Kr. 108. RbonnementS'Bedingungen: Abonnements• Preis pränumerando i »ierteljährl. 8,30 Ml., monatl. 1,10 Ml., wöchentlich 28 Pfg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- nununer mit illustrierter Sonntags- Beilage.Die Neue Welt" 10 Pfg. Poll- Abonnement: 1,10 Marl pro Monat. Eingetragen in die Post-Zeitungs- Preisliste. Unter Kreuzband für Deutschland und Oesterreich- Ungarn « Mark, für daS übrige Ausland S Mark pro Monat. «lMiit lzzlild auBsr Blsntw. Verlinev VolksblÄkke 32 Jahrg. vle Insertion;-Ledilhl' beträgt für die sechsgefpaltene Kolonel» zeile oder deren Raum 40 Pfg., für politische und gewerllchaftliche Vereins- und VcrsammlungS.Anzeigen 26 Pfg. „Kleine Hnzelgtn", das erste(sett- gedruckte) Wort 10 Pfg., jedes weitere Wort 6 Pfg. Worte über 16 Buchstaben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Nummer miisjen biS 5 Uhr nachmittags in der Expediüonabgegcben werden. Die Expedition ist an Wochen- tagen biS 7 Uhr abends, an Sonn- und Festtagen bis 8 Uhr vormittags geöffnet, Telegramm- Adresse! „Sozlaldtmokliit Rcrlin". Zcntralorgan der fozialdemokrati rchen Partei Deutfchlands. Redaktion st 8Al. 68» Linden Strasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983. In den Klauen der Kohlenwucherer. Man schreibt uns: Der Antrag G a m p hat selbst solchen Blättern Veranlassung gegeben sich gegen ein.Staatsmonopol" zu wehren, die sonst mehr Einsicht gezeigt haben in die Entwickelungstendenzen der Volkswirt- schast. An dem Antrag Gamp ist. abgesehen von kleinen Schönheits- fehlern, auszusetzen, daß er die Verleihung von Bergwerksfeldern nur auf 5 Jahre inhibieren will. Wem die tatsächlichen Besitzverhältnisse in unserem Bergbau und die Machtfaktoren auf dem Bergwerks-Produktenmarkt kein Buch mit sieben Siegeln, wird heute nicht mehr von einem zukünftig drohenden Privatmonopol im Bergbau reden, sondern er weiß, daß sich das deutsche Volk schon eines sehr drückenden Privatmonopols seitens der Bergherren erfreut. Die Kohlenkonsumenten ohne eigene Kohlengruben befinden sich in den Klauen der Kohlenwucherer. Wir sind schon auf Gnade und Ungnade den Leuten ausgeliefert, die sich ihrer ungeheuren Macht wohl bewußt sind, deshalb unerschütterlich dem Generalstreik der Bergleute zusehen, mit scharfem Trotz der Regierung den Fehde- Handschuh hinwerfen, den diese nicht einmal wagt, anzutippen. Die Kohlenbarone haben die Konsumentenmasse„an der Strippe", wer das noch nicht weiß, sehe sich die neuesten Lieferungsbedingungen der Grubensyndikate an. Im gewöhnlichen Leben sind es die Käufer, die zuvorkommend behandelt werden vom Verkäufer, der froh ist, möglichst günstige Verkaufsbedingungen erzielen zu können. Die Geschäftsführung der Grubensyndikate verfährt gerade umgekehrt. Sie weiß, die Konsumenten müssen ihr kommen, Kohle, Koks, Briketts, Salze, Erze sind unentbehrliche Konsumarttkel, die zudem nur beschränkt vor- kommen, daher dem Produzenten leicht den Charakter eines Monopolisten geben können. Während sonst gewöhnlich der Ver- k ä u f e r dem Käufer entgegenkommt. alle mög- lichen Vergünstigungen zugibt und weitgehendes Risiko übernimmt, trägt bei den Grubensyndikaten der Käufer das ganze Risiko, der Verkäufer übernimmt keinerlei drückende Verpflichtungen, beansprucht aber Vorrechte, wie sie nur einem Monopolisten zugestanden werden. Die mitteldeutschen Braunkohlenwerke haben in ihrem Vertrage ein förmliches Strafgesetzbuch gegen Händler und deren Abnehmer eingeführt l Ausdrücklich wird von einem„UntersuchungS- und Strafverfahren bei Verstößen der Händler" gesprochen. Da jetzt wieder ungestümer wie früher der Jammer über den „Terrorismus der Sozialdemokraten' bezw. der„Gewerkschaften" erschallt, ist es angebracht, etwas hinter die Kulissen der großkapitalistischen Vergewaltigung der Händler und Konsumenten zu leuchten. Besagter Vertrag der mitteldeutschen Braunkohlenwerke verbietet unter schwerer Strafandrohung das Angebot, die Zusage, den Berkauf und die Lieferung zu günstigeren Bedingungen als sie der Verein festgesetzt. Also eine Vergewaltigung der Lieferung«- willigen. Der Unternehmerverein schreibt die Kohlensorten, die Versandwege(sogar für Privattransport), die Preise vor. Konsum- vereine ic. können nur beziehen, wenn sie den Kleinverkauf zu von dem Grubensyndikat vorgeschriebenen Bedingungen ab« wickeln; es werden demnach auch die Kleinverkaufsprcise syndikatSseitig oktroyiert, dadurch ist den KohleneinlaufS- Vereinigungen der kleinen Leute die Möglichkeit einer Ab- schwächung der Wucherpreise entzogen. Wer die Syndikats-Ukase übertritt, verfällt in eine Strafe„von mindestens 2<X) Marl 'I Wo ist der Staatsanwalt mit dem Nötigungsparagraphen? Auch der Braunkohlen-Brikett-VerkaufSverein, Köln a. Rh., hat rigorose Lieferungsbedingungen erlassen. Unter sich können die Vereinsmitglieder ungehindert Geschäfte abwickeln, aber wenn Verkaufsmengen in den„freien Handel" treten, unterliegen sie dem Unternehmergesetz. Weder darf billiger verkauft werden, noch ist die Lieferung an einen Beliebigen gestattet, z. B. ist eS den Händlern verboten, sich zu mehreren in einer Firma zu ver« einigen, um dadurch infolge höherer Bezugsmengen größeren Rabatt zu erzielen. Man sieht, die organisierten Werksbesitzer ver- bieten autokratisch die Organisasion der Händler; wie erst werden die Herren da die Organisation der simplen Arbeiter anerkennen. Werden die bestellten Mengen zwischen dem 1. April und 30. September nicht abgenommen, so sind für sie ohne weiteres die höheren Winterpreise zu entrichten. Auf diese Weise verhindern die Kohlenherren die Ausnutzung der Konjunktur durch die Konsumenten. Wer das Syndikatsgesetz verletzt, zahlt mindestens 500 M. für jeden„Fall"! Damit nun nicht etwa ein Händler oder Konsument sich der Strafe entziehe, muß jeder Kunde zehn Solawechsel auf Sicht im Betrage von 500 Marl bei der Vereinskasse hinterlegen I Nun soll der Abnehmer wagen, gegen daS Syndikatsgesetz zu freveln l Höhnend nennt der Vereinsvertrag diesen Terrorismus»freien Handel". Ueber die Oberschlesische Kohlenkonvention wußten ihre Vertreter bei den„kontradiktorischen Verhandlungen" über die Kartelle nur rühmliches zu sagen. Daß den KonventionS- Mitgliedern verboten ist, außer an oberschlesische Montanwerke, in Oberschlesien selbst den Konsumenten günstigere als die von konventtons- wegen normierten Minimalpreise zu bewilligen, hat aber zur Folge, daß in nächster Nähe deS immensen KohlenreichtumS die BolkSmasse unverhältnismäßig hohe Preise zahlen muß. Entsprechend ihrer Machtfülle diktteren die r h e i n i s ch« w e st- fälischen Syndikatszechen auch selbstherrlich die Verkaufs- bedingungen. Für die Jnnehaltung der Liefertage übernimmt das Syndikat keine Garantie, erfolgt aber andererseits die Abnahme unregelmäßig, so vermindert das Syndikat willkürlich in den folgenden Monaten die Abgabe, oder gibt nicht die gewünschte Sorte ab; Nachlieferungen können nicht verlangt werden. Hält der Ab- nehmer seinerseits die Zahlungsfrist aber nicht genau ein, so zahlt er an„Verzugszinsen"„1 Proz. über den Rcichsbankdiskont". Also Verpflichtungen bindender Art übernimmt nur der Abnehmer, nicht der Verkäufer— im sonstigen Geschäftsleben ist's halt um- gekehrt. Von höchster preispolittscher Bedeutung ist die Syndikats- Vorschrift, nach welcher Betriebsstörungen jeglicher Art, auch Arbeiteraus st ände, gleichviel ob ohne oder mit vorheriger Kündigung, den Liefervertrag auf- heben, sogar Nachlieferungen der ausgefallenen Mengen sind ausgeschlossen! Das Kohle nsyndikat erlitt also kein Geschäftsrisiko infolge des Generalstreiks, es kann durch erhöhte Preise für die„ausgefallenen Mengen" den Einnahmen- ausfall bald wettmachen! Der jede Verhandlung mit den„kontraktbrüchigen Arbeitern" schroff abweisende Standpunkt der Syndikatsherren ist dadurch sehr verständlich. In der Tat weisen denn auch die Abrechnungen der Ruhrzcchen pro März 1905 bedeutend höhere Gewinnziffern auf, die Frucht des Bergarbeiterstreiks. Auf alle Fälle ist der Kohleumonopolist gedeckt. ob er nun den Arbeitern Lohnzulagen bewilligt oder nicht, der Streik hat den Liefervertrag gebrochen und es steht dem Syndikat frei, die Streikunkosten auf die Schultern der Konsumenten abzuwälzen! Den„freien Händlern" bis ins letzte Glied schreibt das Syndikat die Preise vor, die verkauften Mengen sind nur am vom Syndikat bestimmten Lieferort abzusetzen, wer sich nicht fügt, zahlt pro Tonne 3 M. Strafe. Dieses Syndikat verlangt die Hinterlegung eines„Faustpfandes" in einer von ihm als„genügend erscheinenden Form", hat demnach die Abnehmer und Konsumenten jederzeit m der Hand. Sieht man sich den Liefervertrag der fiskalischen Saargruben an, so begreift man, warum die Regierungs- Vertreter recht behutsam dem Syndikatsterrorismus gegenüber den Konsumenten ausweichen. Auch der Fiskus stählt sich den Kon- sumenten gegenüber als Herr und Gebieter. Für die richtige Ankunft der Sendungen übernimmt er keine Garantie, alles geht„auf Kosten und Gefahr des Bestellers oder Abnehmers". Der Fiskus übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben über Frachtsätze, Aschengehalt der Lieferung. Körnungen der Waschprodukte ic. Für Minderlieferungen infolge Betriebsstörungen jeglicher Art braucht der FiskuS nicht nachzuliefern oder Schadenersatz zu leisten. Auch der Fiskus rechnet den Streik unter die Ursachen, die den Licferungs- vertrag ohne Nachlieferung brechen! Die königliche Bergwerks- Verwaltung darf sich ruhig den privaten Scharfmachern zugesellen und jede Unterhandlung mit der nach Aufbesserung ihrer Verhältnisse strebenden �Arbeiterschaft ablehnen, das Geschäft leidet darunter nicht, eher wird der Profit gesteigert. Wenn aber ein Besteller oder Abnehmer nicht prompt abliefert oder unpünktlich bezahlt, dann hat ihn der Fiskus in der Hand, denn er verlangt auch von seinen „Geschäftsfteunden" die Stellung einer Kaution von mindestens 1000 Mark. Wenn man nun beachtet, daß die Bergwerkssyndikate systemasisch den„fteien" Händler durch Syndikatsagenten bezw. eigene Handels- kontore verdrängen, dadurch unmittelbar auf den Konsum einwirken; wenn weiter bedacht wird, daß die Syndikate untereinander Verträge über das Ausbeutungsgebiet abschließen, die Preise gegenseitig ab- gleichen und nur liefern an Private, die selbst wieder nur den Syndikatsgesetzen unterworfen werden, dann muß doch jeder zu« gestehen. wir haben schon ein drückendes Privat« Monopol im Bergbau oder aber sind wenigstens auf dem kürzesten Wege dahin. Tatsächlich ist es schon so weit gekommen, daß gewisse Landesteile keine Kohlen bekommen können gegen den Willen der Syndikate und der ihr affilierten Kohlenhandelszentralen. Das Volk befindet sich derart in den Klauen der Kohlen- Wucherer, wie es vor wenigen Jahren noch nicht für möglich gehalten wurde. Charakteristisch für die Monopolisierung eines Produktionszweiges ist, daß die Produkte nicht in den Konsum kommen können gegen die Bestimmungen der Mono- polisten, die ihre gewalsige Macht der Eigenart des monopoli- sierten Produktes verdanken. Unsere Köhlenproduktton ist in der Hauptsache monopolisiert, das geht aus den Bedingungen hervor. denen sich die um die Lieferung des Produktes einkommenden Konsumenten bedingungslos unterwerfen müssen. Wie da noch immer von„freiem" Handel und„Bergbausteiheit" geredet werden kann, ist uns unbegreiflich. Der Antrag Gamp ist unzulänglich. Ssicht nur auf 5 Jahre muß die Felderverleihung an Private unterbleiben, sondern end- gültig ist dem Privatkapital die Ausbeutung der Minerialien. die doch Volkseigentum sind, zu entziehen. Aus den Klauen der Monopolisten und Kohlen- Wucherer kann das Volk nur gerettet werden durch die Bergbau- ver st aatlichung seitens des Reiches, dessen Parlament eine scharfe Kontrolle der verstaatlichen Bergbauwirtschaft auszuüben hat. Der Kern des Antrages Gamp ist eine Anerkennung der Ge- Meingefährlichkeit der privatkapitalistischen Produktionsweise, die durch die sozialistische abgelöst werden muß im Interesse des Volles._ 0. H. poUtifcbe debcrficht. Verlin. den 9. Mai. Ter Kronprinzenschiller! Wir haben in diesen Tagen Schillerfratzen jeglicher Art ge- sehen. Jede Gemeinheit wie jede Narrheit hat Schiller� zu ihrem Schutzheiligen aufgerufen. Wir haben Schiller den deutschen Studenten unserer Tage, den Antisemiten, den Mittelständler, den Expedition: 8Äl. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1981. Militaristen, den liberalen Kannegießer, den klerikalen Romantiker. den farblosen Scherlmann, den„ästhetischen" Aristokraten erlebt. Ja selbst für die ruhmreiche Kanalrevolte des Junkertums mußte Schiller , wie die„Deutsche Tageszeitung" verehrungsvoll schrieb, seinen Genius schützend hergeben. Die lustigste Schiller- karikatur aber hat uns der Literaturprofessor der Berliner Universität Erich Schmidt , der ein Lessingbuch einst ganz ernsthaft mit den Worten begann: Komm tapferer Lessing, bei der offiziellen Feier „gleich dem Gaukler in dem Opernhaus" vorgeführt. Er zeichnete den Schiller in nsum volxbini d. h. den Kronprinzenschiller. Es war nämlich der junge Kronprinz bei dieser Feier zugegen und auf ihn waren die Ausführungen des«erhabenen Stümpers" berechnet. Schiller hat von Professoren alle Zeit gering gedacht. Er selbst bekannte immer wieder, daß er nur um des Brotes willen die Pro- fessur ausgeübt habe und dem armen Dichter, der zeitlebens von Schulden und Gläubigern geplagt wurde, war es nicht zu ver« denken, wenn er sich schließlich auch zu einer Professur hergab, obwohl sie ihm wenig genug einbrachte. Die heutigen Literaturprofessoren verdienen allerdings ihr reichliches Brot. Jeder einzelne bezieht wohl ein größeres Einkommen jährlich, als Schiller durch die ganze Arbeit eines Jahrzehnts erworben hat. Es ist viel einträglicher geworden, über Literatur zu schwatzen, als Literatur zu machen. Herr Erich Schmidt also zeichnete einen Schiller, wie ihn krön- prinzliche Ohren vertragen können. Er schwelgte in dem Gedanken, wie herrlich es gewesen wäre, wenn er in Verlin Professor geworden wäre mid preußische Prinzen in der Geschichte unterrichtet hätte. Er hätte es ganz gut tun können, meinte der Professor, denn seine vorübergehenden Aeußerungen politisch- revolutionärer Natur seien ganz belanglos; er sei ein Aristokrat ge- wesen und habe über den Unsinn der Mehrheit ungefähr so gedacht wie sein Fürst Sapieha. Schließlich wäre Schiller gänzlich un- politisch und heute wären Mißverständnisse wie noch bei der Schiller- feier von 1859 nicht mehr möglich. Es läßt sich nicht näher über diese Rede des Professors schreiben, so lange man nur auf kurze Zeitungsauszllge an- gewiesen ist. Immerhin würde Schiller, wenn er diese Rede noch erlebt hätte, sicher seine vorteilhafte Meinung über die Brotprofessoren noch mit einigen spitzigen Worten verschärst haben. Daß aber ein Berliner Professor der deutschen Literatur- geschichte an dem Gedächtnistage des Dichters nichts Besseres zu ersinnen weiß, als den herrlichen Traum eines Schiller. der Hohenzollernprinzen Geschichtsunterricht erteilt, ist doch auch em Beitrag zu dem glorreichen Kampf um die „akademische Freiheit ", der heute gekämpft wird. Es scheint uns, als ob es immer noch besser und tapferer sei, klerikal zu sein, als byzantinisch. Gerade jetzt aber ist auch diese Legende des Kronprinzen» Schiller durch einen anderen Professor bündig t widerlegt worden. Ferdinand T ö n n i e s hat ein kleines Heft über Schiller als Zeitbürger und Polittker erscheinen lassen, eine nur wenige Seiten umfassende Schrift, die zu den paar wertvollen Erzeugnissen gehört, die aus der diesjährigen Schiller -Springflut gerettet zu werden verdienen. Tönnies beschäftigt sich im wesentlichen mit dem politisch-revolutionären Charakter des Dichters, und er weist hier nach, wie im wesentlichen durch äußere Umstände ein Bruch in Schillers EntWickelung entstanden ist, wie aus dem Revolusionär etwa ein Liberaler oder gar Konservativer geworden ist. Im Dezember 1791 schrieb einmal Schiller an Jens Baggefen: „Von der Wiege meines Geistes an bis jetzt, da ich dieses schreibe, habe ich mit dem Schicksal gekämpft und seitdem ich die Freiheit des Geistes zu schätzen weiß, war ich dazu verurteilt, sie zu entbehren." In der Tat war Schiller niemals ganz unabhängig. Schon in seiner Jugend wußte er sich Rücksichten seiner Existenz anzupassen. Während er an seinen Landesvater, dem er desertiert war, devote Briefe schrieb um gewisser Vorteile willen, machte er sich auf Vorhaltungen seiner Freunde über diese Farce lusttg. Es geht durch die ganze Eut- Wickelung Schillers ein solcher Zwiespalt, der dann in den letzten Jahren jene Erscheinungen hervorruft, die, zwar auch innerlich vorbereitet, doch niemals den peinlichen Charakter angenommen hätten. wenn nicht der äußere Zwang hinzu- getreten wäre. TönnieS zeigt Schritt für Schritt die politischen Wandlungen Schillers und ihre Motive auf und zwar nicht in willkürlichen spekulativen Konstrukttonen. sondern durch urkundlich zwingende Nachweise. Besonders bedeutsam ist der Vergleich, den Tönnies zieht zwischen den„Briefen über die ästhettsche Erziehung des Menschen", wie sie im Druck veröffentlicht worden sind, und wie sie ursprünglich an den Herzog von Augusten- bürg geschrieben waren. Auch die Originalbriefe sind schon an die revolutionären Antipathien des Adressaten angepaßt. Immerhin enthalten diese noch zu verstehenden Aeußerungen über die französische Revolution Aeußerungen von starkem politischen und sozialen Radikalismus. Und gerade diese wichtigsten Stellen sind dann für den Druck gestrichen worden, infolgedessen die Briefe in ihrer veröffentlichten Gestalt viel blasser und vielfach in ihrem Zu* sammcnhang auch dunkler sind, als die ursprünglichen Darlegungen, Tönnies hat auch kürzlich in einer Zeitschrift aus den Nachlaß- notizen Schillers unwiderlegbar nachgewiesen, daß Schiller sich mit der Sentenz im„Demetrius ": Was ist die Mehrheit, Mehrheit ist der Unsinn usw.. keineswegs idensifiziert hat. sondern daß ev gerade diesen Satz Sapiehas als Ausdruck einer oligarchischen Anschauung betrachtet wissen wollte, d. h. der Pöbelherrschaft einer Aristokratenclique. Indessen, wie sehr auch Schiller unter dem Einfluß feines deutschen Zeitalters wie untsr dem Druck sumr perMlichen Ver-
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