätte entreißen sollen. Man sieht dem auf Draht gezogenen, verwelkten Strauße kaum»nehr an, aus welchen Blumen er gelounden wurde. Zurechtgestutzt für den Zwang dramatischer Szenenfolge verlieren die losen freien Bilder der Erzählung das Wesentliche ihrer Emen- art. ja sie nehmen sich in dieser theatermäßigen Zusammenpressung und Uebermalung»inerttäglich unwahr auS. Spielender Humor verwandelt sich ii» täppische Posse, gedän»pste Sentimentalität in glatte, breite und selbstgefällig ausgesponncue Melodrmnattk. Nicht eine einzige ReimniSzenz, bei der man nicht sofort auch den ge- waltigen Abstand fühlte. Noch schlimmer aber steht es um die neuerfundene»» Momente. Rudolf, der Habenichts, erscheint fier als künftiger Erbe eines schwerreichen Onkels, sein eben in der Bohsine als eine völlig unmotivierte Laune. Und weil der Onkel den Nesse» mit einer reichen Dame verheiraten »„ächte, darum beschließt die kleine Miini, Rudolfs Geliebte, ihm die Karriere zu erleichtern, indem sie tut, als wäre sie seiner Armut überdrüssig. Der Engel! Während Rudolf, zurückgestoßen, Frau v. Rouvre den Hof macht, wartet Mimi unten im Schnee und »vird ohnmächtig zusammenbrechend ins Spital gebracht. Aber auch Rudolf ist edel. Nur. weil er Mimi untreu glaubte, umwarb er die Vornehme. Im Schlußakt gruppiert da« Drama um das sterbende Mädchen eine ganze Gesellschaft. Sogar der ominöse Onkel»miß noch erscheinen und durch die Bemerkung, er halte die Krankheil der Grisette für pure Komödie, endgültig seine Nichtswürdigkeit dokunientieren. Au der Aufführung lag e« nicht, wenn da« Stück nicht besser iiefiel. Besonders Käthe Hannemann und MariettaOlly pielten ihre Rollen, die sentimentale Mimi und die leichte Musette. ehr hübsch.—_ dt Letzte Naebnebten und Depefeben. Da« Urteil i« Meineidsprozeß Kracht. Detmold , 8. April. (W. T. B.) In dem MeineidSprozeß gegen das Ehepaar Kracht aus Leingo in Sachen der anonymen Schmäh» briefe fällte heute, am 17. Verhandlungstage, das Schwurgericht das Urteil. Frau Kracht wurde zu 1 Jahr 6 Monaten Zuchthaus ver- utteilt, ihr Ehemauu wurde fteigesprochen. Die Angeklagte beteuerte bis zuletzt ihre Unschuld. Eisenhahnunfall. Nordhansen, 8. April. (Amtliche Meldung.) Vortnitiag 12% Uhr fuhr auf den Bahnhof Riestedt ein von SanderSlebe», kommender Güterzug einem gerade in der Richtung nach Halle an der Saale ausfahrenden Güterzuge in die Flanke. Beide Hauptgleise waren sechs bezw. acht Stunden gestört. Der Personenverkehr wurde w dieser Zeit durch Unrsteigen aufrechterhalten. Personen wurden nicht verletzt. Der Materialschaden ist unbedeutend. Der Unfall wurde dadurch herbeigeführt, daß der Lokomotivführer deS von GandcrSIeben kommenden Personenzuges das Haltesignal vor der Station Riestedt außer acht gelassen hatte. Unglücksfall beim Bau der Stadtbahn. Budapest , 8. April. (W. T. B.) Bei dem Tunnel der Stadt» bahn in der Nähe von Kolmnitz waren mehrere Arbeiter mit Erb- arbeiten und Felssprengungen beschäftigt, als eine riesige Fels-»mo Erbmasse vor der Tunnclmündung heral'stiirzte. drei Arbeiter unter sich begrabend»md den Eingang de« Tunnels versperrend. Von den Arbeitern wurden zwei schwer"»etzt und einer getötet. Der verkehr war bis 4 Uhr nachmittags, wo der Tunnel wieder frei. gemacht war, behindert. »hm. Er sagte, er sei aus dem Wege nach Hause gewesen. Plötzlich Vorstand des FabrikarbetterverbandS den wichtigen Vorschlag des gemacht war, behindert, Verantw.Red.: Paul Büttner . Berlin . 3nserat«verontw.(nlit?luSnahmebtr.NeueS«lt".Beilag-)!Th. Glocke. Berlin . Druck«.Verlag: vorwärts Suchdr.u.v»rIazSanst.Paul Singers Co., Serlta SV. Hierzu« Beilagenu.llnterhaltungSbl
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