«»Mchen Gewässern weilenden Kriegsmarine, und zwar nicht nur inOdessa, sondern auch in Sewastopol, Libau, Kronstadt, ja sogar derMarine in Petersburg Anhänger der revolutionärenParteien sind. Die gegenwärtige Erhebung, sagte er, ist einAufstand bewaffneter Revolutionäre, die sich ihres Zieles wohl be»wüßt sind und einer breit ausgreifenden Organisation gehorchen.Das sind nicht Aicntcrer im gewöhnlichen Sinne, das sindnicht Räuber und Mörder, sondern Helden, die ihr Lebe« für eineIdee in die Schanze schlagen.Auch des Landheeres kann, wie Professor v. Reußnerglaubt, die russische Regierung nicht mehr ganz sicher sein, dennauch in seinem Verbände habe die revolutionäre Propaganda Bodengefaßt, welche durch die jetzt einberufenen Reservisten erst recht indie Heeresmacht hineingetragen wird. Das in Genf erscheinenderevolutionäre russische Blatt„Jslra" brachte aus zuverlässiger Quelledie Meldung, daß vor etwa einem Monat zwei in Polen stationierte,aber aus Russen bestehende Jnfanterie-Regimenter schon vollkommenbereit waren, sich den Revoluttonären anzuschließen, als die Ver-schwörung entdeckt und die ganze Mannschaft nach Ostasien geschicktwurde.Professor v. Reußner ist der Ueberzeugung, daß, wenn dergegenwärtige Marineaufruhr mißlingt, die Revolution nach einerkurzen Zeit mit um so größerer Heftigkeit wieder hervorbrechen werde.Auch das Versprechen einer neuen Verfassung könnte daran nichtsändern. Das von B u l y g i n ausgearbeitete Reformprojektwird von der russische» Intelligenz entrüstet zurückgewiesen. Dierevoluttonären Parteien wollen überhaupt von den jetzigen Ratgeberndes Zaren nichts wissen.Die jetzige russische Regierung, schloß Professor v. Reußner, hatausgespielt; sie hatte bisher weder die moralische Autorität, nochgewichtige Staatsmänner auf ihrer Seite, mm sei auch die letzteStütze, auf die sie fich verlassen wollte, zusammengebrochen, da dasMiftwi sich gegen sie erhebt.»DeutfcKes Reich.Gefährliche Flottenpropaganda.Die Flottenschtvärmer betreiben zurzeit die Agitation fürein rascheres Bautempo und die Schaffung kolossaler Linien-schiffflotten mit gesteigertem Eifer. So hat der Marincschrift-steller Graf Reventlow eine Broschüre erscheinen lassen.in der er sich mit dem Nachweis abmüht, daß das Flotten-gesetz vom Jahre 1900 hinter den Bedürfnissen weit zurück-steht. Die„alten Kästen" der Siegfried- und Sachsenklassemüßten schleunigst durch wirkliche Linienschiffe ersetzt werden.Nicht nur müsse die Zahl der Linienschiffe über den Bau-plan des Flottengesetzes hinaus erheblich vermehrt werden,sondern es sei vor allem auch das Deplacement derSchiffe zu erhöhen. Wenn England Schiffe von 20(XX) TonnenDeplacement im Bau habe, könne Deutschland unmöglich mitSchiffen von nur 13 000 Tonnen Deplacement dagegen auf-kommen. Ebenso trostlos wie mit den Linienschiffen sähe esauch mit den Panzerkreuzern aus. es sei die höchste Zeit, daßdie für den Herbst angekündigte Vorlage Abhülfe schaffe. Abereine Vorlage, die sich lediglich auf Panzerkreuzer und Torpedo-boote beschränke, könne nur als Torso gelten. Eine raschereVerbesserung der deutschen Flotte auch um vollwerttge Schlacht-schiffe ersten Ranges sei dringend geboten.Auch der Kapitänleutnant a. D. Ruft, der vor einigerZeit eine äußerst lesenswerte Broschüre über unsere Marine-Verhältnisse veröffentlicht hat, beschäftigt sich in der„Frank-furter Zeitung" mit der Frage,„was für Kriegsschiffesollen wir bauen". Er beharrt in diesem Aussatz bei demStandpunkt, den er in seiner Broschüre vertreten hat. ImGegensatz zu dem Grafen Reventlow und den Leuten des Flotten-Vereins hält er den Bau von kolossalen Linienschiffen ftir völligverkehrt. Deutschland werde niemals eine Linien-schiffsflotte bauen können, die stark genug sei, esmit der englischen aufzunehmen. Zum Schutze seinesHandels wären Panzerkreuzer von großem Attionsradius vielwertvoller. Gerade die Seeschlacht bei Tsuschima habe wiederumbewiesen, daß Schiffe mit großer Fahrgeschwindigkeit Schiffemit geringerer Fahrgeschwindigkest überlegen seien. Dierussische Flotte sei an Schlachtschiffen der japanischen über-legen gewesen, die Japaner hätten aber gesiegt durch dieUeberlegenheit ihrer Panzerkreuzer.Wie man sieht, sind die Flottentreibereien unserer Flotten-vereinler umso gefährlicher, als innerhalb der Marine-sachverständigen nicht einmal Meinungseinheitlichkeit über denWert der Schlachtschiffe herrscht, deren Bau von Deutschlandmit besonderem Eifer betrieben wird. Es wäre gar nichtausgeschlossen, daß man nach einem Jahrzehnt des fieber-haftesten Linienschiffbaues zu der Ansicht des KapitänleutnantsRuft gelangte, daß alle die Riesenausgaben für diese riesigenPanzerkästen völlig weggeworfen gewesen wären. Dabeibedeuten Deutschlands Seerüstungen die drohend st eGefahr für den Weltfrieden. Wenn Deutsch-land in einem Augenblick, wo durch die Ver-nichtung der russischen Flotte die Möglichkeit eines Angriffsdes Zweibundes vollständig geschwunden ist, gleichwohl dieFlottenrüstungen im Eiltempo fortsetzt und durch seine Flotten-tretber unverhüllt erklären läßt, daß diese Rüstungen dazudienten, England die Spitze zu bieten, so kann England garnicht anders, als in diesen Rüstungen eine eminente Gefahrfür sich zu erblicken. Es könnte also eines Tages der krittscheAugenblick eintreten, wo England, des ewigen Wettrüstensmüde, sich des unangenehmen Rivalen durch einen ent-scheidenden Schlag zu erwehren sucht. Das tolle Wettrüstenbedeutet also nicht nur die Gefahr des wirtschaftlichen RuinsDeutschlands, sondern es birgt auch die Gefahr Verhängnis-voller weltpolitischer Zusammenstöße l—lieber den Chinaprozeßurteilt die„Franks. Ztg.:„Die„Hunnenbriefe", die während der ostasiatischen Expedstiongegen China ein so ungünstiges Streiflicht auf die europäischeKultur warfen, weil sie arge Ausschreitungen von Soldaten derJnvasionsarmee berichteten, haben sich zwar nicht immer als zu-verlässig, sondern in vielen Fällen als frivole Renommistcreienerwiesen.(Anm. der Redaktion des„Vorwärts": Die„Franks.Zeitung" irrt insofern, als niemals der Inhalt der Hunnenbriefezum Gegenstand des Wahrheitsbeweises gemacht worden ist!Wohl kann man aus der Form und der Ungeheuerlichkeit desInhalts auf Uebertreibung schließen, aber erwiesen worden istdas n i ch t I) Daß ihnen aber doch recht viel Tatsächlicheszu Grunde lag, das hat der in Halle a. S. verhandelte„China-Prozeß" gegen den sozialdemokratischen Reichstags-AbgeordnetenÄunert dargetan. Er hat so viel Belastendes ergeben—obgleich der Wahrheitsbeweis sehr erschwertwar und die verlangte Vernehmung der amtlichenStellen, der Kriegsberichterstatter und anderer unverdächttgerBeobachter abgelehnt wurde— daß die Notwendigkeit weiterernachträglicher Nntersnchungan wohl auch von der Militärverwaltunganerkannt werde» wird.... Nach alter Landlnechtssitte war„Beute" gemacht worden, und in manchen Lagern hatte sich einschwunghafter Handel mit„Kriegsschätzen" entwickelt, die friedlichenChinesen abgenommen waren. Am meisten haben sich darin dierussischen Truppen herborgetan; aber auch in anderen Kontingentenist in dieser Beziehung stark gesündigt worden, und daß diedeutschen Truppen dabei ebenfalls nicht durchweg vorwurfsfreigeblieben sind, wurde schon bekannt durch die schweren Strafen,die über die ärgsten Exzedenten verhängt worden sind. Aus demjetzt geführten Prozeß haben wir erfahren, daß diese AuS-schrcitiingen, diese vcrdammcnswerte Auffassung des„Kriegs-brauche" viel größeren Umfang angenommen habe»», als man bisherglanbre."Die„Zeit am Montag" schreibt:Diebstahl, Raub, Mord, Kinder- und Frauen-schändung— das sind so ungefähr die schwersten Verbrechen,die das Strafgesetzbuch und die allgemein menschliche Moralkennen. Diebe gelten nach den herrschenden Anschauungen, wennnicht mildernde Umstände ihnen zur Seite stehen, als ehrlos,Räuber und Mörder nicht minder, und gegen die Greueltaten derKinder- und Frauenschänder bäumt sich jedes bessere Gefühl inunS auf. Aller dieser Verbrechen aber haben sich, zum Teil unterrecht erschwerenden Umständen, die eine nachsichtige Beurteilunggänzlich ausschließen, deutsche Soldaten im China-feldzugeschuldiggemacht,An dieser für uns so sehr beschämenden Tatsache ist nicht zurütteln. Vor der Strafkammer in Halle ist der Beweis dafürerbracht worden, daß Schändlichkciten dieser Art nicht nur invereinzelten Fällen im Laufe des„Rachefeldzuges" vorgekommensind, sondern daß auch unter den deutschen Kombattanten vielesich befanden, die vor ihnen nicht zurückschreckten, sondern unterdem Einfluß kriegerischer Verwilderung und Verrohung beinahegewohnheitsmäßig so handelten, als ob das Siltengesetz für sieaufgehoben wäre."Beide Blätter halten denn auch die Form, unter derKunert verurteilt wurde, für eine juristische Unmöglichkeit.Es sei eine ganz unhaltbare Annahme, daß Kunertdas ganze Expedittonskorps solcher Exzesse habe bezichtigenwollen. Aber selbst vom Standpunkt des Gerichtshofes aushabe man den Wahrheitsbeweis nicht beschränken dürfen, dader Umfang der Exzesse für das Strafmaß von b e-trächtlichster Bedeutung hätte sein müssen IDie„ F r k f. Ztg." protestiert ferner gegen die Auf-fassung des Gerichts, Exzesse, wie die in der Verhandlung er-wiesenen, seien unvermeidl�he Begleitersche'"nngen des Krieges.Die Militärverwaltung eines zivilisierten Staates habe alleUrsache, die Kriegsführung nach Möglichkeit zu humanisieren.Der Leitarttkel der„Neuen Zeit" bemerkt indes dazu:„Was immer die Geschichte an bestialischen Greueln zu bc-richten hat, die von Menschen an Menschen begangen worden sind,das wird erreicht von dem, was vor den gerichtlichen Schrankenin Halle über Angehörige des ostasiatischen Expedittonskorpsunter dem Zeugcneid ausgesagt worden ist. In eitel Zunder istdie Heuchlermaske zerfallen, unter der die deutschen Patriotenso tapfer über die plackenden und plündernden, marternden undmordenden HeereSzüge anderer Völker geschmält haben. Es stehtdarin bei ihnen nicht anders, nicht besser und nicht schlimmer,als bei anderen Völkern, denn der Krieg ist ein Götze, der seinernicht spotten läßt, von keinem derer, die ihn anbeten. Er ver-bestialisiert die Menschen, mögen sie wollen oder nicht; mag eraus diesen Gründen geführt werden oder ans jenen, mag er jeneZiele haben oder diese, mag er ein sogenannter heiliger Ver-teidigungs- oder ein sogenannter ruchloser Raubkrieg sein:Krieg ist immer Krieg, und es bleibt bei dertrostlosenWahrheit, die nun auch eine preußischeStrafkammer verkündet hat: Solche Sachenkommen doch in allen Kriegen vor."Soldaten als Landardeiter. Auf dem Gute des RittmeistersDouglas Gr. Friedrichsberg bei Königsberg werdengegenwärtig 10—15 Soldaten mit landwirtschaftlichen Arbeiten be-schäftigt; sie erhalten dafür eine Mark pro Tag und Essen. Es istaufs schärfste zu verurteilen, daß die Soldaten als Landarbeiter be-schäftigt werden, denn Herr Douglas kennt nicht einmaleine Leutenot: es werden Arbeiter entlasse» und dafürSoldaten eingestellt. Dieser Vorgang beweist wieder deutlich,daß die zweijährige Dienstzeit viel zu lang ist, dennsonst könnten die Soldaten unmöglich als Feldarbeiter be-schäftigt werden. Wie man überhaupt im Zeitalter der„Leutenot"mit den Arbeitern umspringt, beweist folgender Vorfall: ZweiTagelöhnerinnen waren aus der Arbeit des obengenannten Gutesgetreten, die eine wegen Lohndifferenzen. die andere, weil man siebeschimpft hatte. Beide traten in Westgart in Arbeit. Als derInspektor des Gutes Gr.- Friedrichsberg das erfuhr, reiste er nachWestgart hin und das Ende vom Liebe war, daß beide Arbeiterinnenentlassen wurden, trotzdem sie, wie man erklärt hat, nötig gebrauchtwurden und man auch mit ihnen zuftteden war,Ueber„Leutenot" wird man aber trotzdem klagen.—Hueland.Mr. John Hay.Man schreibt uns aus London vom 2. Juli: Wie eineDepesche aus Amerika berichtet, starb gestern in New HampshireMr. John Hay im Alter von ö7 Jahren. Seit 13ö3 war erStaatssekretär und ebnete seinem Lande die Bahn zum Imperialismus.Er hat als Sekretär Lincolns angefangen und als auswärtigerMnister Roosevelts geendet. Es ist ein weiter Sprung von einem deredelsten Demokraten bis zu einem der tvütendstcn Imperialisten. AberHay hat den Sprung gemacht, ohne ihn eigentlich zu empfinden,Er war hauptsächlich mit der äußeren Politik beschäftigt und in derDiplomatie sind alle Katzen mehr oder weniger grau. Als MacKinleh im Jahre 1896 über Bryan gesiegt hatte und die Vorherrschaftdes Großkapitals gesichert war, wurde Hay nach London als Botschaftergeschickt, um England zu versöhnen und es für die VereinigtenStaaten zu gewinnen, die auf dem Sprunge waren, die alte, reinamerikanische Polittk aufzugeben und in die imperialistische Periodeeinzutreten. Während des spanisch-amerikanischen Krieges ist esHay tatsächlich gelungen, das englische Kabinett auf seine Seite zugewinnen und dadurch eine europäische Intervention zugunstenSpaniens unmöglich zu machen. Als Belohnung für seineDienste wurde Hay zum Staatssekretär ernannt. Er gingzurück nach Washington und leitete die ausloärtigen Angelegenheitenwährend der chinesischen Wirren. Ende 1899 formulierte er m einemRundschreiben an die amerikanischen Botschafter die Politik der„offenenTür". Und als die Boxerunruhen ausgebrochen waren und Chinavor der Aufteilung stand, da richtete er am 3. Juli 1900 eine Zirkularnote an die Mächte, in der er erklärte, daß die internationalemilitärische Expedition nicht gegen die chinesische Negierung gerichtetsei, sondern gegen die Rebellen, China lede in Frieden mitallen Mächten, die nur gekommen seien, um der chinesischen Regierungbei der Wiederherstellung der Ordnung behülflich zu sein. Gleich-zeittg veranlatzte er Mac Kinley, so schnell als möglich eine militärischeMacht in China zu landen und sie gegen Peking marschieren zu lassen,um die Legationen zu besteien und Frieden herzustellen, ehe der Welt-Marschall Waldersee komme, um einen Krieg gegen China anzufangen.Hay traute den Deutschen auf keinem Schritt. Im Einverständnismit der Politik Hays war das japanische Kabinett, unddieser Politik ist es vielfach zu verdanken, daß China«och nicht auf-geteilt ist.Ebenso war Hay auf feiten Japans im Konflikte mit Rußlandüber Korea und die Mandschurei. Nachdem die Integrität Chinaseinigermaßen gesichert war, wandte Hay seine Aufmerksamkeit deminterozeanischen Kanal zu, um es Amerika zu ermöglichen, im Not-falle seine ganze Seemacht im Stillen Ozean konzentrieren zukönnen. Cr setzte es bei England durch, daß der Clayton-Bnliver-Vertrag vom Jahre 1850, der den Bau eines interozeanischenKanals unter die gemeinschaftliche Aufsicht Englands und Amerikasstellte, beseittgt wurde. Dann ließ er den Pauamalanal kaufen.Er hat auch einen danernden Frieden zwischen England mdAmerika hergestellt, so daß England alle seine Flottenftalione» mAmerika entwaffnen kann.. �Roosevelt war zwar nicht immer mtt Hay emverstanden, dennochkonnte er den Gedanken eines Rücktritts von Hah nicht ertragen.Schließlich ist es nicht Roosevelt. der die amerikanilche Politik macht.Hay hat Freunde und Schüler hinterlassen, die seine. Politik sort-setzen werden.—_Frankreich.Die Trennung von Staat und Kirche.Die Gesamtabstiininung über das Gesetz betreffend TrennungVon Kirche und Staat hatte das Ergebnis, daß die Vorlage unganzen mit 34l gegen 233 Stimmen angenommen wurde.Vor dem Schiußvotunr gaben zahlreiche Deputierte Erklärungenab, in denen sie ihr Votum begründeten. Die klerikalen und kon-servativen Redner erklärten, gegen das Gesetz stimmen zu wollen,da eS trotz einiger liberalen Paragraphen eine Beraubung derKirche bedeute. Mehrere Sozialisten und Radikale sagten, daßsie da? Gesetz des darin ausgesprochenen P r i n z i p e s halberannehmen, daß das Gesetz aber in der Frage Priesterpensionen usw.der Kirche zu große Konzessionen mache und nur als ein ersterSchritt zu betrachten sei, B r i a n d, der sozialistische Kom-inisiionsberichterftatter, fordert in der„Humanits" dringlich denSenat auf. das Gesey nun seinerseits bis zum 1. Jamrnr zu votieren,und zivar in unveränderter Form, damit es vor den KammerwahlenKraft gewinnen könne. Der klerikale„Gaulois" schreibt:„Die-jenigen, die das Gesey vottert haben, ahnen nicht, welchen Zorn undHaß es in den Dörfern gegen das heutige Regime erregen wird.Die Kirche wird vielleicht ärmer werden, aber ihre Autorität undihr Einfluß werden wachsen."Italien.Die städtischen Wahlen in Rom.Rom, den 2, Juli.(Eig. Ber.)Am letzten Sonntag fand in Rom die Erneuerung eines Drittelsdes Stadtverordnetenkollegiums statt, die mit einem vollen Siege derKlerikalen und Konservativen endete. Zum erstenmal war die alteoffizielle Scheidung zwischen Klerikalen und Antiklerikalen � fallengelassen worden. Die beiden Parteien, die sich seit 1870 dieStadtverwaltung Roms streitig machten, haben eingesehen,daß ihre Interessen im Grunde ein und dieselben sind.Die Klerikalen wollen längst nicht mehr den Usurpator auS demOuirinal vertreiben, die Antiklerikalen denken nicht mehr daran, derPfassenwirtschaft in den Schulen und WohltätigkeitSanstalten derHauptstadt ein Ende zu machen. Beiden liegt viel am Vatikan, derdie zahlreichen Fremden nach Rom bttngt, und viel am Ouirinal,der die große Beamtenbevölkernng bedingt, denn sowohl klettkale alsantiklerikale Stadtverordnete sind Aktionäre der städttschen Tram-bahnen, Besitzer großer Häuserkomplexe und Baustellen, Aktionäre derWasser- und Elektrizitätswerke, der Gasanstalten usw. Nicht alsKlerikale oder Antiklerikale haben sie Rom bisher so elend verwaltet,daß es eine der teuersten Städte der Welt ist und der Wohnungs«mangel hunderte armer Familien nötigt, in Zelten und in denRuinen vor den Toren zu leben; diese Mißwirtschaft haben sie alsAktionäre und Hausbesitzer eingeführt, die Herren mit dem Rosen-kränz und die mit dem Dreieck der Freimaurer in trautem Verein.Diesmal hatten nun die Konservativen mit der klerikalen„Unione Romana" ein Wahlbündnis geschlossen, um sich die„nährende Kuh" der städtischen Verwaltung zu bewahren. Dagegenhatte man eine liberale Koalition zu bilden versucht, die alle anti«klerikalen Elemente vereinigen sollte. Die sozialistische Partei-Organisation Roms hat jedoch mit großer Mehrheit ihren Eintrittin das Bündnis abgelehnt und erklärt, nur mit eigenen Kräften undmit einer Minoritätsliste von fünf Namen in den Wahlkampf zutreten. Dagegen waren Republikaner und Demokraten dem liberalenBündnis beigetreten. So standen sich am Sonntag gegen-über: Die klerikal-konscrvative Union, die den affaristischen Geist derbisherigen Mehrheit verkörpert, die liberal-demokrattsche Union, diepotentiell den gleichen Geist hat, aber ihm, solange sie noch nach derMacht strebt, nicht Ausdruck geben kann und seiner vielleicht gar nichtbewußt wird, und schließlich die sozialistische Partei. Sowohldie Klerikal- Konservativen, als die Liberalen- Demokratenstellten eine Mehrheitöliste auf mit 20 Namen, da'/« der Minoritätreserviert ist und fünfundzwanzig Stadtverordnete zu wählen find.Obwohl die städtischen Wahlen mit allgemeinem, gleichem undgeheimem Wahlrecht stattfinden— nur die Analphabeten sind aus-geschlossen—, bot der Kampf der Partei so gut wie gar keine Aussichten.Da es in Rom kein eigentliches Proletattat gibt, eben weil manmit allen Mitteln die Entwickelung der Hauptstadt zu einemindustriellen Zenttum verhindert, gibt es auch keine sozialistischeWählerschaft.Erfolgreicher für die Sozialdemokraten sind die Wahlen inLigurien verlaufen. In Genua wurde der sozialistische AbgeordneteChiesa und der Advokat Massone mit 200 Stimmen Mehrheit ge-wählt. In Sestri Ponente unterlag der sozialisttsche Kandidat mitnur 4 Stimmen dem klerikalen Gegner.— In Alessandria wurde dersozialistische Bürgermeister Paulo Saceo mit 2029 Stimmen in denProvinzialrat gewählt.» Dänemark.Schwere Wahlniederlage der Regierungspartei. In Stege aufder Insel Möen fand am Freitag eine Ergänzungswahl zum Folke-thing statt. Bei den allgemeinen Wahlen im Jahre 1993 war derkürzlich verstorbene regierungsliberale FolkethingSmannI e n s e n- B r ä n d h o l t mit 1l26 gegen 1086 moderate Sttmmengewählt worden. Diesmal hatten außer diesen beiden Parteienauch die Sozialdemokraten und die Radikalen je einen Kandidatenaufgestellt. Gewählt wurde der moderate Lehrer EmilPetersen mit 954 Stimmen; ihm zunächst in der Stimmenzahlkam unser Parteigenosse H. C. Jensen mit 561,dann der radikale Kandidat mit 453 Stimmen; derder Regierungspartei aber erhielt nur 135S t i nt m e n. Der Verlust, den die alte Linkenpartei offenbar alsFolge ihrer Verleugnung des alten Parteiprogramms erlitten hat,ist also größtenteils der Sozialdemokratie und den Radikalen zugutegekommen. Die Regierungspartei verstigt jetzt nur noch über58 Mandate im Folkething, denen 56 der anderen Parteien gegen-überstehen, nämlich 16 Sozialdemokraten, 15 Radikale, 11 Moderate,11 Konservative und 2 Wilde. Ihre Mehrheit hängt also bei Be-schlüsselt von einer einzigen Stimme ab. Ihre Mehrheit in derBevölkerung hat sie offenbar schon lange eingebüßt und daß sie beiden nächsten allgemeinen Wahlen auch ihr parlamentarisches Ueber-gewicht völlig embüßen wird, scheint zweifellos zu sein.—Amerika.Vom Panamakanal. Die unerwartet eingetretene Restgnattondes obersten Leiters der Arbeiten am Panainakanal, John Wallace,hat großes Aussehen erregt und eine Störung im Fortlauf derArbeiten verursacht. Von Washington wird berichtet, daß Rooseveltund der Kriegssekretär Taft das Verhalten Wallaces scharf tadelnund behaupten, er stelle seinen persönlichen Borteil höher als dieErfüllung übernommener Pflichten, weil er nämlich inNew Uork eine Stellung bekonimen kann, die ihm mehrals das Doppelte jährlich einbringt. Wallace weist denTadel zurück und läßt durchblicken, daß er die Korruptionin der Panamakanalverwaltung nicht länger mit ansehenwollte. Es heißt, daß er Enthüllungen machen werde und daß eingroßer Skandal in Aussicht stehe. Der„New Jork Herald" meint,es wäre das beste, wenn der Kanalbau unter militärische Leitunggestellt würde, aber man müsse Rücksichten ans die Gewerkschaftennehmen und es sei sehr fraglich, ob diese damit einverstandenseien. Die Opposition der Gewerkschaften gegen die Kuli-arbeit bei dem Kanalbau habe den gewünschten Erfolggehabt und es seien nur wenige mongolische Arbeiterangestellt. Das gelbe Fieber fordert neuerdings wieder viele Opferin Panama. Es werden häufig Nachrichten in die Presse lanziert,daß die Widerstände bei den Arbeiten sich in ungeahnter Sßeife