kiert: Sr. M a Z e st ä t ans Anlaß Seines fünfundzwanzig- jährigen Hochzeitstages— Februar 1906— eine Stiftung zu überreichen, aus welcher Offizieren der deutschen Armee und Marine jährliche Zulagen von höchstens 600 M. bis zur B e- förderung zum Hauptmann gewährt würden. Der StiftungSfonds_ ist in deutscher oder Rente deutscher Staaten oder in Schuldverschreibungen in das Reichs- oder die Staatsschuldbiicher anzulegen. Die Zuweisung der Rente an die Empfänger steht allein Sr. Majestät oder einer von Sr. Majestät zu bezeichnenden Behörde oder Persönlichkeit zu. Daß es das richtigste wäre, seitens des Reiches selbst die Mittel zur Verfügung zu stellen, darüber besteht kein Zweifel. Dies ist aber vorläufig nicht zu erreichen, und wenn ein Bedürfnis vorliegt, hat personliche Initiative der Staatsbürger einzutreten, und zwar zunächst derer, Ivelche eines mächtigen Reiches bedürfen, um bei gesichertem Frieden ihrem Er- werbe— Landwirtschaft, Industrie und Handel— nachzugehen. Diese Sicherung geschieht aber am zweckmäßigsten durch eine leistnngs- fähige Wehrkraft. Nur böswillige Unterstellung oder Unkenntnis über Zweck des geplanten Vorgehens konnten der Annahme Raum geben, daß die Mittel der Stiftung dem Adel oder der Förderung größerer Lebensansprüche zugewandt werden sollen, während lediglich einem Notstande abgeholfen werden soll, und zwar durch Zuwendungen als Dankespflicht der Nation. Der Nährstand sollte dem Wehr- stand seine Anerkennung darbring»«, da seitens des Reichstages größere Zuwendungen nicht zu erreichen scheinen. Nachdem bei verschieden st en Seiten ein Zweifel an dem Ent- gegen kommen außer Frage ge st eilt war, handelte es sich darum, nicht Industrie und Handel heranzuziehen, sondern man glaubte, dieselben von der Beitragsleistung nickt ausschließen zu dürfen zu einem Zweck, welcher an erster Stelle ihrenJnteressen förderlich war." Nach diesen Darlegungen ist also der Gedanke der Stiftung eines Prätorianerfonds bereits'seit vorigem Herbst propagiert und von.matzgebenden Kreisen" gutgeheißen worden. Unter diesen„maßgebenden" Kreisen sind doch offenbar nicht die Finanz- kreise gemeint, bei denen das Geld zusammengeschnorrt werden sollte, fondern politisch maßgebende Kreise, Regierungs kreise I Es scheint also, da ja das offiziöse Blatt dieser Behauptung keinerlei Dementi entgegensetzt, als ob diese maßgebenden Kreise keinerlei Empfinden sowohl für die würdelose Bettelei als auch vor allen Dingen für das Versa ssujngswidrige des Projektes besäßen! Man hat nicht das mindeste Gefühl dafür, wie niederdrückend es für Träger des.vornehmsten Rockes" sein mutz, sich aus einem Fonds speisen zu lassen, den nicht der Staat, in dessen Dienst man steht, ge» stiftet hat, sondern der zum guten Teil aus dem Beutel von Börsenjobbern stammt, die man sonst höchstens zum Schwiegervater für gut genug hält. Man scheut nicht im geringsten davor zurück, das Offizierkorps mit dem Odium des nacktesten Prätorianertums zu behaften! ES ist ja richtig, daß durch derartige Stipendien am Charakter des Offizierkorps im ganzen bitterwen'ig geändert tvird. Das Offizierkorps stammt aus privilegierten Schichten und fühlt sich als deren Stütze; dem Volke, das für seine Unterhaltmigskosten auf- kommen mutz, steht eS fremd und feindlich gegenüber. Aber dieser Charakter wird doch verhüllt durch die aristokratische Fiktion, daß Rang und Geldbeutel eigentlich den Staat verkörperten und daß die oontribuens plebs nach dem Ratschlüsse der göttlichen Welt- ordnung nur gut genug dazu sei, Steuern zu zahlen und Drill- objekte abzugeben. Diese Fiktion vermochte sich wenigstens immer noch mit dem Scheine der„göttlichen Ordnung" zu umkleiden, die heute nun einmal dem Volke keine andere Stellung zuweist. Durch Annahme von Privatspenden kapitalistischer Herkunft würde hingegen das Osfizierkorps direkt zur Schutztruppe privater Cliquen degradiert werden I Ist es doch gerade ein Grundsatz der Ordnungsstützen: wes Brot ich esse, des Lied ich singe I Unter solchen Umständen würde der famose Prätorianerfonds gleichzeitig eine Art sozialistischen Agitationsfonds darstellen I— Disziplin bei der deutschen Marine. Kiel , 7. Juli. (Eig. Ber.) Es gab wohl wenige bürgerliche Blätter in Deutschland , die sich bei der Bespreckzung der Ereignisse auf dem Schwarzen Meer die emphatische Dekla- mation verkneifen konnten, daß ähnliche„unerhörte" Verstöße gegen die Disziplin bei unserer Flotte—„Gott sei Dank!"— ganz und gar ausgeschlossen seien. Abgeschqn davon, daß in diesem Gerede von der„geschändeten" Disziplin und Sub- ordination der blödeste und oberflächlichste Gesichtspunkt, von dem aus der kühne Rebellenhandstreich der„Potemkin".Ma- trafen beurteilt werden kann, mit der genialen Treffsicherheit der bürgerlichen Journalistik zu Worte komnit, insofern belang- lose Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen eines � Vor- ganges an die Stelle des Faktums selbst und seiner tieferen Ursachen gesetzt werden, so möchten wir bei dieser Gelegenheit den deutschen Wasserpatrioten doch zu bedenken geben, ob nicht gerade sie am allerwenigsten Grund zu solchem Pharisäergetue haben. Ueber die Disziplin der deutschen Marinematrosen höre man beispielsweise einmal das Urteil der Kieler Be- völkemng. die diese Herrlichkeit aus eigenen bösen Erfahrungen kennt, und man wird sein blaues Wunder erleben. Tie Kieler bürgerliche Presse, deren waschechte Marinebegeisterung gewiß eine solide Grundlage hat, hat erst vor kurzem wieder tage- lang ihre lokalen Spalten mit entrüsteten Auslassungen ge- füllt über die zunehmenden, von ihr direkt als gemeingefährlich bezeichneten Ausschreitungen, mit denen die Marinematrosen die Straßen Kiels unsicher machen. Empört wurde fest- gestellt— und die Redaktionen ließen es sich durch Zuschriften aus dem Leserkreise bestätigen— daß zu gewissen Zeiten ganze Stadtteile von betrunkenen Matrosen okkupiert würden und von dem anständigeil zivilen Publikum, besonders von Frauen und Mädchen, nur unter schweren Gefahren betreten werden konnten. Von der Stadtverwaltung und der königl. Polizei wurden energisch außerordentliche Sicherheitsmaßregeln zum Schutze der Bürger verlangt, da die regelmäßigen Militär- Patrouillen, die am Hafen und in der inneren Stadt die Matrosen zu kontrolliren haben, ungenügend oder machtlos seien. Diese Klagen tauchen periodisch in der Kieler Presse auf, und gänzlich verschwinden sie eigentlich nur. wenn über- Haupt keine Kriegsschiffe im Hafen liegen. Daß man auch anderswo mit den„blauen Jungen", wie die Mannschaften der Kriegsmarine in den patriotischen Bier- reden genannt werden, ähnliche Erfahrimgen macht, geht aus einigen Vorkommnissen hervor, die der„Schlesw.-Holst. Volksztg." von der letzten Uebvngsreise des Ostsee -Geschwaders von zuverlässiger Seite gemeldet werden. Als das Geschwader in der Nordsee bei Borkum lag. wurde ein Teil der Mann- schaft an Land beurlaubt. Dort wurden von Marinern be- denkliche Exzesse begangen. Eier und andere Nahrungsmittel wurden entwendet, dem Alkohol wurde so grüiidlich zuge- sprachen, daß schließlich schwere Prügeleien der Mannschaften unter einander entstanden, deren Ergebnis eine außergewöhn- liche Belastung des Bestandes der Schiffslazarette war. Auch Chargierte hielten sich dem Unfug nicht fern. Auf der Fahrt mit der Bahn, die die Borkumer Landungsstelle mit dein Ort Borkum verbindet, kletterten Mattosen, darunter Chargierte, fiii dÄ verdeck der und führten da„Indianer- iafize" auf. Dabe! ist ei» FellebwerksmaaZ von d'er„WittelZ- bach" so unglücklich herab und zwischen die Schienen gestürzt, daß ihm der Kopf vom Rumpfe getrennt wurde. Einen, Mann von der„Wettin " wurden beide Beine abgefahren; auch er ist seinen Verletzungen erlegen. Die Borkumer Diebstähle sind zurzeit Gegenstand einer strengen Untersuchung. Welche Erfahrungen man an Bord mit der Disziplin der Mannschaften macht, davon wird natürlich selten etwas bekannt, und das Militärgerichtsverfahren wird bei der Marine womöglich noch ängstlicher vor dem Luftzug der Oeffentlichkeit geschützt, als beim Landheer. Aber von Zeit zu Zeit sickern doch immer wieder merkwürdige Dinge durch. So hörte man verschiedene Male, daß auf diesem oder jenem Kriegsschiff Be- schädigungen an der Armierung vorgekommen sind, daß Ge- schützteile über Bord geworfen wurden, Offiziere Drohbriefe erhalten haben und dergleichen mehr. Auch auf dem Kreuzer „F r a u e n l o b" sind kürzlich Ausschreitungen vorgekommen, die von dem Kommandeur für so bedenklich erachtet wurden, daß der Kaiser davon in Kenntnis gesetzt wurde. Der Mann- schaft war infolge von Gehorsamsverweigerung eine Entziehung des Urlaubs auf zwölf Tage auferlegt worden. Als Antwort darauf wurden eine Anzahl Verschlußstücke von Geschützen über Bord geworfen. Die Täter konnten nicht er- mittelt werden. So wurde der gesamten Mannschaft das Bier entzogen und dem Schiff zur Strafe der Liegeplatz an der Strander Bucht, an der äußersten Grenze des Kriegshafens, fern von Kiel , zugewiesen. Wilhelm II. , dem während der .Kieler Woche der Fall vorgetragen wurde, verfügte die Straf- detachierung des Schiffes nach der Bucht von Neustadt in Ost- Holstein. Wir führen diese Borkommnisse an, nicht um sie irgendwie mit der Freiheitsbegeisterung und revolutionären Energie der Mannschaft des„Potemkin" in Parallele zu stellen, sondern um zu zeigen, daß es auch in unserer Marine mit der Disziplin ganz anders bestellt ist, als die Flottenschwärmer sich träumen lassen.—_ Material zum Toleranz-Vertrage des Zentrums. Wir sind heute wiederum in der Lage, einen Beitrag zu der „Toleranz" der katholischen Kirche beizubringen, der uns im Original vorgelegen hat und den wir nur um deswillen vorläufig ohne Orts- angabe und Zlmnensunterschrift wiedergeben, weil er einfach typisch ist für die pfäffische Intoleranz und den Zeloteneifer der katholischen Kirche . Schuld und Fehle des einzelnen betreffenden Pfarrers kommen nicht in Betracht, die Kirche und ihr Geist sind es, die wir hier erneut an den Pranger stellen müssen. Es handelte sich um das Aufgebot eines katholischen jungen Akannes, der zu seiner standesamtlichen Verehelickung mit einem evangelischen Mädchen einen Taufschein nötig zu haben glaubte und sich deshalb an> den Pfarrer seines Heimat- ortes wandte. Darauf erhielt er folgende Antwort: ..., 2. 7. 05. Nicht darum habe ich den von Ihnen gewünschten Taufschein bisher verzögert, well Ihre Braut evangelisch ist, sondern weil ich nicht wußte, in welcher Kirche Sie sich trauen lässen wollen. Ich möchte nämlich den Taufschein an den be- treffenden Pfarrer senden, wo er abgeholt werden kann. Wollen Sie mir also dies bitte mitteilen. Denn ich hoffe doch, daß Sie die Pflichten eines Katholiken kennen und sich nur in der katholischen Kirche von einem katholischen Pfarrer trauen und die etwa zu erhoffenden Kinder nur in der katholischen Religion erziehen lassen werden. Wenn das etwa nicht der Fall sein sollte, so muß ich Sie liebevoll, aber auch sehr ernst daran erinnern, welch überaus schwere Sündr der Glaubensverleugnung Sie dadurch begehen, wir sehr Sie durch solchen Schritt Ihrer geistlichen Mutter, der hl. Kirche inS Gesicht schlagen, die sich doch tvahrlich etwas Besseres um Sie verdient hat, daß Sie ferner sich selbst dadurch von der katholischen Kirche ausschließen, sich kirchlicher Strafen schuldig machen und sich der Gefahr aussetzen, sich zeitlich und ewig unglücklich zu machen. Wenn also das zu- trifft, was ich befürchte, so crmahne ich Sie, von dieser Heirat abzulassen. Erklären Sie Ihrer Braut, daß Sie sie nur unter der Bedingung katholischer Trauung und katholischer Kinder- erziehunn ehelichen. Sie als Mann können Ihren Willen durch- setzen. Geht sie darauf nicht ein, so finden Sie immer noch eine andere Frau. Hoffentlich beherzigen Sie, ehe eS zu spät ist, diese Warnung Ihres wohlmeinenden Heimatpfarrers Dieser„wohlmeinende Pfarrer" rät also mit aller Absicht zu einem offensichtlichen Treubruch und tröstet sein Pfarrkind mit dem einfachen Rezept:„Sie finden immer noch eine andere!" Das ist eine„Toleranz", die sogar nahe an das Strafgesetzbuch streift und zu der wirklich jedes Wort des Kommentars über- flüssig wird.—•## Dcutfchee Reich. Mittelstandsrettung durch das Zentrum.— BerfassnngSktvifion im Galopp. Stuttgart . 4. Juli.(Eig. Ber.) Plumper könnend die Mittclstandsretter nicht mehr treiben als in der vierstündigen MittelstandSdebatte, die trotz der sengenden Gluthitze der Lanvtag heute über sich ergehen lassen muhte. Die Frage deS Verkaufs eines staatlichen Grundstücks in einer Stutt- garter Hauptstraße an eine Baugesellschaft nahm daS Zentrum zum Vorwand, denen, die nicht alle werden, wiederum einmal zu zeigen, wie sehr eS für die Interessen des Mittelstandes sorgt. Es beantragte, dem Verkauf nur zuzustinimen unter dem Vor- behalt,' daß auf dem Grundstück niemals ein Warenhaus erbaut werden dürfe, und ließ durch v. K i e n e den blödsinnigen Antrag mit einem Schwall salbungsvoller Redensarten über die Vernichtung deS Mittelstandes begründen. Einige giftige Ausfälle gegen die Sozialdemokratie, die der Entwickelung des Großkapitals und der Zerreibung der kleinen Existenzen Gelvehr bei Fuß zusehe, verrieten die Motive dieses aussichtslosen Antrages. Beiläufig bemerkt, stellte sich im Laufe der Debatte heraus, daß dem in Bettacht kommenden Warenhause erst vor kurzem von einer den Mittelstandsrettcrn sehr nahe- stehenden Seite ein in Privatbesitz befindliches Grundstück angeboten worden ist. Der Zentrumsantrag fand nur bei den Konservativen und einem Teil der Nationalliberale» Unterstützung. Für die Sozialdemokratie sprächet die Genossen Kloß und Hildenbrand. Erstem hielt dem Zentrum das Demagogische der Warenhaushetze vor; glaube man den Mittelstand durch Unter- bindung der Großbebetriebe retten zu wollen, so habe man doch den Mut, die Lahmlegung der noch ganz anders unter den kleinen Existenzen aufränmenven Groß industrie zu fordern. Hildenbrand kennzeichnete da? Gerede von der Tatlosiakeit der Sozialdemokratie durch den Hinweis auf die von der Partei entfaltete rastlose Tätigkeit für die Aus- gestaltung der durch keinen mittelalterlichen Ansturm aufzuhaltenden Entwickeuing zum Wohle der Gesamtheit, während gerade das Zentrum dem Ausbau der sozialen Gesetzgebung wider- strebe und bei den Handelsverträgen nicht daran ge- dacht habe, die Interessen der kleinen Leute zu schützen. Nachdem auch der Finaiizminister den Antrag als„mittel- a l t e r l i ch" zurückgewiesen hatte. wurde er mit großer Mehrheit vom Haus« abgelehnt.--> Dt« BerfassungK» rebisionsborkage soll unter alle» Umständen vis zu« 23. d. M. durchgepeitscht werden. Die Kommission wird diesen Sonnabend mit ihren Beratungen beginnen und sie bis zum 13. d. M. erledigen. Für die Debatte im Plenum sind nur drei Tage in Aus« ficht genommen. Symptomatisch für daS Unbefriedigende des Flick« werks ist, daß keine Partei den Referenten für den Kommissions- bericht stellen will; man wird im Gegensatz zu der sonstigen Ge- pflogcnheit sich darauf beschränken, die Beschlüsse der Kommisston ohne Kommentar dem Hause mitzuteilen.— Erfolge der Wahlrechtsräuber. Die Hamburger Senatsvorlage, durch die den arbeitenden Klassen das Wahlrecht geraubt werden soll, suchte die Beamtenschaft dadurch auf ihre Seite zu bringen, daß sie ihnen das bisher vor» enthaltene Recht einräumte, sich in das Parlament der Geldsack- Republik wählen zu lassen. Dieser hinterlistige Schachzug fand nun bei einem Teil der Lehrer wenig Sympathie. Der Vorstand des über 2000 Mitglieder zählenden Lehrervereins„Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens" hatte gegen die Senatsvorlage eine entschiedene Erklärung abgegeben. Er lehnte in einer öffentlichen Erklärung diese Ver- günstigung ab, weil sie mit einer Verkürzung der p o li» tischen Rechte der unbemittelten Schichten ver- bunden sei. Dann hieß es: „Die Entwickelung der Volksschule in dem Sinne, wie wir sie fordern, und mit uns die gesamte deutsche Lehrerschaft, ist nur dann möglich, wen» diejenigen Volksschichten, welche ein ureigenes Interesse an der Volksschule haben, auf die Gesetzgebimg einen maßgebenden Einfluß ge- Winnen. Daß von den jetzt regierenden Kreisen eine durchgreifende Förderung unseres Volksschulwesens nicht zu er- warten ist, das lehrt die Erfahrung vieler Jahrzehnte." Diese von anerkennenswerter pädagogischer Einsicht zeugende Erklärung wurde von den Scharfmachern perfid als— sozial- demokratische Kundgebung denunziett, ferner traten zwei Schulräte ostentativ aus dem Verein aus. Rückständige Elemente unter den Lehrern organisierten nun schleunigst einen Entrüstungsrummel. Nachdem 450 Mitglieder des Vereins— die Zahl der Streber und Angstmeier war im Verhältnis zur Mitgliederzahl des Vereins bemerlenswerterweise doch nicht allzu« groß— eme Protesterklärung gegen die Vorstandserklärung erlassen, arrangierte man vorgestern eine Versammlung, in der die Führer des reaktionären Flügels dem Vorstand mit dem gröbsten Geschütz zu Leibe gingen. Man denunzierte die 15 Vorstandsmitglieder wieder als Sozialdemokraten, die der Hamburger Lehrerschaft die Schmach angetan hätten, den Anschein zu erwecken, als stehe sie unter der roten Fahne Bebels. Der Vorstand verwahrte sich vergeblich gegen diese denunziatorischen Angriffe. Mit der Entwickelung der Schule habe er in seiner Erklärung die Einheitsschule gemeint, für die in der Tat die jetzt regierenden Kreise niemals zu haben sein würden. Die Streber tobten und da die Anhänger des Vorstandes sich eine ge- botene Zurückhaltung auferlegen mutzten, war das Resultat, daß der Gesamtvorstand sein Amt niederlegte. Wenn die Reaktionäre diese Aktton für einen großen Sieg halten sollten, so dürsten sie sich sehr auf dem Holzweg befinden. Vielleicht wird umgekehrt mancher von denen, die zwar pädagogisch fortschrittlich denke», aber polittsch noch einem naiven Jndifferentismus huldigten, durch diese wüste Hetze auch polittsch ein tüchttg Stück weiter nach links gescheucht werden I— Einem Polizei-Jnspektor nicht zuzutrauen! Aus Halle berichtet man uns untern, 6. Juli: Der Polizei« Inspektor v. Dossow, Hauptmann der Landwehr, war vom Hallesche» Schöffengericht von der Anklage der Beleidigung freigesprochen worden. Der Angeklagte sollte eines Tages zu dem Oberkellner Hasselmann Wider besseres Wissen gesagt haben, es sei eine Gemein- heit von dem Kommissar Kriebel, daß dieser sich als Offizier gerierc; K. habe es nur bis zum Unteroffizier gebracht. Tatsächlich ivar Kriebel Offizier; er lebt aber mit v. Dossow in bitterer Feindschaft und ist, nachdem er verschiedene Polizeiskandalgeschichten an das Licht gezerrt hat, mit schlichtem Abschied vom Osfizierkorps entlassen worden. Obwohl der Hotelkellner Hasselmann vor erster Instanz be- schwor, v. Dossow habe in Beziehung auf Kriebel die Aeußerung getan, sprach das Gericht v. Dossow, der bestritt, die Aeußerung getan zu haben, mit dem Hinweise frei, e L s e i n i ch t anzunehmen, daß v. Dossolv ohne Grund die Un- loahrheit gesagt habe. Kriebel legte gegen dieses Urteil Berufung ein, infolgedessen sich auch die Strafkammer mit der Sache befaßte. In der Verhandlung ging es wieder sehr lebhaft her; Kriebel warf v. Dossow vor, er habe Stiefel unterschlagen w. Heute wurden nun Hasselmanns Angaben noch durch einen zweiten Zeugen unterstützt; das Gericht kam aber zu der Ueberzeugung, eS sei v. Dossow nicht zuzutrauen, daß er jene Aeußerung getan habe. Hasselmann könne sich bezüglich des Gespräches mit v. Dossow ein falchcs Bild gemacht haben:c. Der Polizei-Jnspektor wurde wieder freigesprochen.'_ Eiidwestafrika. Berlin , 7. Juli. (SB. T. B.) Ein Telegramm aus Windhuk meldet: Gestorben sind Reiter Hermann Schmidt, geboren am 22. 7. 62 zu Woltersdorf , am 30. Juni 1905 in der Krankensmmnel- stelle Warmbad cm Herzfchtväche nach Typhus ; Reiter Karl Nägele, geboren am 3. 9. 80 zu Herthen, am 30. 6. 1905 im Lazarett Keet- manshoop an Typhus . Am 3, Juli beim Ncberfall der Station Wasserfall ist Reiter Josef Winkelhag, geboren am 23. 1. 79 zu Kirchheim, gefallen (Lungenschuß) und Reiter Max Moser, geboren am 3. 4. 33 zu Dresden , leicht verlvundet word.m(Fleischjchuß linken Oberarm). HvoUnd. Frankreich . Gesunkenes Unterseeboot. Im Hafen von Biserta ist gestern ein Unterseeboot gesunken, dessen Besatzung wahrscheinlich umgekommen ist. ES wird aus Paris gemeldet: Im hiesigen Marineamt sind im Laufe de? gestrigen Tages folgende Einzelheiten über das in der See von Biserta gesunkene Unterseeboot bekannt geworden: DaS Boot liegt sechs Meter tief im Schlamm. Sofort nach Bekannt- werden de» Unglücks sind alle notwendigen Hülföwerkzeuge nach dem Orte der Katastrophe gesandt worden. Als die Taucher ihr RettungSwerk begänne», gaben ihnen die Insassen des Bootes Lebenszeichen. Man erwartet mit größter Spannung Nachrichten über das Ergebnis der Rettungsversuche- Um Vs12 Uhr traf im Marineamte ein Telegramm ein, dessen Wortlaut besagt, daß das Rettungswerk fortgesetzt wird, ohne aber daß bisher ein Ergebnis zu verzeichnen gewesen wäre. Wie weiter aus dem Telegramm hervorgeht, herrscht zur Stunde Ungewißheit über das Schicksal der Gesunkenen. Die Besorgnis ist um so größer, als bekannt ist, daß die Besatzung eines Unterseebootes nur sechs Stunden unter Wasser zubringen kann, ohne in Gefahr zu geraten. Man befürchtet, daß die Rettungsversuche zu spät glücken werden, um die Besatzung noch zu retten. England. Blusige ManSverattentate. London , 7. Juli. Während einer gestern abgehaltenen Feld- d i e n st ü b u n g bei Aldershot erhielt Kavallerie den Befehl zur Attacke auf Garden zu Fuß. Die Attacke wurde zu weit durch- geführt, die Dragoner hieben mit ihren Säbeln auf die Garden ein. einige feuerten auch ihre Ge» wehre aus nächster Nähe ab. Eine Anzahl Gar- distenwurdeverwundet.— London , 7. Juli. Im Oberhanse richtete Lord MuSkerrh an die Regierung die Anfrage, ob es Tatsache sei, daß die Ham- burg-Amerika- Linie auf de in Nil Dampfer laufen lasse oder laufen zu lassen beabsichtige, welch« dort mit Linien, die britischen Unterstlnen oder Uiitcrtonen
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