Nr. 83. 22. Jahrgang.6. SkilGt de»" Krlim Doiblilitt.SoMilS,9.ApnltM.Parteigenossen! Nitwoch ist Zahiabenö in Verlin und den Vororten!Dompropst MalzL vor Gericht.-■-..... Mainz, 7. April.Zweiter Tag der Verhandlung.Gestern abend wurden noch zlvei Lehrer als Zeugen der-nommen. Sie bekunden übereinstimmend: Katharina Zimmermannsei ein sehr gutes, folgsames, wahrheitsliebendes und sittenreinesMädchen, das in jeder Beziehung glaubwürdig sei.Heute erscheint zunächst als Zeugin Frau Zimmermann,die Mutter der kleinen Katharina: Eines Tages kam Katharinanach Hause und sagte: Ich gehe nicht mehr zum Propst. Ich sagte:Du bist wohl unfolgsam zum Herrn Propst gewesen und hast„Schläge" bekommen. Nein, sagte Katharina, der Propst lägt michnicht in Ruhe. Was soll daS heißen? fragte ich. Ter Propst küßtmich immer, versetzte das Kind. Ich ging mit dem Kinde zumPropst und stellte ihn zur Rede. Ter Propst sagte: Ich gebe zu,daß ich das Kind geküßt habe; das Mädchen hat so schöne roteWangen. Ich habe cS geküßt, weil ich es als meine Schwester be-trachtete. Ich erwiderte: Unterlassen Sie das. Herr Propst, sonstmuß ich Anzeige machen.Auf weiteres Befragen bekundet die Zeugin: Am 17. Jmmardieses Jahres sagte Katharina: Ter Propst hat mich heute zu sichbestellt._ Als die Katharina zurückkam, Ivav sie ganz verändert.Sie weinte heftig und erzählte: Sie und auch Hedwig Schmidtseien jjom Propst durch Schläge und Drohungen gezwungen worden,ein Schriftstück zu unterschreiben, in dem sie. erklärten: sie habenmit Franz Werner unanständigen Verkehr gehabt. Als sie�Katharina) unterschrieben hatte, habe sie gesagt: Ich habe unter-schrieben, aber getan habe ich es nicht, es ist alles gelogen. Daraufhabe sie der Propst so heftig auf den Kopf geschlagen, daß ihr dieOhrringe herausgefallen seien. Sie sei außerdem vom Propst sogestoßen worden, daß sie mit dem Kopf an die Wand geprallt sei.Das Kind klagte über heftige Kopfschmerzen. Die Ohrmuschelnwaren rot und blau unterlaufen und dick angeschwollen. Ter Propsthabe sie nach erhaltenen Schlägen an sich gezogen, geküßt, sie un-züchtig berührt, aufs Sofa geworfen und entblößt. Er habe mls-dann unanständige Tinge mit ihr vornehmen wollen, mit dem Bemerken: Jetzt machst Du das mit mir, was Du mit Werner gc-macht hast. Sie habe den Propst abgewehrt und gesagt: Nein, ichhabe mit Werner nichts gemacht. Was Sie mit mir machen wollen,ist Sünde.„Wenn Tu es mit Werner machst, dann ist es Sünde,wenn Tu es mit mir machst, ist es keine Sünde." habe der Propstgesagt.(Bewegung.) Ich begab mich sofort zum Propst und stellteihn zur Rede. Da sagte der Propst: Das Mädchen ist schlecht,sie hat mit einem„Bub" unsittlichen Verkehr gehabt, deshalb habeich es gezüchtigt. Ich war sehr aufgebracht und sagte: Das lasseich mir nicht gefallen, ich lasse mein Kind nicht schlecht machen.Stellen Sie mir den„Bub", mit dem meine Katharina etwas gemacht haben soll, gegenüber.— Na, gehen Sie mit Ihrer Tochternicht so hoch hinaus, das ist ein schlechtes Mädchen, sagte der Propst.Ich sagte: Das lasse ich mir nicht gefallen, ich lasse mein Kindnicht schlecht machen, stellen Sie mir den„Bub"'gegenüber. Daswerde ich tun. sagte der Propst. Ich will den Bub noch heutesprechen, sagte ich. Der Propst bestellte den'Bub. Als ich wiederzum Propst kam. war Herr Rechtsanwalt Roth und der Kirchen-diener Wicgand bei ihm. Der Propst war mit Franz Werner imNebenzimmer und redete auf ihn ein.— Vors.: Konnten Siehören, was der Propst zu dem Bub gesagt hat?— Zeugin: Nein.Dann kam Franz Werner aus dem Zimmer. Er sagte auf meinBefragen: Ich habe auch vom Herrn Propst„Schlag kriegt", weilich das Schriftstück nicht unterschreiben wollte; ich habe aber nichtsmit dem Mädchen gemacht.— Vors.: Hat der Propst außerdemden Versuch gemacht, Ihre Tochter schlecht zu machen?— Zeugin:Jawohl, er sagte: sie habe sich im Kreise gedreht und in un-anständiger Weise gebückt. Sie habe auch schlechte Lieder gesungen.■— Bors.: Ist Ihre Tochter ein schlechtes Mädchen, so daß manannehmen konnte, es habe sich mit Jungcns umhcrgetriebcn?—Zeugin: Nein, mein Kind ist ein sehr folgsames, durchaus sitten»reines Mädchen.— Vors.: Haben Sie nach der ersten Äußaffärezu dem Herrn Propst gesagt: Er halte das Kind zum Lügen an?—Zeugin: Jawohl, ich sagte: Sie haben dem Kind gesagt: eS sollenichts sagen, daß Sie es geküßt haben.— Der Propst sagte: Na,machen Sie.nichts daraus, es wird nicht mehr vorkommen. Ichwerde dem Kinde ein„Kleidche" kaufen, oder sonst ein Geschenkmachen. Ich habe die Sache bereits dem Herrn Bischof angezeigt.und werde wohl bald aus Worms herauskommen. Ich erwiderte:Herr Propst. Sie brauchen meinem Kind nichts zu'schenken; bc»handeln Sie nur mein Kind wie jedes andere.— Oberstaatsanwalt:Wie haben Sie die Mitteilung: er hätte bereits alles den: HerrnBischof angezeigt, aufgefaßt?— Zeugin: Ich hatte de» Eindruck,der Propst habe das alles erzählt, um mich von einer Anzeige ab-zuhalten.— Oberstaatsanwalt: Sie hatten schließlich mit demHerrn Propst Frieden geschlossen, und zwar in einer Weise, daßSie�beide vor Rührung geweint haben?— Zeugin: Das ist richtig.Bors: Hat nun der Herr Propst ein Geschenk gemacht?— Zeugin:Ja, er hat am weißen Sonntag ein Gebetbuch und. ein NeuesTestament und ein Kleidchen geschenkt. Katharina erzählte mir:Ter Propst habe sie gefragt: Hast Tu noch mehr Verehrer?—Oberstaatsanwalt: Sie hatten die Auffassung, der Propst habe diePrügelasfäre nur vorgenommen, um zu verhindern, daß Sie wegender ersten Kußaffäre Anzeige erstatten?— Zeugin: Jawohl.—Bors.: Ist darauf noch etwas zu erklären?— Vert.: Ich danke.—A n g e k l. Dompropst M a l z i: Ich versichere wiederholt.ich habe zu Frau Zimmermann nur gesagt: ich habe das Mädchennur geliebkost: ich habe nicht zugegeben, daß ich es geküßt habe.Mag Frau Zimmermann ihr Gedächtnis einmal zusammen.nehmen.— Frau Zimmermann: Ich weiß ganz bestimmt.»er Herr Propst hat zugegeben, er habe das Kind geküßt.Vernehmung von Sckiülerinnen.Eine weitere Zeugin ist die ISjährige Schülerin EliseZimmermann, Schwester der Katharina Zimmermann. Siebestätigt im wesentlichen die Bekundungen ihrer Mutter.Katharina Z i m m ermann bemerkt auf Befragen: Sie habeein unanständiges Lied von den Schülerinnen des katholischenInstituts in Worms, der„englischen Fräulein", gehört.— SchülerinElisabeth Metzger: Katharina Zimmermann habe ihr erzählt:Der Propst habe sie gestreichelt; erst einige Zeit später habe sie er»zählt, der Propst habe sie geküßt. Die Katharina habe sich niemalsunanständig benommen, habe sich auch niemals mit„Buben" umher-getrieben.— Schülerin Elise Schellen schleger: KatharinaZimmermann, Hedwig Schmidt und Franz Werner sollen sich in derKirche derartig unanständig benommen haben, daß sie aus der Kircheverwiesen wurden. Katharina Zimmermann habe ihr die Vorgängein dem Pfarrhause erzählt und ihr gesagt: der Propst habe schließlichbeide Mädchen aufgefordert, ihn um Verzeihung zu bitten und ihmzur Bekräftigung einen Kuß zu geben. Da habe Katharina geank.wartet: Wenn Hedwig Schmidt das tut, dann tue ich es auch. Hed-wig Schmidt habe darauf den Propst um Verzeihung gebeten undihm einen Kuß gegeben. Tarauf habe sie das auch getan.Schülerin Elise Bauer: Die Katharina habe sie gebeten, sie sollenicht sagen, daß sie einmal auf der Straße einem Lehrer nachgc-pfiften babe und daß sj, r.int Lügnerin sei.— Oberstaatsanwalt:Eltse Bauer. veZhalo soll Katharina Zimmermann eine Lügnerinsein?— Zeugin schweigt.— Oberstaatsanwalt: Bei welcher Gc-legenheit hat sie gelogen?— Zeugin: Sie hat einmal in der Schulegesungen. Der Lehrer sagte: weshalb hast Du gesungen? Da sagteKatharina: Ich habe nicht gesungen.— Oberstaatsanwalt: Einesolche Notlüge ist auch schon von anderen Leuten begangen worden,deshalb ist Katharina Zimmermann noch nicht eine Lügnerin zunennen.— Schülerin Katharina Hofmeister schließt sich imWesentlichen de» Bekundungen der Vorzeugin an.— Nach einerkurzen Pause wird Kaplan Grein als Zeuge aufgerufen. Erwohnte in Worms im Pfarrhause. Am 17. Januar habe er geradeUnterricht erteilt, da habe er aus dem Studierzimmer des Propstesheftiges Schreien und Schläge gehört. Er wußte, daß gegen einenKnaben und zwei Mädchen eine Untersuchung wegen Vornahme un-anständiger Handlungen schwebe. Der Propst habe ihm erzählt, esseien das sehr unerquickliche Dinge. Er habe angenommen, daßder von ihm wahrgenommene Vorgang eine Folg« dieser Unter-suchung sei. Er habe sofort die Fenster geschlossen, denn es wäreihm peinlich gewesen, wenn die von ihm unterrichteten Knaben vondem Vorgang etwas wahrgenommen hätten.— Oberstaatsanwalt:Kommen denn derartige Dinge öfters in dem Studierzimmer desHerrn Propstes vor?— Zeuge: Ich weiß es nicht, ich bin erst seitDezember 1904 in Wormö.Schülerin Magdalene G e r st: Der Propst habe oftmalsKatharina Zimmermann auS der Schule gerufen. Er habe sie stetsseinen Liebling genannt und gestreichelt. Katharina und auch andereMädchen haben bisweilen unanständige Lieder gesungen. Eins habegeheißen:„Mensch gedenke". Eines Tages habe die Schülerin Ruppsie aufgefordert, zum Herrn Propst mitzukommen.— Vors.: WaSsolltest Du beim Herrn Propst?— Zeugin: Ich sollte sagen, daßKatharina Zimmermann mit„Buben" verkehrt und sich auf derStraße unanständig bückt, wenn Buben in der Nähe sind.— Vors.:Wußtest Du etwas davon?— Zeugin(weinend): Nein.— Vors.:Da konntest Du doch nichts sagen?— Zeugin:Ich glaubte, wenn? der Herr Propst sagt, ist es wahr.Oberstaatsanwalt: Du wolltest also etwas gegen Deine Mitschülerinsagen, wovon Du gar nichts wußtest?— Zeugin(weinend): Ja.—Vors.: Hast Du denn einmal gesehen, daß Katharina Zimmermannsich mit Buben umhergetrieben hat?— Zeugin: Nein, ich habe nurgesehen, daß Buben der Katharina nachgelaufen sind.— Vors.: Hatsich Katharina dabei unanständig benommen?— Zeugin: Nein, siehat sich aber manchmal umgedreht.— Vor.: Ist sie aber sonst schnellgelaufen?— Zeugin: Jawohl.— Vors.; Es hatte also den Anschein,daß die Katharina bemüht war, so schnell als möglich von den Bubenfortzukommen?— Zeugin: Jawohl.— Eine fernere Zeugin ist die16jährige Anna Schmidt, Schwester der Hedwig Schmidt: MeineSchwester hat mir den Vorgang beim Propst erzählt. Der Propst hatdie Mädchen„Heuchlerinnen" und„Säue" genannt. Ich sagte: ichbedauere den Herrn Propst, denn wenn die Sache an die Oeffentlich-keit kommt, dann kann es ihm schlimm ergehen. Da sagte meineSchwester: Wenn Du alles wüßtest, dann würdest Du den Propstnicht bedauern.Polizeisekretär Kranz- Worms: Eines Nachmittags, als ersich auf einem Spaziergange befand, habe er wahrgenommen, daßein älterer Herr ein Schulmädchen in sehr auffallender Weise der-folgte. Er habe den Vorgang genau beobachtet und dabei wahrge-nommen. daß der Mann der Dompropst Malzt wat. Er sei auchschließlich ins katholische Pfarrhaus eingetreten.— Vors.: KönnenSie sich in der Persönlichkeit nicht irren?— Zeuge: Nein, ich binmeiner Sache ganz sicher.—- Vors.: Kannten Sie den Herrn Dompropst schon von früher?— Zeuge: Nein, ich habe aber die Persönlichkcit ganz genau ins Auge gefaßt und kenne den Herrn Dompropst mit vollster Bestimmtheit wieder.DaS Treiben einer Handarbeitslehrerin.Ein weiterer Zeuge ist Hauptlehrer Sander.— OberstaatsanWall: Ist es richtig, Herr tzauptlehrer, daß die Handarbeitslehrerin Zimmer Kinder, von denen sie wußte, daß sie zu dieserVerhandlung als Zeugen geladen seien, zu beeinflussen gesucht habe?— Zeuge: Davon ist mir nichts bekannt ich habe aber wahrge-nommen, daß Fräulein Zimmer gegen Katharina Zimmermann undHedwig Schmidt zum mindesten sehr voreingenommen war. Siehat u. a. den Kindern gesagt: Ihr tut am besten, wenn Ihr Katha-rina Zimmermann ins Gesicht schlagt.(Bewegung.) Knaben undMädchen haben vor den beiden Mädchen ausgespuckt und sie geschlagen. Wenn Hedwig Schmidt sich sehen ließ, da umringten sie dieKnaben mit den Worten:„Da ist sie ja!" Sie spuckten dem Mädcheni»S Gesicht und schlugen es. Ich habe die Sache dem Schulinspektormitgeteilt, dieser hat die Kinder ermahnt, verträglich zu sein. Ichhabe Fräulein Zimmer zur Rede gestellt und ihr mit einer Anzeigegedroht. Fräulein Zimmer antwortete darauf: Die Mädchen habensich in der Kirche ungehörig betragen.— Vors.: Was sollen denn dieMädchen in der Kirche begangen haben?— Zeuge: Sie sollenwährend des Gottesdienstes geplaudert haben. Ich habe zu FräuleinZimmer gesagt, wenn die Mädchen sich in der Kirche ungehörig bc�nommen haben, dann muß das in der Schule, nicht aber beim Hand-arbeitSunterrickt gerügt werden. Fräulein Zimmer antwortete: DieMädchen sind frech und unaufmerksam, ich werde tun, was ich fürrecht halte. Da ich die Voreingenommenheit des Fräulein Zimmergegen die beiden Mädchen nicht länger dulden konnte, habe ich beider Schulbehörde Anzeige erstattet.— Oberstaatsanwalt: Die Vor-eingenommenheit des Fräulein Zimmer gegen die beiden Mädchendatiert erst seit dem Vorgang beim Dompropst?— Zeuge: Jawohl.— Oberstaatsanwalt: Die Mißhandlungen der beiden Mädchenseitens der anderen Kinder sind doch wohl auch eine Folge des Vor.ganges beim Tompropst?— Zeuge: DaS scheint wenigstens so, dennvorher wurden die Mädchen in keiner Weise behelligt.— Oberstaatsanmalt: Wenn der Verdacht besteht, ein Schüler oder eine Schülerinhabe eine Ungehörigkeit begangen, ist es dann üblich, diese im Studier.zimmer des Lehrers zum�AuStrag zu bringen?— Zeuge: Keines.wegS, daS gehört in die Schule.— Oberstaatsanwalt: Halten Siees vom pädagogischen Standpunkte für gerechtfertigt, daß, wenn einSchüler oder eine Schülerin eine Unsittlichkeit begangen hat, diese denKindern in allen Einzelheiten vorgehalten wird?— Zeuge: Daskommt ganz daraus an. Ich habe vor einiger Zeit aus einem vor-gefundenen Briefe vernommen, Laß ein Schüler Unanständigkeitenbegangen hat. Da war ich, um die Wahrheit zu ermitteln, auch ge-nötigt, aufs Einzelne einzugehen.Die Verhandlung wird danach auf Sonnabend nachmittags2M Uhr vertagt.__ParteiFünfter Wahlkreis Dienstag S>/„ Uhr abends spricht GenosseDr. Dsvid int Alton Schiitzcnhaufe, Liitienstr. 5, über„Konsum-Geuossenschafte» und moderne Arbeiterbewegung". Fürzahlreichen Besuch dieser Volksverininmlung bitten wir die Genossenund Genossinnen zu agitieren. Tie« VertraucitSleute.Berliner)STacbricbten.Trinmplzc der Unfähigkeithat wieder einmal die.Große Berliner Straßenbahn-Gesellschaft" seiern dürfen in den Tagen de».MatscheS", dieder Apriljchnee un» gebracht halt«. Die Straßenbahn- die in Berlin 1 mehrere»ja das Hauptverkehrsmittel bildet, reichte da nicht im entferntestenaus, den Andrang zu bewältigen und die Harrenden zu befördern.Die Szenen, die sich in den Stunden des stärksten Verkehrs an denStraßenbahn-Haltestellen abspielten, spotten jeder Beschreibung.Nun wird man sagen: Wer kann dafür, wenn plötzlich schlechtesWetter eintritt und alle Welt fahren Willi Und vielleicht wird manuns erzählen, die Straßenbahn- Gesellschaft habe ihr gesamtesWagenmatcrial in Betrieb gestellt und ihren letzten Mann auf dieBeine gebracht. Gewiß, mehr ließ sich im Augenblick nicht tun.Aber der Fehler ist eben der, daß der ganze Betrieb nur auf Ver-Hältnisse zugeschnitten ist, die von dem Normalen nicht viel abweichendürfen. So wie das Fahrbedürfnis einmal um ein Erheblichesdarüber hinausgeht, versagt sofort der ganze Apparat, weil dieReserven an Material und Personal zu gering sind. Da müßten dieEinsatzwagen beträchtlich vermehrt werden, da müßten sehr viel mehrAnhangewagen mitgegeben werden— aber woher nehmen, wenn sienicht bereit stehen IDas vorhandene Wagenmaterial wird oft genug selbst bei starkemBedarf nicht einmal voll ausgenutzt. Wozu auch? Mögen dieLeute doch warten, bis sie mitkominenl Schließlichfindet jeder mal ein Plätzchen frei, wenn er, sich mit der nötigenGeduld wappnet. Ob er dabei um eine halbe oder um eine ganzeStunde zu spät an sein Ziel gelangt, das ist der Direktion ebensoschnuppe, wie den Aktionären. Wer wird denn so dumm sein, gleichbei jedem bißchen schlechten Wetters auf das fahrende PublikumRücksicht zu nehmen I Wer wird denn, weil ein paar Leute nichtrasch genug mitkommen, gleich Einsatzwagen auf die Tour schickenoder Anhängewagen mitgeben I Das kostet manchmal mehr, als eseinzubringen verspricht. Wie viel Material und Personal sollte mandenn da bereit halten? Das frißt doch Geld! Sollen etwa deshalbdie Ueberschüsse geschmälert und die Dividendenverringert werden?Siein, daS kann man von einer Gesellschaft, wie es die„Große"ist, allerdings nicht verlangen. Zwar pflegt sonst im Erwerbslebenjeder Geschäftsmann seinem Kundenkreis entgegen zu kommen undseinen Betrieb— oft sogar mit erheblichen Kosten— auf das stärksteBedürfnis einzurichten, damit ihm Niemand wegzulaufen braucht.?lber das geschieht nur, weil die Konkurrenz niedergehalten werdenmutz, und das hat doch unsere liebe„Große" nicht nötig. Denn siehat das Monopol nicht nur in den Straßenzügen, die ihr kon-zessioniert sind, sondern überhaupt in dem größten Teil von Berlin.Wo sie sich eingenistet Hat, da kann kein anderer auskommen— durchdieses Monopol unterscheidet sich das Stratzenbahnwesen von denmeisten anderen Unternehmungen des Erwerbslebens. Aber aussolchem Vorrecht darf beileibe nicht die Verpflichtung her»geleitet werden, nun auch etwas an das Verkehrsbedürfnis zu denkenund nicht immer nur an die Höhe des UeberschusseS.Wie die„Große" ihr Monopol zum Schaden der Ber-liner Bevölkerung auszunutzen entschlossen ist, das zeigt mitbesonderer Deutlichkeit der Prozeß, den sie wegen der Untergrund-bahn Potsdamer Platz— Spittelmarkt herbeigeführt hat. Sie selbererweist sich andauernd als unfähig, den Verkehr zu bewältigen, abersie will auch nicht dulden, daß ein anderer ihr dabei zu Hülse kommt.Verdenken kann ihr das vom privatkapitalistischen Standpunkte ausniemand. Denn dieser andere würde, weil er ihr wahrscheinlich nochviel mehr Fahrgäste abnähme, als nötig ist, ihr mit seiner Hülfe-leistung zugleich die Geldsäcke erleichtern— und das darf nicht sein.„Schiller-Park". Die Stadtverordneten RegierungsbaumeisterStapf und Genossen haben bei der Stadtverordncten-Versammlungfolgenden Antrag eingebracht:„Die Versammlung ersucht denMagistrat, aus Anlaß der hundertjährigen Wiederkehr des Todes-tageS Friedrich Schillers zttf dauernden Ehrung des Andenkensdes großen vaterländischen Vichters dem in Vorbereitung befind»lichen Nordpark auf dem Wedding den Name»„Schiller-Park" zugeben."Fiir den Neubau einer grossen Volks-Bade-Anstalt auf demWedding an der Pauke, Ecke Gerichtsstraße, sind der Stadt-verordneten-Versammlung die Bauprojekte mit den Kostenanschlägenzugegangen. Pie Anstalt wird die größte in Berlin werde» undzwei mächtige Schwimmbassins für Frauen und Männer erhalten.Die Baukosten sind auf 1 571 800 M. veranschlagt. Sie haben sichwegen der Beschaffung von bakterienfreien Wassers um rund70 000 M. erhöht. Mit dem Bau dieser Bgde-Anstalt soll noch indiesem Jahre begonnen werden.Der wegen Mordes verhaftete ckS Jahre alte Arbeiter OttoBastian, der am Mittwoch mittag in der Adalbertstr. 49 die49 Jahre alte Produktenhändlerin Auguste Jrrgang erschoß, weil sieihm ivegen seiner Trunksucht und Gewalttätigkeit den Laufpaß gegebenhatte, und sich selbst durch einen Streifschuß am Kopfe leicht ver-letzte, wurde gestern geheilt aus der Charitöe entlassen. DieKriminalpolizei brachte ihn jetzt nach Moabit in das Untersuchungsgefängnis.Für den Strassenverkehr waren die beiden verflossenen Tageverhängnisvoll. Infolge ber niedergegangenen SchneemasseuWurden' Stockungen im Verkehr hervorgerufen, wie sie sich bisherglücklicherweise nur selten ereignet hatten. Ueberall konnte manWagenburgen von Straßenbahnen beobachten, und am Fuße jedesaufsteigenden StratzenzugeS standen alle möglichen Fuhrwerke fest,deren Kutscher vergeblich auf die Pferde cmhieben. Schwere Lastwagen waren überhaupt nicht von der Stelle zu bringen. VieleDroschkenkutscher lehnten jede Fahrt ab mit der Bemerkung, daßsie doch nicht vom'Platz kämen. Nicht besser War es in der Nacht.als der Frost in einer Stärke von 4 Grad die Straßen in eineEisbahn verwandelt hatten.Für Maurer. Frau Luise Wurthe, Stralsunderstr. 33, vorn4 Treppen, teilt uns mit, daß ihr 36 Jahre alter Sohn, der MaurerFranz S e i fe rt, am 13, März plötzlich am Herzschlag gestorbenist, Sie weiß nun nicht, auf welchem Bau der Verstorbene gearbeitethat, kann daher nicht in den Besitz seines Krankenbuches und seinerJnvalidcnkarte kommen und somit auch von der Krankenkasse keinSterbegeld erhalten. Die Frau hofft, durch diese Mitteilung dieKollegen des Verstorbenen auf die für sie wichtige Angelegenheitaufmerksam machen zu können und bittet sie, den in Betrachtkommenden Polier zur Herausgabe der Papiere zu veranlassen.Eine wilde Jagd auf einen Kollidieb verursachte gestern imZentrum der Stadt eilten großen Auflauf. Der Schaffner einesRollwagens der Paketfahrtgesellschaft sah. daß in der KaiserWilhelmstraße ein verdächtiger Mensch sich an seinem Wagen zuschaffen machte. Als er nun nach der Dircksenftraße weiter fuhr.beobachtete er, wie der Maim unter den Plan faßte, um etwasvom Wagen zu ziehen, und die Flucht ergriff, sobald er wahrnahm.daß man auf seilt Beginnen aufmerksam geworden war. DerSchaffner verfolgte ihn unter einem ungeheuren Zulauf durch dieDircksen-, Roch- und Neue Friedrichstraße, wo er ihn mit Hülfe desPublikums faßte. Man hatte einen guten Fang gemacht, denn dieKriminalvolizei erkannte in dem Erwischten einen alten Fleddererund Kolltdieb Louis Poetsch, den sie schon seit August vorigen Jahre?suchte. Poetsch hatte sich die ganze Zeit in Berlin aufgehalten undin Kaschemmen und auf Hausböden Unterschlupf gefunden. Beiallen Streifen war er entschlüpft. Er räumte ohne weiteres ein,daß er habe stehlen wollen.Ein Ehedrania. Der 45 jähr ige Kaufmann Adolf Noack, seiteiniger Zeit subüstenzlo»,»ersuchte gestern seine von ihm seitJahre» ggsAsk« ffixtti» Sophie Noack. die in de,