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Nr.M. 22. Jahrgang. 2. Iciltgc des Jonwtto" Kerlim Holblilitt Domterstsg, fl. Mai MS. ßcrUner JVacbncbtcn. EinKampf" gegen Phantasiegebilde. Die Wahlen der Arbeitgeberbeifitzer zum KaufmannSgericht. die gestern stattfanden, vollzogen sich unter einer krankhaften Angst vor der Sozialdemokratie. Von etwa 1SOOV wahlberechtigten selb­ständigen Kaufleuten haben 4432 ihr Wahlrecht ausgeübt. Selbst diese traurige Wahlbeteiligung wäre nicht erzielt worden, wären nicht alle Wahler seit vorgestern mit einer Reihe von Flugblättern und Karten bombardiert worden, in denen schauerlich zu lesen war, daß die Sozialdemokratte sich sämtlicher Arbeitgebermandate be- mächttgen und emKlassengericht" errichten wolle. Dieser Aufwand von Geld und Kraft eine Aeußerung von Geist war dabei nicht wahrzunehmen, um eine verehrliche Kaufmannschaft mit Entsetzen vor der Sozialdemokratie zu erfüllen, kann erst die reichlich verdiente Heiterkeit auslösen, wenn man erfährt, daß überhaupt keine sozialdemokratische Liste vor- handen war. Zur Wahl standen drei Listen. Die Liste I um- faßte den Berein Berliner Kaufleute und Industrieller, den Zentral- ausschuß hiesiger kaufmännischer, gewerblicher und industrieller Vereine(mit 48 Einzelvereinigungen), den Bund der Industriellen, den Bund der Handel- und Gewerbetreibenden, den Verband Berliner Spezialgeschäste, das Komitee für wirtschaftlich liberale Wahlen, den Verein Berliner Getreide- und Produktenhändler, den Verein für die Interessen der Fondsbörse, den Verein der Arbeit- geber-Beisitzer. Die Liste II mit zehn Namen war von den Kohleninteressenten aufgestellt. Die Liste III war jeneFreie Arbeitgeberliste", die von den Managern der Liste I und der von ihnen inspirierten bürgerlichen Presse als.sozial- demokrattsche" bezeichnet wurde. Sie enthielt 22 Kandidaten, unter denen sich auch einige Sozialdemokraten befanden. Diese Liste wurde aufgestellt, weil freidenkende, sozialpolittsch ver- ständige Kaufleute durch das Scharfmachertreiben der verbündeten Bereine angewidert wurden. Außer der Verschickung von Sttmm- zetteln an einen kleinen Kreis persönlich bekannter Kauflente haben die Träger dieser Liste überhaupt keine Agitation betrieben. Es fehlten also zur Eroberung der Arbettgebersitze durch die Sozialdemokratte nur das Vorhandensein einer sozialdemo­kratischen Liste und auf der fälschlich als sozialdemokrattsch bezeichneten Liste III 78 Kandidaten. Diese doch gewiß augenfälligen Tatsachen find natürlich den Veranstaltern der anttsozialdemokrati- scheuHetz" nicht verborgen geblieben. Doch es galt mehr. Gewisse Herren, die bei Schillerfeiern und WohltättgreitSveranstaltungen glänzen, denen aber heiß erstrebte Handelskammerehren vorenthalten werden, hatten das Bedürfnis, sich nun auf dem dankbaren und ehrendolle» Gebiet der Staatsrettung auffällig hervorzutun. Da der Staat hier nicht zu retten war, mutzte eben eine revoluttonäre Gegnerschaft künstlich geschaffen werden. So kam nun diesozial- demokratische' Liste zu stände. Bon den abgegebenen Sttmmen entfielen: auf Liste 1 4318 Sttmmen, gewählt sind 97 Beisitzer II 23. ist 1 ,. IH 88 sind 2 4432 Stimnien 109 Beisitzer. Die.Freie Arbeitgeberliste" hat erfteulicherweise ohne alle Mühen 2 Sitze erlangt. Die anscheinend geringe Wahlbeteiligung der Kaufmannschaft wäre vielleicht noch schlechter gewesen, hätte nicht so manche in Angst und Schrecken getriebene Kaufherrnseele der Sozialdemokratie die unglaubliche Leistung zugettaut mit 22 zum große» Teil nicht sozialdemokratischen Kandidaten 100 Mandate für die Sozialdemokratie zu erobern. Der Wahlschwindel sei ver- geben bewährte sich doch die Sozialdemokratte als Erzieherin zur Ausübung des Wahlrechts. Di« Massendettelei des Kinderhülfstages soll im ganzen einen Sammelerttag von S3 000 M. gebracht haben. Die Unkosten werden jetzt auf 12 000 M. angegeben. Die öl Vereine, die sich dem Unter- nehmen angeschlossen hatten, werden also nur 41 000 M. unter sich zu verteilen haben. Daß diese für die Kinder der Armen bestimmte Summe zusammengebettelt worden ist unter Mithülfe von Kindern der Armen selber, das haben wir bereits mit- geteilt. Die von uns genannte. Gemeindeschule in der Bernaner- straße ist nicht die einzige, in der man Kinder ftir die Massenbettclei angeworben und sie mit der Sammelbüchse in die Häuser geschickt hat. Inzwischen ist uns aus unserem Leserkreise eine Reihe von Mitteilungen zugegangen, aus denen sich ergibt, daß man sich denselben Unfug auch in anderen Schulen, die in den verschiedensten Stadtteilen liegen, gestattet hat. Wir wieder- holen daher unsere öffentliche Anfrage, ob das mit Wissen und Willen der städtischen Schulverwaltung geschehen ist. Bisher ist eine Ant- wort darauf noch nicht erfolgt. Infolge unserer Veröffentlichung hat in der 3. Klasse der. Gemeindeschule der Lehrer U. und auch der Rektor P.(der, nebenbei bemerkt, zu den Hauptarrangeuren des Kinderhülfsrages gehörte und dort den Posten eines Schriftführers bekleidete) eine Art Verhör angestellt. Dabei ist versucht worden, die vomVorwärts" gegebene Darstellung leicht zu korrigieren, doch ist dem Lehrer U. aus der Mitte seiner Schüler geantwortet worden, daß sich alles genau so abgespielt habe, wie es imVorwärts" ge­standen. Am Ende ist die S ch u l v e r w a l t u n g doch unschuldig. Und die Schuldigen haben nach unserer Veröffentlichung sich auf eine Untersuchung durch den zuständigen Schulinspektor gefaßt zu machen? Licht, Luft und Sonne. Die Stadtverordneten Dr. Arons und Genossen haben der Stadtverordneten-Versammlung folgenden Einspruch unterbreitet:Wir erbeben Einspruch gegen den Vor- schlag des Petitionsausschusses hinsichtlich der Pctttton(Journal Nr. 16ö von 1904) Petitton des Verbandes der deutschen A erz t e- vereine für physikalisch-diätettsche Therapie(Naturheillehre) um Er- richtung von Licht-Luftsportbädern von Kommune wegen. Wir be- anspruchen auf Grund des ß 31 der Geschäftsordnung eine Bericht« erstattung an die Stadtverordneten-Versammlung". Zum Verständnis dieses Einspruches sei bemerkt, daß der genannte Verband der Stadt- verordneteit-Versainmlung im September v. I. ein Gesuch unter- breitet hatte, durch da? er um die Errichtung von solchen Bädern auf umzäunten Wiesen, auf denen unbekleidet geturnt, ge- spielt und Sport betrieben werden könne, bat, denn er halte die staatliche Errichtung der Luftbäder für eine unabweisbare Forde- rung der öffentlichen Gesuiidheitspflege. Die Petenten, welche durch Beschluß der Versat«mlung von, 8. November 1904 auf den Jnstauzenzug verwiesen worden waren, teilten nun unter Hinweis auf ihre Petition mit, daß sie schon von der Deputation ftir die städtischen Krankenanstalten die Autwort erhalten hätien. daß diese ein Bedürfnis zur Errichtung von städtischen Luftsportbädern nicht anerkennen könne. Im Petitionsausschuß waren die Ansichten geteilt. Dagegen wurde recht fadenscheinig eingewendet, wenn die schon bestehenden Bäder von so guten finanziellen Erfolgen begleitet seien, so läge gar kein Grund vor. ihre Herstellung nicht Privatunternehmern zu über- lassen, aber auch hygienische und andere Gründe ließen eS bedenklich erscheinen, diese Sache als öffentliche in die Hand zu nehmen. Ein Anttag. die Petition dem Magistrat zur Erwägung zu überweisen, wurde schließlich abgelehnt, und hierauf Uebergang zur Tages- ordnung beschlossen. Ein Opfer der Schleifenfahrt. Von einem eigenartigen llnalücks« falle gibt ein Pensionsantrag des Polizeipräsidenten betteffS des 31jährigen Feuerwehrmannes Karl Gabbert Kunde. Während dieser als Feuerlvache im ZirkuS Busch Dienst tat, hielt er sich auf «xner Seilentreppe auf; der Schleisenfahrer Moral ver- fehlte an jenem Abend die Bahn und fuhr mit seinem Rade mit großer Geschwindigkeit jene Treppe hinan, auf der G. Posto gefaßt hatte. Dieser wurde mtt voller Wucht zu Boden geworfen und trug außer einigen äußeren Verletzungen eine Erschütterung des Zenttal- Nervensystems davon, von ivelcher er heute noch nicht wieder her- gestellt ist. Die Aerzte halten den Verunglückten nicht mehr für fähig zum Feuerwchrdienst, weshalb jetzt, nach Jahresfrist, seine Pensionierung erfolgen mutz. Soziale Reform. Seit kurzem erscheint hier eine ZeittmgDas Reich, nattonale Tageszeitung für soziale Reform". Von den sozialen Reformtaten des Blättchens geben wir zur Belustigung unserer Leser hiermit eine kleine Probe: DerVorwärts", der SpitzelaffSren gern in ausführlichster Weise behandelt, hat sich die neueste Spitzelaffäre leider ganz ent- gehen lassen. Es war bei der S ch i l l e r f e i e r der freien Volks- bühne in der Philharmonie, die seitens dergebildeten" Berliner Sozialdemokratie bekanntlich mit dem großen Banne belegt war. Im Vorraum der Philharmonie stand in roter Krawatte und Zylinder Herr König, der stellverttetende Verttauensmann im dritten Berliner Reicbstags-Wahlkreise, gleichzeitig Mitglied der BerlinerL o k a l kommi ssion, um festzustellen, ob jemand es wage. wider den Befehl der Lokalkommission Schiller zu feiern. Es wird versichert, daß der Parteispitzel auf einen bedeutenden Um- kreis jenegeistige" Atmosphäre um sich verbreitete, die von Nordhausen stammt. Leider konnte der Herr nicht lange observieren. Mitglieder der Volksbühne requirierten einen Haus- knecht, der respektlos genug war, den Parteispitzel an die Luft zu setzen. Wie verlautet, beabsichtigt die Lokalkommission zum Ersatz für solchenUnbill im Dienst" ihrem Genossen König eine rote Ehren- Pickelhaube zu verleihen." Zur Sache selbst weiß jeder organisierte Parteigenoffe, daß eS erstens keine stellvertretenden Vertrauensmänner in der Berliner Partei gibt und daß zweiten? ein Herr König weder der Körper- schaft der VerttauenSmänner noch der Lokalkommisfion angehört. Richttg ist nur, daß einige Parteigenossen sich die Veranstaltung der Neuen freien Volksbühne, die dasReich" in seiner Unwissenheit nicht einmal von der Freien Volksbühne zu unterscheiden weiß, nebenher von außen betrachtet haben. Daraus hat den» das im pfäffischen Sinn geleitete Blatt sich seine Räubergeschichte zurecht- gemacht. Hätte irgend ein erfahrener Sozialistenfeind dem Blättchen bei Abfassung der'Nottz zur Seite gestanden, so würde dieser dem Neuling von Redakteur gesagt haben, daß soziale Reformtaten seines Kalibers im Kampf mitgeistigen" Waffen längst zum alten Eisen geworfen find, weil sie noch viel weniger einen Hund hinter dem Ofen hervorlocken als die berühmte offizielle Sozialreform. Auch eine Schillerfeier. Voller Erwartungen hatte sich gestern abend ein zahlreiches Publikum in der Viktoria-Brauerei(Lützow- sttatze) eingefunden. DasModern-realistische Resideuz-Theater" unter der Leitung des Schriftstellers Bogislaw Kristaller, nach anderer Lesart auf den Karten Bogislaw de Kristallener, wollte den Don Carlos" geben. Wer nicht zu seiner Eintrittskarte ein Pro gramm zu 30 Pfennig nahm, wurde nicht eingelassen. Am Schluß der Vorstellung sollte eine großeSchiller-Apotheose" stattfinden. Aber schon das vom Direktorbearbeitete" Vorspiel auf dem Theater ließ so schreibt dieB. Z. am Mittag" die düstere Ahnung wach werden, daß es viel früher zu einem Nachspiel an der Kasse und vielleicht zu einer Bearbeitung des Direktors kommen werde. Der Klavierspieler, der dasKonzert" in den Pausen da* stellen sollte, verzichtete bald auf Geld und Lorbeeren und lief da- von. Die Zuhörerschaft aber war von den Leistungen der Künstler" dermaßenhingerissen", daß daS schlimmste zu befürchten stand. Nur der Wirt wendete eine Katastrophe ab. indem er für den unsichtbar gewordenen Direktor alle Einttitts- und Programnrgelder anstandlos zurückzahlte. Oben auf der Bühne aber ergriff unter den stürnrischen Abzugsrufen der Zuhörer von den spanischen Granden und Fürstinnen einer um den anderen eiligst die Flucht. Warum der Berliner Oberbürgermeister nach Strasburg reist Wie offiziös gemeldet wird, hat der Kaiser, der sich zurzeit in Stratzburg i. E. aufhält, dort Mittwoch abend den Oberbürger- meister K i r s ch n e r und den Stadtbaurat Hoffmann von Berlin empfangen. Zweck der Reise dieser beiden Herren war, dem Kaiser Pläne vorzulegen, die die Ausschmückung der Stadt Berlin beim Einzug der Braut des Kronprinzen Betreffen. Uebrigens hat sich die Forderung für die Ausschmückung der EiuzugSstraße noch um 20 000 M. erhöht, so daß im ganzen ISO 000 M. von der Stadtverordneten-Versammlung verlangt werden Es sollen die am Pariser Platz geplanten Tribünen und Podien erheblich vergrößert, die Musikkapellen verstärkt werden und eS ist, behufs wirksamerer Unterstützung der von den Anwohnern geplanten Illumination, auch die Beleuchtung der Monumental bauten am Pariser Platz mittels elektrischer Scheinwerfer in Aussicht genommen. Endlich sollen auch die Kranken und Hüls losen, die dem Einzügefernbleiben müssen", der Festesfteude teil- haftig werden dadurch, daß in den städtischen Anstalten eine festliche Bewirtung stattfindet. Vielleicht nimmt der Magistrat auch in Aussicht, alle anderen freiwillig oder unfreiwillig dem Einzüge fernbleibenden Leute abzu- speisen, sei eS auch nur mit Redensarten. Ein neuer Fall von Genickstarre ist in Groß- Berlin festgestellt worden. Es handelt sich um die neun Jahre alte Tochter des GaS- anstaltsarbeiters Oberbeck auS der Prinz Handjerystr. 44/45 zu Rixdorf. Sie wurde gestern nach der Charitö gebracht. Den früher Erkrankten geht es gut. Der Monteur Misch, dessen Zustand anfangs zu Bedenken besonders Veranlaffung gab, ist bereits geheilt und aus dem Krankenhaus entlassen. Bei der Maifeier im Feldschlößchen ist, wie unS der Vertrauens- mann des sechsten Wahlkreises mitteilt, ein neues Notizbuch mit Namen sowie ein Portemonnaie mit geringem Inhalt und zwei Schlüsseln gefunden worden; in der Norddeutschen Brauerei eine Zigarrentasche. Man wolle die Gegenstände bei Fahrow, Ravens straße 6, abholen. Die Betriebsleitung der Berliner elektrische» Straßenbahnen teilt unS mit, daß am Montag, den 8. d. M., die landespolizeiliche Ab- nähme der Straßenbahn Pankow Niederschönhausen bis zum Bismarckplatz daselbst stattgefunden hat; der Betrieb wurde sofort aufgenommen. Die Abnahme und Inbetriebsetzung der Strecke von dem Bismarckplatz bis zur Platanenstraße wird voraussichtlich noch Ende dieser Woche erfolgen. Unter Einbeziehung der bestehenden Straßenbahnlinie Mittelstraße Pankow verkehren jetzt von der Mittelstraße Ecke Friedrichstraße Straßenbahnzüge alle 10 Minuten bis zum Bißmarckplatz, und alle 20 Minuten bis zur Platanenstraße in Niederschönhauseu. An Tagen starken Verkehrs werden Sonder- züge von der Gartenstraße Ecke Jnvalidenstraße und von der Prinzen-Allee Ecke Badstraße eingelegt. Zeugen gesucht. Personen, welche gesehen haben, wie Sonn- abend abend kurz nach 9 Uhr auf der Straßenbahn(Stadtring) ein Mann verunglückte, werden gebeten, sich Greifswalderstr. 221/23, 2. Hof, 3 Tr. bei Villing zu melden. Eine Schwindlerin treibt seit einiger Zeit in Berlin und Um- gegend ihr Unwesen. Sie sucht bekannte Parteigenossen auf und gibt sich bald für die Frau des ReichstagS -Abgeordneten Hoffmann, bald für eine Frau Krebs auS. deren in der Parteibewegung tätiger Mann im Sterben liege. Durch Auftischung von allerhand Räuber- geschichten ist es der Frau in einer ganzen Reihe von Fällen ge- lungen, mitleidigen Parteigenossen Geld abzuschwindeln. Die Person ist zwischen 30 und 40 Jahre alt. von etwas über mittlerer Größe. ziemlich stark und hat schwarzes Haar. Gewöhnlich tritt sie dreist mit der Frage auf. ob man sie denn gar nicht mehr kenne, sie habe sich seit einiger Zeit infolge ihres äußerlich keineswegs wahr- zunehmenden Elends sehr verändert. Selbstmord eines Liebespaares. Im Forst bei Ober-Schöneweide hat gestern abend der 37 Jahre alte Buchdrucker Emil Wodtke aus Rixdorf seine Geliebte und dann sich selbst erschossen. Ueber die Tat selbst geht uns folgender Bericht zu: Der Buchdrucker Emil Wodtke aus Rixdorf lebte seit längerer Zeit von seiner Frau ge« trennt und unterhielt mit der Anlegerin Emma Neugebauer auS der Gneisenaustraße seit zirka einem Jahre ein Liebesverhältnis. Die letzten Osterfeiertage verlebte W., welcher Vater von drei Kindern im Alter von 8 bis 13 Jahren ist, bei seiner Ehefrau, Ziethenstr. öS zu Rixdorf. Bei dieser Gelegenheit bat er diese, sich doch wieder mit ihm zu vertragen, was Frau W. jedoch ablehnte. Wiederholt bat W. seine Frau, dann doch in eine Ehescheidung zu willigen, aber auch dies lehnte Frau Wodtke ab, da er seine Geliebte nicht heiraten sollte. Am vergangenen Mittwoch erschien W. aber« mals in der Wohnung seiner Eheftau und bat, ihm zu gestatten, die Nacht dort bleiben zu dürfen, da er ja doch bald stürbe. Frau W. ging hierauf auch ein. Gestern nachmittag fuhr der Buchdrucker mit seiner Geliebten nach Ober-Schöneweide. Hier schoß er mit einem Revolver, welchen W. schon seit langer Zeit bei sich ttug, erst der Nengebauer und dann sich selbst eine Kugel in den Kopf. Der Tod trat bei Beiden auf der Stelle ein. Die Leichen sind nach der Halle des Gemeinde- Friedhofs in Ober-Schöneweide gebracht worden. Die amtlichen Vernehmungen haben ergeben, daß auch die N. wiederholt Selbst« mordgedanken geäußert hat und ist deshalb anzunehmen, daß W. die Tat im Einverständnis mit der Neugebauer miternommen hat. Wegen Brandstiftung wurden der Zigarrenhändler Hermann Wolff aus der Lippehnerstraße 2S und seine Frau verhaftet. Der 27 Jahre alte Ehemann Hermann Wolff war Arbeiter bei der städtischen Gasanstalt in der Danzigerstraße und hatte nebenbei seit dem 1. April v. I. einen Zigarrenhandel, den seine 2Sjährige Frau, die früher Verkäuferin bei einem Bäckermeister war. versah. Die Leute wohnten mit ihrem sechs Monate alten Kinde hinter dem Laden. Nachdem sie am Sonntag vor acht Tagen abends �auS« gegangen war. bemerkte die Pförtnerfrau, daß ihre ganzen Räume mit Gas angefüllt waren. Unheil entstand nicht, da der Hauswirt gleich für Abzug des ÄaseS sorgte. Am letzten Sonntag, als die Familie wieder nicht zu Hause war, brach abends um 9 Uhr in der Wohnung Feuer aus. Ein Kleiderspind und zwei Tische brannten. Hausgenossen, die den Qualm sahen, holten noch rechtzeitig die Feuerwehr und so ging eS wieder gut ab. Der Feuerwehr und der Kriminalpolizei aber kamen sowohl die Anfüllung der Räume mit Gas als auch der Brand, der im Kleiderspind entstanden sein soll. verdächtig vor, zumal da Wolfs den Reisenden oft über schlechten Geschäftsgang klagte. Die Miete bezahlte er regelmäßig. Auch sonst wird bestritten, daß er Schulden habe. Des Kindes nehmen sich Verwandte an. Großfeuer kam in der Nacht zu gestern aus noch nicht auf« geklärter Ursache in der Alexandrinenstr. 97, einem der größten Jndustriegrundstücke Berlins , zum Ausbruch. Das dritte Quer- gebäude mit dem Holzzementdach ist in einer Ausdehnung von zehn Fenstern Front vom zweiten bis zum fünften Stock gänzlich aus» gebrannt. Der erste Stock und das Erdgeschoß haben durch Feuer und Wasser stark gelitten. Ausgekommen ist der Brand nach 3 Uhr in der Waschanstalt von H. Niemsch, vermutlich in einem Trockenraum links vom Haupteingange. Durch die vielen Transmissionsschächte, die wie Schornsteine wirkten, wurde das Feuer von einem Stock zum anderen übertragen. In der Nähe dieser Transmissionsschächte haben die Flammen erstaunliche Wirkungen hervorgebracht. Eiserne Träger von großer Stärke sind wie Schraubenzieher gebogen und haben selbst die starken Brandmauern und einen Schornstein aus der Lage gerissen. Diese Wirkung ist dem Umstände zuzuschreiben, daß die Träger nicht durch eine feuersichere Ummantelung genügend gegen die Einwirkung der Hitze geschützt waren. Am allergefährlichsten sind aber bei Bränden die durchgehenden Transmissious- und Fahrstuhl« schächte. Sie begünsfigen die Ausbreitung der Flammen in einer Weise, daß eS ratsam erscheint, diese Oeffnungen, wenn auch nur notdürftig allabendlich bei Geschäftsschluß zu schließen. Hunderte von Bränden werden dann in Berlin nicht die große Ausdehnung annehmen können. Als die Feuerwehr um 3V« Uhr an der Brandstelle erschien, brannten die Betriebe der Photographie- und Rahmenfabrik von Heinrich Loch- bäum, die Hutsabrik von Paul Rappaport, die Kontobücherfabrik von Julius Rosenthal, die Metallschleiferei von C. Engel, eine Druckerei und die genannte Waschanstalt. Branddirektor Dransfeld , der zurzeit für den erkrankten Brandinspektor Reinhardt die Feuer- wehr leitet, ließ sofort, als er die Gefahr übersah,Mittelfeuer" an alle Wachen melden. Zwölf Züge waren in kurzer Zeit zur Stelle. Sechs Dampfspritzen gaben schon in wenigen Minuten Wasser. Mit zwölf Schlauchleitungen von beträchtlicher Länge Ivurde vorgegangen und es gelang, obgleich die Flammen aus allen 80 Fenstern schlugen und reichliche Nahrung fanden, gegen 7 Uhr die Macht des Brandes zu brechen. Die fünfte Kompagnie sowie Züge der zweilen und dritten Kompagnie konnten abrücken; sie wurden durch Züge der ersten, dritten und vierten Kompagnie abgelöst, welche die schwierige letzte Ablöschung lind Aufräumung unter Leitung des Brandmeisters Hammer besorgten. Das mächtige Fabrikgebäude, das dem Baumeister M. Gronau gehört, ist so mitgenommen, daß voraus- sichtlich ein vollständiger Umbau erfolgen muß. Der Schaden ist recht bedeutend, da eine Menge Vorräte, wertvolle Apparate und Maschinen beschädigt sind. Von der Firma Julius Rofenthal wird mitgeteilt, daß ihr Verrieb keine Unterbrechung erleidet. Bei dem Brande sind leider sechs Feuerwehrmänner der 6. Kom» pagnie an den Folgen der Einatmung von Rauch(Rauchvergiftung) erkrankt, darunter der Obermaschinist Krüger, die Feuermänner Baudach, Fuchs, Gleicher, Lehmann und Hast. Zu dem großen Brande in der Alexandrinensttaße 97 ist noch nachzutragen, daß die Feuerwehr wegen der großen Hitze einen schweren Stand gehabt hat und daß die Aufräumung der Brandstätte erst gegen Abend beendet werden konnte. Die Loschung war mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Jedesmal, wenn angenommen ivurde, nun ist die Macht des entfesselten Elements gebrochen, dann loderten plötzlich die Flammen von neuem mit riesiger Macht empor. Dieses wiederholte sich mehrercmal. Vermutlich hatten dann jede?« mal die Flammen neue Nahrung an Oel , wahrscheinlich an Terpentin oder ähnlichen Materialien gefunden. Diesem Umstände ist die große Ausdehnung deS Brandes zuzuschreiben. Wegen einer Benzinexplosion wurde am Mittwoch die Feuer« wehr nach der Fehrbellinerstraße 89 gerufen. Dort waren infolge der Explosion der Geschäftsinhaber H. Heyder an beiden Armen und eine andere Person leichter verletzt worden. Kleider, Gardinen u. a. brannten, der chemischen Waschanstalt Fenster und die Kessel- ummauerung waren demoliert, sonst aber nur unbedeutender Schaden verursacht. ES gelang den Brand bald zu löschen. Gleichzeitig hatte die Wehr in der Dtanteuffelstraße 79 zu tun, da in dem dortigen Depot der Großen Berliner Straßenbahn ein Ballen GaS- äther explodiert war und eine Bude brannte. Auf schwankem Grunde. Mit einem schwierigen Baugrund hatten Navenö und Spindler bei der Errichtung ihrer Geschäftshäuser in der Wallstraße zu kämpfen. Als der Ravenssche Bau ferttg war, nahmen bei Spmdler die Grundarbeiten lange Zeit in Anspruch, bis es gelang, den erforderlichen Halt zu gewinnen. In dieser Zeit bereits zeigten sich an dem Ravenäschen Hause Senkungen, die schmale Risse zur Folge hatten. Die erst kaum merkbaren Risse wurden ausgeschmiert, erneuerten sich aber wieder und sind nach der jüngsten Senkung zum Teil zwei bis drei Finger breit. Daher ent- schloß man sich jetzt zu einer gründlichen Ausbesserung und räumt zu diesem Zweck eine Anzahl Kontore und Dkusterlager auf der einen Seite deS Hauses. Auch die Ravenäsche Bildergalerie bleibt bis zur lveendigung der LuSbefferuna geschloffen.