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Ar. 104. 22. Jahrgang. 1. ßfilnp des Jorniiirlä" Sttlinct Wlksdlilt. fnttns, 5. JSüi 1905. Die Maifeier. Frankreich  . Paris  , 2. Mai. fEig. Ber.) Die diesjährige Maifeier hat in Frankreich   eine ungewöhnlich starke Anziehungskraft auf die Arbeiter- schast ausgeübt. Der offenkundige Grund davon ist die machtvolle A ch tstu n d en a git a ti o n der revolutionär« gewerkschaftlichen Konföderation der Arbeit". Diese Agitation mit ihrem unmittel- baren Zweck, die Arbeitermasse zu bewegen, vom 1. Mai 1903 ab nicht länger als acht Stunden zu arbeiten, hat in die bisher immer kränklicher gewordene französtiche Maifeier neues Leben gehaucht. Die noch unvollständigen Zeitungsdepeschen machen einen un- gemein frohen Eindruck, wie inan ihn jedenfalls seit langen Jahren nicht mehr gewohnt war. Es ist die erste mächtige Regung weiter Arbeiterschichten, die ihren Willen ankündigen, mit der Ächtstunden­forderung endlich einmal ernst zu machen. Das Gesagte gilt selbstverständlich von der Provinz ungleich mehr als von der Hauptstadt. In Paris   hat sich die Neubelebung der Maifeier nur in einem allerdings sehr starken Besuch der zwei in der Arbeitsbörse abgehaltenen TageS Versammlungen gezeigt. Im ganzen haben die Gewerkschaften hier vier Versammlungen ein- berufen. In der Provinz aber war die Arbeitsruhe ausgedehnter denn je. Allgemeine oder nahezu allgemeine Arbeitsruhe wird ge- meldet aus Saint-Etienne  <40 000 Feiernde), ans dem Loire  » Kohlenrevier(allgemeine ArbeitSruhe bei den Bergarbeitern und teilweise bei den Metallarbeitern), aus Cette, Limoges  , ReimS  , Toulon  , Montceau-leS-MineS  , Henne- bont, Constantine(Algerien  ) u. a. Teilweise Arbeits- ruhe in Lyon  . Nantes  . Marseille  , Lens und dessen Kohlenrevier, Fourmies, Rive-de-Gier  , Brest  , Roanne  , Trsport u. A. Fast aus allen genannten Städten werden Straßenumzüge gemeldet, die großartigsten aus Saiut-Etienne, Toulon   und Limoges  . In letzterer Stadt ist der Massenzug auch am frischen Grabe Bar» delleS, des Opfers der Metzelei vom 17. April, vorbeidefiliert. Vor den Kasernen vor, dem Armeekorps-Gebäude und vor der Präfektur ließen die Manifestanten Schmährufe gegen die Soldateska erschallen. Alles aber verlief ruhig, da Polizei und Militär sich nirgends auf der Straße zeigten. In Saint-Etienne   hatte der Präfekt den Industriellen Militärhülfe angeboten, um die.Arbeitsfreiheit" zu schützen. Sie zogen es aber einsichtig vor. ihre Werkstätten zu schließen. Die staatliche Waffenfabrik wurde mit Erlaubnis des ÄriegSministerS um 3'/z Uhr nachmittags geschlossen. Jn� Marseille blieb die st a a t l i ch e gündhölzchenfabrit geschlosse». In Roanne   haben die Manifestanten auf ihrem Wege alle Fabriken. Werkstätten und Magazine gezwungen, den Betrieb einzustellen. In Toulon   wurde am Nachmittag auch der Straßenbahnverkehr unterbrochen. Zu erheblichen Ruhestörungen ist eS nach den bisherigen Meldungen nur in Toulon   gekommen. Sie wurden veranlaßt durch einige anarchistische Elemente und vom Sekretär der Arbeits- börse desavouiert. Ueberall, in allen Kundgebungen und in den zahllosen Ver­sammlungen stand im Mittelpunfte die begeisternde Idee der direkten Durchführung des Achtstundentages vom 1. Mai 1003 ab. Holland. In den meisten niederländischen Städten wurde bereit? am Sonntag eine Vorfeier veranstaltet. In Amsterdam   war der große Saal des. PaleiS voor VolkSvlijt' überfüllt, ein Nebensaal mußte mitbenutzt werden, da ein Platzregen den Aufenthalt im Garten unmöglich machte. Am Montagmittag fanden Versammlungen in Handwerkers Vriendenkring" und in.Bellevue" statt; beide Säle waren voll besetzt. Zur selben Zeit hatten die Anarchisten, das Maikomitee für die Allgemeine Arbeitsniederlegung" eine Ver- sammlung nach demPaleiS  " einberufen. Eine Anzahl Ver- sammlungSbefucher zogen nachher singend durch die Straßen, wurden aber von der Polizei auseinander getrieben. Vom Amsterdamer Vorständebund" war auf Montagabend eine Sttatzendemonstration arrangiert worden, die großartig ver- lief. Gegen 10 000 Teilnehmer zählte der Zug. Voran wurde eine riesige Fahne mit der AufschriftPlatz für die Arbeit" getragen. Drei Musikchöre und der GesangvereinDe Stem des Volks" be- gleiteten den Zug. Von mehreren Plätzen aus wurden von den Gc- nossen PothuiS und Wollring begeisternde Ansprachen gehalten. In Rotterdam   war die Versammlung am Montagmittag von 1000 Per- sonen besucht. Dort fand abends ebenfalls eine Sttaßendemonstration statt, die imposanter als je zuvor verlief. Auch aus einer großen Anzahl anderer Orte wird von stark besuchten Maiversammlungen, Festlichkeiten und Demonstrationen berichtet. Im allgemeinen zeugte die Maifeier der holländischen Arbeiter dafür, daß daS Interesse für die Ideale der Arbeiterbeivegung im Wachsen begriffen ist. Schweden  . Diesmal hat das reaktionäre Bürgertum Schwedens   und feine Regierung wieder im Uebermaß für Agitationsstoff zur Maifeier gesorgt. Der Streikgesetz-Enttvurf, die Hetzereien bürgerlicher Blätter gegen die Arbeiterschaft, der neue Pfuschvorschlag zur Wahlrechts- frage und schließlich die Zuspitzung der.Unionsstreittgkeiten durch die herausfordernde Haltung der Regierung, alles mußte dazu beitragen, der Maifeier eine außergewöhnlich hohe Bedeutung und starke Be- teiligung zu sichern. An dem DemonstrattonSzuge der Arbeiterschaft Stockholms   am Montagnachmittag nahmen 120 Organisattonen mit ihren Fahnen und 37 Musikchöre teil. Die Zahl der Deinonstranten wird auf 23 000 bis 28S00 angegeben. Auf den, Sanimelplatz wuchs ihre Zahl noch um mehrere Taufend an. Die Fahnen im Zuge trugen verschiedene Inschriften, wie:Nieder mit der Unterdrückung!"Fort mit den Klassengesetzen I"Aus für Frei- heit und Recht!"Bürgerrecht für die Frau!" usw. Die Mitglieder des Friedensvereins marschierten unter einer Fahne mit der In- schrift:Gerechtigkeit für Norwegen  ! Friede mit Norwegen  !" Es wurden zwei Resoluttonen angenommen. Die eine für den gesetzlichen Achtstundentag, für wirksame Arbeiterschutz-Gcsetzgebung. für daS allgemeine Wahlrecht und gegen den Streikgesetzentwurf endet mit den Worten:Nieder mit allen Ausnahmegesetzen gegen die Arbeiterklaffe und her mit den Bürgerrechten!" Die andere Resolutton, von den Friedensfreunden vorgeschlagen, beginnt mit den Worten:Stockholms   Arbeiter und andere friedensfreundliche freifinnige Männer und Frauen sprechen hiermit ihre entschiedene Miß- billigung über die bisherige kurzsichtige Unionspolitik unserer Regierung und der großschwedischen Rechtenpolittker au«, durch die die Vereinigung beider Reiche und die Wohlfahrt beider Völker aufs Spiel gesetzt wird." Sie schließt mit den Worten:Wir fordern Ge- r e ch t i g k e i t r N o r w e g e n. Friede m i t N o r w e g e n." Auch in den anderen Städten Schwedens   war die Beteiligung an den Maidemonstrationen in diesem Jahr außerordentlich stark. In Malmö   beteiligten sich 10 000 Personen am DemoiistraliouSzuge. in Göteborg   6700, in Norrköping   10- bis 12 000 und so liegen auch auS vielen anderen, kleineren Städten Berichte über große und imposante Demonstrattonszüge vor. Dänemark  . In Dänemark   ist die politische Lage gegenwärttg mehr als je dazu angetan, das Interesse und die Be- Seisterung der Arbeiterschaft für die großen Ziele ihres !ampfcs anzufachen. Der reaktionäre Ministerwechscl zu An- faiM deS Jahres, die Kopenhagener Gemeindewahlen im MtSz. die zu einer Niederlage der hauptstädtischen Antisozialisten führten und denen ein Wahlkampf voraus ging, ernster und auf- regender als je zuvor, trugen dazu..bei. die Begeisterung für die Maifeier außerordentlich' zu fördern. Der Demonstrationszug der Kopenhagener Arbeiterschaft war denn auch, obgleich Donnerwetter und Regenschauer ihn zu heeinträchtigen suchten, noch imposanter als in ftüheren Jahren. Der Zug. der zirka 30 000 Teilnehmer zählte, bewegte sich diesmal über das herrschaftliche Vestre Boulevard durch das konservattve Zentrum der Altstadt unier den Klängen des Sozialisten- morsches nachKongens Have", demKönigs-Garten" am Rosenborg  -Schloß. Hier, wo in ftüheren Jahren der Sammelplatz konservattver Mordspatrioten war, wo sich Mitte der achtziger Jahre nicht einmal ein fozialdemokrattscher Berichterstatter blicken lassen konnte, ohne in Gefahr zu kommen, vom nationalistischen Pöbel miß- handelt zu werden, wurde nun von zwei Rednertribünen die frohe Botschaft der internattonalen Arbeitersolidarität verkündigt und daS Maisestlied von Jeppe Aakjär   gesungen. Es sprachen die FolkethingS- männer Marott und Borgbjerg und Redakteur Stauning und I. A. Hansen. Einstimmig wurde eine Resolution angenommen, in der in, Anschluß an die sozialdemokratischen Gesetzentwürfe der Acht- stundenlag und Maßnahmen gegen die durch Arbeitslosigkeit hervor- gerufene Not verlangt werden. Der Gewitterregen nötigte die Parteigenossen bald zum Aufbruch. Am Abend wurde die Mai- feier in den vier Bolkshäusern der Kopenhagener Arbeiterschaft fort- gesetzt. Ein Schillerbuch für Arbeiter. Das schönste, was wir tun könne», mn einen unserer Geistes- Helden wahrhaft zu ehren, ist nicht der Prunk bloß feiernder Reden oder an Verherrlichung sich überbietender Feste, sondern die Arbeit an der Verbreitung des Verständnisses der Person und der Werke dessen, den ein sonst nur allzu leeres Lob mehr umnebeln als ver- klären möchte. Und so ungemein die Popularität Schillers ist, so sehr es den Anschein hat, als ob hier einmal wenigstens der seltene Fall zur glücklichen Wirklichkeit geworden, da em großer Geist ungebrochen ans den Millionen Köpfen und Herzen seines Volkes widerstrahlt, so ist dennoch kaum irgendwo diese Arbeit nötiger als hier. Dem so regen Andenken fein echtes Objekt zu geben, den Dichter und Denker Schiller  , wie er in Wahrheit auf der Menschheit Höhen steht, zu befreien von der kleberigen Legende, die ihn durch eine jämmerliche, in Schule und Haus gepflegte Tradition gern haften lassen möchte in der atembeklemmenden Enge klein- bürgerlicherIdeale" das wäre recht eigentlich die Aufgabe dieser Säkularfeier, in deren Erfüllung sie den Trug und den Irrtum eines Jahrhunderts hinwcgnehmen koimte. Zu solchen, Werke einer rechten Schillerfeier hat Franz M e h r i n g einen schönen Beittag geliefert in seinem kürzlich erschienenen Schillerbuche,") da er«S ausgehen läßt von den, Leitgedanken, daß die erste Bedingung für ein geschichtliches Ver- ftändnis Schillers sei:Freiheit von allen bürgerlichen Vorurteilen." Das Proletariat teilt nicht die müssige Feiersucht der Bourgeoisie, die fteilich große Erinnerungen braucht, ohne hoch von ihnen aus anders als nur in die Vergangenheit blicken zu können. Denn die', Wege, die diese mit der Zukunft verbinden, kann die Bourgeoisie selbst nicht mehr gehen; sie fuhren in ein Reich, das nicht mehr das ihrige sein kann. In der stolzen Erkenntnis aber, daß es unser Reich, das Reich des siegenden Proletariats ist, wohin alle Knlwrentwickelung drängt, deren Keime in den Werken der großen Toten der Bourgeoisie auS- gestreut sind, sind sie für das Proletariat Lebendige geblieben, lebend erhalten nicht nur in seinem Herzen, sondern in seiner Tatkraft, daß endlich ihrem Sehnen Erfüllung verspricht. Und darum sind der Schillertag wie alle großen Gedenktage der letzten Zeit für das Proletariat nicht Anlässe bloß, jene Geister zu feiern, sondern vor allem und in erster Linie, sie zu v e r st e h e n. Von diesem Standpunkte auS, der ausgesprochenermaßen derjenige deS Mehringschen Buches ist, trägt dasselbe mit vollen. Rechte den Untertitel:Em Lebensbild für deutsche Arbeiter". Denn es ent­wickelt in knappen Zügen, in denen sich die meisterhafte Art Mehringscher Darstellungskraft neuerdings bewährt, auf dem Hinter- arunde der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Zeitverhaltnisse vie ganze, nur zu rasch sich zum Abschluß drängende Mannigfalttgkeit der Sch,cksale dieses Dichterlebens; und es bringt den Volksdichter mit seinem Volke in engsten Zusammenhang, invem es die Fülle Von unermüdlicher Arbeit, von Kampf und Leiden dieses Lebens in beredtem Ausdrucke sprechen läßt zu der unermüdlichen Arbeit, zum Kampf und Leiden des lebendigsten Teiles dieses Volkes, der Ar- bciter. Wenn der Proletarier aus diesem schönen, so klar und ein- fach geschriebenen Buche zum erstenmal deutlich erkennen wird, was ihm gleicher Deutlichkeit die Schule vorenthalten hat, welches mühevolle Leben seinem Schiller bereitet war, wenn ihn die Klage dieses großen Mannes ergreifen wird, der einmal die bitteren Worte schrieb:Von der Wiege meines Geistes an bis jetzt, da ich dieses schreibe, habe ich mit dem Schicksal gekämpft, und seitdem ich die Freiheit des Geistes zu schätzen weiß, war ich dazu ver- urteilt, sie zu entbehren". und er jetzt doppelt staunend inne wird, wie trotz all' dieses Elends von diesem Leben ein Strom von Schönheit, Begeisterung und Jdeenfülle in unser Dasein eingeflossen ist. der ihn oft ganz mächtig mit fortgerissen hat, wird er dann nicht ganz anders sich mit diesem Dichter ver- wachsen fühlen? Wird er ihn nicht noch mehr lieben, da ihn dieses Leben voll Leid und doch sieghafter Geisteskraft wie ein Gleichnis seines eigenen historischen Geschickes berühren mutz? Und wird er nun aus diesem Zwiespalt deö Dichtergeschickes heraus nicht auch ihn selbst besser verstehen, die einzelnen duulleren Züge in seinem Lebensbild« richtiger zu deuten wissen? Daß Mehring auch nach dieser Richtung hin ein treue? Lebens- bild gab, das macht einen besonderen Wert seiner Darstellung aus. Je deutlicher wir sehen, wie wenig die Schwächen, Kleinlichkeiten, ja selbst Schattenseiten dieses Charakters die Helligkeit zu tilgen vermögen, die von der ganzen Persönlichkeit ausstrahlt, umso mehr wächst die Gestalt Schillers, ohne doch das Maß des Menschlichen zu überragen. Es ist der Charakter eines großen Menschen, den Mehring uns in seinem Werden und Wirken entwickelt, stets bemüht, seinen lauteren Grundton erNingen zu lassen: die Hoheit der Gesinnung. die sich siegreich erhebt über alle Sklaverei". Im einzelnen wird man da und dort vielleicht andere Werturteile über Schillers Werke fällen, als sie hier austreten. Hat doch jeder seinen Schiller.<l wird man vielleicht mit Mehring in der geringen Anerkennung der Balladen nicht einig sein, wenn man an ihnen gerade die dramatische Eutwickelung und Charakterisierung der Personen bewundert. Oder man wird sich gegen die Hintansetzung desTell" hinterWallen- stein" wehren, wofür Mehring als Grund angibt, daßTell" nicht gleich.Wallenstein" eine tragische Person sei, wogegen vielleicht die Einwendung steht, daßTell" gar nicht die Hauptperson des nach ihm benannten Dramas sei, in deren Mittelpunkt das Schweiber Volk steht, weshalb denn auch Schiller dies Drama ein Schauspiel nannte, ein Schauspiel auS dem Leben deS Volkes an einem seiner kritischen Wendepunkte. Von einem anderen Punkte fei hier nur der Vollständigkeit halber die Rede, da ein anderer Zusammenhang Anlaß geben dürfte, mehr darüber zu sprechen. Es ist der vielberufene Punkt, an dem daS bürgerliche Mißverständnis die ärgste Sünde gegen den heiligen Geist ihrer Großen begangen bat: Schillers Flucht vor der rauhen Realität des Lebens, d. h. der französischen   Revolution, in das Ideal. Die Enge und Dumpfheit der Verhältnisse, in denen er lebte, und die Mehring vielfach sehr anschaulich uns vor Augen rückt, erklärt hier doch nicht alles. Dem nachzugehen hätte den Rahmen dieser Darstellung gesprengt und wird für die Zwecke desselben umso weniger vermißt werden, als Mehring überall Anlaß genommen hat, mit Schillers Geist und Worten der dem Bürgertum sehr ge- nehmen Auffassung energisch den GarauS zu machen, die aus Schiller  einensentimentalen Schmachtlappen" formen möchte. Diese Erinnerungen gegen einzelne Stellen tteffen, wie mau sieht, zumeisten? subjektive Ansichten; sehr erfreut und einverstanden wird inan gewiß mit dem sein, was Mehring mehrfach von dem historischen Sinn de? Dramatikers Schiller   sagt. Wenn er ausführt, daß Schiller es verstehe,in einen historischen Stoff zu legen, was die Herzen der Zeitgenossen unmittelbar ergreifen mußte", und so dem noch gestaltlos ringenden Leben der Zeit im historischen Stoff einen weit tönenden Resonanzboden zu geben, seine historischen Helden in all' ihrer historischen Eigentümlichkeit aus den Herzen der Zeitgenossen emporwachsen zu lassen", so hat er damit nicht nur den lebensvollen Inhalt der Schillerschen Historiendramen aufgezeigt, sondern auch vortrefflich ausgesprochen, wie das Gebot der historischen Treue für den Dichter richtig zu verstehen sei. In einem Schlußsatze, mit dem auch diese Besprechung schließen möge, charakterisiert Mehring in der Stellung der Arbeiterschaft zu Schiller   selbst sein Buch am besten, wenn er sagt:Die Arbeiter- klaffe macht aus Schiller kein Götzenbild, um eigensüchtigen Jnter- essen zu frönen; sie kann ihn nicht mehr als einen unfehlbaren Lehrer und Wegweiser bettachten; sie wandelt andere Wege, als er gewandelt ist. Aber was ihr von seinem Erbe gebührt, das hält sie m unantastbaren Ehren." Als einen vorzüglichen, warmberedten und liebevollen Führer hierzu wird man dies Buch freudig begrüße» dürfen. Dr. Max Adler  . Wien  . Etos der Partei. *) Schiller  . Ein Lebensbild für deutsche Arbeiter von Franz Mehring  . Leipzig   1905(Verlag der Leipziger Buchdruckerei- Aktien gesellschaft). Preis IM. j Der Kommimalwahlsicg der Karlsruher   Parteigenossen, den wir schon telegraphisch meldeten, ist um so höher anzuschlagen, als gegen unsere Partei das ganze Bürgertum vereinigt war. Nationalliberale, Freisinn, Demokraten, Konservative und Nationalsoziale hatten eine gemeinsame Liste aufgestellt und zum Zwecke der Täuschung der Wähler auch einige bekannte sozialdemokratische Namen darauf ge- nommen. Trotzdem blieb die bürgerliche Liste mit 2100 gegen unsere 3400 Sttmmen in einer kläglichen Minderheit. Es darf allerdings nicht verkannt werden, daß unsere Situatton schwieriger geworden wäre, wenn sich das Zentrum voll beteiligt hätte. Weil der Kuddel- muddel ihm zu Ivenig bot, proklamierte das Zentrum Wahlenthaltung. Aber gesiegt hätten wir sicher auch bei Beteiligung des Zentrums an dem bürgerlichen Bündnis, nur nicht mit dieser großen Majorität. ES ist das erste Mal. daß aus eigener Kraft unsere Liste siegte; 13 Genossen ziehen nunmehr in das Stadtverordneten-Kollegium ein. An der Wahl der II. und I. Klasse beteiligten sich unsere Genossen nicht; die unterste Steuerarenze für die II. Klasse ist 47 M., für die I. Klaffe 312 M. In diesen Reihen gibt'S keine Proletarier. ElsLssifche Parteiorganisation. Auf Veranlassung der Straßburger   Parteigenossen wird in nächster Zeit eine Landeskonferenz der Parteigenossen des Elsaß   ab- gehalten werden zur Reorganisation der elsässtschen Partei auf Grund des neuen Vereinsgesetzes. Der Parteivcrein im Mülhausen   i. Elf. beschäftigte sich jüngst mit dieser Frage und erklärte sich in einer dazu angenommenen Resolution grundsätzlich mit dem Vorschlage der Straßburger   einverstanden. Er machte jedoch folgende materielle Vorbehalte: Die Versammlung erklärt sich zugleich im Prinzip einverstanden mit der Wiedererrichtung der Landesorganisation. Jedoch macht die Versammlung darauf aufmerksam, daß die bisherige Parteigeschichte in Elsaß-Lothringen   die Notwendigkeit einer gewissen Unabhängigkeit der drei geographischen Bezirke Ober- Elsaß  , Unter- Elsaß und Lothringen  , die auch wirtschaftlich wesentlich verschieden sind, von einander erwiesen hat. Die Versammlung erklärt daher jetzt schon. daß sie die Wiederherstellung der Landesorganisation für die Partei- entwickelung dienlich hält nur unter gleichzeitigem Festhalten an der Bezirksorganisation, die ebenso wie die Landesorganisatton durch einen entsprechenden Prozentsatz der Parteibeittage sichergestellt werden muß, und bei Voraussetzung der Vertretung aller dreier Bezirke in dem zu errichtenden Zenttalkomitee, etwa in der Weise, daß Ober-Elsaß und Lothringen   je zwei Delegierte und Unter- Elsaß drei geschäftsführende Mitglieder in das Zenttalkomitee entsenden." pottzcUlcbcs, Gerichtliches ukw. Am 1. Mai vor Gericht. Am 1. Mai fand vor dem Schöffen- gericht Görlitz   eine dreistündige Verhandlung wegen Beleidi- Sung eines freisinnigen Fabrikanten statt.(Daß die Frei« nnigen bei jeder Gelegenheit Sttafantrag stellen, ist hier ortS« üblich.) Nach dreistündiger Verhandlung dieses Ergebnis: Gen. Weiner-Lauban   als Verfasser erhält 50 Mark und Gen. Müller« Görlitz   als verantwortlicher Redakteur 25 Mark Geldstrafe l Bom Einfordern eines neuen vollständigen Mitglieder- ver» zeichnissrs als Auskunft gemäß g 2 deS BorcinSgcsetzeS. Nach einer früheren, auch von uns berichteten Entscheidung des Kammergerichts darf die PolizeiAuskunft" durch Einreichung eines neuen vollständigen Mitgliederverzeichnisses nur ganz ausnahmsweise erfordern. Voraussetzung ist, daß die Polizei beim Borliegen von Unklarheiten über den Mitgliederbestand, wenn sie in, übrigen schon mal ein Mitgliederverzeichnis und dauernd Meldungen dazu nach§ 2 erhalten hatte, sich Aufklärung anders nicht verschaffen kann und der Vereinsvorstand davon unterrichtet ist. Einen solchen Ausnahmefall hat nun an, 1. Mai das Kammer- gericht für vorliegend erachtet in einen, Strafprozeß gegen Ernst und Wertmann, den Vorstandsmitgliedern einer Schönebecker Gewerkschasts-Zahlstelle(Verband der Fabrik-, Land- und Hülst- arbeiter). Die entscheidende Tatsache war, daß die Polizei bei Verrechnung der einaclaufeiiei. An- und Abmeldungen von Mitgliedern auf einen Iveit höheren Mitgliederbestand kam. als nach einer Auskunft des Zahlstellenvorstandes vorhanden waren. Die Polizei hatte wegen der ganz erheblichen Differenz(mehrere Hundert) ein neues voll- ständiges Mitgliederverzeichnis verlangt und die Nichtbefolgung des Verlangens hatte das Strafverfahren gegen den Vorstand nach sich gezogen. Unter den hier obwaltenden Umständen erachtete das Kammergericht jenen Ausnahmefall für gegeben und billigte die Verurteiluiig der Angeklagten. Es wurde noch betont, daß von dem an denVorstand, zu Händen des Vorsitzenden" gerichteten Polizei» lichen Verlangen alle Vorstandsmitglieder Kenntnis erhalten hätten und daß alle für die Nichtbefolgung straftechtlich hasteten. Hua Industrie und Handel. Bergwerk-BerstaatlichungSgerüchtt. In den letzten beiden Wochen tauchten mehrfach an der hiesigen Börse, erst schüchtem, dann mit Bestimmtheit, allerlei Gerüchte über den Ankauf rheiliisch-westfälischer Kohlenzechen durch die bayrische Regierung auf, die, obgleich sie den Stempel bloßer Mutmaßung deutlich an der Stirn trugen, doch vielfach geglaubt wurden. Zu diesen Gerüchten bringen die Müuchener Neuesten Nachrichten"«ine Auslassung. die allem Anschein nach entweder direkt aus dem bayrischen VerkebrSministerium stammt oder von diesem inspiriert ist.Das Gerücht, daß die bayrische Staats regierung beabsichtige, ein Kohlenbergwerk zu er- werben", schreibt das Blatt,ist a» den Börsen von Berlin   und Frankfurt   erneut aufgetreten, und zwar in so bestimmter Form, daß bereit» einzelne Bergwerke genannt wurden, die hierfür in Frage kommen sollten. Seitdem Verkehrsminister v. Frauendorfer im vor- jährigen Landtag erklärte, daß er behufs billiger Beschaffung von Kohlen für die bayrischen StaatSbahnen eventuell zun, Erwerb von Kohlenzechen schreiten würde, kann an der grundsätzlichen Stellung der Regierung in dieser Frage kein Zweifel bestehen. Selbst- verständlich lväre jede Tendenz, ivie sie Preußen in der Hiberma- Angelegenheit hatte. dabei ausgeschlossen. Für Bayern  Handelt es sich um die vorteilhaftere Ei ndeckung eines Kohle nbedarfs, also um ein lediglich kauf»