W. Uügust 1876 zu Freest, am 15. April 1S05 im Lazarett Kalk- fontein. Reiter Josef Czapp, geboren 17. Dezember 1379 zu Wittstock , am 17. April 1995 im Lazarett Rehoboth . Nachträglich gemeldet: Im Gefecht an einer V l e y östlich Elefantenfluh südlich Kowise-Kolk am 7. April 1995: Berwundet: Reiter Paul Kreisch mar, geboren am 9. November 1883 zu Herzogswaldau , schwer verletzt— Armschuh. Unteroffizier Friedrich Perlmann, geboren am 13. Januar 1883 zu Jäske, schwer— Rückenschuh. � ♦ Die Lage in englischer. Beleuchtung. London . 22. April. Einer Kapstadter Drahtung des„Daily T e l e g r." zufolge bezeichnen bis zum 13. April reichende Berichte von Deutschen in Siidwestafrika die Lage im Innern als er n st er denn je. Die Hotten- totten, die ihr Vieh verloren haben, seien verzweifelt geworden. Oberst Deimling, der im Süden befehligte, sei nach Europa zurückberufen worden, weil er den Befehlen des Hauptquartiers im Feldzuge gegen Morenga zuwider gehandelt habe. Danach sollte Oberst Deimling seinen Vorstoh bis zum 1. April verschieben, aber er rückte sofort vor und stellte sich dadurch auherhalb des Bereiches der heliographischen Verbindung. �uslancl. Revolution in Rußland . Kongreß der liberalen Presse. Vom 18. bis 21. d. Mts. tagte in Petersburg in aller Stille ein Kongreß von Vertretern der liberale» Presse. Anwesend waren 149 Delegierte, welche 129 Zeitungen und Zeitschriften vertraten. Die Petersburger Presse war durch 39, die Moskauer durch 6, die Provinzialpresse durch 57 und die baltische Presse nur durch 6 Preß- organe vertreten. Das Hauptergebnis des Kongresses besteht in dein Zusammenschluß von 74 Prehorganen zu einem Preßverband zu politischen Zwecken._ Das Ende des Eisenbahnerftreiks. Unser römischer Korrespondent meldet uns: Rom , 22. April. Die Streikkommission beschloß gestern das Aufgeben des Kampfes wegen Annahme des Knebel- gesetzrs, nachdem F o r t i s versprochen hatte, keine Maßregelungen zuzulassen und den Entwurf eines Schiedsgerichtes durch das Arbeitsamt ausarbeiten zu lassen. Die Arbeitsaufnahme erfolgte ohne Zwischenfall. Rur in Neapel wurde den(Äsenbahnern zugemutet, Disziplinarstrafen und Entlassungen schriftlich als berechtigt anzuerkennen. Das Personal verweigerte die Unterschrift und verließ abermals die Arbeit, bis heute früh die Eisenbahndircktion die unbillige Forderung zurückzog. Damit wäre leider, trotz der Konzessionen Fortis, der Streik zu Ungunsten der Eisenbahner verlaufen, denen künftig das Recht des Streikens geraubt ist! Die Niederlage war aber durch den heldenmütigsten Kampf nicht abzuwenden, da alle bürgerlichen Parteien geschlossen gegen die Eisenbahner auftraten, die Regierung durch Truppen den Verkehr wenigstens im not- dürftigsten Umfange aufrecht erhalten konnte und sich überdies auch noch Streikbrecher fanden. In dieser Situation wäre eine Fortführung des Streiks aussichtslos gewesen. Aber auch ein Generalstreik der übrigen Arbeiterkategorien hätte nur von kurzer Dauer und ergebnislos sein können. Die bloße An- drohung eines solchen Streiks hätte einschüchternd wirken können, falls in den bürgerlichen Kreisen Mciuungsdifferenzen vorhanden gewesen wären. Da das gesamte Bürgertum aber die Kncbelbill unter allen Umständen durchsetzen wollte, hätte eine Ausdehnung des Streiks auf andere Berufe die Opfer nur vennehrt, ohne am Ausgang des Kampfes etwas zu ändern. Einer Korrespondenz unseres römischen Mitarbeiters vom 19. April entnehmen wir noch folgende Darlegungen: Wir sind am Abend des dritten Streiktages angelangt. Das Parlament hat vor wenigen Stunden den Gesetzentwurf über die Verstaatlichung der Eisenbahnen, samt den§§ 17 und 27 angenommen, die die Eisenbahner zu Staatsbeamten machen und so des Streik- rechts berauben. Bei einem Zusammenstoß zlvischen Militär und den für die Eisenbahner demonstrierenden Landarbeitern ist wieder Proletarierblut geflossen— 3 Tote und einige 29 Verwundete—, aber eine Lösung des Konfliktes ist vorderhand noch nicht voraus- zusehen. Eine völlige llnterbindnng de» Verkehrs ist diesmal nicht ge- lungen. Fast überall hat die Regierung ihr sogenanntes„Minimal- Programm" verwirklicht, d. h. sie hat auf den Strecken in 24 Stunden je einen Zug gehen und einen kommen lasse». Die adriatischen Bahnen haben sogar dieses Minimalprogramm überschritten. Daß dies ohne Militarisierung möglich war, ist einmal auf die Verwendbarkeit der Soldaten des Eisenbahner- Bataillons zurück« zuführen, die die Erwartungen der Sachverständigen übertroffen hat, dann auf die Charakterlosigkeit des höheren Per- s o n a I s, das für die Streikenden einsprang, und schließlich auf den Abfall eines Prozentsatzes der Eisenbahner. Während das Streckenpersonal, die Weichensteller, die Arbeiter der Eisenbahn- Werkstätten sowie die Kontrolleure und Zugführer sehr große Solidarität bewiesen, scheint das Stations- und Maschinen- personal einen nicht geringen Teil Streikbrecher gestellt zu haben.„Scheint", sagen wir, denn genaue Nachrichten sind noch nicht darüber zu erhalten. Das Verhalten der Behörden, das anfangs korrekt war, nähert sich immer mehr Giolitttschen Methoden. Auch da? Blutbad von Foggia hätte bei einiger llmsicht und kaltem Blut der Behörden verhütet werden können. Auf unbewaffnete, mit Steinen werfende Arbeiter zu schießen, ist ja jetzt in Jtqlien eine Spezialität der im „inneren Sicherheitsdienst" beschäftigten Truppen. Die Toten und Verwundeten von Foggia sollten die Ordnung?- presse abhalten, den Ernst des Streiks weiter zu leugnen. Auch die zahllosen Protestversammlungen der Hoteliers, Kauf« leute usw. legen beredtes Zeugnis ab. Die Leute sind in der Tat sehr schwer geschädigt. Deshalb� sammeln sie Prämien für Streik- brecher, erlassen Aufrufe, in denen die ganze sittliche Enttüstung von Unternehmern flammt, die in der Karwoche die Fremden ver- scheucht sahen, sie schlagen allen Hausherren vor, die streikenden Eisenbahner zu exmittieren und was dergleichen Mätzchen mehr sind. Seit dem Generalstreik hat man die italienische Bourgeoisie nicht mehr so einig gesehen, wie in diesen Tagen! Am besten sah man das in der Kammer, wo mit wahrer Wut gearbeitet wurde. Die Unseren wurden einfach nieder- gebrüllt, ihre Worte mit der größten Feindseligkeit aufgenommen. Freilich läßt sich nicht verhehlen, daß die sozialistische Fraktion in diesen Tagen, in denen sie die Stimme des Proletariats ins Parlament tragen sollte, nicht in vollem Maße ihre Pflicht getan hat. Von den 28 sozialistischen Abgeordneten waren nur 13 zugegen, was bei der Abstimmung gegenüber einer mehrfach hnndertköpfigen Mehrheit freilich nicht ins Gewicht fiel, wohl aber jeden Versuch wirksamer Obstruktion unmöglich machte. Und doch hatte die sozialistische Fraktion den Eisenbahnern schon nach dem Entwurf Giolitti die Obstruktion versprochen I Die Situation ist also die: welche Chancen, welche Aussichten auf Erfolg hat ein Streik, der sich gegen ein mit ungeheuerer Mehr- heit angenommenes Gesetz richtet?— Frankreich . Die Trauerkundgebung in Limoges . Paris , 29. April. fEig. Bcr.) Die Bestattung des nieder- geschossenen Arbeiters Vardelle(das zweite totgemeldete Opfer liegt an einer gefährlichen Kopfwunde darnieder) hat sich zu einer ergreifenden, mächtigen Trauerkundgebung des Proletariats von Limoges gestaltet. Die ganze Arbeiterbevölkernng beteiligte sich am Trauerzuge.. Nach der Meldung des bürgerlichen„Matin" ruhte die Arbeit in der ganzen Stadt. Dieselbe Zeitung gibt die Zahl der Teilnehmer am Leichenzuge und der auf den TrottoirS sich drängenden Menge auf 49 999 Personen an. An der Spitze des Zuges gingen neben den Eltern und Geschwistern des Toten die aus Paris an- gekommenen sozialistischen Abgeordneten Bagnal, Cardet, Bouvcri, der sozialistische Maire Labussiere nebst dem' gesamten Gemeinderat und der Vertreter des Pariser GewcrkschaftSvorstandes. Lövy. Ueber dem Zuge wehten rote Fahnen in Trauerflor gehüllt. Auf den zahlreichen Kränzen las man u. a. entrüstete Ans- schriften gegen die Soldateska:.Dem Opfer der Soldateska!"„Dem Opfer der Armee!..." Die Kundgebung verlief ohne jeden Mißton. Denn der Maire hatte von den Behörden erwirkt, keine einzige militärische oder Polizeiuniform auf der Straße erblicken zu lassen. Der Pariser Gemeinderat hat 5999 Frank für die Opfer des Blutbades bewilligt. Die Haltung der Radikalen hat aber das Votum eines sozialistischen Antrages vereitelt, der die Nichtanwendung des Auflaufsgesetzes von 1848 bei Streiks verlangte.— Der französisch-japanische Konflikt ist seit einigen Tagen in das Stadium diplomatischen Ver- Handlungen getreten. Die Vorstellungen Japans haben auch den Erfolg gehabt, daß die französische Regierung erklärte, die Neutralität in ihren südchinesischen Gewässern st r e n g beobachten zu wollen. Es fragt sich nun allerdings, was Frankreich unter Neutralität ver st eh t. Legt es diesen Begriff in der Weise aus, wie die Neutralität auf Madagaskar beobachtet wurde, so dürfte Japan sehr wenig zufrieden sein. Offenbar aber hat sich die französische Re- gierung doch genötigt gesehen, den Generalgouverneur von französisch Jndochina anzuweisen, die russische Flotte nicht mehr so ungestört in den französischen Gewässern verweilen zu lassen, wie bisher. Ein Pariser Blatt weiß wenigstens zu berichten, daß eine derartige Anweisung ergangen sei. Auch meldet die Petersburger Telegraphenagentur, daß Admiral Roschdjestwensky von der französischen Regierung auf die Notwendigkeit hingewiesen sei, die Neutralität Frankreichs nicht zu verletzen und sich nicht in territorialen Gewässern aufzuhalten, wenn er sie in Wirklichkeit benutzt habe. Wie sehr Roschdjest- wensky die Neutralität verletzt hat, beweist folgende englische Darstellung von dem Aufenthalt der russischen Schiffe in der Kamranhbucht: Saigon , 22. April. (.,Laffan"-Meldung.) Das Geschwader des Admirals Roschdjest- wensky lag noch �im Freitag, 50 Schiffe stark, in der Kamranh-Bucht. Auf dem Ge- schwader sind die Vorräte knapp. Fa st täglich gehen voit Saigon deutsche und französische Dampfer mit riesigen Zufuhren für die r u s f i s ch e n Kriegsschiffe ab. Der Dampfer „Eridan" wurde für 60 000 Dollars als Transportschiff an die Russen verkauft. Der Dampfer„Hindoo" löscht hier seine Kohlenladung. 45 000 Tonnen nissischer Kohle liegen hier aufgespeichert. Fünf russische Kohlendampfer trafen hier ein, um die Kohlen nach der K v m r a n h- Bucht zu b e f ör d e r n. Man glaubt hier, daß das nachrückende Geschwader des Admirals Nebogatow Saigon anlaufen und 14 Tage lang hier bleiben wird. Es bleibt nun abzuwarten, ob Roschdjestwensky seine Fahrt fortsetzen wird. Denn nur eine solche Fortsetzung der Fahrt und ein völliges Verlassen der Indochinesischen Gewässer entspräche dem Gebot einer wirklichen Neu- tralität Frankreichs . Frankreich wird jedenfalls den japani- schon Vorstellungen umsomehr Rechnung tragen müssen, als sich auch die englische Regierung mit Vorstellungen wegen des Ncntralitätsbruchcs an die französische Ncgiernng gewendet hat. Es wird darüber gemeldet: London , 22. April. Der„Pall Mall G a- z e t t e" wird ans Paris gemeldet, der dortige englische Botschafter Bertie habe seinen Oster- »rlaub unterbrochen nnd sei nach Paris zu« rückgekchrt, um im Ministerium des Aenßeren eine Note der englischen Regierung zu überreichen, in welcher die Vorstellungen Japans wegen des Vcrwcilcns der balti- scheu Flotte in der Bucht von Kamranh unterstützt würden. Die Note sei in der höflichsten Form abgefaßt. Infolge der Haltung Frankreichs ist die Erbitterung in Japan auf de» Siedepunkt gestiegen. Die Presse verlangt, daß Japan einschreite und die russischen Schiffe auch in den französischen Gewässern angreife, wenn Frankreich nicht eine andere Haltung annehme. London , 21. April.„M o r n i n g Post" meldet aus Washington von gestern: Japan hat die Vereinigten Staaten davon in Kenntnis gesetzt, daß seiner Ansicht nach Frankreich die Neutralität dadurch verletzt habe, daß sie dem Geschwader Roschdjestwenskys gestattete, die Kamranhbai als Stübpunkt zu benutzen. Dasselbe Blatt berichtet aus Shanghai von gestern: Der russische Kreuzer„A s k o l d" hat heute von drei Last- schiffen Kohlen eingenommen. Der„Askold" ist jetzt so angestrichen, daß er einem amerikanischen Kriegsschiff gleicht. Die Maschinenteile, welche bei der Desarmierung des„Askold" seinerzeit entfernt wurden, sind wieder ersetzt. Ein Lotse ist für drei Monate angenommen worden. Fünf chinesische Kriegsschiffe haben Befehl erhalten, den„Askold" zu über- wachen.—_ GewcrkfchaftUcbcs. Wie das Osterei entsteht! Die Masse der Arbeiter denkt meist nur zur Weihnachts- und Osterzeit einmal mit genaschten Gefühlen an die Kondi- loren und Zuckerwarenarbeiter, und viele— selbst Organisierte— halten die„süße Kunst" für keinen im Wirtschaftsleben irgendwie belangreichen Faktor, um ihm besondere Auf« merksamkeit schenken zu sollen. Aber besonders die Choko- laden- und Bonbonfabrikation hat in den letzten zwanzig Jahren eine EntWickelung durchgemacht wie wenige, und be« schäftigt zehntausend? fleißiger Hände. Allein Berlin , ob« gleich nicht Hauptort, hat annähernd 100 Fabrikbetriebe, von denen zirka 25 über 50 und 3 über 500 Personen beschäftigen. Insgesamt werden hier gegen 4500 Personen in solchen Fabriken stehen, wozu noch etwa 1500 in Konditoreien, Hotels und Bäckereien arbeitende Gehülfen kommen. Man glaubt aber ferner, daß die Arbeit keiner großen �Anstrengungen be- dürfe, leidlich bezahlt werde, daß mindestens niemand bei ihrer Verrichtung zu verhungern brauche, sondern sich höchstens krank essen könne, daß es ein Vorzug der Branche sei, in ihr gerade im Winterhalbjahr in schönen warmen Fabrikräumen Arbeit zu finden und daß jeder, der das Glück genieße, mit- wirken zu können, selbst nur herzlichste Freude und Genug- tuung bei Herstellung der prächtigen Weihnachts- und Oster- geschenke empfinden könne. Wozu sollten sich also andere über die Lage dieser Bcrufsarbeiter irgendwelche Gedanken machen? Wer im Honig sitzt, braucht doch nicht aus der Tinte gezogen zu werden! Welche Illusion! Niedrige Löhne, lange Arbeitszeit, unverschämte Ueöersiundenpraxis in der Saison, monatelange Arbeitslosigkeit hinterher, teilweise schwere Arbeit bei glüqen- dem Herdseuer(Bonbonkochen), ungesunde, widerlich süßliche Luft, knechtsmäßige Behandlung und ganz besonders Nickt- achtung des weiblichen Geschlechts— fast ausnahmslos tägliche Leibesvisitationen!— alles das findet man in bunter Abwechselung innerhalb dieser nach außen in so gutem Geruch stehenden Stätten. Aber weshalb entwickelte sich denn auf diesem Vorzug- lichcn Agitationsboden bisher keine besonders starke Gewerk- schaftsbeweguiig? Weil dem Zcntralverband der Konditoren und verwandte Berufe sich Schwierigkeiten entgegenstellen, wie gleichfalls wenigen anderen! Das Rückgrat des Gewerbes bilden natürlich die ge- lernten Kräfte. Diese sind, soweit sie in Konditoreien. Hotels, Bäckereien arbeiten, meist Abkömmlinge kleinbürgerlicher Familien: Meistersöhne usw., und es ist ihnen im patriarchali- scheu Kost- und Logissystem, sowie durch die Backofenhitze der mehr oder weniger große Rest von Denkfähigkeit weiter zu- sammengeschrumpft. Sie finden ihre rückständige Ent- lohnungsart als gerade für sie Passend, weil es sich dabei am gemütlichsten weiterdusselt. Ihre„Künst", auf welche sie, nicht zu wenig stolz sind, strengt außerdem ihren Geist sehr an und erhebt sie über ihre Mitwelt, sodaß sie höchstens in Ver- gnügungsvereinen über das erfolgreichste Wettkriechen bor den Herren Selbständigen — sie wollen allesamt einmal selb- ständig werden!— beraten können und gewerkschaftliche oder gar politische Arbeiterbewegung als eine Größe behandeln. mit welcher man nicht bekannt werden will. Die andere große Organisationsschwierigkeit resultiert aus der Tatsache, daß in Fabrikbetrieben die gelernten: Kräfte bis aus 25 Proz. verdrängt sind, und zwar meist durch junge weibliche, die immer sehr bald sich nach lohnenderer Arbeit anderwärts wieder umsehen. Allerdings macht die Organisafton trotzdem Fortschritte. ?lber innerhalb mehrerer und gerade der größten Betriebe liegen die Verhältnisse so, daß auch an da allgemeine organisierte Arbeiterschaft, welche schon öfter schwache Organisationen moralisch unterstützte, das Ersuchen gerichtet werden muß, des Verbandes der Konditoren zu gedenken. Wir wollen beute ein ganz besonders trübes Bild vor- führen. Es betrifft die Arbeitsverhältnisse der Firma Gebr. Stollwerck, Aktiengesellschaft, welche hier in der Chausseestraße ein Zweighaus besitzt, in welchem über 500 Personen be- schäfftgt sind. Im ganzen hat die Firma mehrere tausend Arbeitskräste und ihre dominierende Stellung in der Choko- ladenindustrie Deutschlands erkennt man aus dem Rein- gewinn, den sie jährlich aus Kakao, Zucker und Menschen« knochen herauszukrystallisieren versteht. Er betrug 1902: 1 204 000 M. und 1903: 1 180 000 M. Eine ganz besondere Organisationsschwierigkeit bietet sich hier, weil diese Firma sogar nur 10 Proz. gelernter Lkräfte beschäftigt nnd von den annähernd 400 Arbeiterinnen die mchliche Hälfte unter 16 Jahren einstellt! Solche jungen Menschenkinder den Bestrebungen der Organisation geneigt zu machen, bedarf es der Mithülfe der Familien und ihres gesamten Umganges, und gerade in dieser Hinsicht richten die organisierten Konditoren den Appell an alle, bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Betreffenden der Organisafton zu- zuführen! Wie bitter not das tut, beweist folgendes: Die mit 27 Hofdiplomen und 65 Medaillen belastete Firma zahlt diesen jungen Arbeitskräften anfangs pro Tag 1 M. und gibt meist erst auf Drängen nach Monaten eine Zulage von 5 Pf. pro Tag. Sie zahlt diesen horrenden Lohn nur zweimal � im Monat aus— am 4. und 19. jeden Monats—, zieht nicht mir die Kassenbeiträge, sondern inner- halb der ersten vier Wochen auch den Betrag für zwei Arbeits- kleider zum Preise von je 3,80 M. ab: zahlt Akkordpreise, durch welche nur ganz vorzügliche Kräfte auf 24—30 M. alle 14 Tage, die Masse jedoch nur auf 17— 24 M. Verdienst kommt. Sie zahlte nachweisbar einer Arbeiterin für 11 Arbeitstage 4,92 M. Akkordlohn, wovon noch Kassen- abzöge gemacht wurden! Sie läßt die Arbeiterinnen zur Löhnung auf den Hof antreten: sie gab ihnen bisher zu den Eßpausen— die Arbeitssäle müssen geräumt werden— nur ungenügende Räume, so daß die Hälfte aller auf dem Hofe »nd den Hausfluren das Zwischenbrot einnehmen mußte! Sie gestattet ferner den Arbeiterinnen nicht einmal, das Schuhwerk zu wechseln, so daß sie ihre Straßenschuhe den ganzen Tag über anbehalten müssen. Ter Inspektor K a r k e r erlaubt sich die schlimmsten Beschimpfungen den Arbeiterinnen gegenüber. Bei Beschwerden erklärt er seinen Gleichmut gegenüber Veröffentlichungen im„Vorwärts" und im Fachorgan. Für die Firma gelten obendrein anscheinend die Arbeiterinnenschutz-Bestimmungen nicht. Sie läßt wieder- holt Sonnabends einzelne Gruppen noch lange nach 51/, lUw arbeiten, bezahlt aber nicht einmal diese Zeit! Sie wacht streng über ihr Eigentum, und wer bei einem geringen„Dieb- stahl" von Ware ertappt und deshalb entlassen wird, wird an einer schwarzen Tafel durch Namensnennung vor dem ganzen Betriebe gebrandmarkt. Sie spricht in ihrer„Fabrik- ordnung" von„Knaben und Mädchen", und verlangt von dem Aufsichtspersonal, daß dieses die„Knaben und Mädchen" auch nach dem Verlassen der Fabrik auf ihr anständiges Betragen beobachte. Sie bestraft mit Geldbuße, wer nicht einen halben Tag vor seinem freiwilligen Abgange diese Absicht den Vor- gesetzten meldet, hat aber gegenseitige Kündigung aus- geschlossen und entläßt ihrerseits ohne jede Vorbemerkung. Von einigen kleineren Beschwerden wollen wir nach dieser
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