Jahren von der Staatskasse mehr an Subventionen aller Art be-ziehen, als sie ihr an Steuern zufließen lassen. Eine richtige beute-züglerssche Agrarpolitik.—Frankreich.Der Gemeindcrat von Limoges hob gestern seine Sitzungzum Zeichen der Trauer wegen der jüngsten blutigen Ereignisseauf und nahm einen Kredit von 2000 Fr. an zur Entschädigungder Hinterbliebenen der Opfer der militärischen Schießereivom 17. April.—England.Die Fremdenbill.London, 3.Mai. Unterhaus. Chamberlain äußert sichim Laufe der Debatte über die F r c m d e n b i l l, von der zurBeratung stehenden Bill, welche den Zuzug der niederenausländischen A rbe i t s k l a s s e fernhalte, sei nur einkleiner«schritt zu einer anderen Bill, welche er in nicht allzulanger Zeit eingeführt zu sehen Hoffe, um die Einfuhr dervon diesen Leuten angefertigten Waren zu ber-hindern.Premierminister Balfour sagt: Die Frage der Fremden-einwandcrung in England hat ganz und gar nichts mit der Juden-frage zu tun. Wir haben uneingeschränkt die Berechtigung, darüberzu entscheiden, unter welchen Bedingungen wir Bürger andererNationen zur Teilnahme an den Fortschritten unserer Zivilisationzulassen wollen oder nicht. Das Asylrecht, wie es von unserenBorvätern verstanden wurde, wird durch die Bill keineswegs verletzt,sondern die Bill schließt nur diejenigen Personen von der Ein-Wanderung aus, welche voraussichtlich dem Staate zur Last fallenwürden.—Die Revolution in Rußland.Ueber die Zahl der Opfer in Warschau schwanken die Angabennoch außerordentlich. Nach einer als abschließend bezeichnetenMeldung des„B. H." sind 62 Personen getötet und etwa 200 ver-wundet. In der Nacht zum Mittwoch wurden 31 Leichen aus demPolizeiamt nach dem Friedhof gebracht und beerdigt; nicht einmalin Särge hat die christliche Behörde des Zarismus die Gemordeten»gebettet.Die Erregung in Warschau ist andanernd überaus groß. Manerwartet die Antwort der Gewalt gegen diejenigen Offiziere, welcheden Truppen den Befehl zum Schießen erteilten. Am Mittwochfanden einige geringfügigere Zusammenstöße zwischen Arbeitern undPolizei statt. In der Hozastraße wurde ein Oberschutzmanndurch Revolverschüsse schwer verwundet. Zeitungensind zumeist nicht erschienen, die Fabriken stehen still. Wie„KuryerWarszawski" meldet, hat die Leitung der sozialdemokratischen Parteivon Polen und Littauen wegen des Blutvergießens eine Kund»gebnng erlassen, in der der sofortige Generalstreik erklärt wird.Auch in Lodz dauert der Kriegszustand fort. Am Dienstagwurden vier Personen, darunter zwei Jüdinnen getötet,drei verwundet. Ein Spion wurde durch die Menge erdolcht.Vom 3. Mai meldet„W. T. B." aus Lodz:Der Polizeirevieraufseher Poniatowsti wurde heute früh aufoffener Straße durch vier Schüsse, die mehrere Personen auf ihnabgaben, tödlich verwundet.Moskau, 3. Mai. Gestern abend begann eine große Volks-menge auf dem Petrolvski-Boulevard ein Restaurant zu zerstören, indas sich ein Revierauffeher, der einen Schlag ins Gesicht erhaltenhatte, zurückgezogen batte, indem er die Menge mit blanker Waffevon sich abwehrte. Die Menge warf die Scheiben ein und hob dieTüren aus, während die Gäste des Restaurants in wilder Angstflüchteten. Berittene Gendarmen stellten die Ordnung wieder her.Dir Tätigkeit der Sozialdemokratie.Ueber die agitatorische Betätigung der polnischen Sozialdemokratievor dem 1. Mai wird uns aus Warschau geschrieben:Staturgemäß spielte die Maiagitation in diesem Jahre eine ganzandere Rolle, wie in allen vorhergehenden. Die Agitationsliteraturwar diesmal ganz außerordentlich reichlich. Von der Sozialdemo-kratie wurden folgende Schriften massenhaft verbreitet: 1. Einepopuläre Maibroschüre. 2. Ein acht Druckseiten großes Maiflugblatt,das den besonderen Zusammenhang der Maifeier mit der Revolutionim Zarenreiche auSemandersetzt. 3. Eine in den Geheimdruckereiender Partei im Lande selbst in roten Lettern auf weißem Papier inzirka 16 000 Exemplaren hergestellte Maiproklamation, die sich dicS-,nal zum ersten Male auch an das ländliche Proletariatwendet. 4. Einen Aufruf zur Maifeier an die studierende Jugend.5. Ein Flugblatt mit der Aufschrift„Unter den, Regime deS Strangesund der Bleikugel I", worin zu dem jüngst begonnenen Schreckens-regiment der Zarenschergen Stellung genommen wurde. 6. DieAprilnummer des Partei-Organs„Die rote Fahne" mit einem Mai-artikel Karl KautskyS an leitender Stelle. Außer diesen polnischenSchriften wurden in deutscher Sprache unter den in Lodz,Zgierz, Bialystok u. a. zu zehntausenden lebenden deutschenArbeitern verbreitet: 7. ein Maiflugblatt und 8. ein offener BriefAugust Bebels an die deutschen Arbeiter und Arbeiterinnen in Russisch-Polen und Litauen. Ans diesem interessanten Dokument seien nureinige Stellen wiedergegeben. Nachdem Bebel die Endziele derSozialdemokratie und die Lage des ausgebeuteten und geknechtetenProletariats geschildert hat, legt er den deutschen Arbeiternklar, daß sie trotz aller Unterschiede der Nationalität, derSprache, der Religion Mit dem übrigen Proletariat desLandes und des ganzen russischen Reiches einig undgemeinsam lim dieselben Ziele kämpfen müssen. Nach einereingehenden Darlegung auch des politischen Programmsder Sozialdemokratie Russisch-PolenS und Litauens, das auf dieEroberung der politischen Freiheit gemeinsam mit dem gesamtenrussischen Proletariat ausgeht, schließt Bebel:„Deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen! Dieses sind in Kürzedie nächsten Forderungen, für deren Verwirklichung in Staat, Landund Gemeinde die Sozialdemokratie Russisch-Polens und Litauenskämpft. Dieser müßt Ihr Euch anschließen und sie unterstützen.Deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen! Zögert nicht, tretetein w die Reihen Eurer kämpfenden Brüder und Schwesternpolnischer und russischer Nationalität.Nur durch einiges und geschlossenes Handeln mit ihnen könntIhr die Verbesserung Eurer Lage, könnt Ihr eine menschenwürdigeExistenz Euch erkämpfen. Vereinigt seid Ihr eine unüberwindlicheMacht, der kein Gegner widerstehen kann.Deutsche Arbeiter und' Arbeiterinnen! Schließt die Reihen!Im Namen der internationalen Sozialdemokratie vereinigt Euchund marschiert vorwärts!"Der Brief Bebels rief in Lodz, wie man uns mitte, lt, eme un-beschreibliche Begeisterung hervor, die deutschen Arbeiter rissen ein-ander die Blätter förmlich aus der Hand.Die Maiagitationsliteratur ist diesmal in einem bisher nichtdagewesenen Umfange verbreitet und bis in die kleinsten Provinz-nester getragen worden; nämlich in Warschau, Lodz, Czenstochau,Dombrowa. Neualexandrien. Lublin, Bialystok. Siedlce, Zyrardolo,Wloclawek, Piotrkow, Pruszkow, Gora Kalwarja, Kaczydol,«lexondrowo, Dobrzelin.�Jeziorna, Plock, Ostrolenka, Grojec u. a.Die blutigen Ereignisse in Czenstochau.Leber die bereits erwähnten Vorgänge in Czenstochau wird unsnoch folgendes berichtet:Czenstochau, 30. April. lEig. Ber.) Die Gärung unter denArbeitern in und bei Czenstochau, die feit Wochen dauert, erhieltneue Nahrung dadurch, daß die Fabrikanten ihre Zugeständnissezurückzunehmen suchten, während die Arbeiter bei ihren Forderungenbeharren. Einige Tage vor dem 1. Mai brach infolgedessen derstreik in einer Weberei und in einem Walzwerke aus. Schon zweiTage bor der Maifeier hißten die Arbeiter auf dem höchstenSchornsteine des Hüttenwerkes Handtke eine Flagge mit derAuffchrift:Hoch die Revolution!Hoch die konstituierende Versammlung lHoch der Achtstundentag.Die sozialdemokratische Partei Russisch Polens und Litauens.Es fanden auch Massenversammlungen statt, in denen sozial-demokratische Redner auftraten, worauf die Arbeiter durch die Straßenzogen.In der Nacht vom 28. auf den 29. April, wie bereits erwähnt,drangen die Polizei und die Gendarmen in die Arbeiterkasernen desWerkes Ralow(drei Kilometer von der Stadt entfernt) ein, um Ver-Haftungen vorzunehmen; Militär besetzte die Höfe des Werkes undder Arbeiterkasernen. Als die Arbeiter der Nachtschicht erfuhren, wasgeschieht, eilten sie den Genossen in den Kasernen zu Hülfe. DieFabrikpfeifen schrillten, das ganze Werk lag sofort still, das elektrischeLicht erlosch. In der Dunkelheit gelang» es den Arbeitern,die Soldaten, welche die Tore besetzt hielten, zurückzudrängen undin die Kasernen zu dringen, wo sie die Verhafteten befreiten. Nurneun Mann von den Verhafteten blieben in Händen der Polizei undwurden nach Czenstochau abgeführt.Darauf forderten die Arbeiter den Fabrikdirektor auf, er sollesofort nach der Stadt fahren und die Freilassung dieser Gefangenenbewirken; wenn bis 8Vz Uhr die Gefangenen nicht frei seien, würdedas Werk stillgelegt werden. Als zu dieser Stunde keine Antworteingetroffen war, legten die Arbeiter die Arbeit nieder,bildeten einen Zug und marschierten nach der Stadtum die Genossen zu befteien. Auf die Kunde hiervon blieben auchandere Fabriken in den Vorstädten stehen und die Arbeiter schloffensich dem Zuge an.Vor der Stadt begegnete der Zug einer Schwadron Kavallerie,einem Bataillon Infanterie und der Pottzei. Ueber anderthalb Stundenstanden sich Militär und Arbeiter gegenüber. Um 1 Uhr forderte derkommandierende Offizier die Menge auf sich zu zerstreuen. Die Ar-beiter antworteten, sie würden nicht weichen, bevor die Gefangenenfrei seien. Das Signal wurde wiederholt, doch die Arbeiterdrangen gegen das Militär vor.Darauf erhielt die Kavallerie den Befehl, die Straße zu säubern.Die Soldaten ritten in die Menge hinein, doch nur einzelne hiebe«drein, die meisten machten keinen Gebrauch von der Waffe oderfuchtelten nur in der Luft herum.— Die Menge be-antwortete den Angriff mit Steinwürfen, wobei einige Soldatenverwundet wurden. Darauf machten die Reiter Kehrt und gingenzurück, wobei sie zwei Karabiner und drei Säbel verloren. Jetztdrangen die Arbeiter in die Häuser und griffen dasMilitär von hier aus mit Steinwürfen an. Die Kavalleriewurde auf diese Weise zurückgetrieben. Da erhielt die InfanterieBefehl zu feuern. Drei Salven wurden abgeschossen. Die Mengewich zurück und jetzt stürzte sich die Polizei auf die Fliehenund schoß blindlings drein. Die Soldaten dagegen hatten größten-teils in die Luft geschossen.Soweit ich bisher feststellen konnte, wurden zwei Arbeiter getötet, zwei Personen schwer verwundet, ein dreizehnjähriger Knabeund eine Frau!, gegen zwanzig trugen leichtere Wunden davon.Getötet wurden gleichfalls zwei Kinder in großer Entfernung von demOrt des Zusammenstoßes durch weitgeflogene Kugeln. Die meistenVerwundeten sind von Revolverkugeln getroffen, also Opfer derPolizisten, die wie tolle Hunde wüteten.Die Arbeiter sind aufs äußerste erbittert.Huö der Partei.Maifeier und Schillerfeier.Zu der Stuttgarter Maifeier wird uns noch geschrieben:„Die Veranstaltung der Maifeier liegt in Stuttgart, dem Her-kommen gemäß, in den Händen des Gcwerkschaftskartells, das einMaikomitee wählt, in das seitens der städtischen Parteileitung dreiVertreter entsendet werden. Der zum großen Teil auf das Betreibender Geloerkschaftsftihrer gefaßte Beschluß des Kartells, von dem Um-zuge und den Vormittagsversammlungen diesmal abzusehen, bandzwar dem Maikomitee wie der„Schwab. Tagwacht" in mancher Be-ziehung die Hände. Aber bei den lebhaften Diskussionen, die diesemBeschluß in den einzelnen Gewerkschaften vorangegangen waren,hatte sich nicht nur eine sehr starke Strömunggegen ihn gezeigt, die an der bisherigen Formder Feier festhalten wollte, sondern auch, daß viele seinerBefürlvorter durch ihre Stellung nur dem Aerger darüber Ausdruckgeben wollten, daß die Gewerkschaftsführer angeblich von dem Um-zuge sich vornehm zurückgehalten hatten. Es wäre also immerhinder Versuch einer würdigen Ausgestaltung der Maifeier ohne Ver-zicht aus die Arbeitsruhe auf fruchtbaren Boden gefallen, umsomehr,als bisher seitens der Arbeitgeber Maßregelungen wegen der Mai-feier nur ganz vereinzelt vorgekommen sind. Aber es scheint, daßder Glaube an diese Möglichkeit gerade bei jenen Genossen aus derstädtischen Parteileitung nicht vorhanden war, in deren Hände dasArrangement der Feier gelegt war. Dazu mag die bevorstehendestädtische Schillerfeier einiges beigetragen haben.Zwar haben die Stuttgarter Sozialdenwkraten eine würdigeSchiller.r bereits am Osterfonntag abgehalten, und siebenvon der Stadt veranstaltete große Schillerfeiern fiir dasVolk finden am nächsten Sonntag statt. Ein zwingenderGrund für die Arbeiter, auch noch am Dienstag nochmals durchArbeitsruhe„Schiller zu feiern", lag also nicht vor; denn der Kranz,der durch einen Zug der Gewerkschaften am Dienstag am Schiller-denkmal niedergelegt werden soll, konnte ebensogut am Sonntagdort deponiert werden. Lag den Veranstaltern der städtischenSchillcrfeier daran, die Illusion eines allgemeinen Volks«festes hervorzurufen, und brauchen sie— wie es tat-sächlich der Fall ist— zu diesem Zwecke am Schiller-tage die Volksmenge auf der Straße, dann mußten siedie Unternehmer veranlassen, den Schillertag den Arbeitern ohneLohneinbuße freizugeben. Es wurde aber nicht einmal einVersuch in dieser Richtung gemacht, sondern im Gegenteil vonmanchen Unternehmern den Arbeitern dirett unter Hinweis auf denVerlust zweier Lohntage in einem so kurzen Zeitraum der Verzichtauf die Arbeitsruhe am 1. Mai nahegelegt! Man könnte sagen,daß gerade diese Umstände eigentlich erst recht den Willenhätten stärken müssen, den Weltfeiertag des Proletariats nichtfahren zu lassen und lieber auf die Beteiligung an derstädtischen Schillerfeier zu verzichten. Aber man wollte offenbardiesen Mißklang vermeiden, und es bleibt ja noch fraglich, ob dermoralische Druck eines drohenden Eklats ausgereicht hätte, die Unter-nehmer zur Bezahlung des freien 9. Mai zu veranlassen. Soglaubte das Maikomitee auch von einem besonderen Aufwand durchHeranziehung namhafter Redner absehen zu sollen. Ein klaffenderWiderspruch bildete sich dadurch, daß zum Festredner in einerVersammlung gerade ein Genosse bestimmt wurde, der vornicht langer Zeit in einer Parteiversammlung der Maifeierjeden agitatorischen Wert abgesprochen und rund heraus erklärt hatte,man locke mit ihr keinen Hund vom Ofen.... Aus den heuer be-gangenen Fehlern werden die Stuttgarter Parteigenossen ohneZweifel lernen und es ist sicher, daß der Hohn der bürgerlichenPresse, die heute über die„geheime Heerschau des Proletariats"witzelt, die Arbeiter Stuttgarts anspornen wird, im nächsten Jahredie Scharte auszuwetzen."Der(uns nicht bekannte) Genosse, der mit der Maifeier keinenHund vom Ofen locken zu können glaubt, hat ja recht behalten.Das liegt aber nicht an der Maifeier, sondern an ihren Swtt-garter Veranstaltern. Auf solche Weise kann man weder eine Maifeiernoch irgend eine andere Demonstration zustande bringen. Das mußja eine merklvürdige Maidemonstratton sein, in der ein Gegner derMaifeier über die Bedeutung dieser Demonstration redet„mit begeisterungsvollen Worten"?_Das ArSeitersekretaaiat KSln befindet sich jetzt Setzermstr. 291.EewerKIcdaftUcbes.Die Mai-Aussperrungen.Immer mehr stellt sich heraus, daß die AusMrims derangedrohten Aussperrungen diesmal im umgekehrten Verhakt-nis zu dem Wachstum der Arbeitsruhe steht. Auch in derBerliner Metallindustrie, wo die Arbeitsruhe einen nie vor-hergesehenen Umfang angenommen hatte, ist die Aussperrungkaum bemerkenswert. Man stelle sich vor, daß das riesige-Palast-Theater, wo Cohen und Bernstein zu den Versammelten sprachen, lange vor Beginn der Versammlung poli-zeilich abgesperrt war. Zu den 3— 1 Tausenden, die intLokale versammelt waren, kommen also noch Tausende vonFeiernden, die keinen Einlaß finden konnten. Die Arbeits-ruhe war weit stärker als in den Vorjahren.Die Zahl der Ausgesperrten aber ist zurück-gegangen!Ausgesperrt sind in fünf Betrieben 115 Mann. Für vierBetriebe wird am Montag, den 8. d. M., die Sache erledigtsein. Nur bei der Firma Progreß in Charlottenburgscheint es ernstlicheDifferenzen zu geben. Hier sinil46 Mann ausgesperrt.Auch die angedrohte Aussperrung der an der Maifeierteilnehmenden Potsdamer Bau Handwerk er ist nurin verschwindendem Maße, und für einen Tag, ausgeführtworden. Neben den Zimmerern einer dortigen Baufirma sindnur 2 Maurer(!) als ausgesperrt gemeldet worden.Aussperrungs b e s ch l ü s s e der Unternehmer liegen fastaller Orten vor. Aber durchgeführt sind sie überall nur.in geringem Umfange. Cbarakteristtsch ist das Verhalten derUnternehmer da, wo Korporativ-Verträge die Maßregelungs-frage regeln. So drohte der Arbeitgeberverband für das Bau-gewerbe in Dresden seinen Mitgliedern mit 5 M. Ord-nungsstrafe, wenn sie nicht alle Maifeiernden bis zum 5. MaiAussperren würden. Trotz dieser Drohung unterließen diemeisten Unternehmer, sich durch eine Aussperrung Vertrags-brüchig zu machen.Die diesjährige Maiseier war ein Triumph der organi-sierten Arbeiterschaft, die diesjährige Maiseier-Aussperntng einFiasko der Scharfmacher!_Berlin und Qmgcgend.Zum Streik der Berliner Teppichweber ist zu berichten, daß die■Zit'if ion im ganzen noch unverändert ist. Da sich Streikbrecheru. Berlin und Umgegend bis jetzt nicht gefunden haben, so machenkanten draußen im Reiche die größte Anstrengung, solchebei. che». Die Streikenden ersuchen darum immer wieder, denZuzug ng fernzuhalten. Angenagelt muß es noch werden, daßder Fab» kant Feibisch in der Person dee- Fabrikmeisters WilhelmFröbcl einen alle Zeit getteuen und hülfsbereilen Sttettbrechevagentengefunden. Dieser Meister, der in dem vor sechs Jahrenbei der Firma F e i b i f ch stattgefundenen Streik feine Talenteals Streikbrecheragent entdeckte, hat sich Herrn Feibisch anscheinendauch jetzt wieder in empfehlende Erinnerung gebracht. Meister F r c"5 e lbringt es ferttg, als Streilbrecheragent streikende Weber der FirmaFeibisch in ihren Wohnungen aufzusuchen, um sie zu be-reden, ihren kämpfenden Kollegen in den Rücken zu fallen und dieArbeit zu den alten Bedingungen aufzunehmen. Nur einer vonden Streikenden ist dem Manne auf den Leim gegangen.und zwar ist es der eigene Schwager des Herrn Fröbel.der Weber Emil Tietsch, Kopermkusstraße 20. WelcherDruck der verschiedensten Art angewendet wurde, um ihnmürbe zu machen und ihn zu veranlassen, die Arbeit als„Arbeits-williger" wieder aufzunehmen, beweist am besten ein Brief, denTietsch, um sich zu rechtserttgen, an ein Mitglied der Stteikkommissiongeschrieben hat, und in welchem er unter anderem mitteilt, daß dieVerhältnisse ihn zwingen, die Arbeit wieder auszunehmen, trotzdemes ihm sehr schwer fällt. Und nun betrachten wir zum Schluß das Resultatwelches die Herren Feibisch und Fröbel trotz ihrer i-lnstrengungenStreikbrecher zu werben, erzielt haben. Ganze zwei Stteiwrecherhat man in diesen vier Wochen geworben. Dieses Resultat ist fürdie Streikenden ein sehr erfreuliches, und mit heiterer Ruhe und ingeschlossener Einigkeit können sie der weiteren Entwickelung des-Kampfes zusehen.— Arbeiterfreundliche Blätter werden um Abdruck-!ersucht.Die Kiihnemänner unter den Berliner Schilderfavrikanten gabenin ihrer letzten Versammlung einen neuen Beweis, daß es nur anihnen liegt, daß der Friede in dem Schildermalergewerbe zwischenallen Arbeitern und Arbeitgebern noch nicht wieder hergestellt werdenkonnte. Schon vor einiger Zeit wiesen wir nach, daß es die Arbeiteran dem weitgehendsten Entgegenkommen nicht haben fehlen lassen.«Durch die ablehnende Hallung der organisierten Unternehmer zer-schlugen sich aber alle Verhandlungsanbahnungen. So auch jetztwieder. Das Gewerbegericht bot sich den Parteien als Einigungs-amt an. Die Arbeiter nahmen die Vermitteln ngsofort an. Anders die Unternehmer. Sie verbreiteten unter sichein Zirkular, in dem gesagt wurde, die Arbeiter hätten durch denVertreter ihrer Organisation das' Einigungsamt angerufen.Das ist eine grobe Unwahrheit. Die Organisationoder ihre Vertteter hatten bisher nichts mit dem Gewerbe-gericht in dieser Sache zu tun. Das Gewerbegericht bot seine Ver»Mittelung von selb st ohne jede Anregung seitens der Arbeiter-organisatton an. Vielleicht wußten das auch die leitenden Fabrikanten.denen es mit der Verdrehung der Tatsachen anscheinend nur darumzu tun war, ihre hinter ihnen her laufenden Kollegen umso sicherergegen die Vermittelung des Gewerbegerichts stimmen zu können.Der Trick hatte den gewünschten Erfolg. In der Freitagversamm-lung der Unternehmer im Luisenhof wurde wieder tüchtig gegen dieArbeiterorganisation geschürt, jede Vermittelung oder Unterhandlungmit derselben abgelehnt und infolgedessen auch die ebenso gut ge-meinte wie unparteiisch angebotene Vermittelung des Gewerbegerichtsbeiseite geschoben. Ja, man ging noch weiter. Nicht nur, daßdie Fabrikanten nicht vor dem Gewerbegericht mit den Arbeitern ver-handeln wollen, sie wollen überhaupt nicht mehr mit den Arbeitern inirgendwelche Unterhandlung treten. Bedingungslos sollen sich dieMaler unterwerfen. DaS gmg selbst dem Unternehmeragitator Nassezu weit. Er sah die Geister, die er rief. inS unverschämte wachsenund ermahnend beschwor er seine Jünger zur Borsicht und weisenMäßigung. Man nahm also eine Resolutton an, in der die Ver-inittelung vor dem Gewerbegericht, jede Unterhandlung mit einemVertreter der Arbeiterorganisation abgelehnt und erklärt wurde, daßdie Fabrikanten nur noch mit„ihren" Arbeitern verhandeln werden.— Angesichts der ganzen Situatton wirkt diese Resolution geradezukomisch. Es liegt absolut nicht in der Macht der Unternehmer, denArbeitern die Forderungen diktieren zu könuen. Die eine Saison istfür die Unternehmer zum Teufel. Run gut, dann werdenes die Arbeiter auf eine zweite ankommen lassen.Sie können das ja umso leichter, als der Widerstand der jetzt nochdie Unterschrist verweigernden Unternehmer nur abgeschwächt zur Geltungkommt. 36 Firmen, darunter fast alle mittleren, haben bewilligt. Mehr als.120 Arbeiter arbeiten unter den geforderten Bedingungen. Mögensich die übrigen Unternehmer noch so unversöhnlich zeigen, dieArbeiter werden dadurch nicht geschreckt werden können. Wollen dieUnternehm« durchaus keine beide Teile zufriedenstellende Ber-Mittelung, so lassen sie es fein. Die Arbeiter haben da» Ihrigegetan, auch darin, daß der Beschluß der letzten Unternehmer- Ver-sammlung vollständig wirkungslos wird. Die noch ausständigenArbeiter werden sich nicht unterwerfen, sondern sie find fest ent-schloffen, einfach von Berlin fortzugehen. So werden schon in:Laufe dieser Woche gegen 30 Maler Berlin verlassen. Dannwerden die Unternehmer nur zu bald einsehen müssen, daß ste denBogen zu straff gespannt haben.— Genügender Ersatz der Fort-gehenden wird nicht eintreffm; denn nach wie vor werden wir die