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Nr. 200.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit fluftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Defterreich­Ungarn 2 M., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1892 unter Nr. 6652.

Vorwärts

9. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­and Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fernsprech- Anschluß Amt I, Nr. 4186.

Berliner Bolksblatt.

1

of

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Benth- Straße 2.

Bwet Gegenwartsbilder.

I.

Unter der Ueberschrift: So sieht es im Erz­ gebirge aus", theilt eins unserer sächsischen Partei­Organe, die Wurzener Zeitung", nachstehenden Bericht aus dem stockkonservativen Flöhaer Amtsblatt" mit, also ficher aus einer unverdächtigen Quelle:

Man bemühe sich nur einmal hinauf in jene welt- und verkehrentrückten Gegenden, wie Seifen( im fächsischen Erz­ gebirge ) und andere Orte. Man trete ein in eines der hüttenähnlichen Häuser, in der eine Spielwaaren­Arbeiterfamilie haust.

Vielleicht trifft man fie gerade beim Mahle, oft ein ganzes Dußend um den ärmlichen Tisch gruppirt, auf rohgezimmerten Bänken sigend und den eher Spülwasser zu nennenden Kaffee schlürfend und Kartoffeln daju effend.

Kartoffeln und Kaffee, das ist die alltägliche Litanei der Mahlzeiten.

Nur die Grenzzoll- Erleichterungen auf Mehl und Brot ermöglichen es den Familien, Sonntags wenigstens Brot effen zu können.

Ueber das erbärmliche Wie? ihrer Lebensweise hätten wir uns also orientirt; nun brauchen wir uns gar nicht erst über ihren Verdienst zu befragen, wir können es uns lebhaft denken.

Ja früher, vor 20 und 30 Jahren, war das anders, da athmete alles Wohlstand, Freude und Fröhlichkeit; da standen die Spielwaaren über noch einmal so hoch im Werthe und die Holzpreise waren noch einmal so billig.

Damals fonnten fleißige Familien bis zu 50 Thalern Werth in Waaren wöchentlich fabriziren, an denen sie bis 30 Thaler Verdienst hatten, und jetzt verdient eine ganze Familie in der Woche oft nur 4-6 Mart, höch stens einmal 15-17 Mart.

Sonnabend, den 27. August 1892.

Die gesteigerte Nachfrage bewirkte eben höhere Holz- Preis­notirungen. Den Holz- Spielwaaren erwuchs dagegen be­deutende Konkurrenz durch die billiger herzustellenden Spiel­waaren aus Papiermasse und Blech. Wie schnell konnten nicht die neuen Maschinen mit einem einzigen Druck die schönsten Figuren mittels Formen preffen und zu welch fabel­haft billigen Preisen?..."

Hierzu bemerkt unser Bruderorgan:

Man muß dem konservativen Blättchen dankbar für die Ausführungen fein. Vielleicht bekommt es von geeigneter Stelle für seine unbedachte Offenheit und für die Leichtfertigkeit, mit der es diesen wichtigen Bericht aufgenommen hat, eine Nase; denn es ist nicht allerorten erwünscht, daß solche Thatsachen an die Deffentlichkeit gelangen. Nun, mag das Blatt fehen, wie es mit der Nase fertig wird; wir wollen unterdeß seinen Bericht uns ansehen. Da wird zugestanden,

daß erstens Wohnung und Ernährung erbarmungs­würtig schlecht sind; Kartoffeln und Spülwasser, genannt Raffee, bilden den täglichen Speisezettel,

daß zweitens die Herabsehung der Getreidezölle den armen Gebirglern wenigstens Sonntags den Genuß von Brot ermöglicht,

daß drittens die Niedrigkeit der Löhne aller Beschrei­bung spottet,

daß viertens die Fortschritte der Technik die Proleta­rifirung der Maffen beschleunigen und

daß fünften 3 die Konkurrenz", also die planlos anarchistische Produktionsweise nicht die Hoffnung aufkommen läßt, es fönne eine Besserung der Verhältnisse eintreten.

Mehr Zugeständnisse kann man von einem konservativen Blatte billigerweise nicht verlangen. Bezeichnend, wenn auch nicht unerklärlich, ist es, daß teins der übrigen Amtsblätter Sachsens den Bericht abdruckt, während sie doch sofort der Welt zu verkünden wissen, wenn ein Prinz ein Böcklein ge­schoffen hat.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Unsere Nachbarn im Westen lachen sich natürlich ins Fäustchen ob des närrischen Gebahrens und der selbstmörde­rischen Absichten ihrer lieben deutschen Konkurrenten, sie freuen sich, wenn auf das nun schon jahrelang getriebene vernunft­widrige Handeln einzelner Firmen endlich der unvermeidliche Generalfrach hereinbrechen wird.

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Man wolle uns nicht etwa den Vorwurf einer etwas allzu deutlichen Sprache machen, wenn wir von vernunft widrigem Handeln reden, denn es ist ein solches, wenn, wie es thatsächlich der Fall ist, die meisten Fabrikanten gar nicht dazu kommen, ihre Tapeten auf Grund einer faufmännischen Kalkulation auf den Markt zu bringen, sondern einfach durch eine gewisse Konkurrenz veranlaßt sagen: Ronfurrent Xund Y liefert ähnliche Dessins und Kolorits zu dem und dem Preise, ergo fannst auch du nicht mehr verlangen, obgleich bei dem Preise nichts verdient werden kann! Früher sand eine derartige Unterbietung wenigstens nur bei minderwerthigen ein- oder zweifarbigen Tapeten, bei den sogenannten Lock vögeln" statt, jetzt Göttin der Vernunft verhülle dein Haupt! es giebt fast tein Genre mehr in der großen Stala der Tapeten- Sorten, an welchem noch irgend etwas Nennens werthes verdient werden kann.

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Dabei wachsen die Unkosten von Jahr zu Jahr mehr, natürlich, das Ueberwasserhalten" kostet Geld, und die Errungenschaften früherer besserer Jahre wandern un­aufhaltsam in den unerfättlichen Orkus, der sich durch maßloses Konkurrenz- Getriebe zu immer gähnenderem Schlund öffnet, bis endlich auch der größte Geldbeutel zusammengeschrumpft und der Kassaschrank des opferwilligsten Bankiers ein siebenmal Dersiegeltes Buch geworden ist.

Dann aber ist es zu spät zum Handeln!

Nachdem die Tapetenzeitung" auf diese Weise den Jammer und die Planlosigkeit der manchesterlichen Privat­produktion geschildert hat, macht sie den Vorschlag, die Tapetenfabrikanten sollten sich allesammt zu einer großen Damit der Bericht die verdiente Verbreitung erlange, Aktiengesellschaft zusammenthun; die Kosten der mußten sich schon die verwünschten sozialdemokratischen Blätter der Aufgabe unterziehen, ihn bekannt zu machen.

"

Herstellung würden dadurch um das Bierfache vers mindert, und man mache ein gutes Geschäft, während jetzt Alles dem Ruin zugehe.

"

Wenn Herr Eugen Richter das liest, wird er in Dhn­macht fallen. Das freie Spiel der Kräfte" so grausam 23 a 3 ad absurdum geführt! Und als letzter Rettungsanker ein Trust, ein Kartell, ein Monopol zur gemeinschaftlichen Aus­beutung der Arbeiter und des Publikums! heiliger Manchester !

Es seien nur zwei Beispiele angeführt, welche die erbärm­Man mag sich drehen und wenden, wie man will: Giebt lichen Lohnverhältnisse trefflich illustriren. Das Schniheln man das Bestehen des Elends zu, so muß zugleich zugestanden der Kleinsten Thiersorten wird mit einem Pfennig pro werden, daß nur der Sozialismus Hilfe schaffen fann. Schock entlohnt, das Bemalen und Fertigmachen( ein­fchließlich spesenfreier Lieferung) mit bis zwei Pfennig. In der deutschen " Tapetenzeitung", einem Organ der Und 40 Schock ist viel, was eine Familie davon täglich fertig- Unternehmer, finden wir unter der Ueberschrift: stellen kann. will das werden!" einen herzbrechenden Nothschrei. Wir lesen da: Was will das werden! So muß man unwillkürlich aus rufen, wenn man feinen Gefühlen über das Leben und Treiben Nein, wenn denn einmal die Produktion zentralisirt in der Tapetenfabrikation mal wieder Ausdruck zu geben sich werden muß, dann sozialistische Zentralisation und gedrungen fühlt. Wie segensreich die Bestrebungen des nicht kapitalistische, die blos auf organisirten Raub hinaus­" Fabrikanten- Vereins" einerseits und des" Tapeten- Händler läuft.

1,20 Mart pro Tag fäme also für die ganze Familie bei höchster Leistungsfähigteit.

Das Herstellen von Thieren mit wirklichen Hörnern, also einem Artikel, von dem man meinen sollte, daß er beffer lohnt, bringt drei Arbeitern wöchentlich nur 5 bis 6 Mart Lohn.

Für einen Satz Thiere( zwölf Stüd) werden 1,50 Mart gezahlt, und wöchentlich können etwa sechs Sätze fertiggestellt werden, was 9 Mart Erlös giebt, von dem noch die Roh­materialpreise abgezogen werden müffen.

Woher tommt aber diefer Preisrückgang der Spielwaaren, woher der Preisaufschlag des Rohmaterials?

Die lettere Frage ist ja leicht beantwortet; der Grund ist der, daß in den letzten Jahren auch andere Industrien ge­steigerten Holzverbrauch aufweisen, z. B. die Holzschleifereien.

Feuilleton.

Nachbruc verboten.)

Die Waffen nieder!

Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner . Hier wurden wir unterbrochen. Ein Diener brachte einen Brief herein. Von Gustav!" rief Lori freudig, indem sie das Siegel brach Nachdem sie ein paar Zeilen gelesen, stieß sie einen Schrei aus; das Blatt entfiel ihren Händen und sie warf fich an meinen Hals.

Lori

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mein armes Herz, was ift's?" fragte ich, tief ergriffen Tein Mann?..."

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Vereins" andererseits auch zum Theil bereits gewirkt haben, Und vielleicht schickt Herr Richter seine Agnes gelegent­so tann von wirklicher Befferung in der Branche doch so lange noch nicht die Rede sein, als es einzelne Fabrikanten giebt, lich einmal ins Erzgebirge , um Unterricht im Sparen zu die fast sollte man es glauben- ein Vergnügen und Ver geben. Nicht wahr? dienst darin suchen, die Konkurrenz zu unterbieten und zu Breifen zu verkaufen, mit deren Festsetzung sie sich selber die Schlinge um den Hals legen, die ihnen nach und nach die Buste " verringert und schließlich dass nur noch am Flackern begriffene Lebenslicht ganz ausbläst.

Bis dahin war ich gekommen," sagte sie leise. Mit thränenerstickter Stimme las ich weiter.

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Art Hochachtung, die mir wohlthat. In meinem traurigen Schicksal lag für sie offenbar eine gewisse Weihe, etwas, " Dein Mann ist unversehrt und so auch ich. Hätte was mich über meine Umgebung erhob selbst eine die feindliche Kugel doch lieber mich getroffen: ich bencide Gattung Verdienst. Neben dem Blute, das die Soldaten Karl um seinen Heldentoder fiel zu Anfang der Schlacht, auf dem Altar des Vaterlandes vergießen, bilden ja die am und weiß nicht, daß diese wieder verloren ist. Das ist selben Altar vergoffenen Thränen der beraubten Soldaten­gar zu bitter. Ich habe ihn fallen gesehen, denn wir mütter, Frauen und Bräute die nächste heilige Libation. ritten nebeneinander. Ich sprang gleich ab, um ihn auf So war es auch ein leises Stolzgefühl ein Bewußtsein zuheben nur noch einen Blick und er war todt. Die daß es sozusagen eine militärische Würde vorstellt, eines Kugel muß ihm durch Herz oder Lunge gedrungen sein; es geliebten Mann auf dem Felde der Ehre verloren zu haber war ein schnelles, schmerzloses Ende. Wie viele Andere welches mir meinen Schmerz am besten tragen half. Und mußten stundenlang leiden und mitten im Toben der Schlacht ich war ja nicht die einzige. Wie Viele, Biele im ganzen hilflos daliegen, bis sie der Tod erlöste. Das war ein Land trauerten jetzt um ihre in italienischer Erde ruhenden mehr als tausend Leichen Freund Lieben... mörderischer Tag

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und Feind bedeckten die Wahlstatt. Ich habe unter den Nähere Einzelheiten über Arnos Ende sind mir das Todten so manches liebe, bekannte Gesicht erkannt das mals nicht bekannt geworden; man hat ihn todt auf­ist unter anderen auch der arme( hier mußte die Seite gefunden, agnoszirt, begraben, das war alles, was ich umgewendet werden) der arme Ario Dotzky" Ich fiel wußte. Sein letzter Gedanke war gewiß zu mir und zu ohnmächtig zu Boden. unferem kleinen Liebling geflogen, und sein Trost im letzten Augenblick muß das Bewußtsein gewesen sein: Ich habe Jetzt ist alles aus, Martha! Solferino hat entschieden: meine Pflicht mehr als meine Pflicht gethau. sind geschlagen." Mit diesen Worten kam mein Vater eines Morgens

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O Gott , o Gott ," stöhnte sie. Lies selber..." Ich hob das Blatt vom Boden auf und begann zu lesen. Ich kann den Wortlaut genau wiedergeben, denn in der Folge habe ich den Brief von Lori mir erbeten, um wir dessen Inhalt in mein Tagebuch zu übertragen. " Lies laut," bat sie- ich habe nicht zu Ende kommen tönnen." Ich that nach ihrem Wunsche; Ich war mit meinem kleinen Rudolf in mein Mädchen- seufzte ich. Liebste Schwester! Gestern hatten wir eine heiße heim zurückgekehrt. Acht Tage nach dem großen Schlage, der

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wie es

Wir sind geschlagen," wiederholte mein Vater düster, auf das Gartenplätzchen geeilt, wo ich unter dem Schatten indem er sich neben mich auf die Gartenbank setzte. Also wurden die Geopferten umsonst geopfert," einer Lindengruppe saß. Die Geopferten sind zu beneiden, weil sie von der das wird eine große Verlustlifte geben. Damit mich getroffen, übersiedelte meine Familie nach Grumit, Schmach nichts wissen, die uns getroffen hat. Aber wir damit unsere arme Mutter nicht aus dieser das unserem Landsit in Niederösterreich , und ich mit ihr. Allein werden uns schon noch aufraffen, wenn auch jetzt Friede geschlossen werden soll-" Unglück erfährt und damit Du sie langsam vorbereiten hätte ich ja verzweifeln müssen. Jetzt waren sie wieder Alle heißt Ah, Gott geb's!" unterbrach ich. Für mich Arme Tönnest( sag', er sei schwer verwundet) schreibe ich Dir lieber um mich, wie vor meiner Verheirathung: mein Vater, gleich, daß zu den für das Vaterland gefallenen Kriegern Tante Marie, mein kleiner Bruder und meine zwei auf freilich zu spät... aber so werden doch tausend Andere auch unser tapferer Bruder Karl zählt." Ich unterbrach blühenden Schwestern. Sie Alle thaten, was sie nur fonnten, verschont." mich, um die Freundin zu umarmen. meinen Rummer zu lindern, und behandelten mich mit einer

Schlacht

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Du

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Du denkst immer nur an Dich und an die einzelnen