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Nr. 94. 22. Jahrgang. 2. ScilU de».Amdck" Knlim WdsdlR partei-Hiiöfelecienbciten. Sechster Wahlkreis. Fußpartie. Am Karfreitag findet für die Genossen unseres Kreises eine Partie von Tegel durch die Tegeler Heide nach dem Lokale des Herrn Schröder in Heiligensee statt. Von dort nach Papenberge, Hackenfelde und Spandau . Treffpunkt in Tegel bei Trapp, Bahnhofstratze 1. Abmarsch von dort um g'/z Uhr. Für diejenigen Genossen, welche auch von Berlin nach Tegel zu Fuß gehen wollen, ist Treffpunkt imFeld- schlößchen". Müllerstr. 142. Abmarsch nach Tegel um 7 Uhr. _ Der Vorstand. Ein Raubmordversuch ist gestern früh im Hause Wilhelmstr. 134 verübt worden. Gegen ftVj Uhr vormittags wurde die 78 Jahre alte Trödlerin Witwe Krause mit faustgroßer Stirn- und Schädelwunde schwer verletzt auf der Hintertreppe zu ihrem Geschästslokal in dem erwähnten Hause aufgefunden und noch lebend nach dem Krankenhause am Urban gebracht. Die Tat scheint unmittelbar vor der Auffindung der Witwe geschehen zu sein. Der Täter soll ein etwa 20 Jahre alter Arbeiter mit bartlosem, rundem Gesicht, 1,65 Meter groß sein und dunklen, offenen Jackettanzug tragen. Weitere Meldungen besagen: Das Opfer des Raubanfalles ist die am 24. Februar 1827 zu Berlin geborene Witwe Karoline Krause geb. Riefke, verwitwet gewesene Lademann, in der Wilhelmstr. 134. Es handelt sich um einen ähnlichen Ueberfall, wie ihn erst vor einigen Tagen der ent laufene Fürsorgezögling Schultze aus Köpenick auf die Witwe .Krüger am Stralauer Platz verübte. Die greise Frau Krause betreibt iin Erdgeschoß des Hauses Wilhelmstr. 134 einen Alt- und Trödelhandel. Bis vormittags um 10 Uhr schaltet sie in ihren Wohn- und Geschäftsräumen ganz allein. Erst dann kommt ihr Schwiegersohn, um ihr zu helfen. Zu ihrer Sicherheit hält sie eine deutsche Dogge in ihren Räumen. Diese liegt links vom Hausflur. Einige Stufen führen zu einem Borraum hinauf, der mit alten Koffern, Betten, Kleidern, Spinden usw. voll- gepfropft ist. Aehnlich sieht ein zweites Zimmer aus und nicht minder vollgestellt ist der Hauptraum an der Straße. Zugänglich ist das Geschäft nur vom Hausflur. Mittwoch morgen uni O1/ .! Uhr wurden die Hausgenossen der alten Trödlerin durch deren Hülferufe alarmiert. Sie fanden die Greisin mit einer Hand großen Verletzung an der Stirn und am Schädel auf den Stufen liegen, nachdem ein junger Mensch eben ihre Geschäftsräume und das Haus eilig verlassen hatte. Die R e v i e r p o l i ze i, die dem Hause ungefähr gegenüber ihre Wache hat, ließ die Schwerverletzte nach dem Krankenhaus->am Urban bringen und rief die Kriminalpolizei. Nach deren Aufnahmen und Ermittelungen hat Frau Krause mit einem stumpfen Werk zxug, wahrscheinlich einem Hammer, einem Stemmeisen oder einem Beile einen wuchtigen Schlag bekommen, der das Gehirn bloßlegte. Allem Anschein nach hat der Täter, der mit den Räum- lichkeiten und den Gepflogenheiten der Trödlerin wohl Bescheid wußte, mit ihr über eine alte Hose gehandelt und sie bei dieser Ge- legenheit niederzuschlagen versucht, um sie zu berauben. Er ist wahrscheinlich ein junger Mann, der kurz vorher in einer Schank- Wirtschaft im Nebenhause gebettelt hat, und wird beschrieben als 18 bis 20 Jahre alt, 1,65 bis 1,70 Meter groß, mit vollem, rundem Geficht von gesunder Farbe und dunklem Jackettanzug und schwarzem Hut. Für zweckdienliche Mitteilungen zu seiner Ergreifung ist vom Polizeipräsidium für das Privatpublikum eine Belohnung von 1000 Mark ausgesetzt. Wirtsleute, bei denen einzelne junge Männer nächttgen, wollen darauf achten, ob diese fich bei der Heim- kehr etwas auffallend waschen, denn der Täter muh mit Blut be- sudelt sein. Geraubt hat er wahrscheinlich nicht«. Die Geld« kaffette ist unversehrt. Der Hund fehlt. Die schwer Verletzte konnte bereits am Vormittag vernommen werden. Sie erzählte, daß der Täter zwischen 8 und 0 Uhr zu ihr in den Laden gekommen sei, um angeblich eine Hose zu kaufen; er traf sie, während sie ihm einige Beinkleider vorlegte, mit einem stumpfen Instrument und brachte ihr eine Wunde am Kopfe bei. Darauf flüchtete er. Sie konnte fich nur noch bis zur Treppe schleppen, wo sie zusammenbrach. Daß es sich um einen von langer Hand geplanten Raub- Mordversuch handelt, zu dem der Verbrecher sein Werkzeug eigens mitbrachte, dafür sprechen verschiedene Anzeichen. Der Ber - such mißlang nur deshalb, weil die alte Frau, deren Gewohnheiten der Täter kannte, nicht unter dem gewaltigen Schlage ihr Leben einbüßte, wie der Räuber wohl erwartet hatte, sondern rasch wieder zu sich kam und uni Hülfe rufen konnte. Nach den Wahrnehmungen eines Zeugen hatte der Räuber nach dem Betreten der Räume die Flurtür hinten zugemacht. Die Tür steht den Tag über auf; sie hat auf der Innenseite einen Handweiser, der nach der Pfandleihe zeigt. Ein Mann, der einige Minuten nach 0 Uhr Wäsche aus dem Plattkeller im Hause nach dem Boden trug, sah, daß die Tür zu dieser Zeit aufstand und Frau Krause die Mädchen beobachtete, die auf dem Hofe Teppiche klopften. Als er zehn Minuten später zurück- kehrte, war die Frau nicht mehr da und die Tür geschlossen. Bemerkenswert ist ferner, daß der Hund der Ueberfallenen sich noch nicht wieder angefunden hat. Er lief wohl oft weg, sobald seine Herrin ihn morgens hinauslieh, war aber so anhänglich, daß er stets nach einiger Zeit zurückkehrte. Der vermißte Hund ist eine gelbbraune deutsche Dogge, die auf den Namen Cäsar hört. Der Täter oder sein Helfershelfer hat sie wahrscheinlich an fich gelockt und irgendwo eingesperrt. Die Geschäfts- und Wohnräume der Ueberfallenen wurden gestern abend polizeilich verschlossen und der« siegelt. Patrouillen der Kriminalpolizei suchen auf der Straße, m Kaschemmen usw. nach Spuren des Täters. ßerUner JVachrichteii. Erfolge des Vegetarismus sollten in einer öffentlichen Versammlung gezeigt werden, die von Berliner Vegetariern veranstaltet worden war. Zu diesem Zweck wurden den Versammelten vegetarisch ernährte Kinder vorgeführt. Die Kinder sahen nicht übel aus, aber die überzeugende Kraft, die solchen auf das Auge berechneten Demonstrationen innewohnt, ist gering. Die Gerechttgkeit hätte erfordert, daß man auch Fleischesser veranlaßt hätte, ihre Kinder vorzuführen, damit Vergleiche an- gestellt werden konnten. Für das Auge wäre da schwerlich ein Unterschied vorhanden gewesen. Wir besinnen uns übrigens, hier in Berlin schon vor einigen Jahren eine Ausstellung vegetarisch ernährter Kinder gesehen zu haben, die doch ein erheblich frischeres Bild bot. So viele Bleichgesichter, wie uns diesmal auffielen, haben wir damals nicht beincrkt. Jene Ausstellung fand allerdings, wenn wir uns recht erinnern, nicht im Frühjahr statt, sondern im Herbst, wo die Kinder noch die sommerliche Bräunung mit- brachten. Wer aber seine Kinder den Sommer richtig benutzen läßt, wer sie m reiner Luft und hellem Sonnenlicht sich tummeln läßt, der dürfte am Ende auch als Fleischesser mit seinen �Kindern bei sonst gleicher Pflege nicht schlecht abschneiden- Der Versuch, die Erfolge einer Lebensweise durch Vor- führung von Musterexemplarenbeweisen" zu wollen, ist nicht mal ganz ungefährlich. Dabei kann es einem leicht passieren, daß die Gegenpartei mit Musterexemplaren aufwartet, die noch beweiskräftiger" sind. So gibt es Altoholgegner, die jeden, der es bis zum hundertsten Geburtstage gebracht hat und nun einem Ausfrager dreist erzählt, er habe nie in seinem Leben einen Tropfen Alkohol über die Lippen gebracht, als wieder einenBeweis" für den Segen der Alkoholabstinenz hinstellen wollen. Manchmal taucht dann aber bald nachher irgendwo ein Hundertundeinjähriger auf, der in einfältigem Stolz sich rühmt, daß ervom vielen Saufen so alt geworden" sei Kritiklose Sucht, überallBeweise" zu sehen, kann einer Sache mehr schaden als nützen. Der theoretische Teil des Abends bestand in Vorträgen über die Frage, wie man gesunde Kinder erzeugt und sie zu gesunden Menschen erzieht. Redakteur Schirrmeister sprach überErziehung zur Ehe". Er forderte recht zeitige Aufklärung der Jugend über das Geschlechtsleben. Vor und in der Ehe sei die Ueberreizung des Geschlechtstriebes zu bekämpfen, was erleichtert werde durch reizlose Diät, durch Vermeidung von Fleisch, Alkohol usw. Der Arzt Dr. W i n s ch, der überHygienische Jugenderziehung " sprach. setzte auseinander, für Kinder sei reizlose Kost, Enthaltung von Fleisch, Alkohol, Kaffee usw. doppelt notwendig. Stach den Vorträgen gab es zunächst ein Intermezzo: die Kraftproduttion eines elfjährigen Mädchens, das seinen Vater über die Bühne trug. Der Vater, ein großer hagerer Mann mit ellenlang herabhängendem Haupthaar, wiegt 140 Pfund. Das ist viel für ein elfjähriges Kind, aber das normale Gewicht eines Mannes von so außerordentlich stattlichem Wuchs ist es nicht. Krittklose Gegner des Vegetarismus könnten diesen Mann leicht alsBeweis" dafür nehmen, daß Vegetarier nur aus Haut und Knochen bestehen". In der Fragebeantwortung, die den Schluß bildete, wurde die Frage der Beziehungen des Vegetarismus zum Sozia l i s m u s berührt. Die Antwort lautete, die völlige Reform unserer Lebensweise, die der Vegetarismus im weiteren Sinne ersttebe, setze allerdings eine völlige Umgestaltung der Pro duktton wie der Konsumtion voraus. Das kann stimmen. Die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft haben zu der von der Kreissynode Berlin II dem Reichstage unterbreiteten Petttion wegen Erlaßschärferer gesetzlicher Handhaben zur Unterdrückung schlechter Literatur- und Kunsterzeugnisse" Stellung genommen. Diese Forderung bedeutet neue Beschränkungen ftir den Buch-, wie für den Kunsthandtl in ihrer gesamten Ausdehnung; zwei Handel« zweige, die, wie nur irgend welche, in dem größten und hervorragendsten Teil ihrer Produktion den idealen Gütern der Nation dienen. Die Genickstarre, jene unheimliche Infektionskrankheit, welche sich vom Südosten aus über Deutschland verbreitet, hat vorgestern auch hier ihr erste« Opfer gefordert. Die in der Kirchstraße 37 in Rixdorf wohnende Hebamme Elise Schulz war plötzlich erkrankt. Die geheimniS vollen Krankheitserscheinungen nahmen schließlich so schnell und heftig zu, daß man Dienstag abends gegen S Uhr den Waaen des Rixdorf Krankenhauses requirierte, um die Frau in ein Krankenhaus zu überfahren. Die Kranke konnte aber weder in der städtischen Krankenanstalt noch in der Krankenstation am Mariendorfer Weg untergebracht werden, da beide überfüllt waren. Jetzt machte man fich mit der totkranken Frau auf den Weg zur Charitö. Es war aber zu spät. Während der Fahrt starb Frau Schulz. Ihre Leiche wurde deshalb sofort in das Leichenschauhau» in der Hannoverschen- straße übergeführt. Als Todesursache wurde Genickstarre festgestellt. Die Medizinalbehörde traf sofort alle Maßnahmen, um ein Umsich- greifen der Krankheit zu verhüten. Der Krankenwagen und die Begleiter der Frau Schulz wurden zunächst desinfiziert. Ob der Tod der Frau bei schneller Hülfe zu verhindern gewesen wäre, mag dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall gibt aber auch dieser umständliche Krankentransport eine Illustration zu der offiziell immer noch abgeleugneten Krankenhaus not. Die epidemische Genick st arre äußert sich als akute Ent­zündung der weichen Gehirn« und Rückenniarkssnule; es scheint, daß ein Mikroorganismus der Erreger der Krankheit ist. Es werden von ihr vorwiegend gesunde und kräftige Personen befallen: auch will man bemerkt haben, daß das männliche Geschlecht ihr häufiger unterliegt als das weibliche; Kinder und jüngere Leute sollen sie am meisten zu befürchten haben, während sie bei Leuten über 40 Jahre selten vorkommt. Das Wohnen in feuchten Räumen, der Aufenthalt in engen Arbeitsräumen, ebenso körperliche Ueberanstrengungen solle» die Krankheit begünstigen. Sie be- ginnt zumeist plötzlich mit heftigem Schüttelftost und hohem Fieber, doch zeigen fich als Borboten auch zu- weilen Kopfschmerz, Niedergeschlagenheit, unruhiger Schlaf und Schwindel. Die eigentliche Krankheit tritt auf mit heftigen Schmerzen des Kopfes und des Rückens, starkem Pulsschlag, ziehenden Schmerzen in den Muskeln und Gelenken, diese Krankheits- zeichen gehen über in eine auffallende Starrheit der Nacken- und Rückenmuskeln; bisweilen wird der Körper wie ein Bogen nach rück- wärts gekrümmt. Aufregung, Lichtscheu. Delirien und Erbrechen gehen nebenher. Weiter tritt ttefe Schlafsucht ein und der Tod erfolgt zumeist unter Bewußtlosigkeit. In schlveren Fällen verläuft die Krankheit nach einem bis zwei Tagen, ja zuweilen schon nach einigen Stunden tödlich. Bei günstigem Verlauf geht die Heilung nur langsam von statten. Ueber die Genickstarre in Oberschlesien liegen jetzt umfang reiche amtliche Mitteilungen aus dem Kultusministerium vor. El geht daraus hervor, daß schon im Noveniber vorigen Jahres in KönigShütte und dem benachbarten Neu-Heiduk einige Fälle vor kamen. Bald folgten auch solche in Tarnowitz . Die Entstehung«- Ursache ließ sich nicht feststellen. Die Absonderung der.Kranken und die Desinfektion ihrer Kleider usw. vermochten die Wer breitung der Seuche nicht zu verhindern. Bis Ende Dezember war die Zahl der Kranken auf dreiundzwanzig gestiegen. Im Januar verbreitete sich die Seuche langsam, im Bruar sehr viel schneller. Die Zahl der Erkrankungen stieg von oche zu Woche bis auf 166 vom 13. bis IV. März. Vom 18. Februar bi« 26. März erkrankten 603 Personen. Die Gesamtzahl der Kranken vom Beginn bis zum 81. März bettägt 1081, ven denen 578 starben. Von den Mannschaften de« 6. Armeekorps erkrankten 7, von denen 4 starben. Die Erkrankungen betrafen hauptsächlich das jugendliche Alter. 00 Proz. der Kranken waren weniger als 15 Jahre alt. Im schulpflichtigen Alter standen allein 30 Proz. Ueber 15 Jahre alt waren nur 10 Proz. der Erkrankten. Zur Bekämpfung der Seuche wurde die Anzeigepflicht allgemein eingeführt. Die Kranken wurden abgesondert, womöglich in Krankenhäusern. Hand in Hand damit ging eine strenge Desinfektion. Die erforderlichen Unter« suchungen, im ganzen 760, führte das Bakteriologische Institut in Beuthen unter Profeffor Dr. V. Linaelsheim aus. Die Impfung wird im Bezirk Oppeln bis zum Erlqschen der Epidemie verschoben. Bewährt haben fich heiße Bäder und wiederholte Lumbalpunkttonen (Einstiche m den Membralteil der Wirbelsäule). In R i b n i tz(Mecklenburg ) sind sechs Erkrankungen an Genick- starre festgestellt worden. Such m München ist die unheimliche Krankheit aufgetteten. Dort sind am Ende der verfloffenen Woche Mve: Todesfälle infolge von Genickstarre vorgekommen. In zwei weiteren Fällen trat Genesung ein. Einen epidemischen Charatter zeigten diese Fälle nicht. Nach einem Telegramm aus Krakau ist die Genickstarre- Epidemie in Galizien immer noch in der Ausbreitung begriffen. Wie die Statthalterei berichtet, sind in acht galizischen Bezirken vom Februar bis 11. März 128 Fälle von Genickstarre vorgekommen, von denen 33 einen tödlichen Verlauf genommen haben. 16 Kranke sind bisher geheilt._ Die Gefährdung der Berliner Waisenanstalt zu Rummelsburg . Der von der Stadtverordneten-Versammlung zur Vorberatung der Vorlage über Aenderung in der Benutzung der Waisenanstalt ein- gesetzte Ausschuß tagte am Dienstagabend. Die Vorlage will das Haus 5 im Waisenhause als Säuglingsheim einrichten und es möglichst noch im Oktober in Benutzung nehmen. Ferner soll sich nach der Vorlage die Versammlung prinzipiell mit dem Umbau des Schulgebäudes zu einem Siecheuhaus und der Errichtung eines Tuberkulosenheims prinzipiell einverstanden erklären. Der Vorsitzende(Mchelet) betonte, daß diese zweite prinzipielle Forde- rung ja lebhafte Auseinandersetzungen hervorrufen würde, an denen auch die durch Krankheit zurzeit behinderten Stadträte Dr. Friedberg und Dr. Straßmann teilnehmen möchten. Der erste Teil sei aber dringlicher Natur, die Stadtverordneten-Versammlung habe diesem auch durch eine Bewilligung im Etat schon zugestimmt. Diesem Teil allein schlage er vor schon jetzt zuzustimmen und die prinzipiellen Grundzüge später zu erörtern. Die sozialdemokratischen Mitglieder des Ausschusses(Dr. Bernstein, Stadthagen , Tolksdorf) beantragten, die Vorlage des Magistrats abzulehnen und den Magistrat zu ersuchen, eine der Etatsbewilligung entsprechende Vorlage auf Umbau eines Hauses als Säuglingsheim zusammen mit einer Vorlage vorzulegen, die die bisherigen Zwecke des Waisenhauses auf- recht erhäli. Zur Begründung wurde ausgeführt: Formell richtig sei ja, daß der Umbau, wenn auch nicht im einzelnen. etatS- mäßig bereits bewilligt sei. Bei dieser Bewilligung sei aber ein großer Teil der Versammlung, wenn nicht die Versaumilung über- Haupt von der Ansicht ausgegangen, daß die bisherigen Zwecke der Anstalt nicht gefährdet würden. Das beabsichtige aber die Vorlage und auch schon der Umbau in ein Säuglingsheim. So dringend ein Säuglingsheim und gerade von sozial« demokratischer Seite seit Jahren gefordert sei, so verfehlt sei es, für das Sätiglingsheim, für das ausreichende Räume, wenn man nur wollte, zu beschaffen seien, andere sozial nützlich wirkende Institute zu beseitigen. Die 1859 gegründete Waisenanstalt zu Rummelsburg sei als ein Muster sozialpolittsch vernünftiger Waisenfürsorge gedacht und sei es auch früher, wie in der Versammlung auch von sozial- demokratischer Seite betont wurde, gewesen. Zweck der Anstalt war, für 500 verwaiste Knaben in guter Lage eine in pädagogischer und hygienischer Beziehung mustergültige Anstalt zu schaffen. Dieser Zweck sei unter dem 1894 verstorbenen Direktor Wilski glänzend erreicht. Dies be- iviesen die Verwaltungsberichte, die von Jahr zu Jahr über den vorzüg« lichen Gesundheitszustand der Schüler und über ihre prächtigen Erfolge nach Verlassen der Anstalt berichteten, das beweise auch der Verem ehemaliger Zöglinge der Anstalt, die nunmehr die verschiedensten Berufe ausüven und alljährlich ihre Anhänglichkeit beweisen. Auch da« 26- und das bOjährige Stiftungsfest habe diese Erfolge be- wiesen. Statt eine solche Anstaltsfürsorae mehr Kindern zu teil werden zu lasten, gehe man offensichtlich damit um, die Waisen- anstatt ihres ursprünglichen Charakter« völlig zu enttleiden. Schon jetzt sei die Zahl der dort erzogenen Kinder auf wenig über 200 beschränkt. Man gehe jetzt damit um, aus der Waisenanstalt eine Verwahrungsanstalt für vorübergehend ihren Eltern entzogene Kinder zu machen. Hier heiße es endlich Halt zu gebieten. Die Mehrheit erklärte, diese grundsätzlichen Bedenken seien sehr er- wägungswett, könnten aber erst bei dem zurückgestellten Teil der Vorlage zum Austrag gebracht werden. Die fünf städtischen Straßenbahnen, welche vor Monatsfrist bereits den Gegenstand einer Vorbesprechung zwischen Vertretern der Verkehrspolizei uiio des Magistrats bildeten, beschäftigen dem Ver- nehmen nach gegenwärtig die eisenbahntechnische Aufsichtsbehörde. Wie damals gemeldet, liegen gegen die fünf Projekte, abgesehen von der einen der drei Südlinien, Großgörschenstraße Donhoffsplatz, erhebliche Bedenken nicht vor. Bei der genannten Linie besteht die Schwierigkeit darin, die beste Lösung für die Ueberschreiwng des Laudwehrkanals am Hafenplatz zu finden. Von einer Verbreiterung der Augusta-Brucke scheint man sich auch in städttschcn Kreisen nicht viel zu versprechen, weil diese nur in schwierigen Krümmungen zu erreichende Brücke sehr steil angeranipt ist. und wegen der geringen Breite der Ufer- straße am Hafenplatz die Bahn auf dieser Strecke eingleisig angelegt werden müßte. Aber auch die von der Stadt eventuell geplante neue Brücke, die, im Zuge der Köthener Straße, unmittelbar neben der Potsdamer Visenbahnbrücke liegen würde, erscheint nicht ganz unbedenklich, wenn man den starken Lastwagenderkeyr in Be­tracht zieht, der, gerade gegenüber den Einfahrte» zum Güter- bahnhofe, das Schöneberger Ufer oft übermäßig in Anspruch nimmt. Es läßt dies schon der jetzige Straßenbahnverkehr erkennen, der zu gewissen Stunden auf jener Strecke recht störend beeinträchtigt wird. Die beste Lösung wäre wohl die vom Grundbesitzerverein deS Westens vorgeschlagene Untertunelu n g de« Bahnkörpers jwischen Steglitzer - und Luckenwalder st ratze und die Führung der fraglichen Südlinie von der Dennewitz - und Steglitzer - Itraße durch den Tunnel nach der Luckenwalderstraße und weiter über die S ch ö n e b e r ge r Brücke'nach dem Hafenhlatz. Der Tunnel würde zirka 200 Meter lang sein und am rattonellften so angeordnet sein müssen, daß er, neben dem Straßenbahn-, auch den Fahr- und Fußgänger-Berkehr aufzunehmen geeignet wäre. Etwas teurer al« die projektierte Brücke würde der Tunnelbau zwar werden, die Kosten dürften aber bei weitem aufgewogen werden durch die großen Vorteile, welche durch die dringend notwendige Entlastung de« SchönebergerS UferS und der Flottwellstraße gewonnen werden. Ans natürliche Beleuchtung und Lüftung deS Tunnel« müßte fteilich verzichtet werden wegen des dichten GleisgewirreS, das über ihm liegt; indes kann dw heutige Technik derartige Bedenken leicht beseitigen. Wie wir hören, beabsichtigt auch der Magistrat, die Tunnelfrage in Erwägung zu ziehen, che er über den Neubau der Köthener" Brücke endgültig Beschluß faßt. Ueber den gegenwärtigen Stand deö Schwebebahn- Projekte« Gesundbrunnen-Rixdorf" berichtet der Jngenier Dr. Kollmann in einem AufsatzeDer Großstadt-Verkehr" folgendes: Die städtische BerkehrSdeputatton hat von der Kontinentalen Gesellschaft für elettrische Unternehmungen in Nürnberg nicht allein den Bau einer Prob est recke(in natürlicher Größe und den in Ausficht ge- nommenen Material), sondem auch den Nachweis der tech- n i s ch e n A u S f ü h r b a r k e i t auf der geplanten Nord-Südstrecke verlangt. Die letztere Forderung bezieht sich hauptsächlich auf die Fundierung der Schwebebahnstützcn in den mit Kanälen ee. reichlich belegten Straßen, reff)., wo Mittelstlltzen gewählt werden. jwischen den beiden Sttaßenbahngleisen. Die infolge dieser Aus- orderung von der Gesellschaft vorgelegten Normalentwürfe für die auszuführenden Fundamente haben nun die grundsätzliche G e- nehmigung der städttschen Gas-, Wasser- und KanalisationS« deputattonen gefunden. Danach konnte an die Ausarbeitung deS entsprechend ergänzten Gesamtprojektcs gegangen werden, das nun- mehr fertiggestellt, demnächst den städtischen Behörden vorgelegt werden soll. Den schwierigsten Teil des Bauprojekts bildet die Ueberschreiwng der Stadtbahn und der Spree au der Jaunowitz- Brücke. Der Schwebebahnsteig liegt hier in lufttger Höhe über dem Waffer und so hoch über der Stadtbahn, daß diese event. noch eine zweite Etage" erhalten kann. Der Versaffer mißt dieser Rord-Süd« Schnellverbindung eine für den Berkehr außerordentliche Be- deutung bei.