Einzelbild herunterladen
 

AZechffchm Trauerspiels zu emeuern sucht, und endlich das gtofee Drama des gegen tyrannische Bedrückung fich erhebenden Schweizer - volles der.Teil". Sprudelnd brausend brechen unaufhaltsam die Quellen jugendlicher Freiheitsbegeisterung, lange Aeit gleichsam verschüttet, hier noch einmal in des Dichters letzter Schöpfung hervor. Das Ende knüpft fich an den Anfang und so hat die dankbare Erinnerung des Volkes, aus den vielfach verschlungenen Zügen einen herauslösend, den liebsten� teuersten, sein Bild als das des Freiheitsdichters im Herzen festgehalten. Mitten in den Arbeiten au einem neuen ßroß gedachten dramatischen Entwurf schlug ihm, dessen heroische Willenskraft keine Krankheit hat zermürben können, der Tod die Feder aus der Hand. In der Blüte der Mannesjahre ging er dahin. Herrlichen Lorbeer hat Goethes.Epilog" auf das ftische Grab des Freundes gelegt; unvergänglich find die schlichten Strophen, die uns Schiller m der Begeisterung seines Ringens schauen lassen, wie der Kranke, gleichsam entkörpert, nur noch schaffender Geist, dem Sonnenaufgange entgegensinnt: Nun glühte seine Wange rot und röter Von jener Jugend, die uns nie entfliegt, Von jenem Mut, der ftüher oder später Den Widerstand der stumpfen Welt besiegt. Von jenem Glauben, der sich stets erhöhter, Bald kühn hervordrängt, bald geduldig schmiegt; Damit das Gute wirke, wachse, fromme, Damit der Tag dem Edlen endlich komme. Schiller, der Mensch, so angeschaut in seines Wesens tiefftem Kerne, weckt in den Herzen jenes hinreißende triumphierende Gefühl menschlicher Kraft und Größe, das uns aus seinen Dichtungen ent« gegenweht..Nur der Körper eignet jenen Mächten, die das dunkle Schicksal flechten...." Nach ihrem Ratschluß früh schon quälendem Leiden verfallen, hat er dennoch, die Blicke kühn aus alles Höchste richtend,.freudig, wie ein Held zum Siegen", seine Bahn vollendet, in edlem Selbstvergessen wirkend, bis ihn die Nacht umfing, da nie- wand schaffen kann. Conrad Schmidt . Die Mlerweltsfeier eines Utopisten. Am heutigen Tage trägt die bürgerliche Welt Deutschlands den Genius auch geistig zu Grabe, dessen Leib man vor einem Jahr hundert bestattete. Ein lärmender, leerer Leichenschmaus nichts anderes ist diese Schiller-Feier des Jahres 1905. Daß alle dabei sein wollen und dabei sind, das ist ein Zeichen, daß die Gedankenarbeit Schillers nicht mehr Taten zu erwecken ver- mag. Daß ihn alle zu lieben vorgeben, beweist, daß man ihn nicht mehr fürchtet. Kein Ausdruck ehrenden Hasses wird heute mehr für notwendig gehalten; noch 1839 stand die wie immer philiströs umspielte Schiller -Feier dennoch im Sturme bewegter Kämpfe. Eine tote Feier, nicht eine Totenfeier ist dieser 9. Mai. Was hätte auch Schiller heute dieser satten Festgesellschaft zu sagen, in der sich die ganze Nation der Ausbeuter und Unter- drücker vergnüglich gedankenlos sammelt, deren Gemeinschaft nur eine Klasse verweigert hat: das sozialistische Proletariat l Im günstigsten Falle heben ein paar ernster und aufrichtiger strebende ästhetische Bolkserzieher Schiller als den Meister und Prediger künstlerischer Bildung empor. Selbst diese Bemühung ist vergeblich Schon die Sinnsprüche, welche die Jmmer-dazu-Geistreichen über Schiller in den Zeitschriften und Zeitungen publizieren, beweisen, daß kaum einer einen Hauch Schillerschen Geistes in sich spürt. Da? meiste steht auf der Höhe der Kotillonverse in den Damenspeuden des Vereins Berliner Presse. In den Theatern versteht man Schiller gar nicht mehr zu spielen. Was innerste Wärme und heißeste Leidenschaft war. wird heute mit mühselig anempfundener Routine wie eine Kunst von vorgestern fast schon als Kuriosität dargeboten. An der Spitze der Feiernden marschiert der Reichskanzler selbst. Er hätte gern die Leichenpredigt bei dieser, um mit dem jungen Schiller zu reden, Lumpenföte gehalten. Leider hinderte ihn an dem löblichen Plane ein wichtige? Geschäft: er muß just an diesem Tage bei dem Kaiser einen Vortrag halten. UebrigenS haben die Hohenzolleru immer einiges Verständnis- für Schiller. den unausrottbaren Revolutionär gehabt. Sie haben ihm stets jede aufrichtig empfundene Ehrung versagt und nur gelegentlich sich zu äußerlichen Konzessionen der Volks ttvnlichkeit verstanden. Derselbe oberste deutsche Reichsbeamte aber, der die Schillerrede halten wollte, ist der platteste Verkünder jener Diplomatenlveisheit, deren Bekämpfung und Ueberwindung recht eigentkich Schillers Lebensgedanke war. Graf Bülow schenkt.bei jeder Gelegenheit der deutschen Sozialdemokratie die Mahnung, sich nicht nur von revolutionären Gelüsten, sondern von allen Utopien überhaupt ftei zu halten. Utopie ist für den.realpolitischen" Swatslepker dieser Schiller-Feier so ziemlich das Albernste, was sich denken läßt und nebstdem insoweit auch eine gemeingefährliche Unter- nehmung, als es die Masse gegen das Bestehende aufreizt. Nun aber wurzelte Schillers Weltanschauung in solch' einer Utopie. Er glaubte und verkündete in schroffer Borneinung des Gewaltstaates der Gegenwart emen Vernunftstaat der Zukunft, in dem eine Gesell- schast von Freien und Gleichen, unabhängig von Zwang und erhaben über die ewige Sorge um die ekle Notdurst des bürgerlichen Daseins, endlich es vermöchte Mensch e n zu bilden. Wie immer man über Schillers Verhältnis zur französischen Revolution urteilen mag, sicher ist es. daß er den ganzen Gcdankeninhalt dieses größten wclt< geschichtlichen Ereignisses grundsätzlich anerkannte; nur meinte er eben, daß die französische Revolution die in ihr lebenden Gedanken nicht erfüllt, sondern vernichtet hat. Darüber ist" kein Zweifeh daß Schiller niemals revolutionäre Mittel zur Erreichung jenes höchsten revolutionären Zieles verworfen hat. Der Dichter war so ungefähr das krasseste Gegenteil jener Flach- köpfe, die in der Maxime der mittleren Linie den Inbegriff politischer Betätigung anbeten. Und daß der Schöpfer des einzigen Klassenkampfdramas großen Stils, das unsere Literatur hervor- gebracht, daß der Dichter von.Kabale und Liebe " kein Anhänger eines betrügerischen.Interessenausgleichs' oder einer sentimental verzückten Versöhnung auf Kosten der Bedrückten war, bedarf kemer Erörterung. Und nicht nur der Reichskanzler, der die Fertigkeit, seine Diplomatenpolittk von allen lächerlichen Gefühlsregungen und uto« pistischen Forderungen zu trennen, als seinen eigentlichen Be- fähig ungSnachweis betrachtet, und der niemals das sein will, was alle unsere Klassiker in erster Linie zu werden strebten: ein Konsequenzcnmacher ja selbst die alleinseligmachende Kirche ist Heuer dabei. Im Zentralausschuß der Feier fitzen hervorragende ZentrumSmänner und während man früher über die Weimaraner in diesen Kreisen nichts anderes zu sagen wußte, als daß ein laster- hasteS Leben geführt und daß insbesondere Schiller bigamischer Ver- irrungen dringend verdächtig gewesen, sie geben plötzlich nicht nur stamme kastrierte Zölibatsausgaben seiner Werke heraus, sondern legen auch.Schillernummern" ihrer Presse bei. Schiller hat niemals etwas mit der protestantischen Kirche zu tun gehabt, geschweige denn nnt der katholischen . Verhielt er sich zum Protestantismus neutral, so bekämpfte er, übrigens ganz im Geiste seiner Zeit, den Katholizismus. Im Don CharloS verfolgte er, wie er in einem Briefe schrieb, die Aufgabe,.in Darstellung der Inquisition der prostituierte Menschheit zu rächen und -ihre Schandflecke fürchterlich an den Ptanger zu stellen. Ich will und sollte mein Carlos dadurch auch für das Theater verloren gehen einer Menschenart, welche der Dolch der Tragödie bis jetzt nur gestreist hat, auf die Seele stoßen." Heute -ist die Menschenart dabei, den gründlich eingesargten Schiller auch mit zu feiern. Was aber wollen die Großgrundbesitzer, deren Ideal immer noch die Leibeigenschaft ist, was sucht die solide Bourgeoisie bei Schiller , der doch allezeit ein Schuldenmacher gewesen ist und es niemals recht zur bürgerlichen Zuverlässigkeit gebracht hat? Mit ein paar Zitaten aus seinen späteren Dramen, deren strenge Objektivität eS verbietet, die den Personen untergelegten Sentenzen für die Anschauung des Dichters ans zugeben, umklingelt man das Gedächtnis des großen Menschen. Man gebärdet sich wohl auch national, obwohl die vaterländische Ge sinnung Schillers, die auf eine Erziehung der vom Staate und den herrschenden Klassen Geknechteten zu fteien Menschen revolutionär abzielt, nichts gemein hat mit jener nationalen Auffassung unserer Tage, welche in dem Profitinteresse einiger.nationaler" Kapitalisten mobiler und immobiler Art besteht. Welches ihrerIdeale" finden sie bei Schiller ? Freilich, es gibt kein Gesetz, das die Mißhandlung toter Geister verwehrt. Und so wird' denn auch diese Schiller- schändung, die Lorbeerkränze schwingt, ungehemmt vorübergehen. Dennoch zeigt ein Geschehnis, daß trotz aller Schillerphrasen in dem herrschenden Staate immer noch ein Rest von Bewußtsein für den wirklichen Charakter des Dichters übrig geblieben ist. Während die bürgerliche Schillerfeier von den Gendarmen aller Rangstufen m i t begangen wird, hat man die proletarische Schillerfeier in Berlin unter Polizeiaufsicht gestellt. Hier fürchtete man offenbar, daß Schiller , der wahre Schiller reden könnte. So ist Schiller doch noch schließlich zu seinem Rechte gekommen Graf Bülow zwar war verhindert, vor den Spitzen der Behörden, vor der Hof- oder wenigstens salonfähigen Gesellschaft das Gedächtnis des Mannes zu verschleiern, dafür aber schuf der Sozialdemo k r a t Pernerstorfer vor Arbeitern die lebendige Gestalt des unsterb- lichen Kämpfers für die höchsten Ziele der Menschheit, dem Dichten Handeln war... Der klassische Idealismus und der historische Materialismus. Das stolze Wort Friedrich Engels ', das die Arbeiterklasse als die Erbin der deutschen klassischen Philosophie bezeichnet, scheint ohne weiteres geeignet, das Verhältnis des aufgeklärten Proletariats zu Friedrich Schiller zu kennzeichnen, der ja der dichterische Herold und damit der unvergleichliche Popularisator der deutschen klassischen Philosophie gewesen ist. Aber ein Bedenken liegt doch am Wege: war nicht Schiller der Verkünder des Idealismus, und ist nicht die klassenbewußte Arbeiterschaft die eingeschworene Anhängerin des historischeu Materialismus? Schiller glaubte an den Sieg des Guten und der Idee; die Sozialdemokratie aber, hören wir uiisere Gegner sagen, rechnet nur mit den Kräften des Eigennutzes flies auch: rohen Instinkten der Masse) und den allmächtigen wirtschafte lichen Verhältnissen flies auch: dem blinden Mechanismus der Ge sellschast), woraus denn ohne Mühe zu folgern ist, daß die Welt- anschaüung der Sozialdemokratie im geraden Gegensatz stehe zu der Höhe und idealen Geistesreinheit des gefeierten Poeten. Wie weit es unseren Gegnern mit solchen phrasenhaft aus geblähten Vorhaltungen ernst ist,.vermögen wir im allgemeinen nicht zu beurteilen. Nur so viel scheint sicher zu sein, daß auch im Lager der Sozialdemokratie selbst über das Verhältnis des klassischen Idealismus zur sozialistischen Weltauffassung sehr verschiedene Meinungen vorhanden sind und sich öfter ein seltsamer Gegensatz bemerkbar macht. Einer fast instinktiven Zuneigung zum Geiste des achtzehnten Jahrhunderts und einer ungekünstewen urwüchsigen Be geisterung für Schiller begegnet eine kühle, verstandesmäßige Zurück� Haltung, die säst zu befürchten scheint, daß eine engere Verständigung mir dem Geiste des klassischen Jahrhunderts nur durch Aufgabe eines wichtigen Fortschrittes menschlicher Erkenntnis erkauft werden könnte. Die deutsche Arbeiterklasse ist nicht nur die Erbin der klassischen Philosophie, sondern in noch weit höherem Grade die Hüterin marxistischen Erbes. Und hat nicht das Leben von Marx und Engels zum guten Teile dem Kampfe wider einen verschrobenen Idealismus gegolten? Gegen ihn traten sie schon in den vierziger Jahren auf den Plan..Der reale Humanismus," heißt es in der Vorrede zur Heiligen Familie,.hat in Deutschland keinen gefährlicheren Feind als den Spiritualismus oder den spekulativen Idealismus, der an die Stelle des wirklichen individuellen Menschen das.Selbstbewußtsein" oder den.Geist setzt." Diese Kriegserklärung richtet sich gegen die letzten Mohikaner einer absterbenden Philosophieperiode, dre Brüder Bauer, die durch ihre Wirksamkeit reichlich genug bewiesen hatten, wie eine be- deutende und heilsame Lehre durch mißverständliche Uebertreibung in ihr Gegenteil verkehrt werden kann. Die Entartung der klassischen Philosophie aber ist daran schuld gewesen, daß mitunter jede Brücke der Verständigung zwischen der großen Idee des achtzehnten und jener des neunzehnten Jahrhunderts abgebrochen zu sein schien, wiewohl es klar ist, daß der Befteiergedanke des Sozialismus un- möglich wie Pallas Athene gleich fertig aus dem Haupt des VaterS Zeus entsprungen sein konnte und das Wort Engels vom Erbe der klassischen Philosophie nie eigentlich bestritten worden ist. Der junge Marx hat indes zwischen dem Baum selbst und seinen verfaulten letzten Früchten wohl zu unterscheiden gewußt. Der klassische Idealismus des achtzehnten Jahrhunderts hatte sich in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts so völlig zersetzt, haß ein ätherischer Mystifizismus, eben jenerspekulative Idealismus", zum Hinmiel dampfte, während die Lehre von der Vernünstigkeit alles Bestehenden, der Grundsatz der historischen Rechtsschule und der historffchen Schule der Nationalökonomie, als ekler Bodensatz zurück- blieb. Im Interesse desrealen Humanismus" kämpfte Marx gegen beide ungleiche Brüder mit gleicher Schärfe an. Er wendet sich unter anderem auch gegen den Meister des Mystizismus Hugo, legen dessen angemaßte Schülerschaft er Kant in Schutz nimmt.Ist", o schreibt er,Kants Philosophie mit Recht als die deutsche Theorie der französischen Revolution zu betrachten, so Hugos Naturrecht als die deutsche Theorie der ftanzösischen aueisu rögirne." Hugos Theorie sei nichts weiter als die Proklamation desRechts der willkürlichen Gewalt". In strengstem Gegensatze hierzu betrachtete Marx den Staatals den großen Organismus, in welchem die rechtliche, sittliche und politische Freiheit ihre Verwirklichung zu erhalten hat und der einzelne Staatsbürger in den Staatsgesetzen nur den Naturgesetzen seiner eigenen Vernunft, der menschlichen Vernunft gehorcht." Die Ueberciustimmung dieser Ausführungen mit dem Geiste des achtzehnten Jahrhunderts zumal mit Kant -Schillerschen Auffassungen tritt hier klar zutage. Jener Satz des jungen Marx ließe sich ohne weiteres in SchillersBuch über die ästhetische Erziehung des Menschen" einschieben, ohne durch Inhalt und Stil aus dem all- gemeinen Rahmen zu fallen. Demi die Worte, in denen Marx seine Forderungen an den Staat formMert, stimmen fast wörtlich mit jenen Schillers überein. .... Das Werk blinder Kräfte, heißt es bei Schiller , besitzt keine Autorität, vor welcher sich die Freiheit zu beugen braucht, und alles mutz sich dem höchsten Endzweck fügen, den die Vernunft in einer Persönlichkeit aufftellt. Auf diese Weise rechtfertigt sich der Versuch eines mündigen Volkes, seinen Naturstaat in einen sittlichen umzuformen."> Und die enttäuschten Hoffnungen der ftanzösischen Revolution schildert Schiller also: Wahr ist es... die Willkür ist entlarvt, und. obgleich noch mit Macht bewaffnet, erschleicht sie doch keine Würde mehr; der Mensch ist aus seiner langen Indolenz und Selbsttäuschung auf­gewacht, und mit nachdrücklicher Stimmennuhrhest fotSefl a die Wiederherstellung seiner unverlierbaren Rechte. Ab«« ordert fie nicht bloß; jenseits und diesseiks steht er«ms , sich. gewaltig zu nehmen, was ihm nach seiner Meinung zu unrecht ver­weigert wird. Das Gebäude des Naturstaates wank, seine mürbe» Fundamente weichen, und eine physische Möglichkeit scheint gegeben, das Gesetz auf den Thron zu stellen, den Menschen endlich als. Selbstzweck zu ehren und wahre Freiheit zur Grundlage der politi-. 'chcn Verbindung zu machen." Der eigentliche genetische Zusammenhang zwischen dem klassischen i Idealismus und dem historischen Materialismus wird von, Max 'elbst in unendlich klarer Weise aufgezeigt in seinem Aussatze:Zur Kritik der Hegelschen- Rechtsphilosophie."Die Waffe der Kritik,"- heißt es da,kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muß geschützt werden durch materielle Ge- walt; allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald ie die Massen ergreist.... Der evidente B.weis für den Radikalismus der deutschen Theorie... ist ihr Ausgang von der entschiedenen positiven Aufhebung der Religion. Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." Aber auch hier schon verbindet sich bei Marx der Schwung deS idealen Gedankens mit realpolitischer Einsicht und er gesteht:Die Theorie wird in einem Volke immer nur so weit verwirklicht, als sie die Verwirklichung seiner Bedürfnisse ist." Als die einzige Klasse aber, der die Verwirklichung der humanistischen Theorie die Verwirklichung ihrer Bedürfnisse ist, erkennt er das Proletariat.Die einzig praktisch mögliche Befreiung Deutschlands ", schreibt er,ist die Be- freiung auf dem Standpunkte der Theorie, welche den Menschen für das höchste Wesen des Menschen erklärt... Die Emanzipation der Deutschen ist die Emanzipation des Menschen. Der Kopf dieser Emanzipation ist die Philosophie, ihr Herz das Proletariat. Die Philosophie kann nicht verwirklicht werden ohne die Aufhebung deS Proletariats, das Proletariat kann sich nicht aufheben ohne die Ver« Ivirllichung der Philosophie." Die Verwandlung des Naturstaats in einen sittlichen, die An» erkennung des Menschen als Selbstzweck, die Erhebung der Freiheit zur Grundlage der politischen Verbindung alles was Schiller von der französischen Revolntton, von der er sich bald enttauscht ab» wandte, ursprünglich erwartet hatte, kann also nur erreicht werden durch eine Klasse, die Schiller noch nicht in den Kreis seiner Er- wägungen miteinbeziehen konnte, aus dem einfachen Grunde, weil sie zu seiner Zeit noch nicht bestand. Das Proletariat übernimmt aber seine gewaltige historische Mission nicht wie. die mittelalterlichen- Kreuzzügler mit dein RufeGott will es", es bildet sich nicht ein, zu seiner großen Aufgabe durch eingeborene Tugend und göttliche Gnade berufen zu sein, sondern es leitet seinen Beruf aus dem Zwange seiner Klassenlaae ab. Die Verwirklichung des. klassischen Menschheitsideals ist eine kassenpolittsche Notwendigkeit. Hatte der klassische Idealismus dieewige Wahrheit" als eine allgemeine menschliche Denknotwciidigkeir erkannt, die ihre reale Existenz nicht irgendwo über den Wolken, sondern im menschlichen Geiste führte, so erkannte hinwiederum der historische Materialismus die besondere Wahrheit einer Zeit als die Denknotwendigkeit einer be» stimmten Klasse. Schiller ging noch von der einfachen und nahe- liegenden Erwägung aus. daß Volksschichten, die durch Unterdrückung in ewiger Unwissenheit gehalten werden, auch am wenigsten imstande seien, verwickelte philosophische Theorien zu begreifen.Der zahl « reichere Teil der Menschen", klagt er,wird durch den Kampf mit der Not viel zu sehr ermüdet und abgespannt, als daß er sich z» einem neuen härteren Kampfe mit dem Irrtum auftaffen sollte. Zufrieden, wenn er selbst der sauren Mühe des Denkens entgeht, läßt er andere gern über seine Begriffe die Vormundschaft führen, und geschieht es, daß sich höhere Bedürfnisse in ihm regen,, so ergreift er mit durstigem Glauben die Formeln, welche der Start und das Priestertum für diesen Fall in Bereitschaft halte»." Das Geheimnis der wirkenden Kräfte des Klassengegensatzes, das erst durch die fortschreitende EntWickelung der kapitalistischen Ge« sellschaftsordnung enthüllt wurde und fich erst vierzig Jahre nach seinem Tode fortgeschrittenen Geistern mählich zu entschleiern be» gann, muß ihm noch verborgen bleiben. Er hat es nicht mehr er« lebt, daß der zahlreichere Teil der Menschen sich zum Kämpft mit dem Irrtum auftaffte und die Formeln des Staates und der Kirche zu kritisieren begann. So schien ihm damals, als ob Verminst und Wirklichkeit für uimbsehbare Zeiten verschiedene Wege gehen müßten, wenn er auch nicht die Hoffnung aufgab, daß sie irgendwo und irgendwann einander begegnen müßten. Der historische Materialismus hat jene scheinbare llnabhaugig» keit der voraneilendcn Wahrheit van der ttägen Materie der mensch» lichen Gesellschaft als nur scheinbar erkannt, den engen Zusammen» hang, zwischen der geistigen Entwickelung der Menschheit und ihr« zesellschaftlichen nachgewiesen; er hat der Wucht in das Reich der Träume Einhalt geboten und das flüchttge Ideal mit den Ketten der Erfahrungswijsenschast ans der sicheren Erde verankert. Der Geist verlor seine eingebildete Ungebundenheit und die scheinbare Unendlichkeit seines Reiches, er fand sich nicht mehr nur durch die allgemeinen Gesetze seiner Organisation, sondern auch durch die Verhältnisse seiner Zeit beschränkt.' Der Idealismus wurde praktisch,- der Humanismus real, In diesem Sinne ist nicht nur im allgemeinen der Sozialismus der Erbe der deutschen klassischen Philosophie, sondern auch im besonderen der historische Materialismus der Erb« des klassischen Idealismus. Die Ueberzeugung, in idealem Sinne recht zu baben, hat er vermehrt durch die Zuversicht, auch in der., Welt >er Wirklichkeit recht zu behalten. Solchegrob materialistische" Auffassung will freilich regierenden Klassen Ivenig behagen, die sich.' das Ideal als das Gute definieren, das man nicht haben kann und an dem das Beste ist, daß man es nicht hat. sintemal eS sich ja so auch ganz gut leben läßt und die Menschheit noch lange nicht reif ei. Das allerdings ist einIdealismus", und wahrlich kein klassischer, )er keinen schlimmeren Feind hat als den historischen Materialismus. Friedrich Stampfer . Der Geschichtsschreiber Schiller . Niemand wird heute zu Schillers Werken greifen, wenn er die wirkliche Geschichte des dreißigjährigen Krieges oder des Abfalls der Niederlande oder gar den mutmaßlichen Anfang des Menschen» geschlechts erfahren möchte. In keinem anderen Punkte ist unsere heutige Methode, die Dinge zu sehen und zu beschreiben, so unermeßlich weit über das achtzehnte Jahrhundert hinausgekommen. als gerade in der Geschichte. In den Tagen Schillers war es, für Deutschland wenigstens, schon ein ziemlicher Fortschritt, daß man anfing, die Tagebücher der handelnden Personen zu lesen; Schiller selbst hat einen Teil seines Lebensunterhalts damit verdient, daß er eine solche Memoirensammlung herausgab. Das war damals die beste Quelle, die man hatte, die Tatsachen der Vergangenheit zu kennen. Heute ist die Zeit ziem- lich vorbei, wo man aus Geschichtsschreibern und Selbstbiographien eine Kenntnisse nimmt; heute hat die Urkunde, das Aktenstück, der leichzeitige Brief schon seit einem halben Jahrhundert die erste Stelle in den historischen Quellen erhalten. Wer wird heute noch etwa Goethes Leben nur nach Dichtimg und Wahrheit erzählen I Such wir aber schon in der Kenntnis der Tatsachen der Schiller » chen Zeit gewaltig überlegen, so noch viel mehr in der Art und Weise, fie zu verknüpfen und zu verstehen. So gut es Schiller ge» legcntlich verstand, Massenbewegungen zu beschreiben, so wenig hat er je daran gedacht, sie bis auf ihre letzten Ursachen hm au be- gründen. Ein Satz wie der, daß der Katholizismus mehr für ein Künstlervolk, der Protestantismus mehr für ein Kaufmannsvolk passe, ist ja loie eine gelegenttiche Ahnung kommender Erkenntnisse, wie ein erstes, unbewußtes Dämmern neuen Verständnisses. Ab«p er ist auch das Fortgeschrittenste, was Schiller in dieser Bezü''- gelegentlich hingeworfen, nicht zur Grundlage der El.kl Zeitalters der Neiigjonskampft gemacht.