s- 9' 22. zchMg. 1. Dtilsge des ,Hmarts" Kerlitter Wllisdlatt.»»wch.2kMlM.Der erste Mai rückt heran! Sorgt für eine würdige Feier, Parteigenossen!Landes-Parteitagder württembergischen Sozialdemokratie.Der Parteitag, der am Ostersonntag in Stuttgart tagte, ge-staltete sich zu einer nachdrücklichen Kundgebung gegen den dema-gogischen Volksbetrug der bürgerlichen Linken. Der Parteitag warüberaus stark beschickt; 143 Organisationen waren durch etwa 300Delegierte vertreten. Außerdem waren anwesend die Landtags-abgeordneten Keil, Tauscher, Kloß und Schäffler, die Reichstags-abgeordneten Hildenbrand, Sperka, Lindemann, Singer, Frohme,Dietz, Eichhorn. Der von Sperka erstattete Tätigkeitsbericht desLandesvorstandes und der von W a s n e r erstatteie Kassenberichtkonstatierten die erfreulichen Fortschritte der Partei imBerichtsjahre. Genosse Sperka nahm auch Veranlassung,sestzustellen, daß die prinzipielle und taktische Haltungder„Tagwacht" bei der erdrückenden Mehrheit der Parteigenossenvollste Zustimmung finde, und die vereinzelten dissentierendenStimmen nicht auf eine angebliche, von der„Tagwacht"-Redaktionvom Zaun gebrochene Verschärfung des Tons gegen die Volksparteizurückzuführen seien, sondern darauf, daß einzelne Parteigenossen, diein früheren Jahren ebenfalls auf dem Boden standen, den die„Tag-wacht" nie verlassen hat, seither geglaubt haben, ihre Anschauungenrevidieren zu müssen. In der kurzen Diskussion, die sich an dieReferate knüpfte, protestierte Hildenbrand unter Verwahrunggegen diesen Vorwurf, den er auf sich bezog, gegen die Haltung der„Tagwacht", die zur vollständigen Isolierung der Partei treibe unddie fteie Entschließung der Partei über die Taktik des Wahl-kampfes bei den im Herbst 190S stattfindenden Landtagswahlen vorwegnehme und beeinträchtige. Keil wies den Vorwurf einseitigerBekämpfung der Volkspartei als ungerecht zurück, betonte die Not-wendigkeit einer scharfen Abwehr gegen die schamlose und perfideArt. in der das führende Blatt der württembergischen Demokratiedie Sozialdemokratie bekämpfe, und forderte die Genossen, die seitMonaten von dem volksparteilichen Blatt gegen die„Tagwacht" undgegen die Partei ausgespielt werden, aus, diesem Treiben durch eineöffentliche Verwahrung ein Ende zu machen. Nachdem noch zweiGenossen sich im Sinne Keils geäußert, und Hilden-b r a n d und ein zweiter Redner gegen Keil polemisiert hatten,wurde die Debatte geschlossen, um Wiederholungen bei der Debatteüber das für die Nachmittags- Sitzung anberaunite Referat Keilsüber die Landespolitik zu vermeiden.Diesem Referat ging ein weit ausholendes, großzügiges Referatdes Genossen Singer über die Reichspolitik voraus. Vonstürmischen Zustimmungskundgebungen des Parteitages wiederholtunterbrochen, zeichnete er ein anschauliches Bild der gegen-wärtigen politischen Lage des Reiches und erörterte klar undunzweideutig die Stellung der Sozialdemokratie und der bürgerlichenParteien zu den Fragen der inneren und äußeren Politik des Reiches.Scharf pointiert waren seine Ausführungen gegen die beiden Parteiender bürgerlichen Linken— die Richterschen Freisinnigen im Nordenund die Volksparteiler im Süden Deutschlands—, die während dersozialdemokratischen Obstruktion gegen den Zolltarif den Brotwuchererupassive Assistenz geleistet haben und so die Probe aufs Exempelihrer Volksfeindlichkeit ablegten. Niemals, so schloß Singerunter rauschendem Beifall seine markige Rede, kann die Verbindungoder Verbrüderung der Sozialdemokratie mit irgend einer bürgerlichenPartei in Betracht kommen; bei allem, was die Sozial-demokratie tut, hat sie bloß eins zu erwägen: ob es dem Ziel derBefreiung des arbeitenden Volkes aus ökononüscher Sklaverei undpolitischer Knechtschaft dienlich ist. Eine im Anschluß an SingersAusführungen von Genossin Zetkin beantragte Sympathie-kundgebung für die russischen Revolutionärefand einstimmige Annahme.Hierauf erstattete Keil das Referat über die l a n d e s-politischen Fragen. Es war eine schonungslose Biosstellung deS durch sckiöne Worte und eine gewisse äußereBonhommie nur notdürftig markierten reattionären Grundzuges derwürttembergischen Regierungspolitik und eine vernichtende Ab»rechnung mit den bürgerlichen Parteien— vom Zentrum bis zurVolkspartei. An dem württembergischen Landesetat wies Keil mitleichter Mühe dieselbe Kulturfeindlichkeit nach, die dem Reichsetat seinGepräge gibt. Auch die württembergische Regierung fühlt sich mir als derVollzugsausschuß der herrschenden Klassen, und deshalb ist eS dersozialdemokratischen LandtagSftaktion nicht möglich, das Budget zubewilligen. Die verschiedenen gesetzlichen Reforniwerke der letztenJahre— Steuerreform, Gemerndereform, Schulreform— zeigteKeil in ihrer Unzulänglichkeit und Halbheit; und unter steigenderErregung der Versammlung wies er unwiderleglich nach, wie bei jederSchädigung des Volkswohles durch Verpfuschung oder Vereitelung einesgesetzgeberischen Fortschritts die süddeutsche Volkspartei ihre Hand imSpiele hatte— erst zuletzt wieder im Borjahre bei der großen Protest-bewegung gegen die Erste Kammer. Da war eS die Volkspartci,die, statt mit den Sozialdemokraten vereint gegen das AdelsprivilegSturm zu laufen, lieber Anschluß an die Nationalliberalen suchte,uin mit diesen vereint die Empörung des Volkes zu dämpfen undden Kampf gegen die Adelskammer zu einer konfessionellen Frageherabzudrücken. Angesichts solch volksverräterischen Treibens bestehtfür die Sozialdemokratie umso weniger ein Anlaß, die Volks-Partei zu schonen, als gerade in den für die Sozialdemokratieaussichtsreichen, industriell entwickelten 12 Landtagswahlkreisen dieVolkspartei aus dem Sattel gehoben werden müsse. An dasmit lebhaftem Beifall aufgenommene Referat Keils knüpfte sich keineDiskussion. Genosse K e l l e r- Heilbronn beantragte nachstehendeResolution, die n a h e z u e i n st i m m i g Annahme fand:„Die württembergische Sozialdemokratie erkennt die bisher ein-gehaltene Taktik der Bekämpfung aller bürgerlichen Parteien alsrichtig an und sieht keine Veranlassung, von diesem Wege abzuweichen.Ohne der eventuellen, von wahltaktischen Rücksichten zu bestimmendenStichwahlparole bei den nächsten Landtagswahlen vorzugreifen, machtdie Landesversammlung es allen in der Organisation tätigen Gonassen und der Parteipresse zur Pflicht, über dem notwendigen Kampf gegen die unverhüllt reaktionären Parteien derRechten, nicht die Aufklärung des Volkes über dienur schlecht verhüllte V o l ks f e i n d li ch k ei t derbürgerlichen P s e u d o d e m o k r a t i e zu unterlassen,vielmehr alles zu tun, um die Erkenntnis der von denFührern der Volkspartei getriebenen unehrlichen Demagogiein den weitesten Schichten des Volkes zu verbreiten. Die eventuelleWahltaktik des„kleineren Hebels" darf nicht dazu führen, diefundamentalen Gegensätze zu verhüllen und zu vertuschen, diezwischen der Sozialdemokratie und allen bürgerlichen Parteien,auch den scheinbar radikalsten, bestehen; vielmehr ist gerade dembürgerlichen Scheinradikalisinus gegenüber die Slufzeigung desGegensatzes zwischen seinen Worten und seinen Taten eine Lebens»Notwendigkeit der Sozialdemokratie und eine Pflicht gegenüberden noch im Banne des trügerischen bürgerlichen Radlkalismusstehenden Arbeitern, Handiverkern und Bauern."Nach Erledigung einer Reihe von Anträgen schloß der Vor-sitzende. Genosse Dietz, die Landesversammlung mit einer Mahnungzur Einigkeit und Kampfbereitschaft.Abends fand im Anschluß an die Landesversammlung die vonetwa 3000 Personen besuchte Schillerfeier der württeinbergischenSozialdemokratie statt. Genosse Frohme hielt die Festrede.Der TV, Kongreß der SozialistischenPartei Frankreichs.Paris, 22. April.(Eig. Ber.)Der Kongreß der?. 3. cks F. ist hier außerordentlich zusammen-getreten am Vorabend des allgemeinen Einigungsparteitages, umdie letztwilligen Verfügungen der revolutionär-sozialistischen Sonder-organisation zu treffen. Er ist der vierte und letzte Kongreß dieserOrganisation. Der außerordentliche Kongreß der?. 3. F.(Jaurssisten)in Rouen wurde veranlaßt durch den Konflikt zwischen Fraktion undParteileitung über die Bloc-Frage und folglich über die Einigkeit.Der Pariser Kongreß der F. 8. cks F. hat seinerseits zur Aufgabenicht die Schlichtung eines inneren Konflikts, sondern eine gemein-same Vorberatung zur Feststellung einer einträchtigen Haltung derPartei auf dem Einigungspartcitag.Die Notwendigkeit einer solchen Vorberatung liegt auf derHand. Gilt es doch, in einem neuen Parteiganzcn aufzugehen,das aus sehr verschiedenartigen, bisher einander icharf bekäinpfendenElementen zusammengesetzt sein wird. Die tätsächlich tiefen prinzipiell-taktischen Gegensätze zwischen der F. 3. cks F. und dem rechtenFlügel der F. 8. F. werden ja in keiner Weise berührt durch die Zu-stimmung der letzteren Partei zum Einigkeitsvertrag. Bedürfte eSdafür eines besonderen Beweises, so hätte ihn der Kongreß vonRouen geliefert, wo die Rechte der F. 8. F. ihren alten Standpunktausdrücklich aufrecht erhielt und wo auch Jaurös, trotz oder viel-mehr wegen seines Standpunktes der mittleren Linie, den Einigkeits-vertrag in einem für die revolutionären Sozialisten unannehmbarenGeiste auslegte.Zudem war die unerwartet rasche, mit einer gewissen Plötzlichkeitvollendete Arbeit der Einigungkonnnission nicht geeignet, dieBefürchtungen eines sehr großen Teiles der F. 3. cks F. in bezugauf die kommende Einigkeit zu zerstreuen. Gibt es in derrevolutionär- sozialistischen Partei keine gegensätzlichenTendenzen, wie innerhalb der F. 3. F., so wirken in ihr dochdie alten Unterschiede zwischen den ursprünglich guesdistischen undursprünglich blanquistischen Elementen noch fort. Diese Unterschiedebedingen auch eine verschiedene Stimmung gegenüber der Einigkeit.Die ehemals blanguistischen Elemente sind aber geneigt, die lichtenSeiten der kommenden Einigkeit ins Auge zu fassen. Ihre Stimmungist in dieser Beziehung nicht wesentlich anders wie die des linkenFlügels der Jaurssisten. Dagegen bringt die große Mehrheit derehemaligen Guesdisten der Einigkeit dieselben Befürchtungen, das-selbe Mißtrauen entgegen, wie die jauresistische Rechte— natürlichaus diametral entgegengesetzten Gründen. Und mit diesem pessi-mistischen Teil der revolutionären Sozialisten fühlt und denkt in bezugauf die Einigkeit eine dritte, eine neue Gruppe der F. 8. cks F. Es sinddie um die Zeitschrift„Mouvcment Socinliste"(Lagardelle undGenossen) sich gruppierenden Elemente, die der Richtung derrevolutionären Gewerkschaften sehr nahe stehen und demgemäß demparlamentarischen Reformismus der Jaurssisten am feindlichsten ge-sinnt sind.Daß die Einigkeit an sich wünschenswert, notwendig und un-vermeidlich ist, darüber gibt es in der F. 3. cks F.— mit Ausnahmevon drei kleinen Föderationen— nur eine Meinung. DieMcinungs- oder vielmehr Stimmungsunterschiede beginnen in derAbschätzung der Vorteile und Nachteile der Einigkeit und somit auchin dem verschiedenen Nachdruck, mit dem die Bürgschaften für einerevolutionär-sozialistische Haltung der Einheitspartei verlangt werden.Soviel zur Beleuchtung der besonderen Bedeutung dieses Kon-gresses.Im folgenden eine gedrängte Zusammenfassung der Vcrhand-lungen und Beschlüsse.Erste Sitzung. Abend 21. April.Zunächst entspinnt sich eine längere Debatte über den Antragvon vier Föderationen<Seine sParisj, Seine und Oise, Rhone-mllndung sMarseillej und Haute-Marne), zum Kongreß derF. 3. cksF.wie zum Einigungskongreß die Presse zuzulassen. Die Abstimmungerfolgt auf Verlangen der Seine-Föderation nach Mandaten. DerAntrag wird abgelehnt mit 102 gegen 38 Mandate.D u b r e u i l h, Berichterstatter des Zentralrates, konstatiert diefortschreitende EntWickelung der Partei. Der Ainsterdamer Kongreßhabe den Genossen einen neuen Elan gegeben zur Verstärkung ihrerAktion. Die Mitgliederzahl ist bloß in den nächsten drei Monatennach Amsterdam von rund 16 000 auf rund 17 000 gestiegen. Zur-zeit könne die Zahl der Mitglieder ohne optimistische Ueberschätzungauf 20 000 angegeben werden. Zum Schluß betont Dubreuilh dieHoffnungen des Zentralrates auf die kommende Einigkeit. Wirwerden in der Einheitspartei dieselben bleiben wie bisher,sicher wie wir sind, die Gesamtpartei auf den Boden derunversöhnlichen Opposition gegen den Bourgeoisstaat mit unshinzureißen.(Beifall.)Der Bericht wird ohne Debatte einstimmig genehmigt.Bracke erstattet den Bericht der Delegierten der F. 3. cks F.in der Einigungskommission. Er skizziert an der Hand der be.kannten Dokumente den äußeren Gang der Einigungsverhandlungeuund betont den Sieg der revolutionären Auffassung in der schließlichvotierten Einigkeitserklärung. Kein einziger der Vorbehalte derF. 3. F. stehe in jener Erklärung. Nur in bezug auf die Vertretungder Wahlstimmen in den Kongressen hätten die Delegierten Zugeständnisse an die andere Richtung gemacht, wobei jedoch die Zahlder Wahlstimmenmandate auf ein Fünftel beschränkt worden undnach einer mit der Stimmenzahl abnehmenden Progression zuverteilen seien. Die Delegierten hätten also ihr Mandat voll'ständig erfüllt.Zweite Sitzung. Vormittag 22. April.Debatte über die Einigkeit.Die Debatte wird eingeleitet durch die Berichte derFöderationen, die ein erschöpfendes Bild der Stimmung allerTeile der Partei bieten. Die Berichte zerfallen in drei Haupt-gruppen:1. Die mehr oder minder optimistischen Beurteiler der Einigkeitfinden sich in 15 Föderationen, darunter aber in einigen Deportsmenten. wo nur Gruppen der F. 3. cks F. wirken, wo also lokal dieEinigkeit seit jeher besteht. In anderen Föderationen dieser Gruppeist die Einigkeit der bisherigen Sonderorganisationen bereits vollzogen oder angebahnt worden. Zu den Optimisten gehört dieSeine- Föderation(Paris), dessen Vertreter Tanger erklärte, dieAmsterdamer Resolution bilde eine hinreichende Bürgschaft für dieZukunft.2. Die in diesem oder jenem Grade pessimistischen Beurteilerder Einigkeit finden sich in 16 Föderationen, namentlich in solchen,die bittere Erfahrungen mit den ministerialistischen Deputierten ge-macht haben bezw. in vorwiegend kleinbürgerlichen Gegenden wirken,wo der verwirrende Einfluß des in den bürgerlichen Radikalismushinüberschillernden Ministerialismus am unheilvollsten ist. Als Beispieleines besonders tiefen Mißtrauens gegen die Folgen der Einigkeitei die Vaucluse-Föderation genannt, die auf ihrer letzten Konferenzin einer herben Resolution das Bedauern ausgesprochen hat, daßdie Parteileitung nicht zuerst die Föderationen über die Einigkeits-rage auf dem Wege eines Referendums befragt hätte. Und zwarist die Haltung dieser Föderationen nicht durch lokale Erwägungendiktiert, denn dort ist die Einigkeit leicht zu erzielen(wie der Dele-gierte Voillandet sagte, wegen der Abwesenheit von Deputierten)-sondern durch ihre Sorge für das Gesaintinteresse der Partei.3. Die drei kleinen Föderationen, die ein unbedingtes Mandatgegen die Einigkeit ausgestellt haben, sind die der Loire(53 Mit-glieder), der Haute-Vienne und der Lorraine(je 183 Mitglieder). DieLiaraine-Föderation, die übrigens stark von antipolitischen Elementendurchsetzt ist, hat außerdem beschlossen, falls die Einigkeit mit denJaurssisten votiert wird, aus der Partei auszutreten. Ihr Dele-gierter erklärte aber, versuchen zu wollen, diesen Beschluß rückgängigzu machen.Die iveitaus stärkste Föderation des Nord und Pas- de« Calais(6012 Mitglieder und 81 991 Wahlstimmen) hat sich in der Bericht-erstattung zur Einigkeitsfrage nicht geäußert.Hervorzuheben ist, daß die führenden Elemente derF. 8. cks F., darunter Jules Guesde, der Einigkeit mit großenHoffnungen entgegensehen, ungeachtet des Mißtrauens gegen diejauresistische Rechte.Guesde trat den Schwarzsehern entgegen in einer leiden-schaftlichen Rede. Er führte folgendes aus:Bei allen Unterschieden in den Aeutzerungen der Föderationenherrscht doch überall derselbe Geist. Alle sind darin einig, daß ohnewirksame Garantien die Einigkeit unerwünscht wäre. Aber derAmsterdamer Beschluß bietet uns eine solche Garantie.� In Amster-dam hat unsere Auffassung gesiegt und daher waren wir verpflichtet,die Initiative zur Einigkeit sofort zu ergreifen. Ein Referendumwar da nicht am Platze.— Ich hege das gleiche Mißtrauen wieIhr, vielleicht in noch stärkerem Maße als Ihr. Aber gerade daherbin ich ein leidenschaftlicher Anhänger der Einigkeit. Die Einigkeitliefert uns neue Waffen für die Fortsetzung des Kampfes gegen denKonfusionismus(sozialistische Wirrnis). Man sagt, das seienpapierne Waffen. Aber zuerst müssen sie erprobt werden.Und bedeutet es denn nichts, wenn wir Jaurss nach seiner Haltungin Amsterdam und nachher genötigt haben, doch denEinigkeitsvertrag zu unterzeichnen, d. h. der Dresdener Resolutionsich zu unterwerfen? Bedeutet es denn nichts, wenn wir die andereSeite dazu gebracht haben, ihre frühere Politik zu verleugnen, mitFüßen zu treten, zu verbrennen, ivas sie angebetet und anzubeten,was sie verbrannl hat? Das ist ein bedeutender Sieg für unsereAuffassung und für den internationalen Sozialismus.— Wir gehenzur Einigkeit nicht(wie ein Vorredner, Cachin-Bordeaux, sich aus-drückte)„wie Hunde, die man anpeitscht", sondern erhobenen Hauptes,als Sieger. Die Föderationen des Eher, der Gironde, des Gard,die mit extrem ministerialistischen Erwählten zu tun haben, vergessen,daß diese letzteren sich mit ihnen vereinigen, nachdem sieihre Vergangenheit verleugnet haben. Kehren sie aber zuihrer alten Politik zurück, dann sind sie eben nur mitden Waffen der Einigkeit zu erreichen, nicht außer-halb der Einigkeit,— dann ruht auf ihnen die Hand der Partei,die Hand der Internationale. Die Guillotine, die kommenden Fallesjene Elemente packen wird, wird nicht nur eine nationale, sonderneine internationale sein.— Die Vergangenheit gehört Euch nichtinehr. Aber für die Zukunft müssen— ich will nicht sagen: un-barmherzige, aber rigorose Vorkehrungen getroffen werden gegenüberdenen, die wir als die Geisel der Einigkeit betrachten dürfen.Weiter betont Guesde die Bedeutung der jaurssistischen Linken:Diese Linke bildet bereits die Mehrheit im Nationalrat der F. 8. F.Zusammen mit ihr werden wir in der Einheitspartei eine Zwei-drittelmehrheit bilden. Wir sind die Einigkeit I Zum Schluß ver-weist Redner unter lebhaftem Beifall auf die Notwendigkeit einerAnnäherung mit der Konföderation der Arbeit, mit dem geWerk-schaftlich geeinigten Proletariat: Die Einigkeit der Parteibildet einen Schritt zur totalen Vereinheitlichung der Arbeiterklasse.Sie wird ermöglichen, eine Brücke zu schlagen zwischen den beidenEinheitsorganisationen einer und derselben Klasse.Da zahlreiche Föderationen ihre Vorbehalte gegenüber derEinigkeit in der Form von Abänderungsanträgen zum Einigkeits-vertrag gebracht haben, macht Bracke darauf aufmerksam, daßjener Vertrag nicht geändert werden könne. Hingegen könnten Ab-änderungSanträge zum Statutenentwurf der Einheitspartei gemachtwerden. Darauf wird der Text der Einigkeitserklärung unverändertmit allen Stimmen gegen die der Föderationen der Larraine, derHaute-Vienne und der Rhonemündung votiert.Vor Schluß der Sitzung wird eine zehngliedrige Kommissiongewählt zur Vorberatung der Abänderungsanträge zum Statuten-enttvurf.Dritte Sitzung.(Nachmittag.)Vorsitzender: Dr. G r e f f i e r- Grenoble.M o r t i n erstattet den Kassenbericht: Die Partei ist inder Lage, ihre Sonderexistenz ohne Schulden zu liquidieren und derEinigkeit mit einem Guthaben beizutreten, das 4300 Fr. inBroschüren und 2000 Fr. in bar beträgt. Die F. 3. F. weist da-gegen erhebliche Passiva(einige tausend Frank) auf. ES müssendaher für alle Fälle Vorkehrungen getroffen werden, um das Gut-haben der F. 8. cks F. zu sichern.Chauvin legt zu diesem Zweck einen Liquidationsentwurfvor, der eine Schuldforderung an die Einheitspartei auf den Namender Genossen Delory und Landrin in der Höhe des Guthabens derF. 3. cks F. vorsieht.Die endgültige Entscheidung wird nach Verständigung mit deranderen Seite erfolgen.Sodann wird beschlossen, dem Streikkomitee von Limoges 100 Fr.zu überweisen.Debatte über den Statutenentwurf.Die Kommission beantragt nur unerhebliche Abänderungen.Eine lange, lebhafte, teilweise erregte Debatte entspinnt sich überden Namen der geeinigten Partei. Der Artikel 2 deSEntwurfes gibt der Partei den Namen:„Soziali st ischePartei, französische Sektion der Arbeiter-Jnter»nationale". Die Kommission hat diesen Namen beibehalten,auf den sich die Einigungskommission geeinigt hat. Indes be-antragen 16 Föderationen den Namen:„Sozialistische Arbeiter»Partei". Es sind das so zieinlich dieselben Föderationen, die derEinigkeit pessimistisch gegenüberstehen, nnt den Vertretern der denrevolutionären Geiverkschaftlern nahestehenden Tendenz an der Spitze.Lagardelle, Direktor des„Mouvement Sozraliste", tritt inlängerer leidenschaftlicher Rede für die Namensänderung ein: DerAntrag entstammt demselben Geiste, in dein heute Guesde gesprochenhat. Er ist eine Garantie für die Zukunft.Die Bezeichnung„Arbeiter Partei" ist eine notwendigeGarantie am folgenden Tage nach einer Krise, die herbeigeführtwurde durch die Ueberschwemmung des Sozialismus durch bürger-lich-demokratische Strömungen und durch Streber. Die Arbeiterbilden die Basis des Sozialismus. Nur das Proletariat ist einunversöhnlicher Feind des Kapitalismus, er ist es durch feine Lebens-Notwendigkeiten, durch seinen Instinkt der Empörung.Sodann ist die Bezeichnung„Arbeiter Partei" auch wegender nationalen Besonderheiten Frankreichs notwendig. GueSde hatschon vor 25 Jahren den Mut und den kühnen Blick gehabt, dieFahne des proletarischen Sozialismus zu entfalten und dem«gemäß den Rainen„Arbeiterpartei" einzuführen. In Frankreich, wodie republikanische Regierung zum Fetisch geworden ist, wie einstder„sozialisttsche Kaiser" für die Wethen Blusen, in einem Laude,wo die Klassenscheidung wegen der langsamen ökonomischen Ent-Wickelung nicht scharf hervortritt, wo demokratische Vorurteile