«SK»Mlchen. Sin Mitglied der Kommission regtd an, ein Auf.gebot vor Emleitung des Enteignungsverfahrens zu erlassen, umzu sehen, inwieweit öffentliche Interessen der in Aussicht ge-nommenen Stillegung der Grube gegenüberstehen. Von der Re-gierung wurde darauf hingewiesen, daß bei unverritzten Feldernschon nach der Vorlage die Zwangsverwaltung ausgeschlossen sei,und daß bei einer Weigerung, unverritzte Felder in Abbau zunehmen, nur eine Aberkennung des Eigentums erfolgen könne, eineAnsicht, der auch aus der Mitte der Kommission von anderer Seitebeigetreten wurde.— Nach weiterer Diskussion, in der aber neueGesichtspunkte nicht mehr zutage traten, wurde die Wcitcrberatungauf Sonnabend 11 Uhr vertagt.* ♦*Für die Reise ins Ruhrrevier sind für den 8. und 9. Maigenaue Programme ausgearbeitet; es soll eine Einfahrt in mehrereGruben erfolgen, damit die Kommissionsmitglieder auch in dieArbeitsverhältnisse unter der Erde und namentlich in dieTemperaturen an den einzelnen Arbeitsstellen einen Einblick er-halten./_Verhinderter Neutralitiitsbrnch der Germania-Werft.Ein Privattelegramm aus Kiel meldet uns:Die Lübecker Behörden haben nach einer Meldung der„Schleswig-Holsteinschen Volkszeitung" den Dampfer„Aegir"beschlagnahmt, der mehrere hundert Tonnen Konterbande"anBord hatte. Die verdächtige Ladung war nach Helsingforsin Finnland bestimmt und bestand aus sorgfältig auseinander-genommenen Torpedobooten und Unterseebooten, die auf derKieker Germania-Werst erbaut und als Lustyachten deklariertwaren. Die Nachricht, daß auf der Kieler Germania-WerftTorpedoboote für Rußland gebaut werden, hatte der„Vor-wärts" nach dem Kieler Parteiblatt dieser Tage veröffentlichtund hat den Weg angegeben, auf dem die völkerrechtswidrigeKonterbande najh Rußland befördert werden würde. Esscheint, daß dieser Hinweis den Lübecker Behörden die Aus-Übung ihrer Neutralitätspflicht erleichtert hat. Damit ist auchein Dementi, das die Germania-Werst unserer Veröffentlichungnachgeschickt hatte, gründlich erledigt.ferner liegt folgendes Telegramm des„Wolffschen Bureaus" vor:üb eck, den 5. Mai. Die hiesige Polizei hat die Ausfuhr einesfür Rußland von der Germania- Werft in Kiel hergestelltenTorpedobootes verboten, weil darin ein Bruch derNeutralität zu erblicken wäre. Das Boot war ineinzelne Teile zerlegt, mit der Bahn von Kiel nach Lübeck befördertworden, und sollte hier mit dem finnischen Dampfer„Aegir" nachHelsingfors verladen werden.Hoffentlich sorgt nun endlich auch Preußen dafür, daßRußland nicht weiterhin durch die Deutsche Waffen-und Munitionsfabriken, die ehemalige Firma Löwe,Maschinengewehre geliefert werden!—Sozialdemokratische Schulvorstandsmitglieder.Ran schreibt uns aus Dresden:Die sächsische Regierung hat es bisher durchaus gebilligt, wennLmtshauptmannschaften und Schulinspektionen Sozialdemokraten, dievon Gemeindevertretungen zu Schulvorstandsmitgliedcrn gewähltworden waren, die Bestätigung versagt oder eine solche Wahl ein-fach aufgehoben wurde. Jetzt scheint doch eine bessere EinsichtPlatz gegriffen zu haben. Als kürzlich die Wahl des GenossenZwahr in Neugersdorf in den dortigen Schulvorstand auf-gehoben wurde mit der Begründung, Zwahr sei eistigerSozialdemokrat, haben unsere Genossen dagegen Beschwerdegefuhrt. Darauf hat das Kultusministerium die Bezirks-fchulinspektion aufgefordert, die Angelegenheit noch einmalnachzuprüfen, und jetzt ist die Verfügung zurückgezogen und Zwahrwieder in den Schulvorstand berufen worden.Ob wirklich eme bessere Erkenntnis in der sächsischen RegierungPwtz gegriffen hat, wird sich ja bald zeigen. Denn sie wird baldGelegenheit bekommen, über noch einige derartige Fälle zu eut-scheiden. Erst dieser Tage ist die Wahl des Genossen Kamp inReichenberg bei Dresden zum Schulvorstand wegen seineragitatorischen Tätigkeit aufgehoben worden, nachdem ein Versuch,seme Wahl mit Rücksicht darauf, daß er Katholik sei, für nichtig zuerklären, gescheitert loar._Sozialpolitik in Hessen.Die hessische Regierung liebt es, sich mit dem Nimbus sozial-politischen Verständnisses zu umgeben. Ihre neueste Handlung verrätindes nicht viel sozialpolitisches Entgegenkommen. So haben dieMainzer Stadtverordneten inklusive der Bürgermeisterei ein-st i m m i g beschlossen, die Wahlen zum Gewerbegericht aueinem Sonntag stattfinden zu lassen. Die hessische Regierung hatindes trotz wiederholter Vorstellung verfügt, daß die Wahl an einemWerktag vorzunehmen sei. In Darmstadt scheint der Wind seiteiniger Zeit herunigeschlagen zu sein.—Zu einer kleinen Kulturkampfdebatte im Landtage gab, someldet uns ein Privattelegramm aus Stuttgart, die gegen dasVorjahr um 150 000 M. erhöhte Etatsposition für Besoldungkatholischer Geistlicher den Anstoß. Der Mißbrauch, der vonkatholischen Geistlichen mit den kirchlichen Geldmitteln zum Zweckpolitischer Agitation für das Zentrum getrieben wird und der vonihnen bei der Erziehung von Kindern aus gemischten Ehen geübteGewissenszwang ivac Gegenstand heftiger Kritik von feiten derVolkspartci. deutschen Partei und Sozialdemokratie. Auch derKultusminister mußte in seiner Abwehr der Angriffe zugestehen,daß es eine Gefahr bedeute, wenn der Anschein entstehe, als obirgend eine Partei Politik verquicke mit der Stellung einer Kirche under gab dem Bedauern darüber Ausdruck, daß der katholische Stadt-Pfarrer von Ravensburg für den Zentrumskandidaten mit demHinweis darauf eingetreten fei, daß der Gegenkandidat von denGnadenmitteln der Kirche ausgeschlossen sei. Demgegenüber be-riefen sich die Zentrumsredner Rembold und Gröber darauf, daßauch die evangelische Orthodoxie in Streitfragen, die über dieKindcrerziehung bei Mischehen entstehen, den Ausschluß von denkirchlichen Gnadenmitteln als Waffe wohl zu bandhaben versteheund verteidigte das Recht des Ravensburger Pfarrers mit derjesuitischen Behauptung, das Zentrum sei keine religiöse, sonderneine politische Partei. Es focht Herrn Gröber wenig an, daß dieDebatte schlagend das Gegenteil gezeigt und wiederum einmal er-wiesen hatte, daß das Zentrum auch in Württemberg eine an diekirchliche Organisation sich anschmiegende konfessionelle Partei ist.Das platonische Bedauern des Ministers wird nichts an den Uebcr-griffen der Geistlichen ändern, denn der Genosse Hildenbrand be-merkte mit Recht: Jeder Geistliche, der zum Zentrum gehört, tutdasselbe wie der Ravensburger Stadtpfarrer.—Für die in den nächsten Tagen stattfindende Landtags-Ersatzwahl in Eßlingen, die durch den Tod des bisherigennationalliberalcn Abgeordneten v. Geh notwendig geworden ist,haben sich gestern Nationalliberale, Konservativ« und Volksparteiauf die Aufstellung eines gemeinsamen Kandidaten geeinigt, überdessen Person die Verhandlung schwebt. Von der Sozialdemokratiewird Reichstags-Abgeordneter Schlegel kandidieren. Die Wahl-aussichten sind übemus günstig.—Warnrufe ans Kamerun.In der neuesten Nummer des„Globus" veröffentlicht derehemalige Führer der deutschen Benuö-Tschadsee-Expedittoneinen Artikel über das Kamermier Verwaltungssystem, in demer nicht nur die Verivaltung dieser Kolonie für die voraus-sichtlich bald eintretende wirtschaftliche Krise verant-wortlich macht, sondern in dem er dem Gouverneur auch einewiderrechtliche Behandlung von Eingeborenenpoiwirft. Die Jaunde'Leute, ein gutartiges Volk, seienungemein erbittert darüber, daß die Verwaltung sie gegenihren Willen als Arbeiter auf den Plantagen schaffen ließ!Schon im vorigen Jahre habe ein Aufstand im Jaunde-Distriktgedroht; behandle man die Eingeborenen auch ferner so, danniverde es unfehlbar zur Erhebung kommen!Dem„Berliner Tagebl." wird ferner von kolonialer Seiteüber Kamerun geschrieben:„Trotz aller Beschwichtigungsversuche ist man genötigt, dieLage in Kamerun nach wie vor als bedenklich anzusehen, unddaß auch Gouvernement und Kolonialverwaltuug Besorgnissehegen, mag der Umstand beweisen, daß die— jüngst abgereisten—Offiziere für die beiden neu bewilligten Kompagnien der Schutz-truppe telegraphisch einberufen worden sind— so eilighatte man es. Es glimmt in Kamerun an verschiedenen Eckenund Enden. Zuverlässige Privatuachrichteu aus dem Innerenvon Anfang März besagen, daß die S t ä in m e i mBezirk B a m e n d a an der englischen Grenze sich insehr gereizter Stimmung befinden. Veranlaßt ist siedurch eine ungeschickte Politik unerfahrener Offiziere, dann aberauch durch die Schutztruppc selbst, deren farbige Mnnuschafte», sobald sie ohne europäische Aufficht sind, im eigenen Lande wie dieRäuber hausen. Wenn das nicht bald anders wird, sollen Auf-stände mit Sicherheit zu erwarten sein. Im Süden Kameruns sindes wieder die Jaunde und die Buli, deren Verhalten Besorgniserweckt, zumal dort die Häuptlinge ihre Stämme sehr fest in derHand haben. An geeigneten Persönlichkeiten scheint es auch zufehlen; vor allem aber dürfte in Betracht kommen, daß sich ausjenen Stämmen zum großen Teil die Schutztruppe rekrutiert, derenausgediente oder invalide Soldaten in die Heimat zurückkehrenund ihren Landsleuten die Ueberzengung beibringen, daß dieWeißen auch nur sterbliche und recht unvollkommene Menschen sind,von denen man sich nicht viel gefallen zu lassen brauche."Auch uns sind ganz ähnliche Mitteilungen zugegangen.Als weitere Mißstände schilderte man uns das Pressen vonTrägern für Expeditionen, die harte Behandlung dieserTräger, das rücksichtslose Eintreiben von Kontributionen usw.Ueberhaupt trage das ganze System von Strafexpeditioneu,durch das junge Offizicre sich hervortun zu sollen glaubten,nicht etwa zur Beruhigung des Landes, sondern im Gegenteilzur Erbitterung und A u f r e g u n g der Eingeborenen bei.Wird die Kolomalverwaltung sich endlich zu entsprechendemEinschreiten aufraffen?!—_Ter Typhus in Südwestafrika.Berliu, 5. Mai. Telegramm aus Windhuk. Au Typhus sindgestorben: Reiter Hermann Bauschte, geboren am 25. Sep-tember 1883 zu Steinau a. O., am 30. April 1005 im LazarettKeetmanshoop. Einjährig-Freiwilliger Gefreiter WilhelmR e u k e u, geboren am 30. August 1880 zu Westerstede, am30. April 1905 im Lazarett Lüderitzbucht. Reiter MaxM o t s ch e n b a ch e r, geboren am 1. November 1880 zu Bamberg,am 27. April 1905 in Krankensaminclstelle Kubub. Reiter ErnstConrad, geboren am 25. März 1884 zu Striegau, am 1. Mai1905 im Lazarett Lüderitzbucht. Reiter Konrad Schuft er,geboren am 24. September 1381 zu Erlangen, am 1. Mai 1905nn Lazarett Lüderitzbucht. Reiter Richard Kaden, geborenam 29. März 1382 zu Zöblitz, hat sich am 23. April 1905 ausKowas von der Truppe entfernt und ist nicht zurückgekommen.Diese fünf Todesfälle an Typhus innerhalb fünf Tagen be-weisen, daß die Typhuscpidemie unter den südwestafrikanischenTruppen noch keineswegs erloschen ist, ja es scheint fast, als ob dieEpidemie, die in den letzten Monaten zurückgegangen war, wieder anHeftigkeit zunehme.Hueland.Oesterreich-Ungar».Wien, 5, Mai. Abgeordnetenhaus. In der Weiter-be ratung des Zolltarifes erklärt Schrott, die TirolerAbgeordneten könnten für den Zolltarif nur unter der Voraussetzungeiner ausreichenden Entschädigung für die durch die Einführung desZolltarifes Tirol erwachsenden Nachteile stimmen. Abg. Steinmeint, die Mängel des Zolltarifentwurfes entsprängen dem Dualis-mus. Er erörtert die großen Nachteile einer Zollgemeinschaft undtritt für eine wirtschaftliche Trennung ein.Budapest, 5. Mai. Abgeordnetenhaus. Ministerpräsident GrafT i s z a begründet eingehend seine Ablehnung des Adretzentwurfesder Koalition. Er weist auf den Widerspruch hin, der darin liege,daß die Koalition sich den Sturz des Systems der liberalen Parteizur Aufgabe gestellt habe, andererseits, daß die Hauptstützen derKoalition jene Männer bilden, welche dieses verfemte System bis vorkurzem mit Leib und Seele unterstützt haben. Der Ministerpräsidentbekämpft sodann die Stellungnahme des Adreßentwurfez zugunstendes unabhängigen Zollgebiets. Besondere Schwierigkeiten ergebensich für die Erreichung eines selbständigen Zollgebietes gerade imgegenwärtigen Zeitpunkt, da die meisten Handelsverträge bereits ver-handelt sind. Es wird zumal schwer halten, die agrarische Mehr-heit des Deutschen Reichstages zur Annahme eines neuen Handels-Vertrages mit uns zu vermögen. Ich glaube nicht, sagt der Minister-Präsident, daß bis zum März des Jahres 1006 diese Schwierigkeiten,welche der Errichtung des selbständigen Zollgebietes entgegenstehen,hinweggeräumt werden können. Ich wünsche sehnlichst, die Herrenan dieser verantwortlichen Stelle zu sehen, um sich von diesenSchwierigkeiten zu überzeugen. Es bleibt nichts anderes übrig, alsden Ausgleich, sowie den mit Oesterreich vereinbarten Zolltarif anzu-nehmen./Inmitten dieser Erörterungen des Grafen Tisza ruft plötzlichder Abg. Nikolaus Pozsgay(t.) mit gellender Stimme:„Es gehört wirklich die Geduld eines Ungarn dazu, um anzuhören,wie unverschämt sich ein gestürzter Ministerpräsident benimmt."Es entsieht großer Tumult. Der Abg. Pozsgay wird zur Ord-nung gerufen.(Große Unruhe und Länn.) Der Präsident hebtdie Sitzung zeitweilig auf.—Frankreich.Eine neue Schießerei in Sicht? Das Wolffsche Bureau meldetaus Lyon vom 6. Mai: Ein Bataillon des 96. Jnfanterie-Regimentsist nach S a i n t- B e l abgesandt worden. Ivo ausständige Berg-arbeiter das Drahtseil der Förderbahn durch Dynamit zerstört, dieTelegraphendrähte durchschnitten und die arbeitswilligen Bergleuteterrorisiert haben. Die Soldaten wurden bei ihrer Ankunft inSaint-Bel von den Ausständigen verhöhnt.Diese offenbar nach den Mitteilungen der Grubenbarone ge-färbte Darstellung bedarf siche rebenso der Korrektur, wie die Tele-gramme desselben Bureaus über Limoges.—Schweden.Die Wahlrechtsfrage beschäftigt seit Mittwoch wiederum denschwedischen Reichstag. In der Ersten Kammer wurde die Debattenoch am selben Tage beendet. Hier wurde mit 99 gegen 42 Stimmender Wahlrechtsvorschlag des Konstitutionsausschusses angenommen,der das Wahlrecht„allgemein" machen soll, aber nur für Steuer-zahler und außerdem durch Einführung des Proportionalsystemsallein für die Zweite Kammer die Position der Ersten Kammer ver-stärken würde. Immerhin ist es, wie auch Brantin g bei der nochnicht beendeten Wahlrechtsdebatte der Zweiten Kammer hervorhob,bemerkenswert, daß die Erste Kammer, die noch vor nicht langerZeit jeden Gedanken an ein allgemeines Wahlrecht rundweg abwies,sich nun wenigstens in jener Form mit über Zweidrittel-Majoritätdafür erklärte.__Vom ostasiatischen Kriegsschanplatze.Saigon, 5. Mai.(Meldung der„Agence Havas".) Das russischeGeschwader, das bei der Hon-Kohc-Bucht, nördlich der Kainrmch-Biichtam 2. d. M. vor Anker lag, beabsichtigte am Morgen des 3. Maiden Ankerplatz zu verlassen. Der russische Admiral hatte die fran-zösischen Behörden davon in Kenntnis gesetzt.Malakka, 4. Mai.(Meldung des„Reuterschen Bureaus".')_ Kl»russisches Geschwader, bestehend auS vier Schlachtschiffen, einemPanzerkreuzer, einem Kanonenboote und fünf Kohlenschiffen, istheute nachmittag, in der Richtung nach Süden fahrend, hier vorbei-gekommen.Neuer Protest Japans.Paris, 6. Mai. Wie verlautet, will die japanische Gesandtschastinfolge der Meldung, daß die Flotte Roschdjestwenskys am 30. Aprilim Hafen Port Dayot in der Penghoibucht Anker geworfen habe,ihren Protest betreffend Verletzung der französischen Neutralität er-neuem. Der japanische Gesandte Motono habe bereits gestern dieAufmerksamkeit Delcassös ans diese Angelegenheit gelenkt. Es heißt,die französische Regierung habe am Dienstag eine Abteilung desfranzösischen ostasiatischen Geschwaders unter dem Befehle desAdmirals Jonqniöres nach der Penghoibucht entsandt, um übergenaue Beachtung der französischen Neutralität zu wachen.Die Revolution in Rnstland.Der Ausstand in Warschau.Der„Voss. Ztg." wird vom 3. Mai aus Warschau gemeldet:Warschau, 3. Mai.(Eig. Ber.) Sämtliche Fabriken feiernheute. Auf der Pawiastraße wurden zwei als Inden inlangen Röcken verkleidete Lockspitzel von der Menge er-taimt und halbtot geprügelt, weil sie ein dort stehendesKreuz besudeln wollten, um die Wut der christlichen Arbeitergegen die Juden zu erwecken. Die Kasernen und RegierungSgebäudewerden sorgfältig bewacht. Auf den Trottoirs stehen bewaffneteSoldaten, die dem Publikum das Passieren verwehren. Morgen sollinsgeheim das Begräbnis der am 1. Mai ermordeten Opfer statt-finden. Sämtliche Fabriken, Läden, Restaurants, Konditoreien, Bureaus.Kontors zc. werden geschlossen und der ganze Verkehr eingestellt. DieBanken sind schon heute nachmittag geschlossen worden. Ein vom„Warschauer Komitee der Sozialdemokratischen Partei des König-reichs Polen und Litauens" unterzeichneter gedruckter Ausruf an dieArbeiter, der im geheimen überall verteilt wird, sagt u. a.:„Dasrevolutionäre Warschau kann den ermordeten Genossen den letztenLiebesdienst nicht versagen. Die Regierung gestattet uns nicht,an dem Trauerzuge teilzunehmen, deshalb wird Warschanden letzten Liebesdienst so feierlich veranstalten, wie diesnoch keinen, Könige, keinem Machthaber der Welt zu teilgeworden ist. Dieser Liebesdienst, der zugleich ein Protestsein soll gegen die Ermordung der Genossen, wird in einem all«gemeinen Ausstände in Warschan an, Donnerstag, den 4. Mai, be-stehen. Alle Arbeit hat still zu liegen in den Fabriken und Werk-stätten, in den Kaufläden, Bureaus und Banken, in den Konditoreienund Gasthäusern, der gesamte Wagenverkehr ans den Straßen hatzu ruhen. Nieder mit der Mörder-Regierung I Ehre ihren Opfern!"Nach Nachrichten von, Donnerstag war denn auch die Arbeits-ruhe, eine vollständige. Der Straßenbahnverkehr war unterbrochenund in den Hauptstraßen waren fast sämtliche Laden geschlossen.Das Begräbnis der Opfererfolgte Freitag in aller Frühe und unter Ausschluß jeder Oeffent«lichkeit. Man meldet:Um 6 Uhr morgens durchzogen acht Leichenwagen mtt denOpfern vom Montag unter Geleit einer Kosakenabteilung vonIVO Mann die Stadt nach dem Brudno-Friedhof. Es waren wederVerwandte noch Publikum zum Gefolge zugelassen worden.Die Moskauer Monarchistenparteiveröffentlichte heute ihr Programm, worin gesagt ist, es sei die Auf-gäbe der Partei, mit gesetzlichen Mitteln die Beseitigung der innerenWirren anzustreben. Sollte der Kaiser die Anwendung strengeinheitlicher, rationeller, fester Diktatormaßnahmen nötig finden,so sei die Partei bereit, die Regierung zu unterstützen. Nach Be-endigung der Wirren und erfolgter Besiegung der Japaner<!I)breche der Zeitpunkt für Reformen an, welche die unbeschränkteSelbstherrschaft noch mehr zu festigen und die orthodoxe Kirche zuverherrlichen geeignet seien, welche der nationalen Kulturidee im ganzenReiche freie Entwickelung geben und zur breiten, dezentralistischenEntwickelung des lokalen Wirtschaftslebens durch ununterbrocheneFürsorge für das niaterielle und geistige Wohl der Bauern und desArbeiterstandes, zur Einbürgerung des Rechtszustandes und Ordnungin Stadt, Land und Schule, endlich durch rationelle Organisationder llebersiedelnug zur Vergrößerung des bäuerlichen Grundbesitzesführen und ein starkes russisches Reich schaffen würden.Petersburg, 5. Mai. Nach einer Meldung aus Melitopol(Gou-vernement Tnurien) kau, es dort am letzten Montag zu Unruhen,bei denen Juden gemißhandclt wurden und jüdisches, aber auchchristliches Eigentun, zerstört und geplündert wurde. Eine Reihe vonBuden wurde verbrannt. Die Ordnung wurde von Truppenwiederhergestellt.Warschau, 6. Mai. Gestern abend wurde in der Marschallstratzegegen eine Patrouille eine Bombe geschleudert, die aber nichtexplodierte.Warschau, 6. Mai.(Meldung der Petersburger Telegraphen-Agentur.) Gestern abend griff ein Volkshaufe in derLeschnastraße eine Patrouille an, um mehrere vonihr verhaftete Personen zu befreien. Zwei Personenwurden verwundet, eine durch eine Kugel, die andere durch einenBajonettstich._Huq der partei-Das Strafkonto der Arbeiterbewegung wurde im Aprilmit zwölf Jahren, zwei Monaten, fünf Wochen und fünfTagen Freiheitsstrafen, sowie 87» M. Geldstrafen belastet.Stenerfragen.Im anhaltischen Landtag ist vor einiger Zeit eine Umsatzsteuerfür Konsumvereine beschlossen worden. Dieser Steuer hat GenossePeus, der dem auhaltischen Landtage angehört, prinzipiell zu-gestimmt. Daraus hat sich eine Diskussion entwickelt, die in derHauptsache bisher in dem Organ des Großeinkaufs-Vereins geführtwurde, nun aber auch in die Parteipresse übergegangen ist. Praktischist der Fall einigermaßen verwickelt. Die anhaltische Regierunghatte eine Vorlage gemacht, nach der den Gemeinden das Recht ge-geben werden sollte, neben einer schon bestehenden Einkommen- undGewerbesteuer für Konsumvereine, die vom Reingewinn berechnetwird, noch eine Umsatzsteuer zu erheben. PeuS war nun daftir ein-getreten, die Umsatzsteuer nur dann zuzulaffen, wenn die etwaigeEinkommen- und Gewerbesteuer hinter dem zulässigen Höchstsatzeder Umsatzsteuer zurückbleiben; außerdem hatte er die Herabsetzungdes von der Regierung vorgeschlagenen Satzes in solchem Maßegefordert,, daß danach die Konsumvereine besser daran gewesenwären, als bei der bisherigen Steuer ohne Umsatzsteuer. Wirkönnen uns vorstellen, daß jemand nach der Theorievom kleineren Uebel so operieren mag, um das alsunabwendbar erscheinende Uebel so klein als möglich machen zuhelfen, nachdem er zuvor alle Mittel zur Abwendung des Uebelsüberhaupt erschöpft hat. Es wäre dann schwerlich etwas gegen seinVerfahren einzuwenden. Genosse Peus aber hat es sich in den Kopfgesetzt zu beweisen, daß er gerade aus Gründen der Gerechtigkeitund obendrein der sozialdemokratischen Prinzipientreue gezwungenwar, für die Umsatzsteuer einzutreten. Ganz wird man ja aus derArgumentation, mit der er sich gegen die ihm gemachten Vorwürfeverteidigt, nicht klug. Zum Teil scheint es, als ob er anfangswirklich nur des kleineren Uebels wegen seinen Vorschlag gemachthabe, denn er operiert vielfältig mit dem Nachweise, daß nachtewem Vorschlage die Konsumvereine weniger Steuern zu