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nicht der Herr wäre, selbst wettn er die Mehrheit hätte. Denn euer Parlament ist nur ein halbes Parlament. Ein Parlament ist kein Parlament, wenn es nicht die Exekutivgewalt, die Rcgierungsgewalt in der Hand hat, wenn seine Beschlüsse nur Wünsche sind, die die Reichsbehörden willkürlich kassieren können. Und so steht ihr, ihr wißt es, ihr fühlt es wohl, vor einer schwierigen Lage. Und ihr sucht nach einer Lösung. Ich bin sicher, ihr werdet sie finden. Man kann dem Schicksal den Weg nicht versperren. Ihr, Proletarier Deutsch- lands, seid das Geschick, ihr seid das Heil Deutschlands ! Man wird euch den Weg nicht versperren. Aber ihr wißt noch nicht, welchen Weg ihr in der Praxis einschlagen werdet, ob ihr revolutionär oder parlamentarisch vorgehen werdet, wie ihr die Demokratie in eurem Lande einrichten werdet. Es ist natürlich nicht der Zweck dieser Ausführungen, darzutun, wie weit wir die Ansichten des Genossen Jaurös über die deutsche Sozialdemokratie teilen. Aber worin die Differenz zwischen dempraktischen" Jaurds und den rückständigen Deutschen besteht, ist klar. Jaurds gilt die offene Revolution der Straße als ein brauchbares politisches Mittel für jene Staaten, in denen eine demokratische Ordnung noch nicht besteht. Die Rückständigkeit der deutschen Sozialdemokratie findet er in einer Taktik, die nach seiner Meinung zu einer weitereir Abstmnpfuug des ohnehin gering entwickelten revolutionären Tradition der deutschen Sozialdemokratie führen muß. Hat Iaurss in Amsterdam etwa das Prinzip deS Klassen- I astn pfeS verworfen? Hören wir ihn selbst: . Man wirft uns vor, daß wir die Reinheit der Prinzipien gefährdet, das Zusammenarbeiten der Klassen gepredigt hätten. Wir aber verkünden ebenso wie ihr, Genossen, daß zwischen Bourgeoisie und Proletariat ein tiefer, wesentlicher, unüberbrückbarer Abgrund sich auftut, weil er ausgeht von dem unverrückbaren Gegensatz zweier Systeme des Eigentums. Aber indem wir das republikanische Regime ausnützen, glauben wir. daß das Interesse unseres Ideals und unseres Proletariats uns verpflichtet, die republikanische Bour- geoisie zu unterstützen bei der Lösung cmanzipatorischer Aufgaben. wie die Verweltlichung deS Staates und des Unterrichts, wir ver- raten nicht im mindesten das Prinzip des Klassenkampfes, und das Interesse des Proletariats, das allein uns leitet, so wenig als der deutsche Sozialismus es verraten hat an dem Tage, da er mit Bebel die Notwendigkeit der Beteiligung an der Landtagswahl anerkannt hat... Worauf beruht nun der Unterschied zwischen deutscher und französischer Taktik? Auf den völlig verschieden gearteten Voraus- setzungen. JaursS fährt fort: »Ihr Deutschen habt die Reformation gehabt, welche die Macht der katholischen Kirche zum Teil gebrochen hat; ich wäre aber bei- nahe versucht, in einem gewissen Sinne mich darüber zu freuen, daß in unserem Lande die Reformation ausgerottet worden ist; ihre Niederlage hat den französischen Geist gezwungen, die vollständige Befreiung herbeizuführen. Andererseits lebt ihr unter einem kaiserlichen und feudalen Regiment. Wir haben zu kämpfen gegen die katholische Kirche , die stärkste Macht der politischen Reaktion und der sozialen Knechtschaft. Aber wir leben unter einem republikanisch- demokratischen Regiment. Alle unsere öffentlichen Gewalten ent- stammen der nationalen Souveränität und sind ihr verantwortlich. Das allgemeine Stimmrecht der Massen ist die Grundlage unseres politischen Systems.... Ihre Taktik, die bedingt ist von der protestantischen Orthodoxie und von dem persönlichen Regiment, können Sie unS nicht auf­zwingen, weil bei uns die Voraussetzungen dazu fehlen...." Man sieht, mit keinem Worte rät JaureS denrückständigen" deutschen Sozialdemokraten, sich etwa mit dem gegenwärtigen Regime auszusöhnen. Vielmehr ruft er sie dagegen zum Kampfe auf bis aufs äußerste I Nun ist JaureS aber nicht nurpraktischer", sondern auch patriotischer" als dienur negierende, doktrinäre, rückständige" deutsche Sozialdemokratie. Der leidige Zufall will es, daß Jaures just in Amsterdam eine Auseinandersetzung mit dem Genoffen K a u t S k y hatte, wobei er fand, daß KautSkY-- viel zu wenig vaterlandSws" sei. Jaures sagte: .... Als ich hörte, daß Kautsky die Möglichkeit einer Be- teiligung an der Regierungsgewalt im Falle einer nationalen Ge- fahr, daß er die Teilnahme Blanquis an der Regierung einer Bourgeoisrepublik, um einen eindringenden Feind von den Landes- grenzen abzudrängen, anerkennt, da fragte ich mich, ob der Ministerialismus zu einem Bestandteil der orthodoxen Lehre wird, sobald er mit Nationalismus verquickt ist, und warum denn eigentlich der Proletarier zu entschuldigen sein soll, der den Klassenkampf dran- gibt, um an der Verteidigung deS Landes mitzuhelfen, das verwaltet und ausgebeutet worden war von der Bourgeoisie? Ich fragte mich, ob politische und geistige Freiheit, Organisationsmöglichkrit und dergleichen für den Proletarier nicht ebenso wichtig sind, wie das heutigeBaterland"? Ja, ich muß gestehen: in seiner ganzen Feinheit kann ich den nationalistischen MinisterialiSmuS KautSkyS nicht begreifen I..." Mit anderen Worten: Genosse JaureS rechtfertigt den Mini- sterialismuS aus Gründen des Klassenkampfes, lehnt aber Gründe des Patriotismus mit verächtlichem Hinweis auf den heutigen Zu- stand der Vaterländer ab. Das ist der praktischere, der patriotischere französische Sozial- demokrat Jean Jaure», dessen Ansichten der Kanzler des deutschen Absolutismus schätzt, achtet und nicht selten teilt. Das ist das wahre Bild dieser im deutschen Reichskanzleramt geschätzten Persönlichkeit, nicht geschminkt und nicht geschmeichelt! Wie weit wir uns bemühen sollen, dem verkannten Liebling des deutschen Reichskanzlers ähnlich zu sehen, ist eine Frage der inneren ParteidiSkussion, über die wir unS lieber mit dem Genoffen JauröS al» mit emem so profunden Kenner des Sozialismus wie dem Fürsten Bülow auseinandersetzen möchten. Nur eine? scheint unS betrübende Gewißheit, daß wir uns auf diese Weise die Gunst des deutschen Oberpolizeimeisters kaum erringen dürften. Denn das scheint in der Politik des Reichskanzler» ein Grundsatz von entscheidender Be- deutung zu sein, daß einem deutschen Untertan nicht eben alles recht sei, waS einem Bürger der französisch?» Republik billig ist. Die An- sichten, die, Ivenn sie ein Franzose äußert, die Hochschätzung der höchsten amtlichen Stelle finden, würden zu einem Drittel genügen, um jedem vaterlandslosen Gesellen Deutschlands dauernd den Weg nach dem Zuchthaus zu weisen! Die bürgerliche Presse über das Redeverbot. Die Blätter der konservativen Reaktion, dieKreuz- Zeitung ", �deiReichsbote". dieDeutsche Tageszeitung", billigen, wie sich versteht, den Bülow -Ukas nach Inhalt und Form. Vollen Beifall spendet dem Reichskanzler die Firma Stumm. Von den Hintermännern derPost" hatte sich Fürst Bülow beraten lassen, diePost" konnte seine Geneigt- heit für ihre Zettelunaen vorausahnen. Jetzt will sie den Reichskanzler auf der Bahn weitertreiben. In die sie ihn ge- stoßen. Sie fordert die gesetzwidrige Handllmg des Verbots der SonntagSversammlung; sie schmäht überBeschimpfungen deS Reichskanzlers" durch denVorwärts":Die Preßfreiheit ist beimVorwärts" schon längst zur Preßsrechheit gcivordcn und seine heutige Leistung zeigt unS den Gipfelpunkt dieser Frcchhzit'z sie gröhlt:Gin» kräftige Faust tut hier not." Will der Reichskanzler weiter den Ratschlägen der Lorenze undPost"leute folgen, wohlan! Es kann gar nicht genug für die Sozialdemokratie agitiert werden. Fürst Bülow ist demnächst der Ehrenmitgliedschaft unserer Partei sicher. Aber einige Blätter der Stupidität und der Scharfmacherei sind nicht voll befriedigt. So sagt dieStaatsbürger- Zeitung': Man wird sich fragen müssen, ob eS nötig war, daß Fürst Bülow in dieser konzilianten Form an den französischen Sozialisten da? Ersuchen richtet, seine Reise zu unterlassen, ob nicht vielmehr ein einfaches Verbot auf administrativem Wege genügt hätte. Wir wollen dieser Frage keine Antwort suchen; meinen aber doch, daß durch solche V e r b i n d l i ch e H a l t« n g des leitenden deutschen Staatsmannes die Ilcberhebiing einer Partei nicht wenig gestärkt wird, die sich für ihre Person selbst über alle Anforderungen des Taktes hinwegsetzt.(DieStaatsbürgerin" und Takt I) Wollte man aus diesen oder jenen Erwägungen heraus Jaurös am Auftreten verhindern, so hätte sich der Reichskanzler unseres Er- achtens durchaus nicht selbst zu bemühen brauchen. Durch da? eigenhändige Sendschreiben an den Pariser Botschafter hat die Affäre erst eine Wichtigkeit erhalten, die sie vorher nicht gehabt hat und die sie auch wahrscheinlich in �Zukunft nicht erlangt hätte." Die liberalen Blätter mühen sich zumeist mehr oder minder glimpflich über den peinlichen Fall hinausziigelangen. Sie mögen ganz und gar der Sozialdemokratie nichts Günstiges sagen und mögen ebensowenig des Kanzlers Heiterkeit trüben. So hilft sich dieKöln . Ztg.", die ehegestern eindring- lich vor schwerem Fehler warnte, indem sie zu dem Abdruck des Erlasses kleinlaut bemerkt: Auch diese Ausführungen vermögen»ns nicht von der Not- wendigkeit und Nützlichkeit der gegen das Auftreten des Herrn JaursS zu ergreifenden Maßregeln zu überzeugen. So treffend die Kritik ist, die der Reichskanzler an der deutschen Sozialdemo- kratie übt, so scheint uns doch sein Vorgehen gegen JaureS der geplanten sozialdemokratischen Kundgebung eine Bedeutung zu geben, die ihr an sich nicht innewohnt." DasBerliner Tageblatt" vermag einige der ihm üblichen Torheiten vomübermütigen Gebaren der sozialdemo- kratischcn Führer" und vomohnehin schon hochgespannten Selbst- bewußtsein der sozialdemokratischen Heerrufer" auch bei diesem An- laß nicht zu sparen; es sagt dann: Ganz bestimmt werden die sozialdemokratischen Parteiführer diesen Erlaß des Reichskanzlers als einen großen Sieg, den ihre Macht errungen, ausbeuten und den Reichskanzler nicht gerade als den Ritter ohne Furcht vor ihren Genossen darstellen. Das ist der ziemlich einzige Erfolg, den die kleinliche Auffassung seitens de? Fürsten Bülow gezeitigt hat. Kann man da» eine politische Klugheit nennen? Ganz abgesehen davon, daß der deutsche Reichs- kanzlcr durch diesen Erlaß an den Fürsten Radolin nur Wasser auf die Mühlräder der französischen Nationa. l i st e n gegossen hat. Gerade von dem rein dcutschpolitischen Stand- Punkt aus betrachtet, muß man das Vorgehen des Fürsten v. Bülow als wenig glücklich bezeichnen." DieVoss. Ztg.": Wir bedauern die Entschließung des Reichskanzlers>md einen Erlaß, der dem Auftrete» des' Herrn JaureS eine über­triebene Bedeutung beilegt.... Herr Jean Janres hätte ruhig 'einen Speech halte» können, und weder das Reich,»och die Staats- ordnung wäre gefährdet worden. Daß Fürst Bülow die ungehaltene Rede des Herrn Jean Jaurös zum Gegenstand einer feierlichen diplomatischen Note macht, wird einige Verwunderung erregen." Auch dieFreie deutsche Presse", die sicherlich nicht im Verdacht steht, einen Vorgang der Sozialdemokratie günstig deuten zu wollen, vermag die Bülowsche Unklugheit nicht zu ver- teidigen: Ob das Redeverbot gerade als ein Zeichen der Stärke der deutschen Regierung aufgefaßt werden wird, muß mehr als zweifel- Haft erscheinen. Fürst Bülow gesteht zu, er habe Besorgnis, daß die deutschen Veranstalter der Versammlung die Anwesenheit des Herrn JaureS dazu ausnützen würden, um der deutschen oder der ranzösischen Regierung Unannehmlichkeiten zu bereiten und die staatsfeindlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie gegen die nationalen Interessen zu fördern. Es ist aber schwer einzusehen, wieso die deutschen Arrangeure der Versammlung dazu imstande sein sollten, und noch schwerer ist zu begreifen, daß die Behörde nicht in der Lage sein sollte, falls etwas derartiges versucht würde, energisch einzugreifen. Jetzt wird die Sozialdemokratie erst recht ordentlichen Respekt vor sich selbst bekommen, da sie sieht, eine wie große Bedeutung die Regierung ihren Kundgebungen beimißt. Daß die Zurückweisung der Rede von Jaures in einer sehr höflichen Form erfolgt, ist zwar bezeichnend für den Fürsten Bülow, ändert aber an der Auffassung der Sachlage und an der Aufnahme des Verbots nicht das mindeste." Die B e r l. Volkszeitung': Daß ein maß- und taktvoller,patriotischer", deutschfreund- licher ftanzösischer Redner und eine sozialdemokratische Versammlung in Berlin im stände wären, das Deutsche Reich zu gefährden oder da» Gleichgewicht Europas zu stören, das hätten wir uns in unseren trübsten Befürchtungen hinsichtlich der Festigkeit der bürgerlichen Gesellschaft Europas nicht träumen lassen! Wenn jetzt der Sozial- demolratie der Kamm schwillt, so hat sie eS dem Fürsten Bülow zu danken, der ihr durch das Redeverbot gegen Jaurös eine für den ganzen Sommer und weit darüber hinaus vorhaltende Sensation" ersten Ranges verschafft hat." DieGermania ": Genug, derVorwärts" gibt sich alle Mühe, den Vorfall aus- zubeuten unddie Harmlosesten zur Erkenntnis zu zwingen, welch' gewaltige Aufgabe der Sozialdemokratie gestellt ist, um aus dem Deutschen Reiche der Gewalt und Polizeiwirtschaft ein Reich politi- scher Gesittung, ein freies Reich zu schaffen." Im Grunde des Herzens ,st den Genossen aber vermutlich das Verbot gar nicht unwillkommen, denn mehr Lärm und Reklame hätte mit der Versammlung auch nicht gemacht werden können. UebrlgenS soll die geplanteFriedenskundgebung" doch stattfinden." DieMärkische VolkSzettung" wird deutlicher, sie überschreibt ihren ArtikelDiplomaten-Irrungen" und sagt u. a.: .. Aber das alles ändert nicht« an der Tatsache, daß durch den erwähnten Schritt der deutschen Regierung voraussichtlich das Gegenteil von dem erreicht werden wird, was erreicht werden sollte, nmnlich eine weitere Kräftigung des Ansehens der Sozialdemokratie bei den Massen und ein Agi- tationSstosf für die sozialdemokratischen Hetzer, wie sie ihn schöner nicht wünschen konnten. Wie die Sozialdemokratie denFall JauröS auszubeuten gedenkt, beweist zur Genüge die heutige AuS- gab« deSVorwärts", welcher einen langen Artikel bringt unter der sensationellen Ueberschrift.Weltblamage"..." Die Revolution in Rußland . AnjäS Potemkin". DaSReutersche Bureau" meldet auS Odessa in der Nacht zum 7. d. M., es verlaute, daß derPotemkin" in der Nähe von Feodosia in die Luft gesprengt sei. Zlveifelsohne ist die Meldung falsch. Tatsächlich wird vom 7. d. M. auS Feodosia gemeldet: Der Panzer.Potemkin" hat ein eng- lisches Kohlenschiff auslaufen lassen und ist dann selbst in See gegangen. Die Stadt ist ruhig. London , 7. Juli. Aus Odessa wird derDaily Mail­gemeldet, Feodosia stehe in Flaiilme», die Soldaten plünderten. derKnjäs Potemkin" beschieße die brennende Stadt. Nur einem Dampfer sei gestattet worden, den Hafen von Feodosia zu verlassen. Noch ein Torpedoboot soll sich dem Potemkin" angeschlossen haben. London , 6. Juli. Wie demNeuterschen Bureau" aus Odeffa gemeldet wird, erhielt der Agent der Russischen Handels« Schiffahrts-Gesellschaft die Nachricht, daß derKnjäs Potemkin" einen der Gesellschaft gehörenden Dampfer,Großfürst Alexius", gestern aufgebracht hat. DerGroßfiirst Alexius" brachte Vieh von Feodosia nach Sewastopol , als er in der Nähe von Feodosia vomKnjäs Potemkin" angehalten und ihm Vieh, Lebensmittel und sogar Geld abgenommen wurde. Konstantinopel , 6. Juli. Die Angelegenheit desPotemkin" ver­ursacht hier ununterbrochen Erregung. Die Verbindung mit Odessa ist ganz gestört. Für morgen erloartet man hier den Dampfer Pera" der Levantc-Linie. Ei» russischer Dampfer, der nach Syrien gehen sollte, ist nach Odessa abgegangen, da die Mannschaft, um ihre Familien besorgt, die Rückkehr verlangte. Die Meldung, daß unter den Mannschaften aller hier liegenden russischen Schiffe ein Streik ausgebrochen sei, ist unrichtig. Ebenso faych ist die Meldung, daß auf den beiden russischen Stationsschiffen keine Disziplin herrsche. Wiederholt tauchte hier das Gerücht auf. daß derPotemkin" in der Nähe des Bosporus gesehen wurde. Die Durchfahrt bei Tage tväre leicht, bei Nacht jedoch gefährlich, und wenn sich kein Lotse an Bord befindet, ist ein Stranden sehr leicht möglich. Man bcfiirchtet, daß derPotemkin" in den Kohlenbergwerken von Heraklea die Ab- gäbe von Kohle» erzwingen werde, lieber die völkerrechtliche und seerechtliche Behandlung der Meuterer besteht hier kein Zweifel, nach- dem die russische Negierung die Besatzung des Schiffes für Rebellen erklärt hat. Das TorpedobootSmetliwy", welches mit 16 Offizieren bemannt ist und denPotemkin" verfolgte, hat die russischen Stations- schiffe auf das Erscheinen desPotemkin" vorbereitet. Die Meldung. daß das österreichisch-ungarische Stationsschiff Tamms" im Zusammenhange mit derPotemkin"-Angelegenheit Konstantinopel verlassen hat, ist falsch. DerTaunus " hat am Sonnabend seine schon längst vorbereiteten Kreuzerfahrten ins Aegäische Meer angetreten. Väterchen wütet. Petersburg, 6. Juli. Admiral Krieger hat dem Zaren tele- graphiert, daß es ihm nnmSglich erscheine, das meuternde Schiff zu verfolgen, weil die Besatzung der übrigen Schiffe nicht zuverlässig genug erscheine. Der Zar ist über diese Meldung in hohem Grade erregt gewesen und hat telegraphisch anbefohlen, den Matrosen der Schwarzmcerflotte das Band des heiligen Georg zu nehmen. Gleich- zeitig ließ der Zar Befehl geben, sich der Meuterer tot oder lebendig zu bemächtige». In und«m Odessa . Odessa , 6. Juli. Größere Abteilungen regulärer Kavallerie und zlvci Regimenter Infanterie wurden heute abend eiligst au ver- schicdcne Punkte im Innern entsandt, wo ernste Ruhestörungen aus- gebrochen sind oder drohen. Kosakenschandtaten. Tschernigow , 6. Juli. Die Stadtvertretung hat dem Minister des Innern iWittcilirng über schwere Vergehen gemacht, die Kosaken und Polizei sich der Bevölkerung gegenüber haben zuschulden kommen lassen, und den Gouverneur gebeten, die Kosaken abzu- berufen. Der Schrecken in Anilenien. Die rumänische ZeitungDas unabhängige Rumänien" ver- öffentlicht die folgende Mitteilung vom Kaukasus : Im Kaukasus, wie übrigens im ganzen Rußland , herrscht volle Anarchie. Nach der Metzelei in Baku begann eine»och entsetzlicher» Metzelei im Gouvernement Eriwan . Die Armenier und die Tataren schlachten einander mit einer siirchtbaren Wut ab. Die letzteren überragen in TranSkaukasien die Armenier um das Doppelte und werden außerdem noch unterstützt von ihren Glaubensgenossen den Kurde» und den Aserbei-dschanschen Tataren, welche in berittenen Trupps die russische Grenze überschreiten. Nicht Scharmützel finden zwischen den beiden feindlichen Elementen statt, sondern ein ganzer Krjeg, wobei die furchtbarste Barbarei zutage tritt. Damit man in meinen Worten keine Uevertreibung erblickt, habe ich mich mit photographischen Abbildungen der stattgehabten Ereignisse versorgt. Auf diesen werden Sie eine Masse von verstümmelten Leichen sehen, von rauchenden Dörfern des Distriktes Nachitscheivan, von Frauen und Mädchen, die bei Hellem Tage von wilden Tataren und Kurden ver- gewaltigt werden, von Kindern, die von Entsetzen erfüllt neben den vergewaltigten Müttern stöhnen. Ich habe mich auch versehen mit Bildern, auf denen man deutlich an den Mauern blutige Spuren von Menschenhänden und Stücke vom Gehirn sehen kann, welche den nach der Trennung vom Körper zertrümmerten weißen Häuptern der arineiiischen Greise und Geistlichen entflogen waren. Die zivilisierte Welt erbebte seinerzeit bei der Kunde von der Niedermetzelung der Armenier in der Türlei, ihre Vertilgung im russischen Reiche wird sie aber noch weit mehr erbeben lassen.. politische Clebersickt. Berlin , den 7. Juli. Der Zehnmillionen-Bettel geht weiter! Als wir vor einigen Wochen das saubere Plänchen besprachen. unter Industrie und Finanz einen Fonds von zehn Millionen zu- sammenzuschnorren, der dem Kaiser zur Verfügung gestellt werden sollte zu dem Ztvccke, durch Subventionen notleidenden Agrarier« söhnen die Offizierslaufbahn verlockender zu gestalten, betonten wir neben den anderen Schönheiten dieses Pläncheus auch dessen vcrfassuugSwidrigkeit. Wir richteten an die Regierung die Frage, wie sie über ein Projekt denke, das der Volksverckretung daS BeivilligungS- und Kontrollrecht über einen wichtigen Punkt des MilitäretatS entziehe und das OfstzierlorpS in eine Prätorianergarde vertoandle. Di« Regierung blieb gewohnternraßen die Antwort schuldig. Dafür druckt heute die offiziöse. N o r d d. A l l g. Ztg." ohne jede kritische Glosse eine Erklänmg ab, die der Bater der KorruptionSidee. Fürst Guido Henckel-DonuerSmarck. derKreuz-Ztg." zugesandt hatte! Diese Erklärung gibt allerdings selbst einigen Aufschluß über die von unS al» dringend aufklärungsbedürftig bezeichneten Punkte. Nachdem der gcfürstete Nachkomme deS Schutzjudcn Lazarus Hcnckel bescheiden die geistige Urheberschaft seiner Idee ans den verstorbenen Wcltfcldmarschall Waldersee abgewälzt, er« klärt er: Ich habe seit vorigem Herb st einleitendeSchritt« nach verschieden st en Richtungen getan und überall in urteilsfähigen und maßgebenden Kreisen Ent» g e g e n k o m m e n nnd v c r st ä n d n i s für die Ideen gefunden, namentlich aber auch die Erkenntnis, einer derartigen Stiftung müßten die engsten Grenzen gezogen, nur dem Notstand« ab- geHolsen werden. Demgemäß wurde der Gedanke dahin forma»