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Kr. M. 32. IahrMg. L ßtilaot des JuiMtls" Krim lalUlitl Dsimerstag, 13. MIM. Ei« gerichtliches Nachspiel z«m Ruhßrat-Prazeß. Bückeburg , 12. Juli 1905. (2. Verhcmdlungstag.) Ist Pokern ein Hazardspiel? Wie wirdLustige Sieben" gespielt? Heute beantragte der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger mehrere in Bremen konditionierende Kellner als Zeugen und Kri mininalkommissar Freiherrn von Manteuffel als Sachverständigen und Zeugen zu laden. Letzterer soll befragt werden, ob Pokern ein Glücksspiel ist und in welcher WeiseLustige Sieben" gespielt wird. Das eigentliche Beweisthema im Prozeß Schweynert war: Hat Minister Ruhstrat in den letzten Jahren Hazard gespielt? Ob Minister RuhstratLustig« Sieben" gespielt, hazardiert odergemauschelt hat, ist dabei sehr gleichgültig. Wenn nachgewiesen ist, daß der Minister in den letzten Jahren hazardiert hat, dann hat der Angeklagte keinen Meineid geleistet. Wenn auch der Angeklagte behauptet hat, der Minister habeLustige Sieben" gespielt, so ist möglich, daß der AngeklagteLustige Sieben" mit Pokern verwechselt hat. Kriminalkommissar von Manteuffel, der ja bereits, wie bekannt sein dürfte, in einem Berliner Prozeß Pokern als Glücksspiel bezeichnet hat, soll bekunden, daß in den i n t e r- nationalen Spielhöhlen in der Hauptsache ge pokert wird und daß, wenn auch nicht tit Deutschland , in allen Kulturstaaten Pokern durch Gesetz verboten ist. Verbrechen im Amte. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Herz: Ich beantrage, die Ge fängnisauffeher Kehlin g und Go de aus Oldenburg als Zeugen zu laden, die bekunden werden, daß Kriminalkommissar Böning auf den Angeklagten derartig eingeredet hat, daß dieser schließlich zu seinen Verteidigern jedes Zutrauen verloren hat und nahe daran war, seinen Verteidigern das Mandat zu entziehen und sich einen Verteidiger von Staatswegen geben zu lassen. Die vorgeschlagenen Zeugen werden auch bekunden, der Angeklagte habe eines Tages erklärt, daß er bei seiner Vernehmung in einer Weise behandelt worden wäre, daß er die Empfindung hatte, er befände sich in einer Räuberhöhle. Wenn sich das bewahrheitet, dann hat sich Kriminal- kommissar Böning der Verletzung seiner amtlichen Pflicht schuldiggemacht. Staatsanwalt Dr. Becker: Gegen die Ladung der Gefängnis- aufseher habe ich nichts einzuwenden; dagegen muß ich der Ladung des Kriminalkommissars von Manteuffel widersprechen. Es steht zunächst nicht fest, daß im Oldenburger Kasino gepokert wurde. als der Angeklagte dort Kellner war und schließlich kann man doch Pokern in verschiedener Weise spielen. Die Beurteilung, ob Pokern ein Glücksspiel ist, kann man ruhig dem Gerichtshof überlassen. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Minister Ruh strat hat selbst zugegeben, daß er in den letzten Jahren im Oldenburger Kasino gepokert habe. Es ist deshalb anzunehmen, daß dies auch geschehen ist, als der Angeklagte dort Kellner war Aber gerade der Umstand, daß Pokern auf verschiedene Art gespielt werden kann, macht es notwendig, daß ein Sachverständiger befragt wird, ob Pokern mitLustige Sieben" verwechselt werden kann. Im übrigen hat die Strafkammer Oldenburg im Prozeß Schweynert entschieden, Pokern sei kein Glücksspiel. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Jonas: Ich erachte die Ver- nehmung eines Sachverständigen für umso notwendiger, da es frag- lich ist, ob die Herren Geschworenen den Unterschied zwischen Pokern undLustige Sieben" kennen. Ich will noch bemerken, daß Kriminal- kommissar von Manteuffel anerkannt der erste Sachverständige auf dem Gebiete des Spielwesens ist. Im weiteren Verlauf der Ver- Handlung verzichten die Verteidiger auf die Ladung der Bremer Kellner. Die Ladung des Kriminalkommissars von Manteuffel abgelehnt! Nach einer längeren Beratung des Gerichtshofes verkündet der Vorsitzende: Der Gerichtshof hat beschlossen, die Gefängnisaufseher zu laden, dagegen den Antrag auf Ladung des Krimi- nalkommissars von Manteuffel abzulehnen. Der Angeklagte hat selbst in dier Strafkammerverhandlung in Oldenburg sowohl als auch hier ausdrücklich erklärt, Minister Ruhstrat habe Lustige Sieben" gespielt, mithin kann Pokern hier nicht interessieren und zwar um so weniger, da dem Gerichtshof bekannt ist. daß Pokern mit Karten,Lustige Sieben" mit Würfeln gespielt wird, also eine Verwechselung zwischen beiden Spielen aus- geschlossen ist. Der Angeklagte hat ja selbst erklärt, er habe Würfel- becher hineingebracht. Fortsetzung der Zeugenvernehmung. Es wird danach Buchhändler Schmi d t-Oldenburg vernommen. Er habe mit dem Minister Ruhstrat in den letzten Jahren im Olden- burger Kasino oftmals Skat gespielt, bisweilen auch gepokert. Lustige Sieben" sei in der fraglichen Zeit nicht gespielt worden. Vors.: Kann man das Poker-Spiel mit dem Spiel Lustige Sieben" verwechseln? Zeuge: Das halte ich für ausge- schlössen. Pokern kann nur mit Karten undLustige Sieben" nur mit Würfeln gespielt werden. Vors.: Haben Sic mehrmals mit Herrn Minister RuhstratLustige Sieben" gespielt? Zeuge: Jawohl, aber vor V i e l e�n Jahren. Der Zeuge bekundet dann auf Befragen, daß er nicht die Empfindung habe, daß der An- geklagte in der Oldenburger Strafkammerverhandlung befangen oder verwirrt gewesen sei. Er wurde auch vom Vorsitzenden und dem amtierenden Staatsanwalt wiederholt verwarnt. Vert. Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Sie haben viel mit Minister Ruhstrat, auch früherLustige Sieben" gespielt. Zestge: Jawohl. Vert.: Ist es richtig, daß Sie dabei fast Ihr ganzes Vermögen verloren und deshalb bisweilen die Kellner angepumpt haben? Zeuge: Eigenes Vermögen besaß ich nicht. Ich gebe aber zu, daß ich viel Geld verloren habe und auch bisweilen Kellner an- gepumpt habe. Vert.; Wann haben Sie zum ersten Mal mit Herrn Minister RuhstratLustige Sieben" gespielt? Zeuge: Genau kann ich das nicht sagen. Ich glaube es fiel in die Zeit, als Mini st er Ruh st rat Oberstaatsanwalt wurde. Vert.; Also als Staatsanwalt hat der Minister erst«Lustige Sieben" gespielt? Zeuge: Ich glaube wohl. Vert.; Sind Sie der An- ficht, daß ein Staatsanwalt weniger Pflichten hat. als ein Ober- ftaatsanwalt? Zeuge: Das kann ich nicht sagen. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Herz: Fiel nicht das Aufhören desLustige Sieben-Spiels" des Ministers in die Zeit als Haupt- mann von Pavel sich das Leben nahm? Zeuge: Das kann ich nicht sagen. Vert.: Wann starb Hauptmann von Pavel? Zeuge: Meiner Erinnerung vor etwa 15 Fahren. Vert.: Kann es 1895 gewesen sein? Zeuge: Es ist möglich. Vert.: Haupt­mann von Pavel war ein Spiclgenosse des Herrn Ministers? Zeuge: Jawohl. Vert.: Ist Ihnen hekannt, daß Hauptmann von Pavel sich Schulden halber erschossen hat? Zeuge: Daß sich Haupt- mann von Pavel erschossen hat, ist mir bekannt. Ob Spielschulden die Ursache waren, entzieht sich meiner Kenntnis. Verteidiger Rechtsanivalt Dr. Jonas: Wird das SpielLustige Sieben" in Oldenburg fürunfair" gehalten, so daß ein Oher- ftaatsanwalt es nicht spielen, wohl aber das Pokerspiel betreiben darf? Vors.: Das ist ein Urteil, das der Zeuge nicht ab- geben kann. Vert.: Ich will nur die persönliche Ansicht des Serrn Zeugen hören. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. prenger: Sie müssen die Frage so stellen: Gilt in den besseren Oldenburger Kreisen das Pokern für ein einwandfreies, solides Spiel? Vors.: Ich kann Ihnen diese Frage aus demselben Grunde, aus dem der Antrag aus Ladung des Kriminalkommissars von Manteuffel abgelehnt wurde, nicht zulassen. Das Poker- spiel kann uns hier nicht interessieren. Auf Be- fragen des Verteidigers Herrn Rechtsanwalt Dr. Herz bekundet der Zeuge, daß sie zumeist bis 1 Uhr nachts, bisweilen auch bis 3«der 4 yhe morgens gespielt hätten. Amtsvcrbrcchen. Hierauf wird Polizcikommissar Böning aus Bremen als Zeuge aufgerufen. Rechtsanwalt Dr. Jonas: Ich ersuche, den Herrn Zeugen darauf aufmerksam zu machen, daß, wenn eine Frage an ihn in bczug auf§ 343 des Strafgesetzbuches gestellt werden sollte, er berechtigt ist, die Antwort zu verweigern. Der erwähnte Paragraph lautet:Ein Beamter, welcher Zwangsmittel anwendet, oder anwenden läßt, um ein Geständnis zu erpressen, wird mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren bestraft." Vors.: Ich mache Sie darauf aufmerksam, Herr Zeuge, daß, wenn eine Frage an Sie gestellt werden könnte, durch deren Beantwortung Sie sich einer strafrechtlichen Verfolgungen aussetzen könnten, Sie dieselbe verweigern können. Kriminalkommissar Böning bekundet danach auf Befragen des Vorsitzenden, er habe den Angeklagten in der Untersuchungshaft sehr eingehend verhört. Der Angeklagte habe schließlich gesagt, er könne die Behauptung nicht mehr aufrecht erhalten, daß Minister Ruhstrat mit Buchhändler Schmidt und Dr. SchleppegrellLustige Sieben" gespielt habe und daß es mehr eine Schlußfolgerung sei, weil die drei Herren zusammen Karten gespielt haben. Er bleibe aber dabei, daß Minister RuhstratLustige Sieben" gespielt habe, nur wisse er nicht, mit wem. Er habe dies auch vor der Olden- burgcr Strafkammer sagen wollen, habe es aber nicht gesagt, d a Laturus unaufhörlich auf ihn eingeredet habe. er müsse bei seiner Aussage bleiben, und da er sich auch fürchtete, wegen Meineids verhaftet zu werden. Vors.: Ist es richtig, daß Sie den Versuch machten, dem Angeklagten Mißtrauen gegen seine Verteidiger einzuflößen? Zeuge: Das habe ich nicht getan; ich habe allerdings dem Angeklagten gesagt, es ist selbstverständlich, daß die Verteidiger zunächst die Interessen desResidenzboten" wahr- nehmen. Vors.: Haben Sie dem Angeklagten gesagt, die Ver- leidiger haben nur ihren Vorteil im Auge, er solle ihnen sein Mandat entziehen und sich einen Verteidiger von Amts wegen be- stellen lassen? Zeuge: Ich habe dem Angeklagten gesagt, die Folge seines Geständnisses könnte die Sache sehr in die Länge ziehen, desto mehr würden dann die Verteidiger fordern und sein Vermögen würde zusammenschmelzen. Da versetzte der Angeklagte: Herr Rechtsanwalt Dr. Herz hat mir versprochen, mich ohne Ver- gütung zu verteidigen. Ich bemerkte darauf:Das ist brav, dann bleiben Sie dabei!" Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger verliest dann einen ihni vom Angeklagten auf der Untersuchungs- Haft geschriebenen Brief, in dem der Angeklagte über heftige Kopfschmerzen klagte, die er infolge seiner vielen Vernehmungen bekommen habe. Polizeikommissar Böning habe ihm gesagt, wenn er ein Geständnis ablege, käme er mit einer kurzen Gesang- nisstrase davon und vorausjsichtlich werde die Strafe durch die Untersuchungshaft für verbüßt erachtet, andererseits seien ihm zehn Jahre Zuchthaus sicher. Der Polizeikommissar habe ihm ferner gesagt, er könne sich doch irren, es haben sich schon Kaiser und Könige geirrt. Er, An- geklagter, habe sich deshalb gesagt: Geglaubt wird Dir doch nicht, und um einer zehnjährigen Zuchthausstrafe zu entgehen, habe er vor Gericht seine Aussagen widerrufen. Kommissar Böning bestreitet, solche Aeußerungen getan zu haben. Der Angeklagte bemerkt, er halte alles, was er in dem verlesenen Briefe geschrieben habe, aufrecht. Auf weiteres Befragen des Verteidigers Rechts- anwalts Dr. Sprenger bestreitet der Zeuge, den Versuch gemacht zu haben, dem Angeklagten Mißtrauen gegen seine Verteidiger ein- zuflößen. Auf Befragen des Herrn Rechtsanwalts Dr. Sprenger bemerkt der Zeuge: Er pflege gewöhnlich Angeklagte in Gegenwart von Zeugen zu vernehmen, da die von ihm erzielten Geständnisse mehrfach an- gezweifelt worden seien. Da er aber in Oldenburg fremd war, ver- mochte er einen Zeugen nicht hinzuziehen. Er habe diesmal, um sich zu sichern, den Angeklagten sofort zum Untersuchungsrichter führen lassen, damit dort die Aussagen desselben gleich protokolliert würden. Im weiteren Verlauf der Vernehmung bemerkt der Zeuge: Bei dem Aufruf habe er das Beweisthcma lediglich darauf be- schränkt, ob Minister Ruhstrat mit Buchhändler Schmidt und Dr. SchleppegrellLustige Sieben" gespielt habe. Perteidiger Rechtsawvalt Dr. Herz: Ist es richtig, daß Sie die Untersuchung der Sache widerwillig übernommen Höchen , weil Sie, wie dis meisten Bremer, an die Unschuld des An- geklagten glaubten? Hierauf bemerkt der Zeuge unter allge meiner Heiterkeit im Zuhörerraum: Er könne sich nicht mehr darauf besinnen. Er sei jetzt eine Stunde vernommen worden und da der Mensch nur ein Gehirn habe, könne er keine klare Antwort mehr geben. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Die Verteidigung akzeptiere das für den Angeklagten, der sich auch sticht mehr auf alles besinnen könne. Der folgende Zeuge ist Landgerichtsrat Dr. M e y e r-Holz- gräfen. Er bekundet: Der Angeklagte habe bei den: Polizei kommissar Böning die Aussage gemacht und zu Protokoll gegeben, daß er nur die Schlußfolgerung gezogen habe, daß Minister Ruh- strat mit den Herren Schmidt und Dr. SchleppegrellLustige Sieben" gespielt habe. Er bleibe aber dabei, daß der Minister RulstratLustige Sieben" gespielt habe, wisse aber nicht, mit wem Er habe den Angeklagten gefragt, ob er die Aussagen auch zu Pro- tokoll nehmen soll oder ob die Bestätigung des Protokolls des Polizei kommissars genüge. Der Angeklagte fand es nicht für nötig, ein Protokoll aufzunehmen. Als er den Angeklagten abführen lassen wollte, sagte dieser:Man wird mir nun wohl vorwerfen, daß ich absichtlich die Unwahrheit gesagt habe." Ich bemerkte:Wenn Sie sich nur versehen haben, dann wird Ihnen von keiner Seite ein Vor wurf gemacht werden. Aber weshalb haben Sie Ihre vorigen Aussagen nicht im Prozeß Schweynert gemacht?" Der Angeklagte antwortete:Ich wollte es sagen, aber ich erinnerte mich, daß der Untersuchungsrichter in Bremen gesagt hat: Das. was Sie hier aussagten, müssen Sie beschwö- ren. I ch glaubte daher, ich müsse dabei bleiben. Außerdem hat Laturnus unaufhörlich auf mich eingeredet, ich solle bei meinen Aussagen bleiben." Schließlich fing der Angeklagte an zu weinen und sagte:Wenn ich nicht auf meine Mutter Rücksicht genommen hätte, so wäre ich längst in? Slusland gegangen." Der Angeklagte hat sein Geständnis noch mehrfach bei anderen Ver- nehmungcn wiederholt. Einige Zeit darauf erhielt der Angeklagte ein Paket von aus- wärts. Von diesem Tage an erklärte er, es sei so richtig, wie er zuerst ausgesagt habe. Schließlich habe der Ange- klagte erklärt, seine Verteidiger hätten ihm verboten, wefter auszu- sagen. Der Angeklagte habe sich über die Behandlung des Polizei- kommissars Böning niemals beschwert. Hierauf wird die Sitzung bis 3Va Uhr nachmittags vertagt. Wurde der Angeklagte bei dem Untersuchungsrichter verwirrt gemacht? Nach Wiedereröffnung der Verhandlung wurde mit der Ver- nehmung des Untersuchungsrichters Meyer- Holzgräfen fortge- fahren. Staatsanwalt Dr. Becker: Herr Landgerichtsrat, es ist behauptet worden, der Angeklagte sei so viel vernommen worden, daß er schließlich verwirrt und unwohl wurde. Zeuge: Der An- geklagte ist allerdings am 14. Dezember 1904 und am 26. Januar 1905 je zwei volle Stunden vernommen worden. Ich habe aber niemals wahrgenommen, daß er verwirrt wurde. Auf weiteres Be- fragen des Staatsanwaltes bemerkt der Zeuge, er hatte einmal die Empfindung, daß der Angeklagte etwas auf dem 'erzen habe. Er rückte mit der Sprache nicht heraus. Ter Angeklagte war sehr bewegt und weinte oftmals. Er, Zeuge, habe aber niemals wahrgenommen, daß der Angeklagte körperlich leidend sei. Er hatte die Ueberzeugung, daß das Ge- ftändnis, das der Angeklagte bei dem Kriminalkommissar Böning machte und bei ihm wiederholte, ein vollständig frei­williges sei. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Was veranlaßte Sie. in den Kreisen Ihrer Kollegen zu sagen, die Untersuchungs- fache Meyer habe eine erfreuliche Wendung gengmmeu? Zeuge: Ich hielt das Geständnis für eine glückliche Wendung. Bert.: Ich bin doch der Meinung, daß der Untersuchungsrichter nur die Aufgabe hat, die Wahrheit zu ermitteln. Das angebliche halbe Geständnis war weder eine erfreuliche, noch unerfreuliche Wendung. Zeuge: Ich hielt das Geständnis für wahr, deshalb sagte ich, es sei eine glückliche Wendung. Vert.: Wie kam es, daß Sie einen Aufsatz, der von Justizrat Dr. S e l l o- Berlin in der Deutschen Juristenzeitung" erschienen war, zu den Akten nahmen? Zeuge: Ich hielt den Aufsatz für wertvolles Material. Vert.: Ter Aufsatz war doch ganz einseitig und richtete sich direkt gegen die Ver t e i d i g u n g. Der Aufsatz konnte ja auch nur einseitig sein, da Justizrat Sello der Verhandlung gegen Schweynert nicht beigewohnt hat und ihn auf Grund von Zeitungs- berichten schrieb. Zeuger Ich kann nicht zugeben, daß der Auf. satz sich gegen die Verteidigung richtete. Vert.: Hatten Sie nicht die Empfindung, daß sich der Angeklagte infolge seiner vielen Ver- nehmungen schließlich in einem traumhaften Zustande be- fand, als er das angebliche halbe Geständnis ablegte? Zeuge: Diese Empfindung hatte ich durchaus nicht. Vert.: Dann bean- trage ich, den Professor Dr. F o r e l- Zürich oder Professor Dr. M e n de l- Berlin zu vernehmen. Diese werden bekunden, daß es oftmals vorkomme, daß Angeklagte bei der Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter, Staatsanwalt oder der Polizeill.' Hörde Dinge-�u» geben, die der Wahrleit nicht entsprechen. Bei der Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter, Staatsanwalt oder der Polizei wird auf die Angeklagten vielfach so eingeredet, daß sie schließlich alles zu- geben, was sie gefragt werden. Herr Landgerichtsrat, ist es richtig, daß auch Sie zu dem Angeklagten gesagt haben, er solle sich einen Verteidiger von Staatswegen nehmen, denn Herr Dr. Herz sei Sozialdemokrat, im übrigen seien die Ver- teidiger nur auf hohes Honorar bedacht? Zeuge: Das habe ich nicht gesagt. Im weiteren Verlauf der Verhandlung bemerkt der Unter- suchungsrichter auf Befragen des Verteidigers Rechtsanwalts Dr. Sprenger: Es sei richtig, daß der Antrag gestellt worden sei, die Zeugen aus Bremen zu vernehmen. Der Antrag sei aber abgc- lehnt worden. Auf Antrag des Rechtsanwalts Dr. Herz wird ein Brief des Angeklagten verlesen, in dem es heißt: Er sei nicht mehr im stände, den vielen Protokollen beim Untersuchungsrichter zu folgen. Polizeikokmmissar Böning ein Spezialist für Meineidsachen. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Jonas: Herr Polizeikommissar Böning ist ein ganz hervorragender Spezialist in Meincidsachen und als solcher zu empfehlen. Würde Ihnen Polizeikommissar Böning auch als geeignet empfohlen, verstockte Sünder zu einem Geständ- nis zu bringen? Zeuge: Keineswegs. Ich habe um einen ge- eigneten Beamten ersucht, da wurde mir mitgeteilt, Polizcikommissar Böning sei für den betreffenden Fall ganz besonders geeignet. Er sei ein Spezialist in Meineidsachen. Er habe jährlich etwa 60 Mein- eidsachen zu bearbeiten. Ist Pokern mitLussige Sieden" zu verwechseln? Der folgendo Zeuge, Regierungsrat a. D., Rechtsanwalt Dr. Becke r-Oldcnburg bekundet: Er gebe die Möglichkeit zu, daß er in früheren Jahren mit Minister Ruhstrat u. a. im Oldenburaer Kasino Skat gespielt, bisweit'n auch gepokert habe. Er sei der An- ficht, wer Pokern undLustige Sieben" kennt, die beiden Spiele nicht verwechseln könne. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Wer aber beide Spiele nicht kennt? Zeuge: Darüber kann ich nichts sagen, ich bin der Meinung, daß eine Verwechselung kaum möglich ist, Poker wird mit Karten,Lustige Sieben" mit Würfeln gespielt. Vert.: Wenn es sich um einen 1 5 jährigen Fungen handelt? Zeuge: Ich kann darüber kein Urteil geben. Staats­anwalt: Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß der Angeklagte selbst den Würfelbecher hinein gebracht hatte. Zeuge: Das ist auch nicht maßgebend. Es wäre ja möglich, daß einmal Bier aus- gewürfelt wurde. Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Wurde denn einmal Bier ausgewürfelt? Zeuge: Es ist möglich, ich er- innere mich aber nicht. Der Angeklagte ein sympathischer, wahrheitsliebender! Mensch. Auf weiteres Befragen des Verteidigers Herrn Rechtsanwalt Dr. Sprenger bemerkt der Zeuge, der Angeklagte sei ihm, als er noch Kellner war, sehr sympathisch(/Wesen. Er habe deshalb bedauert, daß der Angeklagte in diese Sache mit hinein verwickelt wurde. Er könne die Frage, ob der Angeklagte für wahrheitsliebend gelte, nicht gut beantworten. Er habe nicht die Auffassung gehabt, daß der Angeklagsse in dem Schweynert-Prozetz wissentlich die Unwahrheit gesagt habe. Als er mit so großer Be- stimmtheit den Referendar Christians bezeichnete, derLustige Sieben" gespielt habe, da sagte ich mir, der Angeklagte kann nicht wissentlich die Unwahrheit gesagt haben, sondern sei das Opfer einer Personenberwechselung. Er habe sich alsdann auch erinnert. daß Referendar Christians dem Referendar Wilms zum Verwechseln ähnlich sehe. Hat Minister Ruhstrat bei seiner Zeugenaussage etwas verschwiegen? Der Zeuge, Regierungsrat a. D., Rechtsanwalt Dr. Becker be- kuiöi'ct auf Befragen dos Verteidigers Dr. Hstrz, erhalte Pokern für ein Glücksspiel und habe es immer für ein solches gehalten. Er habe es deshalb nicht für richtig gehalten, daß der Minister Ruhstrat in dem Prozeß Rieß-Biermann bekundet habe, er habe seit 12 bis 14 Jahren, oder seitdem er Oberstaatsanwalt geworden sei, nicht mehr am Glücksspiel teilgenommen. Vert.: Sie sind also der Ansicht, daß die eigenen Zeugenerklärungcn des Ministers ein Manko enthalten? Zeuge: Das will ich nicht sagen. Ich halte es aber für zweifellos, daß die Aussage des Ministers nicht ganz vollständig war. Vert.: Sie geben also zu, daß der Mnister sich chnes Ver- schweigens schuldig gemacht hat? Zeuge: Das kann ich mit Be- stimmtheit nicht sagen. Staatsanwalt Dr. Becker: Ich bin der Meinung, daß dies nicht zur Sache gehört. Es handelt sich doch nicht um ein Verfahren gegen Minister Ruhstrat. sondern lediglich darum, ob der Angeklagte einen Meineid geleistet hat. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Der Minister Ruhstrat ist ein Haupt- belastungszeuge, und deshalb ist die Stellung dieser Frage für die Glaubwürdst gleit des Ministers v o-n größter Bedeutung. Ich behalte mir vor. die Akten im Prozeß Rieß-Biermann einzufordern. Vors.: Aber meine Herren, ich kann doch hier nicht alle Prozesse, die in dieser An- gelegcnheit in Oldenburg gespielt haben, nach einander verhandeln! -l- Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sprenger: Eilte nochmalige Verhandlung der Prozesse wollen wir auch nicht, aber die Stel- lung dieser Frage ist für die Würdigung dieser Sache von allergrößter Bedeutung. Verteidiger Rechtsanwalt JonaS: Wenn die Ansicht des Herrn Staatsanwalts richtig wäre, brauchte man bloß die Herren Minister Ruhstrat, Buchhändler Schmidt und Dr. Schleppegrcll zu vernehmen und den Angeklagten Meyer ins Zuchthaus zu stecken. Das tväre doch einte völlig unzulässige Beschränkung der Verteidigung. So einfach ist die Sache nicht. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Herz: Wenn bewiesen wird, Minister Ruhstrat habe zwar nicht mit Schmidt und Schleppegrell, wohl aber mit anderenLustige Sieben" oder ein anderes Glücksspiel gespielt, das der Angeklagte fürLustige Sieben" gehalten l>a- oder halten konnte, sr ist das für die Schuldfrage, zum mindesten für die Schuldabmcssung von der größten Erheblich- keit. Pokern undLustige Sieben". Der Zeuge gibt danach auf Veranlassung des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Sprenger eine eigentliche Schilderung von Poker« undLustige Sieben".