Nr. 86. 22. Jahrgang.2jrili|t Ks Jormirts" Wim WslilMDienstag, tl. April IM.Wirtschaftlicher Wochenbericht.Berlin, den 8. AprilDie neue 3'/, prozentige Reichsanleihe.Die älteren Reichsanleihen.— Zunahme der Reichsschulden.— Heranziehungder sogenannten klemen Sparer und Rentner.— Zinslast der 3 prozentigenund 3'/, prozentigen Anleihen.— Vorteile des 3. und 3>/, prozentigen ZinSthpus.— Zinsertrag der englischen und französischen Staatsanleihen.—Die zukünftige Konversion.—Die seit Wochen die Finanzwelt beschäftigende Frage, ob beider Aufnahme der neuen Reichsanleihe, der schon in allernächsterZeit eine neue preußische Anleihe folgen wird, die Regierung wiederzum 3Vz Prozentige» Zinstypus zurückkehren wird, ist dieser Tageentschieden worden. Der Zinssatz der neuen Reichsanleihe beträgtSVa Proz., der Ausgabekurs für je 100 M. Nennwert 101,20 M.Erwerber, die bei der Reichsschuldenverwaltung die Eintragung indas Reichsschuldbuch beantragen, also die Absicht bekunden, die neuenWertpapiere nicht alsbald wieder zu veräußern, sondern darin ein be-stimmtes Kapital fest anzulegen, erhalten jedoch die neuen Stücke zu101,10 M. Der Begebungskurs, d. h. der Satz, zu welchem dasBankenkonsortium die Anleihe übernimmt, beträgt 100.50 Proz.,so daß sich also für die Banken ein Gewinn von über 0,60 Proz.ergibt.Seit der letzten Aufnahme einer 8 Va prozentigen Reichsanleihesind 15 Jahre verflossen; alle späteren Reichsanleihen waren drei-prozentige. Zum letzten Male wurde eine SV, prozentige Reichsanleiheim Jahre 1890 aufgelegt, und zwar im Betrage von 129 MillionenMark zum Emmissionskurs von 102'/, Proz. Dann kam unterMiquels Regiment der 3 prozentige Zmstypus zur Geltung. Zu-nächst erfolgte die Ausgabe 3 prozentiger Titel>m Herbst 1890 zu87 Proz., darauf im Februar 1891 zu 84 Proz. und ein Jahr späterzu 83,60 Proz.; doch stiegen bald darauf die Kurse und imgroßen Konversionsjahr 1895 hielten sie sich sogar zeit-weilig auf Pari, um dann allerdings in der folgenden Wirt-schaftlichen Prosperitätsperiode bald wieder von dieser Höhe herab-zusinken— Ende 1900 bis auf 87,80 Proz.— teils infolge derraschen industriellen Entwicklung, der Gründungstätigkeit auf denverschiedensten Gebieten, die viel Kapital festlegte, teils infolge derAusdehnung der Hypothekenbanken und der starten Inanspruchnahmedes Geldmarktes durch rasch aufeinanderfolgende größere An-leihen der einzelnen deutschen Bundesstaaten und Städte.Dazu kam als weiterer bedeutsamer Faktor, daß die Reichsfinanzlage sich in raschem Tempo verschlechterte und die Schuldenlastmächtig anwuchs. 1885 betrugen die Schulden des Reichs(mit Einschluß der Reichskassenscheine, aber ohne Zinsrückständes nurerst 551 Millionen Mark, 1395 waren es schon 2201 Millionen Mark,1902 2934 Millionen Mark und mit der Ausgabe derneuen 300 Millionen Markanleihe erreicht dieReichsschuld seinschließlich der unverzinslichenSchatzscheine und der Reichskassenscheine) die re-spektable Höhe von 8823 Millionen Mark. Die Aus-gaben für Heer, Marine und unsere herrlichen Kolonien sind inlolchem Maße gewachsen, daß mit ihnen die Einnahmen aus denZöllen und Berbrauckssteuern, den Reichsstempclabgaben, der Post usw.nicht Schritt zu halten vermochten und immer wieder durch neueGeldanschaffungen nachgeholfen werden mußte.In Anbetracht dieser Zunahme der Reichsanleihen und dersonstigen Staatsfonds wäre es die Aufgabe der Regierung gewesen,die Anleihewerte mehr und mehr zu einem Anlagepapier für diekleinen Rentner und Sparer zu gestalten, ähnlich wie dies in Eng-land und Frankreich der Fall ist, wo die kleinen Rentner und Ge«schäftsleute einen Teil ihres Kapitals mit Vorliebe in Staatsrentensicherstellen. Aber in dieser Richtung ist nichts geschehen; eherwurden durch den Modus der Ausgabe die Spekulationskäufe oe-günstigt, d.h. die Käufe, die nicht zu fester Anlegung von Kapitalienrn den neuen Werten, sondern lediglich zum Zwecke des baldigenWiederverkauf? zu erhöhtem Kurse, zum Zwecke der Agiotage er«folgten.Das scheint man teilweise auch im Finanzministerium ein-gesehen zu haben; denn die Bestimmung, daß solche Zeichner, dierhrcn Besitz auf sechs Monate sperren lasten sd. b. innerhalb dernächsten sechs Monate auf einen Wiederverkauf der von ihnen ge-kauften Stücke verzichten!, bei der Zuteilung vor denjenigen, diediese Bedingung nicht eingehen, den Borzug haben sollen, und daßDie Hohenzollernlegende.Als neuer Band der..Kulturbilder" beginnt soeben im Verlageder Vorwärts- Buchhandlung eine Darstellung der Hohen.zollern-Legende auS der Feder unseres Genossen Mauren-b r e ch e r. Zum erstenmal erhält hier die Oeffentlichkeit ein wahresBild von dem Wesen und den Leistungen derjenigen Monarchen-Familie, die den stärksten Einfluß auf die Geschicke des deutschenVolkes gehabt und die zugleich die Byzantiner am ekelhaftesten um-lärmen.Im Einleitungskapitel entwirft Maurenbrecher eine Skizze derheutigen Monarchie, der die folgenden Ausführungen entnommenseien:Es ist nicht zufällig, daß der Kaiser gerade die Sorge für dieWohlfahrt des Landes und seiner Bewohner bei der Schilderungseiner Vorfahren herausgreift. Es hat Zeiten gegeben, in denenman das weniger geschätzt hat. Die erste Hohenzollern-Legende, diemit der nationalliberalen Bourgeoisie der vierziger und fünfzigerJahre entstand, hat nach ganz anderen„Verdiensten" der Hohen-zollern gefahndet: ihre auswärtige Politik, ihr Militarismus, ihreHineinreißung des Landes in die großen europäischen Staaten-kämpfe, kurz ihre größere oder geringere„nationale" Bedeutungim Sinne der Bourgeoisie, das war der Maßstab, an dem dieDroysen, Sybel, Treitschke usw. die„Größe" und Bedeutung derHohenzollcrn maßen. Heute ist es die„soziale Tätigkeit der Hohen-zollern", ihre Sorge für materielle und geistige Blüte, ihr Arbeitenfür das Glück und die Wohlfahrt ihrer„Untertanen", die ihre„Größe" am deutlichsten zeigen soll.Kein Zweifel, daß diese neue Zuspitzung der Hohcnzollern-Legende genau so gut ihren politischen Hintergrund hat wie jeneältere bürgcrlich-nationale, die in den vierziger und fünfzigerJahren des letzten Jahrhunderts heranwuchs. Diese ältere Formdiente dem Bedürfnis der Bourgeoisie. Sie sollte die Herzen ge-Winnen für die große Idee der staatlichen Einigung Deutschlandsunter preußischer Führung, sollte nachweisen, daß um ihrer„nationalen Verdienste" in der Vergangenheit willen kein anderesHerrscherhaus so befähigt sei, diese Einheit zu schaffen als geradedie Hohenzollern. So hat auch die neue Form ihren politischenZweck. Sie soll die Arbeiterbewegung mit dem Monarchismus ver-söhnen. Der Kaiser sieht die Stimmen der Gegner wachsen. Zumerstenmal geht eine ernstlich antimonarchistische Bewegung durchgrößere Teile des deutschen Volkes. In der Zeit, da Wilhelm II.Kaiser ist, ist sie von 768 Tausend auf über 3 Millionen Wähler-stimmen gestiegen. Keine Frage, daß der Kaiser die wirkliche Ursachedieses Wachsens der antimonarchischen Bewegung nicht kennt; ermüßte sich ja selbst aufgeben, wollte er ihre inneren Gründe ver-stehen. So vermag er nur Täuschung und Verhetzung, nur Lug undVerführung in ihr zu erblicken. Ihm ist es ja so deutlich, daß erund sein Haus dieses wachsende Mißtrauen des Volkes nicht verdienthat. Warum nur die Menschen nicht sehen wollen, wie segensreichgerade wir Hohenzollern um die unteren Klassen uns mühen? Manmuß es ihnen sagen, man muß der Verführung entgegentreten, manferner solchen Erwerbern, die ihren Besitz ins Reichsschuldenbucheintragen lasten, für jede 100 M. Nennwert der von ihnen gekauftenStücke ein Abzug von 10 Pf. gewährt werden soll, hat keinenanderen Zweck, als die kleinen Kapitalisten und Rentner, dieweniger auf hohe Imsen als auf sichere Anlage sehen, heranzuziehenund dadurch die neuen Papiere in sogenannte feste Hände zubringen. Ob zur Errichtung dieses Zwecks die genannten kleinenVergünstigungen ausreichen, erscheint allerdings recht fraglich. DerPreisvorteil von 10 Pf., also'/w Proz. für die Erwerber, die ihrenBesitz in das Reichsschuldenbuch eintragen lassen, ist zu gering; erhätte wenigstens auf lL, vielleicht sogar bis zur Höhe von Va Proz-festgesetzt werden müssen. Außerdem hat aber die Regierungnoch den Fehler begangen, daß sie nicht längst durchgesetzliche Maßnahmen die Sparkassen, die heute in Preußen z. B.nur 1,7 Proz. ihrer Gelder in Staatspapieren angelegt haben, inallerer st er Linie aber die großen Versicherungs-gesellschaften— bekanntlich ist das Versicherungsgewerbe dasallerrentabelste— dazu angehalten hat, einen größeren Teil der beiihnen eingezahlten Geldsummen statt in Hypotheken in staatlichenAnleihewerten anzulegen. Trotz dieser Unterlassungssünden derRegierung gelang es ihr immerhin, die letzte 3 prozentige Reichs-anleihe im Jahre 1903 zuni Kurse von 92 Proz. unterzubringen: ein Kurs,der allerdings sich nicht zu halten vermocht hat. Vor einem Jahre stellteer sich auf 90,20 und heute steht er auf 90,90 Proz.Für die Käufer der neuen Stücke ist der Zinssatz von 3Va Proz.von entschiedenem Vorteil. Die neuen Titel werfen 3,46 Proz.Zinsen ab, während 3prozentige Titel bei dem heutigen Kurse von91 Proz.— vorausgesetzt, daß es gelänge, die neue Anleihe zudiesem Kurs unterzubringen— nur eine Verzinsung von 3,30 Proz.ergeben; der Mehr-Zinsertrag beträgt also 0,16 Proz.oder 16 Pf. pro 100 M. Dagegen fährt, wenn man lediglich dieVerzinsung in Betracht zieht, das Reich etwas schlechter, als beieiner 3prozentigen Anleihe. Der Begebungskurs beträgt, wie schonoben �erwähnt wurde, 100,50 Proz.; die Regierung erhältalso für die nominell 300 Millionen Mark von dem Uebernahme-Konsortium 301,5 Millionen Mark. Nimmt man an, daß es derRegierung gelungen wäre, eine 3prozentige Anleihe— ebenso wiedie 3Vaprozentige— zu einem Begebungskurs unterzubringen, der um1,30 Proz. unter dem Tageskurse des betreffenden Anleihetypus steht,also zum Kurse von 89,70 Proz., so hätte die Regierung, um die301,5 Millionen Mark zu erlangen, nur für 336,10 Millionen neue3prozentige Titel auszugeben brauchen; sie hätte also jährlichüber 400 000 Mark an Zinsen gespart.Rein rechnerisch fährt also der Staat bei dem 3VaProzentigenZinStypuS schlechter, und da für uns vom sozialistischen Standpunktdas Interesse des Staats, d. h. in diesem Fall das der Steuerzahler,in erster Reihe in Betracht kommt, nicht das der Staats-schuldentitelbesitzer, so erscheint die Rückkehr zum 3VavrozentigenTypus als ein Fehlgriff. Indes stimmt die oben aufgestellte Rech-nung nicht ganz; es kommen dabei noch verschiedene andere Punktein Betracht. Zunächst ist höchst zweifelhaft, ob es der Regierunggelungen wäre, eine dreiprozentige Anleihe zum Beaebungskurs von89,70 unterzubringen, und ob solche Anleihe mit derselben Leichtigkeitvom kapitalistischen Publikum aufgesogen wäre, wie dies voraus-sichtlich bei der neuen llVoProzentigen Anleihe der Fall sein wird.Es haben in letzter Zeit verschiedene deutsche Einzelstaaten undKommunen 3Vaprozentrge Anleihen zu relativ günstigen Be-dingungen aufgenommen, und es ist deshalb höchst wahr-schemlich, daß die Ausgabe dreiprozentiger Titel einenDruck auf den Rentenmarkr ftir die dreiprozentigen Anleihenhervorgebracht hätte. Außerdem aber hätte das Reich den Nennwertseiner Schuldenlast um über 36 Millionen Mark mehr erhöht, alsjetzt, und es müßte denmach, wenn es zur Abtragung seinerSchuldenlast schreiten sollte, auch 36 Millionen Mark mehr zurück-zahlen. Indes hat diese Erwägung bei der Finanzlage des Reicheskaum eine Bedeutung: eS ist ungleich wahrscheinlicher, daß dasReich seine Schuldenlast immer weiter und weiter vermehrt, als daßes zur Schuldabtragung kommt. Dagegen kann in Anbewacht derschnellen kapitalistischen Entwicklung Deutschlands und seiner raschzunehmenden Kapitalsanhäufung eine spätere vorteilhaftere Kon-verston der jetzigen 3 Vz Prozentigen Anleihe in eine 8 prozentige alsziemlich sicher gelten.Die Verzinsung der einheimischen Staatsanleihen stellte sichin den letzten 15 Jahren in England auf durch-s ch n i t t l i ch 2 V« Proz., in F a nft r e i ch auf 3 Vs Proz.,im Deutschen R e i ch e a u f 3 Vz Proz., und es ist anzunehmenmuß Verehrung und Vertrauen zur Monarchie von neuem erzeugen.Es ist ja gar nicht zu verstehen, warum die Leute so mißtrauischsind. Man muß die Geschichte unseres Hauses ihnen nur völlig klar-machen, und die Verführer werden zu Schanden werden IVon hier aus erst wird verständlich, warum der Kaiser solchenNachdruck darauf legt, daß ausnahmslos alle Hohenzollern dieselandesväterliche Sorge für ihre Untertanen als höchstes Ziel ihresLebens kannten. Das ist geradezu der Schwerpunkt seiner An-schauung überhaupt. Nicht, daß es unter den Hohenzollern nebengewissenlosen Verschwendern auch einige gewissenhafte, landes-väterlich sorgsame Monarchen gegeben habe, will er behaupten. Daskönnten andere Fürstenhäuser auch von sich rühmen. Das wäreüberhaupt kein großer Ruhm; denn daß im Wechsel der Generationenedlere und unedlere Charaktere sich folgen, ist ein Schicksal, das alle,auch die bürgerlichen und proletarischen Familien, ohne Ausnahmetrifft. Nein, gerade erst die Ausschließlichkeit der landesväterlichenSorge, erst, daß sie eine„Tradition", ein„Vorrecht" des Hauses ist,das wie eine Naturkraft in jedem seiner Mitglieder wirkt, erst dasgibt dem Kaiser das Recht, blindes Vertrauen der„Untertanen" auchfür sich und sein« eigen« Regierung zu fordern.Gerade die Ausnahmslosigkeit der hohenzollernschen Begabungist der neue Zug, den die Hohenzollern-Legende des Kaisers zu jenerbürgerlich-nationalen Heroisierung einzelner Hohenzollern hinzu-bringt, die früher die herrschende war. Die bürgerlich-„nationale"Geschichtsschreibung, so befangen sie auch in den politischen Bedürf-nissen ihrer Klasse und den daraus fliehenden Vorurteilen gewesen,sie hat doch immerhin noch einen Unterschied zwischen den einzelnenFürsten gekannt. Unter den dreizehn Hohcnzollernfürsten, dieDroysen in seiner vierzehnbändigcn„Geschichte der preußischenPolitik" 6e handelt, sind nur drei, die er in geradezu märchenhafterWeise verherrlicht; zwei andere lobt er noch ziemlich stark; vierbeurteilt er mitleidig-sympathisch, und über fünf gießt er die volleSchale seines Zornes. Von einem ausnahmslosen Preisen allerHohenzollern, bloß weil sie Hohenzollern waren, ist nicht im ent-ferntesten die Rede. Das ist daS neue, das die RegierungWilhelms II. zu der alten Hohenzollern- Legende hinzuwug, daßheute die Ausnahmslosigkeit ihrer Größe und Güte zum eisernenBestände jeder„volkstümlichen" Darstellung der preußischen Ge-schichte gehört.Der heutige Geschichtsunterricht in der Volksschule gibt denKindern des Volkes nicht die Wahrheit, so gut oder so schlecht dieheutige Forschung sie eben kennt. Er verheimlicht auch nicht nurunbequeme Dinge, wie es auf den Realschulen unt Gymnasien wohlauch geschieht. Nein, er dichtet direkt Lumpen in glänzende Wohl-täter um l Es ist einfach nicht wahr, daß das Hohenzollerngeschlechtnur aus einer Reihe glänzender Lichtgestalten, unermüdlich besorgter„Landesväter" bestanden. Die bürgerliche Wissenschaft— trotz allerBefangenheit gegenüber dem Monarchismus, in der auch sie nochversunken— weiß ganz genau, daß es unter den siebzehn Hohen-zollernfürsten von Brandenburg-Preußen, die von 1415— 1888 regierthaben, genug gewissenlose Prasser und sinnlose Verschwender, genugSchwachköpf« und Jammerlappen gab. Sie weiß sehr wohl, daßdarin die Hohenzollern nicht um eines Haaresbreite besser sind alsandere Fürstengeschlechter auch. Jener im Innersten verfaulte Hofdaß bei seiner raschen Kapitalsmehrung, wenn erst die heutigeindustrielle EntWickelung bei einem etwas langsameren Tempo an-gelangt sein wird, auch der deutsche Geldmarkt sich dem 3prozentigcnTypus anpaßt. Dann wird sich eine vorteil-hafte Konversion durchführen lassen. Dagegenist an eine Konvertierung 3prozentiger deutscher Anleihen in2V«« oder 2 V� Prozentige in absehbarer Zeit kaum zudenken; die infolge der EntWickelung des Geldmarkteszu erwartende spätere Kurssteigerung der dreiprozentigenTitel käme also nur den Besitzern und Spekulanten zugute. Wenndas alt-kapitalisttsche England es unternehmen konnte, neuerdingsden Zinssatz seiner KonsolS auf 2% und 2Va Proz. zu reduzieren,so sind wir deshalb noch nicht in Deutschland so weit.Es kann also die Frage, ob der dreiprozentige oder der3Vaprozentige Zinstypus vorzuziehen ist, nicht generell entschiedenwerden. Die Rechnung 3Va ist mehr als 3, folglicki ist der drei-prozentige Zinssatz für das Reich günstiger, stimmt nicht. Es kommtaußerdem die Marktlage, der Begebungskurs, die Aufnahme«fähigkeit deS kapitalistischen Publikums, die Tendenz derGeldmarktsbewegung, die Möglichkeit einer näheren oderentfernteren vorteilhaften Konversion usw. in Betracht. Und inErwägung aller dieser Umstände erscheint die Rückkehr zum3Vaproz. Zinssatz, wenn sie auch vorerst die jährliche ZinsauSgabedes Reichs um ca. 400000 Mk. erhöht, als nicht ganz unberechtigt.Ein abschließendes Urteil läßt sich allerdings nicht fällen, da sichmit Sicherheit die Gestaltung des Geldmarktes in den nächstenJahren nicht voraussehen läßt. Dat.Achter Derbandstag der Aanhiilfsarbeiter Devtschlands.In der Fortsetzung der Debatte über die Grenz-streitigkeiten nimmt auch daS Wort der Vertreter der General-kommisstonS a b a t h- Berlin: Nach seiner Ueberzeugung hätten in dieserAngelegenheit beide Organisationen etwas gesündigt. Die Grenz-streitigkeiten in den beteiligten Organisatioiien hätten ihre Ursache indem Wechsel des Berufes. Er könne sich sehr wohl denken, daß einBauarbeiter oder ein Fabrikarbeiter nicht auS seiner Organisation,die er vielleicht mit gegründet, austrete, wenn er möglicherweise durchMaßregelung seinen Berus habe wechseln müssen. Auch keinem Gewcrk-schaftskoiigretz werde es möglich sein, das aus der Welt zu schaffen,das seien nur die beteiligten Organisationen selbst im stände, wennsie unter sich bindende Vereinbarungen treffen. Lege man sich darauf,die Masten Unorganisierter zu gewinnen, nicht aber solche, die schoneinmal organisiert seien.Es wird folgende Resolution beschlossen:„Der VerbandStag erachtet die Vorschläge deS Fabrikarbeiter-Verbandes für unsere Kollegen als ungenügend und lehnt sie des-halb ab. beauftragt aber den Vorstand, mit dem Vorstand deS Fabrik-arbeiterverbandeS ein beide Teile beftiedigeS Abkommen zu treffen.Weiter beauftragt der VerbandStag den Borstand, mit den übrigenin Betracht kommenden Organisationen ebenfalls ein solches Ab-kommen zu treffen."ES folgt der PunktStatutenberatung.Verbandsvorsitzender Behrendt begründet in längeren AuS-führungen die vom Vorstande vorgeschlagenen Acnderungen desStatuts und die Notwendigkeit der Beitragserhöhung um 5 Pf. injeder der acht Lohnklassen.Es wird sodann beschlossen, den Namen deS Verbandes wiefolgt abzuändern:„Verband der baugewerblichen HülfsarbeiterDeutschlands". Außerdem werden noch eine Anzahl Aenderungenredaktioneller Natur an dem Statut vorgenommen.Eine heiße Debatte veranlaßte die vorgeschlageneBeitragserhöhung.Fast die ganze NachmittagSsitzung wird damit ausgefüllt.Gegen die Beitragserhöhung sprechen sich aus Fröhlich-Köln,teidemann und Böttcher-Berlin, Reinecke-Leipzig, Hempel-Hainburg,braham-Spandau; für dieselbe Harlmann- Görlitz, Brandmohr-Bremen, Mäckelmann-Frankfurt a. M., Lange vom Vorstande,Eckardt« Mannheim. Redakteur Töpfer, Bruhnö- Wilhelmshaven,Viebach-Kastol.S a b a t h, der Vertreter der Gencralkonimifsion, ersucht denVerbandstag. die vom Vorstand borgeschlagene geringe Beitrags-Friedrich Wilhelms II.— feine Zeitgenossen nannten ihn in Spott-schriften„Saul den Dicken von Kanonenland"—; jener erste Königin Preußen, der nicht glaubte, ein König zu sein, loenn er nicht eineMaitresse halte wie sein leuchtendes Vorbild, der König von Frank»reich; jener Joachim II., dem sogar sein Hofprediger in der Leichen-predigt nur nachsagen konnte, daß sein Leben und Wandel garträflich und sündlich gewesen; dessen Vater, jener Joachim I., denLuther sehr richtig einen Hurer und Buben nannte— um nur diebekanntesten Fälle zu nennen: gehören die auch zu der„Fülle sittlichtief und nachhaltig anregender Momente", von der der Kultus-minister von Goßler schrieb? Jeder Gymnasiast und jeder Studentwürden lachen, wollt« man ihnen so etwas erzählen. Aber für dieVolksschule ist es eben noch gerade gut genug; dort braucht man janicht Wahrheit und Wissen— wenn nur Gottesfurcht und Liebe zumFürstenhause gedeihen!Das ist das Empörende an jener ministeriellen Verfügung, daßsie zweierlei Wahrheit einführt, eine für die höheren und eine fürdie niederen Schulen. Das Arbeiterkind, das dies merkt, wird damiterst recht zu« Erbitterung gegen die herrschenden Klassen gebracht.Aber wie viele sind im späteren Leben so glücklich, Aufklärung undBefreiung von diesem Weihrauchnebel der Volksschul-Legende zu'indcn? Hunderttausende gehen hin und nehmen das Märchen alsbare Münze, glauben und hoffen, von der„ausnahmslos" wirkendenKraft der„Tradition" des Herrscherhauses auch in ihrem eigenenLeben noch etwas zu spüren. Das ist der Hauptzweck dieses Buches,daß es, wo es hinkomme, die Volksschulnebel zerstreue.DaS gilt zunächst für die Volksschule im Königreich Preußen.Aber die neue deutsche Kultur ist ja nicht auf Preußen beschränkt.Auch in die Schulen der anderen Staaten sickert die Hohenzollern-Legende hinein. Und sie hat zur Wirkung daß man nun auch inBayern, in Sachsen, in Hessen und überall sonst das sittliche Vorbildder„angestammten' Fürstenhäuser preist. Die neue Landesvater.Legende ist längst kein rein preußisches Gewächs mehr; sie läuft in22facher Gestalt in Deutschland herum, wie es 22 monarchische Vater-länder in Deutschland gibt. Für sie alle soll die Arbeit mitgelten,die hier an dem preußischen Beispiel getan wird.*Daß der Junker und nicht der Bürger in Brandenburg-Preußendie führende Klasse war, darin liegt der Unterschied dieses Landesvon den westeuropäischen Staaten begründet. Holland, Frankreich,England konnten bürgerliche Staaten werden, weil ihre geographischeLage das Bürgertum hob. Amsterdam, Paris, London lagen an derStraße des großen Welthandels, die den Orient und die neuenamerikanischen Kolonien mit West- und Mitteleuropa verband. Derbürgerliche Kaufmann und mit ihm der Industrielle wurden dietreibende Kraft schon in der Entstehung der absoluten Monarchien inBurgund, Frankreich und England, die das 15. Jahrhundert sah.Sie haben die Befreiung der Niederlande von Spanien, die englischeRevolution und den Absolutismus Ludwigs XIV. in Frankreich ingleicher Weis« getragen. Vom 17. Jahrhundert ab bilden sie inWesteuropa die Grundlage einer neuen, rein weltlich-wissenschast-lichen Kultur. Mit dieser ganzen westeuropäischen Blüte aberhingen Brandenburg und Preußen nur durch den dünnen Fadendes'Getreide-Exportes zusammen. Der Getreide-Export aber wardas Gewerbe der Junker. Er schuf keine neue bürgerliche Klasse;