Nr. 103. 22. Ichrgaag. 2. Irilmt ki jOTirts" Knlim Donnerstag. 4. Mai 1905. Kaufmannsgerichtswahlen. HandlungSgehülfen! Die Kaufmannsgerichtswahlen finden statt: Sonntag, dm 7. Mai, V»» 10 Uhr vormittags bis 3 Uhr nachmittags. Gewählt wird in folgenden 24 Wahllokalen: 1.2.7U.8 3, 4 u. 201 S u. S 9-11 12-14 u. 19 15 u. 16 17 182021 22—25 26-30 U. 117—118 10 31-42 u. 50 43-49 u. 51—62 63—80, 114-116 u. 123-125 13 81— 113u. 138—139 119-122 u. 126—127 128—135 136-137 u. 140-144 .145—162 163—186 187-200 u. 202-204 205-215 218—260 216-217 u. 261—278 279—295 296— 326 11 12 14 16 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Rathaus, Eing. Jüdenstrafie, 3 Treppen, Zimmer 109. Turnhalle des Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Kloster, Neue Friedrichstr. 86. Turnhalle d. 21./24. Gem.-S., Hint. d. Garnisonkirche 2. Turnhalle d. 61./130. Gem.-Schule, Niederwallstr. 6/7. Turnh. d. Friedrich-Werder-Gynr, Dorotheenstr. 13/14. Turnh. d.Friedr.-Werder-Oberrealsch., Niederwallstr. 12. Turnhalle der 27./44. Gem.-Schule, Wilhelmstr. 117. Turnhalle der 4./5. Geni.-Schule, Alte Jakobstr. 127. Turnhalle der 131./169. Gemeindeschule, Tempelhofer Ufer 2. Turnhalle der 107. Gemeindeschule, Genthinerstr. 4. Turnhalle der 103./116. Gemeindeschule, Hagelsberger- straße 34. Turnhalle der 28./217. Gemeindeschule, WilmSstr. 10. Turnhalle der 20. Gemeindeschule, Waldemarstr. 77. Turnhalle der 112./129. Gemeindeschule, Wassertor stratze 31. Turnhalle der 47. Gemeindeschule, Stallschreiberstt. 64. Turnhalle der 62. Genieindeschule. Schmidstr. 88. Turnhalle der 49. Gemeindeschule, Blumenstt. 63a.| Turnhalle der 23. Gemeindeschule, Strautzbergerstr. 9. Turnhalle der 139/161. Gemeindeschule. Georgen kirchstr. 2. Turnhalle der 8./63. Gemeindeschule, GipSstt. 23a. Turnhalle d. 15./171. Gemeindesch., Kastanienallee 81/82. Turnhalle der 17. Gemeindeschule, Sckerstr. 67. Turnhalle der 113./128. Gemeindeschule, Turmstr. 86. Turnhalle der 70./202. Gemeindeschule, Ravensstr. 12. Wahlb erechtigt find alle HandlungSgehülfen. welche daS 25. Lebensjahr vollendet haben und im Bezirke des Kaufmanns- gerichteS beschäftigt sind, sofern ihr JahreSarbeitSverdienst den Betrag von 5000 M. nicht übersteigt. Auch jene HandlungSgehülfen, die in verlin beschäftigt sind, aber in den Bororten wohnen, find in Berlin wahlberechtigt. Jeder Handlungsgehulfe wählt in dem Wahllokal des Stadt- bezirkes, in welchem das Geschästslokal liegt, in dem er beschäftigt ist. Die Wahl ist geheim. Stimmzettel sind vor den Wahllokalen zu haben. Jeder Handlungögehülfe wählt List« lV, die Liste des Zentral- Verbandes der HandlungSgehülfen. Berliner JVaebriebten* Der„ÄiuderhülfStag" für Berlin , oer in Len letzten Monaten und Wochen so viel von sich reden gemacht hatte, ehe er zustande kam, hat nun endlich am gestrigen Mittwoch in Szene gehen können.„In Szene gehen" — das ist der Ausdruck, den auf diese neuartige Veranstaltung ein Pastor angewandt hat, aber keiner von denen, die der Sache feindlich gegenüber stellen, sondern einer ihrer eifrigsten Förderer, der in einer Vorbesprechung den Arrangeuren seinen Segen gab. Der Mann hat mit diesem ungewollt treffenden Wort den Kinderhülfstag besser gekennzeichnet, als es irgend ein Gegner solches Wohltätigkeitsrummels ge- tonnt hätte. Ter Gedanke, daß man die Kinder der Reichen betteln gehe» läßt für die Kinder der Armen, hat von vornherein etwas an sich, was stark an Theater und Komödie erinnert. Herr Herman Abraham, der sich von jeher auf das Geschäft des Klingelbeutelschwingens verstand, hat als Hauptarrangeur dafür gesorgt, daß auch bei der UmseDung des Gedankens in die Tat der theatralische Aufputz nicht fehlte. Die weiß- gekleideten Töchter der Reichen, die gestern nachmittag unter dem Schutze von„Patronessen" durch die Straßen Berlins zogen und mit ihren schwarz-weiß-rot angestrichenen Sammel- büchsen die Häuser abklopften, erregten allenthalben die er- wartete und gewünschte Sensation, mehr noch in den Arbeiter- vierteln des Nordens, Südostens usw. als in dem vornehmen Westen, wo die jungen Damen sich von dem eleganten Straßen- Publikum wenig abhoben. Ob auch der klingende Erfolg den sErwartuirgen entsprochen hat, entzieht sich vorläufig unserer Kenntnis. Herr Abraham wird aber gewiß nicht versäumen, die von ihm heim- gesuchte Bevölkerung Berlins pflichtgemäß durch öffentliche Ab-. rechnung darüber zu unterrichten, was sein Klappern denn nun an Barem eingebracht hat und wieviel nach Abzug der Unkosten übrig geblieben ist. Diese Unkosten können gar nicht gering gewesen sein. Denn in den letzten Tagen vor dem großen Sammelfest und noch am Mittwoch selber waren alle Mittel der Reklame angewandt worden, um die Aufmerk- somkeit der Bevölkerung auf den Kinderhülfstag zu lenken, und den auch in bürgerlichen Kreisen immer lauter gewordenen Widerspruch niederzuschlagen. In den Zeitungen war annon- eiert worden, auf den Straßen hatte man Flugblätter verteilt, an den Säulen prangte ein„Protest gegen die Störungen der Arbeit des Kinderhülfstages". und so weiter. Tie Freunde des Kinderhülfstages haben erzählt, in einigen anderen Städten sei bei einer gleichen Veranstaltung die ganze Bevölkerung in einen„f e st l i ch e n R a u s ch" geraten. In Berlin ist. trotz aller vorangegangenen Reklamen nichts hiervon zu merken gewesen. Der„Rausch" dürfte sich be- schränkt haben auf diejenigen, die den Kinderhülfstag arrangierten oder bei seiner Ausführung mithalfen. Den werdendm Damen, unter denen übrigens selbst die noch schul- Pflichtige Jugend nicht unvcrtrcten war, mag die n e u e A r t von Sport, die sie da probieren durften, nicht geringen Spaß gemacht haben. Für sie hatte die Sache weiter keinen �"��Das halbe hundert Vereine, die sich an der Veranstaltung beteiligten und den etwaigen Gewinn einzuheimsen hofften, hat natürlich andere Zwecke verfolgt. Ihnen war es darum zu tun. durch ein drastisch wirkendes Mittel die Besitzenden frei- gebiger zu machen und die Besitzlosen versöhn- l lkder»» ttiwwea. Die bMetlde Llgsse licht aber, wie die Haltung vieler ihrer Preßorgane beweist, in dem Kinder- hulfstag eine aufdringliche Bettelei. Und die besitzlose Klasfc nntjj diese theatralische Veranstaltung als Hohn empfinden, wenn sie sich vor Augen hält, wie wenig.Ernsthaftes von dort aus zur wirksamen Bekämpfung sozialen Elends geschieht. Proletarier-Los. Die Mitglieder des zweiten Berliner Reichs- tags- Wahlvereins geleiteten gestern in zahlreichem Gefolge ihren Genossen Karl Matz zu Grabe, der am Sonntag im Alter von 68 Jahren freiwillig aus dem Leben geschieden war. Nahezu 22 Jahre hatte er in der Metall- waren-Fabrik von Bernhard Josef, Ritter- st r a ß e, als Gürtler gearbeitet, sieben Monate war er infolge der Lohnbewegung ausgesperrt. Seine Hoffnung, wieder Arbeit zu erhalten, erfüllte sich nicht; er soll das große Verbrechen begangen haben, vor einigen Wochen seinem Chef auf der Sttaße begegnet zu sein, ohne demütig vor ihm den Hut gezogen zu haben. Und als ihm im Kontor nahegelegt wurde„Abbitte zu leisten"— da zog es der alte brave Genosse vor, lieber aus dem Leben zu scheiden, als den Mann wie ein Hund um Arbeit zu betteln, an dessen Reichtums- Vermehrung er 22 Jahre lang gearbeitet hatte. Ehre dem Andenken des braven Genossen, der seine Ehre höher schätzte als sein Leben._ Allerhand Dunkelmänner. Eine landeskirchliche Versammlung, in der gegen den liberalen Pastor Dr. Fischer losgezogen wurde und ebenso gegen Ungläubigkeft. Sozialdemokratie und Juden, gab es gestern in Berlin . Ein Pastor Dr. Burckhardt-Steglitz sprach über das Thema: „Das Evangelium und die Reichshauptltadt." Ein Bericht der „Staatsb.-Ztg." darüber ist recht lebendig: „Woher diese Zustände? Einmal weil wir so abhängig sind von einer jüdisch-freisinnigen Stadtleitnng, die der Patron ist über evangelische Kirchen. Von dieser Stadtleitnng geht eine große Maschinerie ans, die die Mannschaft liefert für die Kämpfe gegen uns. Der andere Grund dieser Zustände ist die Presse. Wer redet uns denn da in unsere kirchlichen Anaelegcnheiten hinein? sLaute Zurufe: Juden, Juden I) Heute wird es vielleicht nicht mehr gewagt werden, daß, wie einst in Moabit , ein Israelit evangelische Kirchcnwahlen macht. Aber heute tut es die jüdische Presse.<Lebhaste Zustimmung.) Nur eine Kirchengemeinschast wird dabei nicht angetastet: die Synagoge!(Allseitige Zustimmung.) Daß wir bekämpft werden, würde ja gar nichts machen, traurig aber ist es, daß der evangelische deutiche Mittel sich ein solches Futter vorsetzen läßt und eS obendrein noch bezahlt! Unsere christliche Presse muß mehr unterstützt werden!— Zu einer großen Kundgebung kam es dann für Hofprediger v. S t o ck e r, der das Schlußwort übernommen hatte. Er wurde bei seinem Erscheinen mit donnerndem Beifall begrüßt. In kurzer Rede faßte er die Bedeutung der sieben Ansprachen des Abends als die sieben Regen- bogenfarben, in denen uns das Evangelium heute geleuchtet hat, zusammen. Nur durch den Kampf können wir siegen I Stücker schloß mit einem Gebet, wobei sich die Versammlung er- hob und laut das Vaterunser betete. Zwischen allen Ansprachen war gesungen worden. Die Begleitung hatte der ausgezeichnete Kronerfche Bläserchor, der auch nach Schluß der Versammlung seine Weisen erklingen ließ, übernommen." Eine Versammlung des konservattven Nordvereins befaßte sich mit der im Verlag des.Vorwärts" erschienenen„Hohen- zollern-Legende". ES wurde die Albernheit verbreitet, daß der Verfasser Dr. Maurenbrecher die Herrschaft der Hohenzollern in der Mark bereits im 12. Jahrhundert beginnen laste, und dann wurde über eine bekannte französische Karikatur Wilhelms I. her- gezogen, die auf dem Prospelt des geschichtlichen Werkes abgedruckt ist. Schließlich lam man überein, sich durch Annahme folgender Resolution oben in empfehlende Erinnerung zu bringen: -„Die heute i» der Brauerei Pfefferberg versammelten deutschen Männer und Frauen sprechen ihre tiefste Entrüstung über die schäm- losen nur an die niedrigsten Instinkte der Masse appellierenden Verunglimpfungen unseres Herrscherhauses durch die im Verlage des„Vorwärts" erschienene Schmähschrift: Die Hohen- zollern-Legende aus. Sie geben der Hoffnung Ausdruck, daß das deutsche Volk, einschließlich der denkenden Arbeiterbevölkerung, das Machwerk ablehnen und endlich erkennen wird, weß Geistes Kind die angeblichen Volksfreunde sind. Die Versammlung hat daraus wiederum die Ueberzeugung ge- Wonnen, daß das Bestreben der Partei und ihrer Führer nur darauf ausgeht, Liebe zu Fürst und Vaterland aus dem Herzen des Volkes zu reißen, um fruchtbaren Boden für ihre h o ch v e r- r ä t e r i s ch e n, auf den Umsturz der bestehenden Staatsordnung hinzielenden Pläne vorzubereiten. Die lieben Leute haben offenbar keine Ahnung von dem, was in der.Hohenzolleru-Legende" wirklich zu lesen steht. Wir wollen ihnen daher ein Zitat auS der„Schmähschrift" unterbreiten, nicht um sie zu objektiver Würdigung des Werkes zu bekehren, sondern nur, um der Oeffentlichkeit zu zeigen, wie lächerlich sie sich gemacht haben, indem sie in ihrem Eifer für die„gute Sache" dununes Zeug daherschwatzten. ES heißt in der Einleitung zur„Hohenzolleru-Legende": ... An sich kann man den Hohenzollern keinen besonderen Vorwurf machen, sie taten, was sie mußten, um ihre Herr« schast zu erhalten. Wie sollten sie eine Klasse zurückweisen, deren Interesse auf Zertrümmerung der städtischen Selbstherrlichkeit und damit auf Erhöhung der Zentralgcwalt des Staates ging? Und wie hätten sie sich scheuen sollen, die Steuerbeivilligungen an- zunehmen, zu denen der Landtag ja gerne bereit war. Sie taten nichts anderes, als was ihr Interesse erheischte, und was auch alle anderen Fürsten OjtelbienS getan. Nur daß die Volksschule sie heute zum Gegenteil dessen macht, was sie waren, daß sie den Kindern ihre ununterbrochene Sorge fürs Land, ihre pflichteiftige Treue, ihre landeSväterliche Liebe rühmt, das ist das Erbitternde und Empörende an der Geschichte. Nicht die Fürsten selbst, nur ihre heutige Idealisierung ist es, was Entrüstung verdient. So und jetzt können die deutschen Männer und Frauen unseret- wegen lustig weiter auf die.Hohenzolleru-Legende" schimpfen. Da? Schillcr-Dcnkmal erstrahlt nunmehr wieder im alten Glänze, die Dcnlmalswäsche ist beendet und selbst das Gitter.frisch gestrichen". Freilich zeigt sich auch hier wieder, daß der Marmor nicht so„unvergänglich" ist, wie der Ruhm: die vier Eckfiguren haben durch die WitterungSeinflüsse der letzten 35 Jahre merklich gelitten, besonders die nackten Anne, die bei der lyrischen Dichtlmist eine garstige Tätowierung auf- weisen. Auch die Philosophie hat sehr gelitten, sie ist grau,� wie alle Theorie. Am reinsten haben sich die polierten Marmorflächen deS Sockels gehalten. Stecht störend wirkt der Hintergrund des Denkmals, der mit Gerüsten unikleidete Anbau des französischen DomS mit seinem eisernen Dachskelett, daS die Bäume im Maienkleid nicht zu verdecken vermögen.— Das Söhiller-Denkmal hat eine intereffante Vorgeschichte. Der Grund st ein war bereits am 10. November 1859, am hundertjährigen Geburtstage des Dichters, gelegt worden. Zu dem Denkmalsfonds, rund 93 000 M., hatten die Stadtgemeinde und der Prinzregent , nachmalige Kaiser Wilhelm I. , je 10 000 Taler und das Zentralkomitee fiir die Säkularfeier 12 680 Taler beigetragen. Professor R. B e g a S, der aus der Denkmalskonkurrenz siegreich hervorging, beendete kein Werk auch in der vertragsmäßige« Frist, so daß die Enthüllung des Backmals für den 10. November 1869 in Aussicht genommen wurde. Allein, die Ver- Handlungen über die Einrichtnng und Anlage des Platzes usw. zogen sich so in die Länge, daß mittlerweile der französische Krieg herein- brach und die Gedanken von der friedlichen Arbeit ablenkte. So mutzte denn der gefeierte Dichter einige Jahre in der vielbespöttelten .Schiller-Bude" auf dem Gendarmenmarkt verharren, um anderen Denkmälern die Priorität zu lassen. Die Enthüllungsfeier war dann am 10. November 1871. Ein recht charakteristisches Stimmungsbild brachte damals die„Berliner Börsenzeiwng", welche vornehmlich über den vom Magistrat beliebten Ausschluß der aleffentlichkeit klagte:„Die juten Berliner standen hinter Bretterwänden und freuten sich, als die Posaunen den großen Moment verkündeten, daß ihnen wirklich Schiller sichtbar ward, vom Scheitel bis zu der— Nase"... Die„allzu sparsame Einrichtung" hatte auch die Nichtzulassungvon Damen zur Folge, welche arg kontrastierte mit Schillers Mahnung:„Ehret die Frauen!" Schließlich spottet der Berichterstatter auch über das Festessen bei Arnim, bei welchem ein Redner den 10. November als den Geburtstag der„vier Genien": Luther . Schiller , Scharnhorst und— S i m s o n feierte. Neber die devorstehende Schillcrfrier wird magistratS-offiziös folgende Mitteilung verbreitet: Die Borbereitungen fiir die Schiller« f e i e r am 9. Mai d. I. sind in vollem Gange. Die Feier wird, günstiges Wetter vorausgesetzt, nach den bisherigen Bestimmungen einen großen, echt volkstümlichen<?) Verlauf nehmen. Die Be- teiligung wird sich auf alle Kreise der Bevölkerung erstrecken. Auf dem Schiller-Platz neben dem Schiller- Denkmal werden zwei Tribünen errichtet und der Platz selbst wird im Festesschnmck prangen. Da der Reichskanzler durch eine dienstliche Reise und Vortrag beim Kaiser behindert ist persönlich zu erscheinen, wird der Bürger- meister Dr. Reicke die Festrede am Denkmal des Dichters halten. Zahlreiche Vereine, Verbände, Korporationen usw. werden durch Ab« ordnungen Kränze mit Widmungen am Denkmal niederlegen lassen. In allen Theatern werden abends Schiller-Vorstellungen stattfinden, zu denen etwa 16 000 Freikarten verteilt werden sollen. Daneben finden in zahlreichen Versammlungen. Vereinen und Gesellschaften Feste statt, bei denen hervorragende Redner es übernommen haben, Schiller zu feiern. Im Rathause veranstaltet der Giordano Bruno- Bund eine Ausstellung von Schillerbriefen. Den Mttelpunkt wird ein Schreibtisch Schillers bilden. Die Ausstellung wird für jeder- mann gegen geringes Entree zugänglich fem. Die Bibliothek ist dafür reserviert worden. DaS Automobil. Am zweiten Ostertag ist in Köstiz in Thüringen von einem Berliner Automobil die dreijährige Tochter des Tuch- machers Schweter tödlich überfahren und eine andere Tochter des Tuchmachers schwer verletzt worden. Die Urheber des Unfalls, die anfänglich nicht zu ermitteln waren, haben sich jetzt der Staats- anwaltschaft gestellt. Besitzer des Automobils ist der Rechtsanwalt Dr. W. A b r a h a m s o h n in Berlin , der sich mit seiner Gattin. seinem Schwager G. Mamlock und dessen Frau auf der Rückfahrt von Ilmenau nach Berlin befand. Führer deS Automobils war der 24jährige Chauffeur Karl Nowarczek. Herr Dr. Abrahamsohn gab einem Mitarbeiter des„L.-A." folgende Erklärung: „DaS Unglück ereignete sich am' zweiten Osterfeiertage, mittags l'/z Uhr, in Köstiz auf leerer Fahrstraße, während die Seitenwege von Spaziergängern belebt waren. Wir passierten den sanften Abhang einer Erhöhung und rollten die Fahrstraße mit geringer Geschwindigkeit, etwa 25 Kilometer die Stunde, hinab. Zunächst lief uns ein neunjähriges Mädchen, die Schwester des ge» töteten Kindes, in den Weg. Der Chauffeur bremste, und die Kleine kam glücklich über den Fahrdamm. Später hatte meine Frau, die neben dem Chauffeur saß, die Empfindung, als ob ein zweites Kind die Straße kreuzte und von dem Automobil angerannt worden wäre. Sie rief dem Chauffeur zu:»Halt! Halt!" Der Chauffeur aber schrie ihr entgegen:„Ich werde mich doch nicht totprügeln laffenl" und schlug ein fluchtähnliches Tempo an. Meine Frau versuchte nun, ihn von der Lenkstange wegzudrängen und diese selbst in die Hand zu bekommen. Bevor dies aber gelungen war und der Aufgeregte wieder ein normales Tempo einge- schaltet hatte, waren wir schon mehrere Kilometer von Köstiz entfernt. Der Chauffeur beruhigte uns nun: Es wäre auch dem zweiten Kinde nichts passiert, eS sei heil davongelommen: er habe sich aber nicht von der Menge verprügeln lassen wollen! Da wir gesehen hatten, daß die Straße stark belebt war, das Kind also in keinem Falle hülflos geblieben wäre, gaben wir uns hiermit zufrieden. Erst am 1. Mai habe ich durch die Presse Kenntnis von dem Unglück erhalten und sofort der zuständigen Staatsanwaltschaft in Gera (Reuß) Anzeige erstattet in dem Sinne, wie ich eS Ihnen hier geschildert habe." Stach unserer ivkeinung hätten die Insassen des Wagens sich auch nach dieser Darstellung sagen müssen, daß für die Anrichtung eines Unglücks eine hohe Wahrscheinlichkeit vorlag, und demzufolge wäre es ihre Pflicht gewesen, sich auf der Stelle Gewißheit zu verschaffen. Von grober Leichtfertigkeit kann man weder den Chauffeur, noch die anderen freisprechen. Der Ränder Paul Schultz« ans Köpenick , der am 13. v. M. die 68 Jahre alte Witwe Krüger in der Gastwirtschaft ihres SohneS am Stralauer Platz 21 überfiel und zu berauben versuchte, wurde gestern von der Kriminalpolizei in RummelSbnrg festgenommen. Schnitze blieb in den Vororten Berlins und wurde balo hier, bald da ge- sehen. Zuletzt führte seine Spur nach der Gegend von Rahnsdorf . Es wurde ermittelt, daß ihm dort auf dem Bahnhofe seine Mutter, die Frau eines WäschereibesitzcrS. und seine Schwester, eine KaufinannSfrau Buchwald aus Köpenick , Geld und Lebensmittel zu- gestellt hatten. Der Roßschlächter W e i ck auS Nixdorf hatte die Spur des ihm bekannten Schnitze ermittelt und verfolgte ihn gestern vormittag in der Hauptstraße von Rummelsburg . Er hielt ihn fest und machte einen Polizisten auf den Fang aufmerksam, worauf Schnitze verhaftet wurde. Der Überfallenen alten Frau, die noch im Krankenhause liegt, geht eS jetzt bester. Ihre Zunge, die durch- stachen ist, wird voraussichtlich gelähmt bleiben. Schnitze hat die Tat bereits eingestanden. Er wurde gestern nach Moabit in Unter- suchungShaft gebracht. ES wird der Verdacht ausgesprochen, daß Schnitze am 19. April auch den Mordanfall auf die Trödlersfrau Krause in der Wilhelinstraße begangen habe. Die Untersuchung wird ergeben, ob an dieser Mitteilung etwas Wahres ist. Auf die Leichtfertigkeit, mit der die Behörden Schriftstücke amtlichen Inhalts in die Welt hinauLflattern lassen, haben wir schon mehrfach hingewiesen. Heute wurde uns aus einer Tischler« Werkstatt ein Aktenstück zugestellt, daS allerdings aus den achtziger Jahren stammt, immerhin aber schlimme Wirkungen ausüben kann, wenn eS in unrichtige Hände kommt. Es ist eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft an den Magistrat von Verlin deS Inhalts, daß der Kaufmann 3£. wegen schwerer Urkundenfälschung mit einem Jahr Zuchthaus bestraft sei und die Strafe noch nicht angetteten habe. Die paar Pfennige, die solche Schriftstücke einbringen, rechtfertigen es doch wirklich nicht, daß sie verhandelt werden, und auch in diesem Falle hätte sich die kommunale Geldnot wohl laum vennehrt, wenn das Aktenstück nicht als Polierpapier verkauft, sondern vernichtet worden wäre. Warnung für Trunksüchtige. Wie uns der Mitteldeutsche Bund des Blauen Kreuzes lBundcsvorfitzender Pastor Littann. Sudenburg - Magdeburg ) mitteilt, bringt das jetzt häufig als Mittel gegen die Trunksucht angepriesene Coza-Pulver, ebenso wie alle anderen der» artigen Mittel keine Heilung hervor. Die Hamburger Medizinal- behörde hat das Mittel untersuchen lassen. Es besteht aus Enzian - Wurzel und doppelkohlensaurem Natron, hat einen Wert von wenigen Pfennigen und wird fiir 10 Mark verkauft. Der Verkäufer des Pulver« ist ein schon früher wegen schwindelhafter Anzeige»: be- strajtcr Dane.
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