|tt erheben und die Zollfreiheit welche die ostasiatische Seide bisher genießt, aufzuheben. Mehrere Redner verteidigen den Vorschlag als notwendig für die Erhaltung der Seidenindustrie von Lyon , andere führen aus, daß er dem Pariser Handel schaden und einen Bruch der Handels- beziehungen mit der Schweiz und Japan herbeiführen würde. Die Weiterberatung des Vorschlages wurde auf Freitag vertagt. Die Hinrichtung Kalajews. Petersburg, 24. Mai. iPrivat- Telegramm des„Vorwärts".) Kalajcw wurde in der Schlüssclburger Festung gehängt. Seine letzten Worte waren:„Sagt meinen Genossen, ich sterbe'mit Freuden und werde ewig mit ihnen sein." Vom Moment der Verhaftung wich er keinen Augenblick von seinen Uebcrzcugungcn. Er nahm von seiner Mutter den Eid, daß sie um Begnadigung nicht bitten würde. Als er hörte, daß man in der Oeffentlichkcit von einer möglichen Begnadigung sprach, schrieb er an den Jnstizminister:„Als Revolutionärer, der den Prinzipien der Narodnaja Wolja sPnrtci des BolkSwillcns) treu ist, betrachte ich es als Pflicht, die Begnadigung abzulehnen." Vor dem Tode empfing er einen Priester, aber nur als Privat- Person. Kalajew war als Charakter weich und zart, eine zurückhaltende Natur. Er liebte die Kinder und hatte auch dichterische Neigungen. ** * Die Notwehr der Revolution. Warschau , 24. Mai. Letzte Nacht schleuderte ein unbekannter Mann gegen den Polizeichef v. Siedlce , während dieser auf der Veranda deS rusfischen Klubs saß, eine Bombe und verletzte ihn schwer. Drei andere Personen erlitten leichtere Verletzungen. Der Urheber des Anschlags ist entkommen. * Baku , 24. Mai. (Meldung der Petersburger Telegraphen- Agentur.) Heute nachmittag 3 Uhr wurde der Gouverncnr Fürst Nakaschidze durch eine Bombe getötet; ebenso ein Kosakenoffizier, der zufällig vorbeiging. Der Kutscher wurde verwundet. Wladiwostok z« Lande abgeschnitten? London , 24. Mai.„Daily Telegraph " meldet aus Tokio , dast die Eisenbahnverbindung mit Wladiwostok unterbrochen und die Festung infolgedessen jetzt abgeschnitten ist. Petersburg, 24. Mai. Wie die„Petersburger Tele- graphen-Agentur" mitteilt, ist die Meldung des„Daily Telegraph ", dag die Eisenbahnverbindung mit Wladiwostok unter- brochen sei, vollkommen unbegründet. Gefechte in der Mandschurei . Petersburg, 24. Mai. General L i n e w i t s ch telegraphiert unter dem 23. Mai: Als eine unserer Abteilungen am 21. Mai gegen die Station Tschantufu vorrückte, wurde sie von feind- lichem Gewehrfeuer aus den Schützengräben auf den Höhen im Norden der Statton empfangen. Als unsere Abteilung zum Angriff vorging, räumten die Japaner die Schützengräben. Tokio , 24. Mai. Amtlich wird gemeldet: Am Nachmiltrg des 21. Mai griffen ein Bataillon russischer Infanterie und sechs Schwa- dronen Kavallerie die nördliche Anhöhe von Chinyangpao, zehn Meilen nördlich von Weiyuanpaomen, an, wurden aber zurückgeschlagen. Am Morgen deS 22. Mai gingen ein Bataillon Infanterie und drei Abteilungen Kavallerie auf den Sirahen von Kirin und Taolu gegen Chienchentzu vor. Eine Kompagnie erreichte die An- -höhe westlich vom Dorf. Wir trieben beide Abteilungen zurück. Die feindliche Kavallerie auf dem rechten Ufer des Liaoho begann am Morgen des 22. Mai sich zurückzuziehen. Nachmittags um 5 Uhr stand der Feind südlich von Talun, welches 17 Meilen westlich von Fakumen liegt. Im übrigen ist die Lage mit Ausnahme kleiner Zusammenstöße unverändert. London , 24. Mai.„DailyTelegraph" meldet aus Tokio : Der Bau der Eisenbahnstrecke Kirin— Chanchun ist vollendet und eine breite Straße ist nach Süden hin angelegt zur Beförderung von Vorräten. Die Eisenbahnverbindung von Dalny nach Mulden ist wieder hergestellt. Die japanische Sl r m e e ist verstärkt worden und jetzt wieder ebenso stark, wie sie e s vor derSchlacht bei Mulden war. Es liegen Anzeichen vor, daß die Russen an der Grenze der Mongolei und ebenso in der Richtung auf Simninting Tätigkeit entfalten.— Während deS gestrigen Tages fand in der Wohnung des Minister- Präsidenten eine Beratung statt, an der außer dein M i n i st e r- Präsidenten der Marquis I t o, der Chef des Ge- neralstabeS Marquis Damagata, sowie der M i n i st e r des Auswärtigen und der KriegSmini st er teil- nahmen._ Das Strafgefängnis Plotzenfee vor Gericht. (Eigener Bericht des„Vorwärts".) Achter Verhandlungstag. Die Sitzung wird um?U0 Uhr mit dem Zcugenaufruf bc- gönnen. R.-A. Liebknecht teilt mit, daß er ordnungsmäßig den Strafgefangenen Willi Grosse geladen habe. Derselbe ist nicht zur Stelle. Direktor Sauer teilt mit, er habe in Hinsicht auf das Gut- achten des Medizinalrats Dr. Leppmann Bedenken getragen, den Willi Grosse vorzuführen; zudem sei dazu die Genehmigung der Staatsanwaltschaft notwendig. Gefragt, ob oder warum er die Genehmigung nicht eingeholt habe, antwortet Direktor Sauer, dazu sei für ihn keine Veranlassung gewesen. R.-A. Heinemann stellt den Antrag, den bei der gestrigen Verlesung des„Vorwärts"-Artikels ausgelassenen Teil zu verlesen, auch zum Beweise dafür, daß. die Absicht der Beleidigung auch gegen die Beamten von Plötzensee gefehlt habe. Weitxr beantragt R.-A. Heinemann, das Strafbuch von 1833 und 1333 aus Plötzensee vorzulesen zum Beweise dafür, daß eine solche Prüfung der Strafen wie im Falle Skläroff in anderen Fällen nicht stattgefunden hat. Das Gericht behält sich die Beschlußfassung vor. Das flackernde Feuer des Irrsinns. Der erste heute vernommene Zeuge ist der Polizei-Jnspektor v. M a l tz a n. Derselbe besinnt sich auf Skläroff, den er nach den Akten aufgenommen hat, nicht mehr. Vorsitzender: Wenn Sie bei der Aufnahme„das flackernde Feuer des Irrsinns" in seinen Augen bemerkt hätten, hätten Sie das dem Arzt mitgeteilt? Zeuge: Gewiß; jedenfalls hätte ich dann mit dem Arzt gc- sprachen und wohl auch eine Notiz gemacht. Angell. Schneidt: Kann man bei der Aufnahme den ein- zelnen so genau ansehen, daß man ihn auf seinen geistigen Zustand beurteilen kann? Zeuge: Wenn der Zustand so ist, daß der Irrsinn sich schon durch Flackern im Auge zeigt, so sieht man das wohl. Angckl. Schneidt: Wie stellen Sie sich das flackernde Feuer des Irrsinns vor? Vorsitzender: Herr Schneidt, wie stellen Sie sich das vor? Schneidt: Ich bin nicht Zeuge. Vorsitzender(unterbrechend): Sie haben das geschrieben. Schneidt: Ich sehe leine Veranlassung... Vorsitzender(unterbrechend): Wollen Sie mir sagen, was Sie sich darunter denken? Schneidt: Nicht ich habe das geschrieben, sondern AhrenS, und zweitens habe ich nicht die Verpflichtung, auf diese Frage zu antworten. Ich bitte nun den Zeugen, auf meine Frage zu ant- Worten. Die Zwischenfrage des Vorsitzenden ist keine Antwort. Bor sitzender: Ich lehne die Frage ab. R.-A. Halpert: Ich stelle jetzt die Frage. Vorsitzender: Ich lehne sie ab. R.-A. Halpert: Sie haben ja die Formulierung meiner Frage noch gar nicht gehört. Der Anwalt fragt nun, was Zeuge sich darunter gedacht hat, als er auf die Frage des Vorsitzenden nach der Wahrnehmung des flackernden Feuers des Irrsinns antwortete, er hätte das wohl mitgeteilt. Zeuge antwortet, daß er einen derartigen geisteskranken Menschen überhaupt noch nicht gesehen hat. Medizinalrat Dr. Leppmann bittet, ihn auch für heute zu beurlauben. Der Vorsitzende, der eine Frage des Sachverständigen an den Zeugen erwartet hatte, bittet, um solche Mißverständnisse zu ver- meiden, solche Bitten durch den Boten ihm mitzuteilen. Im übrigen könne er den Sachverständigen auch im Falle Skläroff nicht ent- behren. Eine Bemerkung des R.-A. Liebknecht, auch die Ver- teidigung hierüber zu hören, schneidet der Vorsitzende mit den Worten ab: Uebcr die Ladung von Sachverständigen entscheidet das Gericht aus eigener Machtvollkommenheit. Zeuge Oberinspektor Sommerfeld entsinnt sich des Skläroff nicht mehr. Lazarett-Aufseher Heine entsinnt sich ebenfalls nicht mehr an Einzelheiten bezüglich des Skläroff. Der Streit um Leppmann. R.-A. Heinemann beantragt auf Grund des Z 273 aä 3 der Strafprozeßordnung„die vollständige Niederschreibung und Ver- lesung" des Vorganges, der sich soeben bezüglich der Zuziehung des Medizinalrats Leppmann als Sachverständigen abgespielt hat. Wir stehen, so erklärt der Verteidiger, auf dem Standpunkt, daß das Verfahren des Gerichts in diesem Punkte im Widerspruch steht mit § 245 der Strafprozeßordnung. Im zweiten Absatz des§ 245 heißt es:„Ist jedoch ein zu vernehmender Zeuge oder Sachverständiger dem Gegner des Antragstellers so spät namhaft gemacht, daß es dem Gegner an der zur Einziehung von Erkundigungen erforder- lichen Zeit gefehlt hat, so kann derselbe bis zum Schlüsse der Beweis- aufnähme die Aussetzung der Hauptverhandlung zum Zwecke der Erkundigung beantragen". Und im dritten Absatz heißt es:„Dieselbe Befugnis haben die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte in betreff der auf Anordnung des Vorsitzenden oder des Gerichts geladenen Zeugen oder Sachverständigen". Als Rechtsanwalt Liebknecht Ein- Wendungen gegen die Zuziehung des Herrn Leppmann erheben wollte, sagte der Vorsitzende, darüber entscheidet das Gericht. Für uns ist es außerordentlich wesentlich, daß durch Protokoll festgestellt wird, wie die Rechte der Verteidigung gewahrt werden. Nach einer längeren Beratung des Gerichts verkündet der Vor- sitzende Landgerichtsdircktor Dr. Oppermann: Um aller Miß- dcutung vorzubeugen, gebe ich den Angeklagten und den Ver- teidigern Gelegenheit, wenn sie Einwendungen gegen die Ver- nehmung des Medizinalrats Dr. Leppmann als Sachverständigen auch im Falle Skläroff zu erheben haben, dies jetzt zu tun. Erster Staatsanwalt Schönian: Ich bin der Ansicht, daß 8 245 Strafprozeßordnung überhaupt nicht zutrifft. Medizinalrat Dr. Leppmann ist gar kein neuer Sachverständiger, sondern ist vom Gericht als Sachverständiger für diese ganze Verhandlung geladen. R.-A. Dr. Liebknecht: Ich habe vorgestern beantragt gehabt, daß Herr Dr. Leppmann auch für den Fall Skläroff an- wesend sein möge. Der Herr Vorsitzende hat diesem Antrage nicht entsprochen mit der Begründung, daß Dr. Leppmann für den Fall Skläroff gar nicht als Sachverständiger fungiere. Inzwischen hat sich nun gestern in Abwesenheit des Dr. Leppmann der wesentlichste Teil des Falles Skläroff abgespielt und es erscheint uns nun nicht zweck- und sachgemäß, den Dr. Leppmann nunmehr als Sachver- ständigen zuzuziehen. Er selbst wünscht auch gar nicht, zugezogen zu werden. Deshalb erheben wir Widerspruch und beantragen Aussetzung der Verhandlung. R.-A. Heine mann: lieber welche Punkte soll Dr. Leppmann als Sachverständiger zugezogen werden, welche Tatsachen soll er bc- weisen? Dies muß uns mitgeteilt werden, damit wir Gegenbeweise anbieten können. R.-A. Dr. Löwen st ein: Ich vertrete prinzipiell den Stand- Punkt, daß sowohl der Staatsanwalt als auch der Gerichtshof das Recht hat, in jedem Falle einen Sachverständigen vorzuladen. Wenn aber Mcdizinalrat Dr. Leppmann in diesem Falle als Sachver- ständiger fungieren soll, dann müßte er doch Kenntnis von der ganzen Sachlage erhalten und es müßte dann die gestrige Beweis- aufnähme in seiner Gegenwart wiederholt werden. R.-A. Dr. Halpert schließt sich diesen Ausführungen an. Erster Staatsanwalt Schönian: Es liegt kein Grund vor, Herrn Dr. Leppmann als Sachverständigen nicht zuzuziehen. Wenn er glaubt, daß nach seiner gewissenhaften Prüfung seine Kenntnis von den Vorgängen zur Abgabe eines Gutachtens nicht ausreicht, so wird er dies schon selbst erklären. Auf eine Frage des Vorsitzenden zieht R.-A. Dr. Heine- mann den Antrag auf Niederschreiben und Verlesen des Vorganges zurück. Der Gerichtshof beschließt nach längerer Beratung, Herrn Medizinalrat Dr. Leppmann als Sachverständigen zuzuziehen und den Antrag auf Aussetzung der Verhandlung abzulehnen, da solche zum Zweck der Einziehung von Erkundigungen nicht erforderlich ist. Weitere Zeugen über Skläroff. Der hierauf vernommene, von der Verteidigung geladene ehe- malige Strafgefangene St. kann sich auf keinen einzelnen Vorgang mehr besinnen. Gefängnissekrctär H a r t m a n n kann über Skläroff und dessen Ueberführung in das Lazarett nichts bekunden. Er entsinnt sich nur, daß Skläroff verschiedentlich Disziplinarstrafen erhielt und hat ein- mal gehört, daß er sich bei der Ueberführung ins Lazarett wider- spensrig gezeigt und sich mit Fleiß hintenüber geworfen haben soll. — Auf einen Hinweis der Verteidiger bestätigt der Zeuge, daß eine Bestrafung wegen dieser angeblichen Widersetzlichkeit des Skläroff nicht stattgefunden habe; auch in den Personalakten des Skläroff befindet sich ein darauf bezüglicher Vermerk nicht. Aust die Frage der Verteidiger, ob nicht Fälle vorgekommen seien, daß manchmal Leute aufgenommen wurden, bei denen es sich schon bei der Einlicferung zeigte, daß sie geisteskrank sein müssen, erklärt Zeuge Hartmann: Er erinnere sich nur eines Falles, wo ein Mann bei den Aufnahmevcrhandlungen sich hinstellte und Fliegen fing. Als ihm gesagt worden war, daß er doch diesen Unsinn lassen solle, unterließ er es.— Rechtsanwalt Dr. Halpert: Und dabei hat man sich dann beruhigt?— Zeuge: Ja. Zeuge Schulz war vom 3. Juni 1333 bis 1. März 1333 Kanzlist in Plötzensee, weiß also aus eigener Anschauung nichts über Skläroff. Die Frage nach einem Fall Karmacin will der Vorsitzende nicht gestatten. Rechtsanwalt Halpert: Wir haben Zeugen gehabt, die sich an ähnliche Fälle nicht erinnern, wir müssen also auch solche hören, die bekunden werden, daß analoge Fälle sich ereignet haben. Rechtsanwalt Liebknecht : Dies muß um so mehr gestattet sein, weil die Angeklagten ein System treffen wollten. Das Gericht beschließt, die Stellung der Frage als nicht zur Sache gehörig abzulehnen. Gefangenenaufseher K i e n b a u m bekundet u. a., daß Skläroff die Arbeit verweigert habe. Skläroff habe ihm einen Grund der Arbeitsverweigerung nicht angegeben, er selbst habe auch ein Zeichen der Schwäche an Skläroff nicht wahrgenommen und nach der ganzen Sachlage bösen Willen bei Skläroff annehmen müssen. Einige Heiter- lest erregt eine Bemerkung, die der Zeuge auf einige Fragen der Verteidigung dahin gibt: Es gibt Leute, die sehr wohl aussehen, wenn sie aus dem Arrest kommen. Aufseher Richter hat nicht den Eindruck gehabt, daß Skläroff sehr hinfällig und arbeitsunfähig war. Er hat im allgemeinen nicht gehört, daß beim Transport des Skläroff ins Lazarett etwas An- gehöriges passiert sei.. �«--.j. Auf weitere Vorhaltungen und Fragen der Verteidiger erklärt der Zeuge Aufseher Richter u. a., daß Skläroff nicht verhungert aussah, sondern wie ein mittelmäßig ernährter Mann._ Von dem Transport des Skläroff ins Lazarett hat Zeuge gehört, jedoch, wie durch Befragen festgestellt wird, erst nach Erscheinen des Zeitungs- artikels. Wir haben ihn durchgenommen, sagt er. In weiteren Fragen wird als auffallend zum Ausdruck gebracht, daß der Zeuge noch nach fünf Jahren so genau den Ernährungszustand des Skläroff bekunde, während er sich, wie sich herausstellt, nicht entsinne, daß er selbst(der Zeuge) im vorigen Jahre über den Fall Skläroff und dessen Ueberführung ins Lazarett von Herrn v. Puttkamer zu Pro- tokoll vernommen worden ist.— Rechtsanwalt Dr. Liebknecht findet es auch auffallend, daß dieser Zeuge, genau wie ein anderer Aufseher, das Wort„mittelmäßig" in Anwendung brachte. Die Verteidiger und die Angeklagten K a l i s k i und Schneidt be- fragen den Zeugen wiederholt, ob er mit seinen Vorgesetzten oder mit seinen Kollegen über den Fall Skläroff und die Aussagen vor Gericht gesprochen habe. Der Zeuge verneint dies und bemerkt, daß die Vorgesetzten sogar davor gewarnt hätten, über solche Dinge unter» einander zu sprechen. Auf weitere Fragen erklärt er, daß ja unter den Kollegen nach dem Erscheinen der Zeitungsartikel über den Skläroff gesprochen worden sei, er könne sich aber auf einzelnes nicht entsinnen.— Angekl. Schneidt: Ich beantrage die Protokollierung der eidlichen Aussage des Zeugen mit all ihren Widersprüchen.— Vorsitzender: Ich habe keine Veranlassung dazu.— Angekl. Schneidt: Dann beantrage ich Gerichtsbeschluß, da ich eine An- zeige wegen Meineides gegen den Zeugen stellen werde.— Der Gerichtshof lehnt den Antrag auf Protokollicrung ab. Zeuge Gefangenenaufseher Meier hat von Skläroff den Eindruck eines wirren und unsauberen Menschen gehabt; er reinigte seine Zelle nicht selbst, der Aufseher mußte sie stets reinigen lassen. Um Vzl Uhr tritt eine halbstündige Pause ein. Bei Wiederaufnahme der Verhandlungen überreicht Rechts- anwalt Dr. Halpert einen schriftlichen Antrag, der dahin geht: Zum Zweck der Aufklärung des Falles Skläroff den Rabbiner zu laden, dem in Plötzensee die Seelsorge des jüdischen Gefangenen Skläroff oblag, ferner dem Direktor aufzugeben, durch die Arbeits- bücher die Gefangenen festzustellen, mit denen Skläroff in der Zeit vom 23. bis 25. Mai 1333 zusammengearbeitet hat. Diese würden bekunden, daß Skläroff schon in dieser Zeit eine abnorme Geistes- Verfassung zeigte. Dr. Pfleger alö Zeuge erklärt: Er habe den Skläroff bei seiner Einliefcrung wie jedett arideren Gefangenen untersucht, seinen Gesundheitszustand für gut und ihn für arbeitsfähig erklärt. Er habe nichts Auffallendes an ihm wahrgenommen, auch an seinem Körperbau nichts gefunden, was auf krankhaften Geisteszustmid schließen ließ. Auch bei jeder Disziplinarstrafe habe er sich den Skläroff kommen lassen und kein Bedenken gegen den Strafantritt gehabt. Skläroff sei renitent ge- Wesen und habe erklärt, daß ihm in der Baracke gesagt worden sei, er brauche nicht zu arbeiten. Der einmal von ihm angeordnete Strafaufschub bedeute nicht, daß er ihn für krank hielt, sondern das tat er, weil der Mann eben erst aus dem Arr:st gekommen lvar. Auch die Anordnung, ihn nach 14 Tagen vorzuführen, sei keine Aus- nähme, sondern habe für ihn bei längeren Arreststrafcn die Regel gebildet. Jetzt allerdings muß, wie durch Rechtsanwalt Dr. Lieb- knecht festgestellt wird, jeder Arrestgefangene alle drei Tage vom Arzt besucht werden, und Zeuge gibt zu, daß dies trotz der Mehr- belastung für den Arzt eine wesentliche Verbesserung ist. Weiter bekundet Zeuge, als Skläroff im Lazarett war, haben sich schließlich Erscheinungen, hauptsächlich Sinnestäuschungen, ge- zeigt, die den Geh. Rat Baer vcranlaßter., die Ueberführung in eine Irrenanstalt zu beantragen. Als Skläroff ins Lazarett kam, sei er körperlich heruntergekommen gewesen, über den Transport ins Lazarett könne er nichts sagen, er würde eine solche Art des Trans- ports, wie sie hier angeblich stattgefunden haben soll, unter allen Umständen als Unfug betrachtet haben.— Auf einige Fragen der Sachverständigen Dr. Munter. Mcdizinalrat Dr. K o e n i g und Dr. Mönkemöller bekundet der Zeuge, daß Skläroff den russisch -jüdischen Jargon sprach, er sich mit ihm aber doch ganz gut verständigen konnte. Nach seiner gefängnisärztlichen Erfahrung komme es bei psychisch gesunden Leuten auch vor, daß sie immer wieder wegen desselben Delikts disziplinarisch bestraft werden müssen. Er habe deshalb bei Skläroff darin nichts Auffälliges gefunden. Renitenz komme bei vielen Gefangenen vor, namentlich bei Ausländern, insbesondere Russen und Galiziern. Skläroff sei zeitweilig aufgeregt gewesen. Im Laufe des Strafvollzuges habe sich dann, wie das häufiger vorkommt, bei ihm eine akute Paranoia entwickelt. Er litt unter Sinnestäuschungen, behauptete, daß die Leute durch die Decke zu ihm sprechen, daß man von oben Pulver auf ihn schütte, so daß er den Geruch verliere usw. Skläroff äußert« seine Wahnideen nicht erst nach längerer Unterhaltung, soirdern ganz von selbst. Durch eingehende Fragen seitens des Rechtsanwalts Dr. Liebknecht an den Zeugen über die verschiedenen Momente, die wäh- reird der Strafhaft des Skläroff in die Erscheinung getreten sind, icher dessen verschiedene Disziplinarstrafen und die Gesichtspunkte, aus denen der Zeuge zu der Meinung gekommen ist, daß der Vollzug der Strafen„unbedenklich" sei, wird u. a. festgestellt, daß, als Skläroff aus der Untersuchungshaft in Plötzensee eingeliefert wurde. Dr. Pfleger nichts von den Beobachtungen bekannt gewesen sei, die Dr. Puppe im Untersuchungsgefängnis an Skläroff gemacht hatte, daß dieser gesagt hatte:„es stinkt" usw., wäre es— so fragt der Verteidiger— nicht zweckmäßiger, wenn derartige Dinge mitgeteilt würden, sobald ein Gefangener von einem Gefängnis ins andere übergeführt wird?— Zeuge: Gewiß.— Vorsitzender: Diese Frage muß ich ablehnen. ES geht über die Kompetenz des Gerichts hinaus, Mängel des Strafvollzuges im allgemeinen festzustellen. Hier handelt es sich darum, ob die Nebenkläger ihre ärztliche Pflicht verletzt haben.— Rechtsanwalt Dr. Liebknecht: Das ist der Standpunkt der Anklage. Die Angeklagten behaupten aber doch, den Zweck verfolgt zu haben, systematische Mißstände im Strafvollzug zu rügen.— Vorsitzender: Verlangen Sie Gerichtsbeschluß? — Rechtsanwalt Dr. Liebknecht: Für diese besondere Frage nicht, denn sie ist bereits gestellt und beantwortet.— Weiter wird festgestellt, daß der Zeuge, wenn er beurlaubt war, nur durch den Geh. Rat Baer vertreten wurde.— Längere Erörterungen knüpfen sich an die Frage, ob der Zeuge dem Skläroff bei dessen Ueberführung ins Lazarett die vierte ftostform verordnet habe, die niedrigste von allen, bei der Fleisch überhaupt nicht gereicht wird.— Rechtsanwalt Dr. Liebknecht erwähnt den unter den Gefangenen üblichen Spruch: Wer bekommt die vierte Form, krümmt sich wie ein Regen- worm.— Dem Zeugen ist er nicht bekannt, wohl aber gibt er zu, die vierte Form zu verordnen, wenn jemand durchaus ins Lazarett will, den er für gesund hält. Zeuge hält dies für durchaus zulässig, um einen Simulanten aus dem Lazarett zu vertreiben. Rechtsanwalt Halpert: Der Hunger ist also Ihr bester Assistent im Lazarett?(Heiterkeit des Publikums, die der Vor- sitzende ernstlich rügt.) In bezug auf Skläroff wird festgestellt, daß er im Lazarett die dritte Fonn, mit der 167 Gramm Fleisch verknüpft sind, erhielt; dagegen war er auch gleich nach seiner Einliefcrung vom 7. bis 13. und vom 14. bis 16. März im Lazarett, und damals bekam er vierte Form. Der Vertreter des Nebenklägers Rechtsanwalt Chodziesner will daraus schließen, daß Skläroff damals magenleidend gewesen sei, die Verteidiger, daß er für einen Simulanten gehalten wurde. Nunmehr wird Dr. Barr als Zeuge vernommen; er bekundet, daß sich am 3. Juni 1333 herausgestellt habe, daß Skläroff zweifellos geisteskrank geworden sei. Während
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