»Nicht ganz ruhig!"Kronstadt, 11. Juli. Die Stimmung unter den BesahungenNehrerer Schiffe der Flotte ist nicht ganz ruhig. Die Matrosen er-Warten ein Manifest des Kaisers. Wegen schlechter Nahrung kamenkleine Unruhen vor. Die Meldungen, daß bedeutendere Unruhenaus hier liegenden Schiffen vorgekommen seien, sind unbegründet.Der Kankasns in Aufruhr.Petersburg, II. Juli.(Meldung der„Petersburger Telegr.»Agentur".) In Tis Iis sind heute infolge der Bcrhängung desKriegszustandes die Straßen und Plähe von Truppen besetzt worden.Heute erschien das Amtsblatt wieder und morgen werden auchdie anderen Blätter erscheinen. Der Straßenbahnverkehr istwieder aufgenommen und die Läden sind geöffnet. Seit vorgesternherrscht Ruhe.Batum, 11. Juli.(Meldung der„Petersburger Telegraphen-Agentur".) Hier stockt jegliche Tätigkeit; die Läden sind geschlossen,ebenso die Kontors der Banken mit Ausnahme der Rcichsbank. Inden Handel gebrachtes Fleisch wurde durch Begießen mit Petroleumuntauglich gemacht, ohne daß es gelang, die Täter zu entdecken.Die Ncvolutionäre des„Potcmkin".Aus B u k a r e st wird uns in Ergänzung der früheren Nach-richten vom 9. Juli gemeldet:Während gestern die Verhandlungen zwischen der Besatzung des„Potemkin" und Vertretern der rumänischen Regierung im Gangewaren, begab sich der Korrespondent des Bukarester Blattes„Dimi-neaza" nach dem Schiffe, wo ihm der Zutritt nicht verwehrt wurde,An Bord von dem leitenden Komitee der Mannschaften empfangen.an dessen Spitze ein blonder junger Mann von intelligentem undsympathischem Gesichtsausdrnck stand, wurden ihm daselbst folgendeErklärungen gegeben:„Nach unserem ersten erfolglosen VerproviantierungSversuch inEonstanza fuhren wir nach Thcodosia, wo wir am Donnerstag an»kamen. Wir verlangten dort Lebensmittel und Kohlen. Ersterewurden unS in geringeren Mengen ani Tage der An-kunft von Kaufleuten geliefert. Kohlen sollten wir ainfolgenden Tage laden. Als zu diesem Zwecke tagsdarauf sich unsere Dampfbarkasse dem Ufer näherte, empfing sieeine im Hinterhalt versteckte Kosaken truppe mitFlintenschüssen, welche sieben von unseren Kameraden niederstrecktenund vier schwer verwundeten. Als wir die rote Flagge hißtendie Geschütze nach dem Hafen richteten, waren die kaum hervor-gebrochenen Kosaken schnell wieder verschwunden. Was sollten wirthun? Die moralische Haltung der Mannschaft war vorzüglich, aberunser Kohlenvorrat war dahingeschmolzen; wir konnten das Schiffnicht mehr lange von der Stelle schaffen. Die Aufregung an Bordgriff um sich; sollten wir da Feodosia bombardieren? Es ging nichtan, mit dem Bombardieren russischer Hafenstädte auf die Verweige-rung voir Kbhlen und Lebensmittel zu antworten. Denn wirriskierten, die unschuldige Bevölkekungsmasse hinzumorden, währenddoch diese mit uns fraternisierte. Ein Beweis hierfürwar, daß uns in Feodosia-im Wege des Seeschmuggels von feitender Bevölkerung Nahrungsmittel zugeschickt wurden.Noch weniger ging es an, fremde Städte zu bombardieren. Sosahen wir. angesichts der Kohlennot, keine andere Lösung vor uns,als nochmals Eonstanza aufzusuchen und von dem bcini erstenAufenthalt uns von rumänischer Seite gemachten Versprechen, unsnach Uebergabe des Schiffes und der Waffen als fremde Deserteurefrei unseres Weges ziehen zu lassen, Gebrauch zu machen. Aus demschrecklichen Dilemma, in dem wir unS befanden, wußten wir keinenanderen Ausweg mehr l"Es erübrigt noch zu bemerken, daß die Bevölkerung vonEonstanza die gelandeten russischen Seeleute mit Freudenknnd-gedungen empfing. Sensation erregte es, auch das mohammedanischtürkische Element von Eonstanza mit den Russen fraternisieren zusehen, was seine Bedeutung hat sowohl wegen des bisher be-stehenden alten politischen und religiösen Gegensatzes, wie auch nochinfolge des Umstandes, daß wohl keiner mehr das Odessaer Beispielfürchtet und seiner eigenen Marine ebenfalls mißtraut, als der blut-rünstige, unheimliche Despot auf dem türkischen Haremsthrone.Es kann angenommen werden, daß die russi-fchen Seeleute sich in Rumänien in Sicherheit be-finden. Rumänien in seiner heutigen Gestalt verdankt selbst seinDasein den revolutionären Bewegungen der neueren Zeit, ins-besondere jener vom Jahre 184S, und trotz vieler und schwererSchattenseiten im politischen Leben Rumäniens kommt dies doch,wenn auch nicht so sehr in den Einrichtungen, so doch in dem hierherrschenden öffentlichen Geiste zum Ausdruck. Die verhältnismäßigfreien Einrichtungen, deren sich das Land immerhin erfteut, habenzur Folge, daß die rumänische Regierung nicht im entferntesten zubefürchten hat, daß das Beispiel dieser Russen für das rumänischeHeer oder die Marine üble Einwirkungen mit sich bringen könnte.Das Publikum sieht in den Neuankömmlingen mit richtigem Blickund Instinkt Kämpfer für Freiheit und Wohl ihres Vaterlandes undbeurteilt sie danach. Die Negierung fügt sich bisher in ihren Hand-lungen ohne Widerwillen dieser allgemeinen Auffassung Ipolitifeke GebcrFicht.Berlin, den 11. Juli.Die Friedenskundgebung in Konstanz.Wir haben gestern bereits das über alle Maßen klägliche Vor-gehen der badischen Behörden geschildert, die den ausländischen Ge-nassen verboten, auf deutschem Boden dem Gedanken der Völker-solidarität, der Notwendigkeit des einmütigen kulturellen Zu-sammenwirkens des internationalen Proletariats Ausdruck zu geben.Eine so stürmische Empörung diese russische Maßregel auch anfangshervorrief, so schnell zeigte man sich der Situation gewachsen, indemman tausend Schritte jenseits der Grenze nicht nur die beabsichtigteDemonstration durchführte, sondern sie gleichzeitig zu einem macht-vollen Protest gegen die armselige deutsche Polizeiwirtschaft ge-staltete. �Heber den weiteren Verlauf der gewaltigen Kundgebung wirdUns noch berichtet:Der große Platz in Konstanz, in dessen Hintergrund der efeu-umsponnene Hussenstein den Platz bezeichnet, wo Johannes Huß imJahre 1413 als Märtyrer der Geistcswahrheit verbrannt wurde, warschwarz von Menschen. Jubelrufe erschollen, als der silberweißumrahmte Greulich, die ernsten Züge Viktor Adlers und der jedemdeutschen Arbeiter so vertraute August Bebel über der Verschanzungder Rednertribüne auftauchten: Da trat Genosse Krohn vor. Esfolgte atemlose Stille, die in minutenlanges Pfui!-Nufen überging,als nach den einleitenden Begrüßungsworten die Mitteilung vondem ergangenen Redeverbot folgte. Im Polizeizelt wurde es un-ruhig. Der uniformierte Polizist eilte auf einen Wink seines Vor-gesetzten zu dem Spezialtelephon und klingelte. Aber der Polizei-säbel bekam nichts zu tun. Die Ankündigung, daß Bebel das Worthat, löste den Sturm wiederum in laute jubelnde Begrüßung auf.Dann sprach Bebel. Er führte etwa aus: Ob das Verbot demStreben der deutschen Regierung entspräche, den traurigenLorbeeren Bülows nachzueifern, ob es auf einenWink von Berlin aus erfolgt ist, mag dahingestellt bleiben. Jeden-falls trifft es zusammen mit dem über Jaures verhängten Sprech.verbot in der heute mittag in Berlin stattfindenden sozial-demokratischen Versammlung.(Stürmische Pfui!-Rufe.) Jaures,der mit bewundernswerter Energie und Selbstlosigkeit seine ganzePersönlichkeit eingesetzt hat für die Erhaltung freundschaftlicher Be-Mlloaev zwischen Krankrejch und D.entschlgudt dupste M deutschemi Boden nicht sprechen?'(Lebhafte Zustimmung.)' Büloiv mag mitseinem Erlaß, der ihn als Kulturfeind schärfster Art brandmarkt,beabsichtigt haben, der Sozialdemokratie Lehren zu geben. Er unter-fängt sich, von der Rückständigkeit der deutschen Sozialdemokratiezu reden, wie sie Jaures auf dem internationalen Kongreß inAmsterdam kennen gelernt habe. Was zum Teufel geht es demGrafen Bülow. Pardon dem Fürsten Bülow(Heiterkeit) an, wasdie deutsche und französische Sozialdemokratie untereinander aus-zumachen haben!(Zustimmung.) Solchen dummdreisten Versuchengegenüber, uns gegencinanber auszuspielen, konstatiere ich, das?Jaures die internationalen Beschlüsse des Amsterdamer Kongressesanerkannt hat und ich stehe nicht an, ihm für die Selbstlosigkeit, dieer bei der Durchführung des bei den Amsterdamer Beschlüssen ge-faßten Einigungsversuchcs des französischen Proletariats bekundethat, das höchste Lob zu spenden.(Bravorufe.) DieVölker haben eS satt, sich als Hammelherben behandeln zu lassen!Sollen sie ihr Blut, ihre Knochen zu Markte tragen, so wollen siedafür darüber bestimmen. Das aber ist den Staatsmännern vomSchlage Bülows ein Dorn im Auge. Wäre Bülows Diplomaten-kunft nicht eitel Stümperei, so wäre die Blamage in der Staats-aktion nicht vorgekommen. Hatte man schon Angst, daß Jaures Auf-treten in Berlin das Deutsche Reich mit seinen 69 Millionen Ein-wohnern, seiner Dreieinigkeit von Artillerie, Kavallerie undInfanterie, seiner starken Flotte erschüttern würde?(AndauerndeHeiterkeit.) Hundert andere Wege hätten zu einer weniger auf-fälligen Vereitelung der Versammlung zu Gebote gestanden, aberFürst Bülow wollte so viel Blamagen haben.(Heiterkeit.) FürstBismarck war ein erbitterter Gegner, aber solcher Dummheit wäreer nie fähig gewesen. Er würde sich im Grabe umdrehen, wenn ervon dieser Dummheit hörte, die das Ansehen der Sozialdemokratieganz ungeheuer zu fördern geeignet ist. Die gleiche Wirkung aberhat das Konstanzer Verbot über unseren Genossen Krohn mit denPapagcnoschlössern.(Heiterkeit und brausende Zurufe.) Aber ohneihm nahe zu treten: Seine Rede hätte lange nicht so agitatorischgewirkt, wie das Verbot. Freilich, das Gefühl der Befreiung wirdgetrübt durch das brennende Gefühl der Scham über den Begriffdeutscher Freiheit, den die Fremden von hier nach Hause tragenmüssen. Nur 19 Minuten Marsch über die Grenze, und was hierverboten ist, ist erlaubt.(Laute Rufe: Nach der Schweiz!) Ist mansich in Karlsruhe dieser lächerlichen und zugleich empörenden Tat-fache nicht bewußt gewesen? Die Solidarität-der Völker zu störenwird den Herrschenden nicht gelingen. Mit der Möglichkeit einesKrieges zwischen Frankreich und Deutschland, den beiden be-deutendsten Kulturnationen Europas, zu spielen, ist verbrecherisch.Ein solcher Krieg würde noch ganz andere Opfer an Gut und Bluterfordern, wie der Krieg im fernen Osten. Aber die Regierungenmüssen sich gesagt sein lassen, daß dann bei uns sehr leicht auchsonst ähnliches passieren kann, wie jetzt in Ruszland.(Minutenlangebrausende Zustimmung.)Als Bebel nach scharfen Worten gegen die Reaktion im Reicheinit einem Appell zu unerbittlichem Kampf gegen den Staat derKnechtschaft und der Erniedrigung schloß, scholl es wie ein Aufschreider Zustimmung und des Gelöbnisses aus der tauscndköpfigenMenge. Dann aber ertönten die Rufe:„Nach der Schweiz, wirgehen nach der Schweiz!" Machtvoll ergoß sich der Mcnschenstromin die nach der Schweiz hinübcrführenden Straßen, und nach einemSpaziergang von 19 Minuten war das Schweizer Dorf Kreuzlingenerreicht. Lautes Lachen und Jubeln begrüßte den freien Boden.Auf einer großen Wiese wurde dann die Versammlung fortgesetzt.G r e n l i ch hieß die Versammelten auf freiem Schweizer Bodenwillkoinmen und übte schneidende Kritik an dem Vorgang.„San-dumm" nannte das Mitglied der Schweizer Regierung die deutschePolitik, so dumm, daß es sich nicht verlohne, darüber zu reden. Wasgehört denn überhaupt, so meinte Greulich, zur auswärtigen beut-scheu Politik? Wenn wir hier in unserer Schweizer Heimat die ausdeutschen Reichsgeldcrn bezahlten Spitzel sich herumdrücken sehen,von denen es in allen Schweizer Städten wimmelt, sind das An-gelegenhciten der auswärtigen deutschen Politik? In den Jubelder Schweizer, die mit stolzer und berechtigter Gehobenheit denVergleich akklamierten, mengten sich die Rufe zustimmender Em-pörunz der„Vaterlandslosen" aus dein Deutschen Reiche, denendurch den Anschauungsunterricht die Schmach der deutschen Zu-stünde so recht zum Bewußtsein gekommen war. Jubel erhob sich,als Greulich im Namen der Schweizer Sozialdemokratie ViktorAdler als den Erneuerer und neuen Schöpfer der österreichischenSozialdemokratie begrüßte und ihm das Wort erteilte. Wie einWindhauch ging es immer wieder über die Mcnscheninassen hin,wenn die zu dramatischer Wucht sich steigernde Gewalt der RedeAdlers das Innerste und Beste dessen, was die Seele des Proleta-riatS bewegt, ans Licht und der Masse zu fortwirkendem Bewußtseinbrachte. Eine unglaubliche Blamage nannte er, was in Berlin undKonstanz geschehen ist. Aber diese Blamage sei nur die Folge derAngst der Herrschenden. Die Furcht ist ein schlechter Ratgeber, undmit der Vernunft können sie es nicht mehr richten.(Heiterkeit.)Alle Gewalt haben noch sie, aber sie fühlen instinktiv, daß an dersieghaften Macht der Idee, deren Verkörperung die Sozialdemokratieist, ihre Waffen zersplittern werden. Gerade die letzten Monatemit den entsetzlichen Todcszuckungen des Zarismus gemahnen siean ihr eigenes Schicksal, das sich erfüllen wird. Bereit zu sein,mahnte Adler das Proletariat, bereit und gerüstet. Jubelndstimmte die Menge in das dreifache Hoch auf die internationaleSozialdemokratie ein, mit dem Adler seine hinreißende Rede schloßund flutete dann wieder zurück über die Grenze auf den KonstanzerFestplatz. Ein gemütliches Festtreibcn entwickelte sich, das diefremden Gäste bis zum späten Abend beisammen hielt.—Die von einem Telegraphenbureau verbreitete Nachricht, daßBebel nochmals zu sprechen versuchte und daran durch Polizeiverbotgehindert wurde, ist salfch. Bebel war überhaupt nicht mehr aufdem Fcstplatz.—%*Der„Frankfurter Z t g." wird aus Konstanz vom 19. Juligemeldet:Die sozialdemokratischen Gäste sind wieder abgereist und dieStadt zeigt wieder das Alltagsbild. Nur Militärpatrouillen durch-ziehen die Stadt. Kein Soldat darf mit Zivilisten sprechen. DieBürgerschaft und die Lokalpresse verurteilt allgemein die getroffenenMaßregeln der Regierung._Die beste Friedensgarantie.„Springfield Republican", eine der ältesten und an-gesehensten Zeitungen in den Vereinigten Staaten, sagt ineiner Betrachtung über die Verhältnisse in Skandinavien, daßdas Verhalten der Arbeiterparteien in Schweden undNorwegen während der jetzigen Krise eine große Bedeutunghabe und besondere Aufmerksamkeit verdiene. In derwachfenden politischen Macht der Arbeiter-Parteien der verschiedenen Nationen undin der Erkenntnis der Solidarität derArbeiter-Jnteressen liege vielleicht diestärkste Garantie für die Erhaltung desiWeltf rieben s. Die Last eines Krieges habe derl arbeitende Mann mit seiner Familie hauptsächlich zutragen, und wenn die Arbeiter intelligent genug fmd und sichzu ihrem Schutze international verbinden, so könnte ihnendas kein Mensch verdenken. Im Gegenteil wäre eine solcheAktion weit mehr wert, als alle Friedenskonferenzen, die derZar von Rußland oder der Präsident der Vereinigten Staateneinberuft.--_Ueber die Marokko-Einigung.Wie aus Paris vom 11. Juli berichtet wird, erkennen diemeisten Blätter bei Besprechung der gestrigen Erklärungen desiMinisterpräsidenten Rouvicr an, daß Rouvier in den Verhand-lungen mit Deutschland das unter den gegebenen schwierigen Um-ständen b e st m ö g! i ch st e Resultat erzielt habe.Der„Figaro" schreibt: stiouvier hat em Recht auf unsereGlückwünsche, denn er hat uns den Frieden und zwar einen ehren-vollen Frieder bewahrt. Er hat dieser edlen Sache wichtige unvermeidliche Opfer gebracht, aber Wesentliches gerettet.Clemenceau erklärt in der„A u r o r e": Rouvier hat sichaus der dornenvoller. Situation, in der ihn Delcasse zurückgelassen,in geschickter Weise gezogen. Wenn man sich die ganze Angelegen-heit von Anfang an vor Augen hält, kann man den schweren Weg biszu dem Abschluß des Abkommens ermessen, durch den wir in der.Hauptsache unsere Stellung aufrecht erhalt�r haben. Dieses Er-gebnis ehrt Rouvier, und seine Freunde wie die Feinde des repu-blikanischcn Regimes werden dies als gute Franzosen anerkennenmüssen.' �Die„L a n t e r n e" schreibt: Wir nehmen die Lösung ohne Be-geistcrung, aber auch ohne Bedauern auf. Schon daß beide Regie-rungen zu gegenseitigen Zugeständnissen gelangen konnten, ist einSieg der Friedensliebe und des gesunden Sinnes.In der„Humanite" erklärt Jaures: Die ministerielleErklärung fei die beste Lösung der Schwierigkeiten und könne alsdie endgültige Beilegung des diplomatischen Zwifthenfallos betrachtetwerden, der während mehrerer Wochen sehr schwer auf den deutschfranzösischen Beziehungen lastete.Der klerikal-reaktionäre„G a u l o i s" schreibt: Rouvicr hat diemit dem deutschen Botschafter ausgetauschten Schreiben ohne Stolzverlesen, und die Kammer hat sie ohne Begeisterung angehört. DerTon ist gewiß sehr höflich, aber es ist klar, daß Rouvier nachgegebenund nur den Versuch gemacht hat.�don Schein zu retten.Die Sozialisten der französischen Kammer beabsichtigen, vorEintritt rn die Ferien eine umfassende Diskussion über die aus-wärtige Politik herbeizuführen. P r e s s e n s e begründet diese For-derung ausführlich in der„Humanste",—veutfcbes Reich.Eine zeitgemäße Warnung.Im„Tag" veröffentlicht der Generalleutnant z. D.v. L i e b e r t einen Artikel über den„modernen Krieg undseine Folgen". Er zieht zunächst eine Parallele zwischen demfranzösischen Döbade von 1870 und dem russischen Zusammen-bruch im ostasiatischcn Kriege.Wie nach den französischen Niederlagen der SturzNapoleons und die Kommune gefolgt sei, so sei den russischenNiederlagen die Revolution und die Meuterei des Heeres ge-folgt. Hieraus zieht nun der Verfasser für die Diplomatenund Regierungen folgende zeitgemäße Lehre:„Die merkwürdige Parallelität der Erscheinungen bei denbeiden besiegten Nationen der letzten großen Kriege gibt zudenken. ES zeigt sich, daß der moderne Krieg immer mehraus dem Rahmen h e r a u s lv ä ch st, der ihm früher, manderen Zeiten gesteckt werden konnte. Die allgemeineWehrpflicht beteiligt das gesamte Volk anden Lasten und Opfern des Krieg cS; nur wenndie Nation mit voller Seele den Krieg als b e-r e ch t i g t und notwendig anerkennt, kann er mitAussicht auf Erfolg durchgeführt werden. Ister dagegen durch eine falsche, eitle Staatskunst demVolke auferlegt oder durch deren Fehler von außen herbeigeführtworden, so fehlt von vornherein der Volldampf, der die ganzeNation zu einem großen Ziele vorwärts treibt, eine Kraft, dereninnere Gewalt sich soeben bei den Japanern in so überraschenderWeise gezeigt hat. Daneben aber tritt ein neuer Faktorhervor: die Masse, die heute überall den Ausschlag gibt, und diedurch Presse und Agitation in ungiüistiger, nicht vaterländischer Richtung beeinflußt werden kann. Wer hättefrüher daran gedacht. daß ein vor dem Feinde stehendesHeer durch solche Mittel der Fahne und dein Vaterlande ab-trünnig gemacht werden könnte! Heute, wo der Klassenkampfunter den Volksgenossen und die internationale Verbrüderung denMassen immer lauter gepredigt wird, muß leider mit dieser Waffegerechnet werden."Das sind sehr vernünftige Ansichten, die gerade in einemAugenblicke, wo ein Bülow dem mündig gewordenen Volkeden Einfluß auf die äußere Politik durch eitle Diplomaten»schwänke vorenthalten zu können wähnt, doppelt beachtens-wert sind!Daß Herr v. Liebert selbst seine politische Einsicht gleichdarauf durch ein kindisches Schimpfen auf die zügelloseVersammlungs- und Preßagitation unserer Zeit, die schranken-lose Verhetzung der ungebildeten Klassen zum Klassenkampfezu trüben bemüht ist, schwächt das Gewicht seiner Warnungnicht ab; bei uns erweckt es nur ein Gefühl des Mitleids.Nachdem Liebert selbst erst die Verbrechen des korruptenZarismus und seiner wahnsinnigen Eroberungspolitik als dieUrsachen des militärischen Zusammenbruchs und der Volks-erhebnng bloßlegt, schlägt er sich mit seinem öden Schimpfenauf die Revolution selbst ins Gesicht. Sollte sich das Volkfür das russische Rcgierungsgesindcl und seine„eitle Staats-kunst" vielleicht wehrlos zur Schlachtbank schleppen lassen?Liebert schließt seinen Artikel:„Es bleibt wohl zu beachten, daß wir es im Kriegsfälle nichtmit der aktiven Friedeusarmee, sondern mit einer Massevon 3 bis 4 Millionen Soldaten zu tun haben.die, aus allen Bevölkerungsschichten zusammengewürfelt, zumeistvom Gifte des Sozialismus durchtränkt sind.Deshalb sollte jeder Patriot beizeiten mitwirken an der Arbeit,unser Volk von jener schon allzuweit um sich greifenden Seuchezu befreien."Logischerweise kann nach Ansicht Lieberts die Be-kämpsung der sozialdemokratischen Seuche nur in einerBekämpfung„jener eitlen Staatskunst" bestehen, wie sie Bülowhandhabt. Denn die russischen Mittel der Bekämpfungder Revolution haben ja gerade die Zerschmetterung desZarentums verschuldet!—Kricgsminister v. Einem soll sich mit Rücktrittsgedankentragen. Der Grund hierfür sei nicht in politischen Dingen, sondernin'einen: Magenleiden zu suchen, das den Minister seit längererZeit plagt und ihn veranlaßt hat, die Heilquellen Kissingensaufzusuchen.—Ducllhelden. Ans Greifswald wird vom 11. Juli berichtet:Die Strafkammer verurteilte wegen Säbelduells den Referendar Böhmer zu vier, den Studenten der Jurisprudenz Villuowzu sechs Monaten F e st u n g. Vermutlich wird Begnadigung dieFrist der«ehrenvollen Bewachung" vernundern, 3