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Crtciö J»IH Viesen Antrag mir desyalv annehmen, weil bei den Reichsbeamten eine ähnliche Bestimmung besteht. Sonst habe er aber keine Lust, den Generalen mit ihren hohen Gehältern so hohe Pensionen zu bewilligen, zumal bei den unteren Beamten- und Militärchargen Bedürftigkeit, ja Not bestehe. Durch den Antrag Erzberger werde der Pensionsetat um etwa 400 000 M. erhöht. Klbg. Gradnauer: Durch den gestrigen Kommissionsbeschluß zu Z 4 sVerschlechterung durch das Amendement Mugdan ) ist die freundliche Stellung der Sozialdemokratie zur AuDesserung der Pensionen der unteren Offiziersgrade sehr erschwert worden. Durch die Ablehnung der erst vom Zentrum selbst gestellten, dann aber mit seiner Hülfe wieder beseitigten Forderung, daß zu einer Pen- sionierung stets ein Gutachten der Aerzte erforderlich ist, sei von der Kommission geradezu sanktioniert worden, daß die Militärverwaltung das Recht habe, ohne jedes Attest Offiziere auch schon vor Vollendung des 39. Lebensjahres zu pensionieren. Die Sozialdemokratie müsse sich daher ihre endgültige Stellungnahme bis zur dritten Lesung vorbe- halten, wie sie auch keineswegs geneigt sei, bei den höheren Offiziers- chargen 20 Sechzigste! des Diensteinkommens als Grundlage des Pensionsbetrages zu bewilligen, statt 15 Sechzigstel. Ebenso fehle jeder Nachweis der Notwendigkeit, die Entschädigung für Burschen von dem jetzigen Satz von 300 M. auf 500 M. zu erhöhen. Völlig unannehmbar sei die Forderung, den zur Aufnahme in das Lazarett berechtigten Offizieren statt 15 M. 100 M. anzurechnen; dasselbe gelte für die 103 M. in Beziehung auf den gemeinsamen Offizier- tisch. Wundern müsse er sich über das Zentrum, das bei der General- diskussion sich gegen die Pensionscrhöhungen bei den hohen Gehaltschargen ausgesprochen habe, jetzt aber auf einmal weit über die Regierungsvorlage hinausgehe. Die Sozial- demokratie könne nicht zustimmen, daß vom Major aufwärts so große Erhöhungen des dienstfähigen Einkommens und der Pen- sionen eintreten; dagegen verlange die Sozialdemokratie, daß beim Mannschafts- Pensionsgesetz bedeutende Erhöhungen vorgenommen werden müssen. Dort seien die Not- leidenden. Soll aber diesen etwas Ordentliches geboten werden, dann ist es auch schon wegen der Finanzlage einfach ausgeschlossen, die Pensionen der Offiziere mit hohen Einkommen zu steigern. Die Bestimmungen im Reichsbeamten-Pensionsgesctz können nicht in Betracht gezogen werden; außerdem erfreuten sich die hohen Offiziere ohnehin schon großer Vergünstigungen. Den über 12 000 M. hinaus­gehenden Betrag an Einkommen pensionsfähig zu erklären, i st eine soziale Ungerechtigkeit sondergleichen. Bei den unteren Chargen werde nur minimales geboten, und oben sollen trotzdem Erhöhungen eintreten, die außerordentlich sind, z. B. beim Divisions-Kommandeur nach 37 Dienstjahren um 773 M., also von 10 819 auf 11592 M., beim Brigade -Kommandeur nach 33 Dienstjahren um 1000 M., d. h. von 7606 auf 8606 M., beim Regiments-Kommandeur nach 30 Jahren um 825 M., von 5487 auf 6282 M., beim Oberstleutnant nach 27 Jahren um 1022 Vi., von 4354 auf 5376 M., beim Major nach 25 Jahren um 906 M., von 3507 auf 4413 M. Gegen solche Pensionserhöhungen wende sich die Sozialdemokratie ganz entschieden. Er beantrage daher auch, daß im§ 9 festgelegt werde, daß Diensteinkommen, die höher als 12 000 Mark sind, nur bis zu dieser Grenze pensionsfähig sind. General ValletdeBarres trat für Erhöhung der Burschen. entschädigung ein, weil heute 300 M. für einen Burschen nicht mehr ausreichen und der Offizier einen Anspruch auf Bedienung habe. Abg. Lesche(Soz.) wandte sich gegen das künstliche Hinauf- schrauben des Einkommens und der Pension. Der Kriegs- minister gab den etwas künstlichen Aufbau an manchen Stellen Du und trat für den Antrag Erzberger ein. Sonst könnte es vor- kommen, daß ein Oberpräsident trotz seines niedrigeren Dienst- einkommens mehr Pension erhält als ein kommandierender General ; ein Regierungspräsident mehr als ein Divisions-Kommandeur. Schatzsekretär v. Stengel gab zu verstehen, daß der Antrag Erzberger von der Regierung ausgegangen ist. Die eigentümliche geschäftliche Lage bei der Behandlung von Reichs. Gesetzesvorlagen bringe es mit sich, daß die verbündeten Re- gierungen im Bedarfsfalle ihre eigenen Vorlagen nicht selbst amendieren können. Sie müssen deshalb eventuell notwendige Amendements einem Reichstags- Abgeordneten in die Tasche st ecken, damit sie dieser als Antrag einbringe. DaS sei übrigens ein offenes Geheimnis. Abg. Erzberger verteidigte nochmalsseinen" Rcgierungsantrag. Die Abstimmung über§ 9 wurde vorläufig ausgesetzt und zur Beratung des§ 6: Betrag der Pension geschritten. Die Regierungsvorlage fordert, daß die Pension bei vollendeter zehn- jähriger oder kürzerer Dienstzeit jährlich 20 Sechzigstel des zuletzt bezogenen Diensteinkommens beträgt; sie steigt nach vollendeter zehnjähriger Dienstzeit mit jedem weiteren Jahre um 1 Sechzigstel bis auf 45 Sechzigstel. Ein Antrag Gradnauer und Genossen will die Pensionssätze wie folgt festgesetzt wissen: Die Pension beträgt bei einer Dienstzeit von weniger als zehn Jahren jährlich 20 Sechzigstel des zuletzt bezogenen pensionsfähigen Diensteinkommens. Sie beträgt bei vollendeter zehnjähriger Dienstzeit für Leutnants und Oberleutnants 25 Sechzigstel, für Hauptleute zweiter und erster Klasse 20 Sechzigstel, für Offiziere vom Bataillons-Kommandeur aufwärts 15 Sechzigstel und steigt mit jedem weiteren Dienstjahr um 1 Sechzigstel bis auf 40 Sech- zigstel des zuletzt bezogenen pensionsfähigen Diensteinkommens. Die Mindestpension eines höheren Ranges darf nicht hinter der Höchstpension des zunächst niederen Ranges zurückbleiben. DaS Zentrum beantragte diese Fassung: Die Pension beträgt in Stellen vom Bataillons-Kommandeur einschließlich abwärts bei vollendeter zehnjähriger oder kürzerer Dienstzeit jährlich 50 Proz. und steigt innerhalb der nächstfolgenden 15 Dienstjahre mit jedem weiteren Dicnstjahre um 1 Proz. und von da ab mit jedem weiteren Dienstjahre um% Proz. bis auf 75 Proz. des zuletzt bezogenen pensionsfähigen Diensteinkommens. Abg. Graf O r i o l a will in einem Antrage ebenfalls mit 50 Proz. beginnen lassen, dann bis zum 30. Dienstjahre um 1 Proz., von da ab um Proz. bis 75 Proz. die Pension steigern. Graf Oriola erklärte, auch sein Wunsch sei es, die unteren Chargen aufzubessern, da diesen die Regierungsvorlage keine entsprechende Versorgung biete. Bezüglich des Antrages Erzberger habe er Be- denken, da dieser Antrag eine Anzahl Offiziere schlechter stelle. Abg. Gradnauer: Die Anträge können zunächst nur die Tendenz der Antragsteller feststellen. Der Zentrumsantrag gehe auch bei den unteren Offizierschargen zu weit, da er stellenweise eine Verdoppelung der jetzigen Pensionssätze zur Folge haben müßte. Er würde trotzdem zustimmen, wenn es sich bei den in den unteren Chargen pensionierten Offizieren nur um Personen handelte, die wegen wirklicher gesundheitlicher Schädigungen aus dem Dienstverhältnis ausscheiden müssen, also nicht mehr erwerbsfähig sein winden. Das sei aber nicht der Fall, weil auch oft Offiziere verabschiedet werden, ohne in gesundheitlicher Beziehung geschädigt zu sein, und nach dem Kommissionsbeschluß des§ 4 die Militär- Verwaltung daran auch gar nicht gehindert sei. Jungen und körperlich rüstigen Leutnants Pensionen von 1100 1400 M. zu geben, sei nicht angängig, wenn den Unteroffizieren und Mannschaften selbst bei völliger Erwerbsunfähigkeit bis zu 540 Mark hinab als Vollrente geboten werden soll. Der sozialdemo- kratische Antrag halte für die Leutnants die Mitte zwischen Re- gierungsvorlage und der Zentrumsforderung. Für die Hauptleute sei die Regierungsvorlage angemessen, für höhere Dienstgrade sei keinerlei Anlaß, höhere Pensionen als bisher zu bewilligen. Schatz- sekretär v. Stengel wandte sich gegen die Anträge des Zentrums und des Grafen Oriola mit Rücksicht auf die Finanzlage. Er gebe auch zu bedenken, daß tatsächlich viele der verabschiedeten jüngeren Offiziere noch erwerbsfähig seien, kranken und invaliden Offizieren soll ja mit den Mitteln des Ausgleichfonds beigesprungcn werden. So weitgehenden Anträgen, wie denen des Zentrums, werden die verbündeten Regierungen nicht beitreten können. Der Kriegs- minister erklärte, die Militärverwaltung habe auch den Satz von 50 Proz. als Anfangspension gefordert, sie sei aber damit im Bu»' Z- rate nicht durchgedrungen. Er müsse sich aher dagegen gussprechen, daß die höchste Pension, wie es die Anträge wollen, erst nach 45 Dienstjahren erreicht werde. Die Regierung halte an 35 Dienst- jähren fest. Nach weiterer Diskussion wird die Weiterberatung des§ 6 ver- tagt, inzwischen sollen Berechnungen über die finanzielle Wirkung der einzelnen Anträge beschafft werden. Bei der Abstimmung über den§ 9 wird der Antrag Grad- n a u e r abgelehnt, der Antrag Erzberger angenommen; ebenso der ganze Paragraph gegen die Stimmen der Sozialdemokraten. In der nächsten Sitzung(Dienstag nächster Woche) steht zuerst die Kamerunbahn zur Beratung; dann folgt die Weiterberatung der Pensionsgesetze._ Der Begriff der militärischen Notwehr, der in der letzten Zeit vielfach erörtert worden ist, wurde, wie uns aus Kiel berichtet wird, anerkannt in einem militärischen Gerichtsverfahren, das gegen Marinerekruten anhängig gemacht worden war. Ein Oberheizer im Gefteitenrang stehend der in der Wiker Kaserne unter- gebrachten Werftdivision beabsichtigte vor zirka zwei Monaten eines Abends einem Rekruten, der sich sein besonderes Mißfallen zu- gezogen hatte, eineerzieherische Lektion" zu erteilen. Er hatte nach Zapfenstreich die Stube der Rekruten von außen abgeschlossen, um Hülfskräfte herbeizuholen. Inzwischen bewaffneten sich die Rekruten, die BöseS ahnten, mit Feuerschaufeln, Besen, Eimern und dergleichen. Als der Oberheizer eindrang, setzten sie sich energisch zur Wehr, und bei der in der Dunkel- heit sich abspielenden Schlägerei versetzte der besonders bedrohte Rekrut seinem Peiniger Messerstiche, die diesen übel zu- richteten und den Verlust eines Auges zur Folge hatten. Eine strenge militärgerichtliche Untersuchung wurde gegen die Rekruten ein- geleitet, das Verfahren ist aber jetzt eingestellt worden, weil die Matrosen, auch der Messerstecher, in Notwehr gehandelt hatten. Die Akten über den Oberheizer, der inzwischen aus dem Militär- dienst ausgeschieden ist, sollen durch das zuständige Bezirkskommando der Staatsanwaltschaft übermittelt werden, damit die ordentlichen Gerichte gegen ihn vorgehen. Schiller und die Hohenzollern I DerFrankfurter Zeitung " wird aus Straßburg geschrieben, daß während des Festaktes, den die Universität zum Gedächtnis Schillers veranstaltete, zu gleicher Zeit 250 Schritte vor der Universität Wilhelm II. eine Parade über die gesamte Straßburger Garnison abgehalten habe. Infolge dieser Parade fehlten bei der Universitätsfeier die Vertreter der Be- Hörden, wie der Statthalter und der Staatssekretär. Die Parade begann genau zur gleichen Zeit wie die Universitätsfeier, zu der der Kaiser durch den Statthalter ausdrücklich eingeladen war. Anch der konservativeReichsbote" wundert sich darüber,daß bis jetzt nichts davon bekannt geworden ist, daß der Kaiser in irgend einer Weise sein Interesse oder seine Teilnahme für die Schillerfeier der deutschen Nation kundgegeben habe". Die Verwunderung des Frankfurter demokratischen und des Berliner konservativen Blattes beruht auf einer Unkenntnis des Ver- hältnisses, das die Hohenzollern zu dem desertierten Militärarzt, späteren Hoftat Schiller haben. Wir haben schon neulich darauf hingewiesen, daß die Hohenzollern eine viel richtigere Auffassung von dem Wesen des Dichters haben. als die Byzantiner, die gleichzeitig Schiller und die Hohenzollern zu feiern belieben. Wilhelm 1 . hat die Schillerfeier als Prinz- regent 1859 einen gegen ihn gerichteten Baalsdienst genannt, und die Grundsteinlegung des Schillerdenkmals und der Schillerpreis verdanken lediglich der Absicht des Regenten ihre Ent- tehung, die Volkstümlichkeit jener Schillerfeier zugleich abzu- leiten und für sich nutzbar zu machen. Jene hohenzollerischen Schillerehrungen waren taktische Schachzüge, geboren aus der Ab- neigung gegen Schiller , nicht aus Liebe. Wenn man neuerdings darüber geklagt hat, daß der offizielle Schillerpreis niemals wirk- lichen Dichtern gegeben wird, sondern daß immer höfische Zwecke mit der Verteilung verbunden worden sind, so ist dies ganz im Sinne des Stifters. Es ist nicht anzunehmen, daß Wilhelm II. über das Wesen Schillers anders denkt als sein Großvater, und die Auftichtigkeit, mit der der jetzige Kaiser die Ehrung eines Revolutionärs ablehnt, ist durchaus anerkennenswert. Es ist im Interesse des Gefeierten wie der Feiernden durchaus angemessen abzulehnen, wo man ehrlicherweise nicht anerkennen kann. Uebrigcns ist es ein Glück, daß der Kaiser keinen Versuch gemacht hat, eine offizielle Schillerfcier in Szene zu setzen. Der Lärm war schon jetzt unerträglich. Wie hätte man erst gelärmt, wenn es sich darum gehandelt hätte, durch die fei er Schillers höfische Gunst zu gewinnen! Wahrscheinlich hat in enntnis der Stimmungen seines Herrn der Graf Bülow seine ursprüngliche Absicht nicht ausgeführt, einige Schillerzitate zu einer Festrede zusammenzurühren. Das Programm im Geldschrank. DieFreie Deutsche Presse' weiß nichts darauf zu erwidern, wie sie ihre Gegner- schaft gegen die Reichserbschaftssteuer mit der fteisinnigen Programm- sordcrung einer Erbschaftssteuer vereinigen kann. Was sie sonst zur Entschuldigung ihrer großkapitalistischen Entblößung sagt, ist un- gewöhnlich verwirrt. Sie sei keineswegs gegen jede Besteuerung von Erbschaften, sondern nur gegen eine neue und hohe Erbschaftssteuer des Reiches. Die Uebertragung von Landcssteuern d i e s e r Art auf das Reich i n den Grenzen der preußischen Erbschaftssteuer haben wir stets befürwortet. DerVorwärts" möchte eS so dar­stellen, als ob eine Reichserbschaftssteuer nur die großen Ver- mögen treffen würde. Das preußische Erbschaftsstenergesetz be- steuert schon Erbschaften im Werte von über 150 Mark." Die preußische Steuer ist überhaupt keine eigentliche ErbschastS- steuer, sondern eine bloße Stempelabgabe. Wir treten für eine Erbschaftssteuer für größere Vermögen ein. Das erklärt dies Blatt für unmöglich, weil Preußen alle Erbschaften über 150 M. be- steuert. Ein tolle Logik! Nun aber will ja gerade das Organ der Volkspartei für eine NeichSerbschaftssteuer nach preußischer Art eintreten. Also hat eS selbst offenbar gegen die Heranziehung der kleinen Erbschaften nichts einzuwenden, und nur die Besteuerung der großen Vermögen ist ihm unbehaglich. DieFreie Deutsche Presse" erklärt mithin nur deshalb eine Beschränkung der Steuer auf die größeren Erbschaften für unmöglich, weil sie die Heranziehung gerade der kapitalistischen Erbschaften nicht wünscht! Kulturkämpferchen. Die großeBewegung" um die akademische Freiheit hat auch auf dem Verbandstage deutscher Hochschulen in Weimar nichts zutage gefördert, was einen günstigeren Eindruck erwecken könnte. Nach wie vor versteift man sich auf eine Paukerei gegen konfessionelle Verbindungen. Sie wollenFreiheit", aber sie verwerfen ganz nach dem Muster des reaktionären Polizeistaates denMißbrauch" der Freiheit. Darunter verstehen die jungen Herren nach den für denVerband deutscher Hochschulen" beschlossenen Grundsätzen: Mißbrauch der Freiheit aber ist eS. wenn man... insbesondere u geschlossenen Korporationen rein politischer oder kon- ession eller Natur von der übrigen Studentenschast ab- sondert." Mißbrauch der Freiheit ist also, wenn man von der Freiheit Gebrauch macht. Uebrigens sind die Leute so gnädig, nicht die zwangsweise Unterdrückung der konfessionellen Verbindungen zu verlangen. Sie wollen nur einPrinzip" aufftellen. Wie war'S, wenn die Helden den entfachten Begeisterungssturm auch für Proteste gegen die Unterdrückung sozialwissenschaftlichen Studentenvereine oder gegen die Boykottierung der sozialistischen Wissenschaft und die Aussperrung oder Maßregelung sozialdemo- kratischer Universitätslehrer nutzbar machten! Die Geburt eines neuen Gesetzgebers wird in folgender hoch- politischer Familienanzeige verkündigt: In daS Herrenhaus berufen ist der Regierungspräsident a. D., Wirkliche Geheime OberregierungS- rat Jesco von Puttkamer-Nippoglense, wohnhaft zu Charlottenburg , durch Allerhöchsten Erlaß vom 24. April 1905 auf Präsentation der Familie von Puttkamer an Stelle des am 20. Dezember 1904 det» storbenen Generalmajors a. D. Siittergutsbesttzers von Puttkamer- Nipkau._ EifrigeBorwSrts"-Lefer. Man berichtet uns unterm 10. Mai: Daß derVorwärts" im Ministerium gründlich studiert wird, ist allgemein bekannt, und in welcher Weise in Beziehung auf den Inhalt Nachforschungen an- gestellt werden, dürfte folgende kleine Episode darlegen. In der Nummer vom 9. April berichtete man unter der Spitzmarke:Agra- rische Paschawirtschast" aus Halle, daß der Großgrundbesitzer Rudolf Burckhardt von Kröllwitz bei Merseburg mit seiner Dienstmagd seit Jahren im Konkubinat lebe, und daß ein Gendarm Marotzke in der Sache Ermittelungen angestellt habe. Als der Gendarm nach einem anderen Ort versetzt wurde, besaß der Agrarier noch die Dreistigkeit. dem Pastor Reinstein mitzuteilen, er, B., habe den Gendarm weggebracht. Der Gendarm fühlte sich beleidigt, der Agrarier erhielt eine Anklage, und Pastor Reinstein trat vor der Halleschen Strafkammer als Zeuge auf und sagte: Ich habe den Eindruck, die zuständigen behirdlichen Organe haben im Falle Burckhardt nicht funktioniert, denn zum Einschreiten lag sowohl ein staatliches als ein kirchliches Interesse vor. Der letztere Satz soll nicht den Beifall des Ministers des Innern gefunden haben, denn bald nach der Veröffentlichung wurde dem Landrat des Kreises Merseburg dieVorwärts"-Notiz zugesandt mit dem Hinweise, Nachprüfungen anzustellen und dem Ministerium darüberTatbericht" einzusenden, inwiefern die behörd- lichen Organe nicht funktioniert hätten. Der Landrat, der so könnte man vermuten als ein Organ, das nicht funktioniert habe, mit in Frage kommen könnte, soll bei den Nachprüfungen etwas in Schwulitäten geraten sein, zumal Pastor Reinstein seine vor Gericht unter dem Eide abgegebene Aussage selbstverständlich aufrechterhält. Ob es nun dem Herrn Landrat bei seinen jedenfalls schwierigen und mit Eifer betriebenen Nachforschungen glücklich gelingen wird, das richtige Organ zu finden, das nach Ansicht des Pastors nicht funktioniert hat, und ob er dem Ministerium einen befriedigenden Tatbericht einsenden wird, das kann man bis jetzt noch nicht sagen. Vielleicht genügen diese Zeilen vorläufig, den Wissensdurst des Mini- steriums zu stillen._ Zu den Landtagswahlen in Sachse». Aus Sachsen wird uns geschrieben: Wie bekannt, ziehen bei den diesjährigen Landtagswahlen die ehemaligen Kartellbrüder, Konservative und Nationalliberale, ge- trennt in den Wahlkampf. Die Ursache dieser Trennung ist das Dreiklassenwahlrecht. Diese Tatsache gibt uns jedoch keinen Anlaß zur Schadenfreude. Wir bettachten die feindlichen Kartellbrüder gleichern, aßan als Reaktionäre, die wohl in bezug auf das Milieu von einander abweichen, aber grundsätzlich gemeinsam dem polittschen Fortschritt sich entgegenstemmen. DaS Kartell ttat formell zum erstenmal im Jabre 1887 in die Erscheinung. Die Fortschritte der Sozialdemokratte in Sachsen trieben zwar schon bei früheren Wahlen speziell bei Stich- wählen zum Reichstage wie zum Landtage die beiden Parteien zusammen, und die gelegentliche Vereinigung gegen den gen, einsamen Feind, die Sozialdemokratie, brachte ihnen unleugbar Erfolge. Diese Erfolge machten Schule. Als daher Bismarck den berüchtigten Kriegsschwindel für die Reichstagswahlcn 1387 in Szene setzte, riet er zugleich den beiden Parteien zu einem formellen Kartell im Reiche. Der Rat wurde befolgt, und eZ ist ja bekannt, wie nach den für die Kartellparteien erfolgreichen Reichstagswahlen von 1887 daS nationalliberal-konservattve Kartell als sicherster Wall gegen die chwarze Opposition des Zentrums und die rote der Sozialdemokratte zugleich gepriesen wurde. In Sachsen , wo unsere Partei trotzdem ziffernmäßig erwiesene Fortschritte machte, hielten die vereiingten Reakttonäre das Kartell für unentbehrlich und anstecht. Bereits bei den Landtagswahlcn im Jahre 1887 zeigte«» sich aber schon, daß das Kartell sozialdemokratische Wahlerfolge nicht zu verhindern vennochte; bei diesen, wie bei allen nachfolgenden LandtagSwahlen errang die Sozialdemokratie neue Mandate. Dann kamen die ReichStagSwahlen im Jahre 1890, die das Kartell der beiden Parteien im Reiche zerschmetterten: die Kartellparteien wurden in die Minderheit gedrängt, und die Schuld an dem Rück- gang schrieben die Konservativen dem Kartell mit den politisch an- rüchigen Nationalliberalen zu. Wohl beschworen die sächsischen Kartellbrüdcr ihre Gesinnungsgenossen im Reiche, den Bruch zu ver- meiden, allein, eS nützte nichts. Nun blieb nur noch daS sächsische Kartell übrig. Gemeinsam suchten die sächsischen Reaktionäre gegen den Ansturm der Sozialdemokratie zu retten, was zu retten war; aber es half alles nichts, selbst bei den Landtagswahle» gewann die Sozialdemokratie in einer Reihe von Wahlkreisen das Ueber- gewicht. Von Wut und Angst verübten dann im Jahre 1896 die sächsischen Kartellbrüder den Wahlrechtsraub, um die Sozialdemokratie bei den politischen Kämpfen in Sachsen in den Hintergrund zu drängen. Die Nattonalliberalen beherrschte dabei außerdem der Hintergedanke, das Erbe der Sozialdemokratte antreten, die Mandate in den industriellen Wahlkreisen erringen zu können. Darin haben sie sich schmählich getäuscht, denn sie wurden von ihren konservattven Kartell- brüdcrn um diese Mandate bewogen und immer mehr an die Wand gedrückt. Endlich wagten sie es, sich au««der brudermörderischen Umklammerung loszumachen und ziehen nunmehr selbständig in die Wahlbelvegung. Daß sie dabei keine Seide spinnen werden. dafür sorgen aber ihre ehemaligen Kartellbrüder, ganz abgesehen davon. daß die Sozialdemokratie in ihren Angriffen zwischen nattonal- liberalen und konservativen Wahlrechtsravbern keinen Unterschied macht; daß sie überhaupt das Kartell aufgegeben haben. ist also den Wirkungen des Dreiklasscn-Wahlrechts zuzuschreiben, denn unter diesem System haben sie weniger� von den um ihr Wahlrecht be- raubten Wählern der dritten Klasse, die in ihrer Mehrheit sozial- demokratisch gesinnt sind, zu befürchten, wohl aber von den Konser- vattven, die in die industtiellen Kreise der ersten und zweiten WählerNasse eindringen, bisher aber schon die kleingewerbetteibenden und Handwerkerschichten beherrschten._ Aus diesen Gesichtspunkten muß die Auflösung des Kartells und der Beginn des LandtagS-WahlkampfeS in Sachsen bettachtet werden. Die gegenseittge Bekäinpfung der feindlichen Kartellbrüder wird un» manches Gaudium bereiten, aber ftlr die Führung unseres Kampfes gegen die Wahlenttechtung ist das von nur geringer Bedeutung. - Legende" undKlitterung"? Herr Leuß ersucht uns um die Aufnahme der folgenden Abwehr: Ein wunderliches Schwanken hat die liberale Press« in der Kritik meines Buches über Hammerstein gezeigt. Nachdem zuerst die geschichtlichen Urkunden, die ich mitgeteilt habe, als ein wert- volles Material zur Kritik der konservativen Polittk gerühmt worden waren, schlug plötzlich die Stimmung um, und nun hastete sich die Kritik von jener Seite in vollkommener Uebereinsttmmung mit der in konservativen und agrarischen Blättern an die einigen Stellen des Buches, an denen ich erhebliche Tatsachen ohne Nennung des Gewährsmannes mitgeteilt habe: an die Aufklärungen über den Tod deS b a y e r i s ch e n K ö n i g S L u d w i g II. und an die Mit- teilung über die Versammlung von konservattven Notabeln, deren Unterstützung Hammerstein im Namen des Grafen Eulenburif für eine Suspension des allgemeinen Wahlrechts gesucht hat. DieFreie deutsche Presse"(Freis. Zeitung) ließ sich vonwohlinformierter Seite" schreiben, daß�meine Behauptung über die Episode Eulenburgganz unglaublich" sei, eineGeschichs- klitterung". Eulenburg habe nicht Kanzler, sondern Statthalter in den Reichslanden werden wollen.Schon aus inneren Gründen wäre es auch der Gipfel der UnWahrscheinlichkeit, daß konservative Koryphäen, die ausdrücklich von Leuß als Journalisten und Politiker der äußersten Rechten bezeichnet wurden, den Staatsstteich nicht gebilligt haben sollten," so hieß eS in dem Artikel derFreien beut- schen Presse" wörtlich. DieVossische Zeitung" registrierte diese Aenßerung ebenso wie einen giftigen Artikel desReichsboten". jenes