Mr. 208.
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Vorwärts
9. Jahrg.
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fernsprech- Anschlnk 3mt I, Nr. 4186.
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
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Dienstag, den 6. September 1892.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Politische Uebersicht.
Dolitische
Das Gemeinwohl fteckung Maßregeln gegen die flüchtige Hamburger Bourgeoisie Die Männer, die in den Zeiten der Gefahr die Gewähr hervorgerufen, dann wäre in Hamburg heute kaum noch ein für die Sicherheit und Ordnung, für die Bekämpfung der nnter der Klaffenherrschaft. Behntel von jener Minderheit vorhanden, die kraft ihres Seuche und die Herstellung gesundheitsmäßiger Zustände Besizes die ausschließliche Herrschaft für sich beansprucht. bieten, werden sich nicht zurückdrängen lassen im Interesse Die Ergebnisse der Selbstabschätzung ließen den rein In der Stunde der Gefahr zeigte es sich, was es heißt, das jener feigen Flüchtlinge der Bourgeoisie. Mit der Einplutokratischen Charakter des Dreitlassen Wahlsystems so Gemeinwohl der Herrschaft der Besitzenden anvertrauen. führung des allgemeinen gleichen Wahlrechts im Senat und grell in die Erscheinung treten, daß vor ihnen die beliebten und welche Mittel wurden und werden jetzt noch von der in der Bürgerschaft wird Hamburg seinen Namen, dey Versuche, dieses Wahlsystem dadurch zu rechtfertigen, daß Hamburger Bourgeoisie angewendet, um die Schutzmaßregeln, seine Burgeoisie geschändet, zu um so höheren Ehren man in demselben die Intelligenz" zu größerer Geltung kommen welche andere Gemeinden gegen sie getroffen haben, zu ver- bringen. ließ, verstummen mußten. In Deutschland giebt es nichts so eitelu! Jeder sucht ängstlich seine Herkunft zu verstecken, Widerfinniges, das nicht von Professoren als das eigentlich Ver- Lug und Trug wird zu diesem Zwecke geübt. Ja, Noth nünftige gepriesen würde. So fonnte man auch von den tennt kein Gebot! Die Selbsterhaltung ist die erste Pflicht! Staatsrechtslehrern der Universitäten auseinandersetzen hören, heißt dann die Rechtfertigung. Und wo man die eigene daß das Einkommen zwar fein absoluter, aber doch Berson nicht vorschüßen mag, ist es die Fürsorge für die ein relativer Werthmesser der Intelligenz sei; in Familie, für die armen Kinder, deren Sicherheit jede RückBerlin, den 5. September. dem äußeren Einkommen trete die innere Tüchtig- fichtslosigkeit auf das Gemeinwohl beschönigen soll. Für sich, feit in die Erscheinung. Diese Folgerung, schon an für sein Intereffe hält der Besitzende Alles für erlaubt. Wenn Der Schacher mit der Militär- Vorlage. Die und für sich nicht stichhaltig, muß aber nach den Ergebnissen aber der Arme seine Familie, seine Kinder hinsiechen sieht, Nationalliberalen sind ganz außer sich, daß das Zentrum der neuesten Abschätzung selbst den blödesten Professoren wenn der Arzt als einziges Rettungsmittel eine beffere Gr auf dem Mainzer Ratholikentag" seine Raufbedingungen als falsch erscheinen. Wollten sie dieselbe heute noch auf- nährung vorschreibt, und der Arme auch nach dem Grund- schon veröffentlicht hat: Widerruf des Jesuitengesetzes und recht erhalten, dann müßten sie der großen Masse der faße:" Noth fennt kein Gebot!" und Gelbsterhaltung ist ein entsprechendes Schulgesetz. Ja, wollen denn aber die Studirten, Professoren und höheren Beamten ein Armuths- die erste Pflicht", nach dem Ueberflusse" des Reichen griffe Nationalliberalen nicht auch ein Schachergeschäft machen? attest hinsichtlich ihrer Intelligenz ausstellen. Ein anderer und nur so viel davon nähme, um sein fleines frankes Bieten sie der Regierung ihre Unterstüßung nicht in zu noch falscherer" Schluß, mit dem man vornehmlich die Zensus- Kind vor dem Tode zu schützen, dann weiß die bürgerliche dringlichster Weise an? Suchen sie nicht die Gelegenheit wahlen in den Gemeinden zu rechtfertigen versuchte, war Gesellschaft dieses Verbrechen gegen das heilige Eigenthum zur Inszenirung eines liberalen" Tanzes um's goldene das höhere Intereffe, das die Wohlhabenden an das Ge- nicht genug zu brandmarken. Viele Tausende Arbeiter in Ralb zu benutzen? Die liberalen Schacherer sind um kein meindewohl binde. Den Besitlosen binde nichts an das Hamburg , mit den größten Entbehrungen kämpfend, bieten Saar breit besser als die flerifalen will das deutsche Gemeinwesen, er habe nichts zu verlieren; wenn er, der Seuche Trot, arbeiten im Dienste des Gemeinwohls, Volk nicht verschachert, geschoren und weißgeblutet werden, den Stab in der Hand, der Stadt den Rücken um die größere Ausdehnung der Seuche zu verhüten, dann muß es beiden zeigen, wo der Zimmermann das Loch tehre, laffe er nichts in derselben zurück, was tragen die Kranken in die Heilanstalten und beerdigen gelassen hat. ihn an dieselbe feffele. Es giebt keinen falscheren die Leichen. Sie selbst wohnen dabei in den ungesundesten Neues Glücksspiel. Eine zweite Anti. Schluß als diesen. Es ist richtig, fein eigenes Haus, feine Gegenden und Wohnungen, und dabei stehen zahlreiche slave rei- 2otterie soll, wie das Berliner Tageeigene Fabrik, teine Hypothek und kein Aktienkapital, teine Paläste leer, verlassen von den flüchtigen Besitzern. Wären blatt" meldet, die Ausführungskommission der AntisflavereiSchuldverschreibungen und Obligationen binden den Besitz die Arbeiter von demselben Egoismus beherrscht, dann Lotterie planen; sie habe sich deshalb schon an den Minister lofen an das Gemeinwesen, sondern nur seine Existenz und hätten sie längst von dem verlassenen Besitzthum der Bour- des Innern gewandt. Der Minister habe jedoch die VerDie Eristenz seiner Familie; das ist aber für den Besiglosen geoisie Besitz genommen, statt trotz der eigenen Noth das anstaltung einer neuen Lotterie nicht genehmigt. Das Alles. Der Besizlose also hat vorzugsweise ein Inter- Eigenthum, das Allerheiligste der Bourgeoisie zu schützen. Tageblatt" fügt hinzu, daß das das der Ausführungseffe am Gemeinwohl, während das Interesse des Besitzenden In der kapitalistischen Gesellschaft giebt es nur ein Heiliges, kommission zur Verfügung stehende Kapital zur Zeit noch nur ein sehr bedingtes ist. Das Interesse der Besitzenden und das ist das Eigenthum und die kapitalistische Aus- eine Million Markt beträgt. Wir können nicht glauben, Gemeinwohl hat sich in Hamburg in der beutung; Religion und Baterlandsliebe sind nur unter- daß der Minister so hartherzig sein wird. Warum nicht jämmerlichsten und erbärmlichsten Weise gezeigt. Als die geordnete Begriffe, nur Mittel, die jenen zu dienen haben. eine neue Blödsinnssteuer zu solch edlem Zweck, Cholera, dank der Profitgier der herrschenden Kapita- Und zu einer Zeit, wo die schamlose Selbstsucht des wie die Kolonialabenteuer, erheben? Die Dummen werden liften, welche rechtzeitige Borsichtsmaßregeln unterließen, Besitzes so offen enthüllt ist, da wagt es die Bourgeoispreffe, nicht alle.-
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weil durch fie der Profit geschädigt werden könnte, die Presse der agrarischen Kornwucherer wie der kapitalistischen
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in Hamburg ihren Einzug hielt, hielt, ergriffen die Börsenschwindler und stempelfälschenden Industriebarone, Der Beginn der Session. Verschiedene Blätter bes Besitzenden zu Tausenden Die Flucht, auf die nicht blos gegen die Einführung des allgemeinen gleichen haupten, der Reichstag solle diesmal nicht zur gewöhnlichen Gefahr hin, die Seuche nach allen Weltgegenden zu ver- Wahlrechts im Staate und in der Gemeinde zu eifern, Zeit, im November, einberufen werden, sondern erst im breiten. Sie handelten getren nach ihren sonstigen Grund- sondern auch das Verlangen zu stellen, dasselbe in der Januar. Und weiter heißt es, die neue Militärvorlage fätzen, wenn sie vor Allem ihr eigenes Ich in Sicherheit Reichsvertretung zu beseitigen! Daß der Versuch des solle erst nach Ostern nach Festsetzung des Budgets zu bringen suchten. Freilich als die Bourgeoisie der an- letzteren den offenen Bürgerkrieg entzünden könnte, was frägt eingebracht werden. Das sind eitel Kannegießereien; es ist deren Gegenden des Reichs von der Angst ergriffen danach die profitgierige Bourgeoisie! Das Volk hat die zehn gegen eins zu wetten, daß Entschlüsse in dieser Hinsicht wurde, auch der Gegenstand der Ansteckung zu werden, da felbe aufs neue gründlich kennen gelernt, und von Hamburg , noch nicht gefaßt find. Und außerdem ist die Sache höchst weckte die Angst ihre Energie, da erwachte das Interesse bem gegenwärtigen Seuchenherd, wird auch der mächtigste gleichgiltig. Genug, daß uns ein gewaltiger Aderlaß zuam Gemeinwohl, weil nur in ihm sie ihren Schuß finden Anstoß auf die Beseitigung der kapitalistischen Herrschaft gedacht ist und daß dieser immer zu früh kommt, der Widerkonnte. Und hätte nicht die Angst vor der eigenen An- in Staat und Gemeinde ausgehen. stand des Volkes aber niemals früh genug.-
Feuilleton.
Nadbrud verboten.)
Die Waffen nieder!
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Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner . Darum hat mich das weiße Papierblatt, das der Arzt beim Rezeptschreiben auf dem Tische liegen ließ, herangelockt und darum schicke ich das Blatt an Sie... 7 Uhr. Es ist vorbei.
- Lebewohl, mein alter Bub'. Das waren ihre letzten Worte. Darauf schloß sie die Augen und schlief ein. Schlaf wohl meine alte Mutter!
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ihm?...
Ich überschickte am selben Tage einen Todtenkranz aus hat sich nicht verliebt in mich, eine nicht ganz erklärlichehundert großen weißen Kamelien, mit einer halberblühten aber immerhin eine Thatsache. Daß sie unter so bewandten rothen Rose drin. Ob er wohl verstehen würde, daß die Umständen der für so viele Mädchen unwiderstehlichen Verblaffen, duftlosen Blumen der Dahingeschiedenen galten, als lockung, Frau zu werden, widerstanden hat, und auf einen, Symbole der Trauer, und das gluthfarbige Röschen-vom weltlichen Standpunkt annehmbaren Antrag nicht eingegegangen ist, das gefällt mir eigentlich sehr gut von Drei Wochen waren vergangen. ihr, und ich bin noch verliebter, als zuvor. Nach und Konrad Althaus hatte um meine Schwester Lilli an- nach wird meine Anhänglichkeit sie rühren und Gegenliebe gehalten und einen Rorb bekommen. Er nahm jedoch die erwecken; dann sollst Du doch meine Schwägerin werden, Sache nicht tragisch und blieb wie zuvor ein eifriger Be- liebste Martha. Hoffentlich wirst Du mir nicht entgegensucher unseres Hauses und umschwärmte uns in den Salons wirken?" der Gesellschaft. " Ich? o nein, im Gegentheil; mir gefällt Dein Ich drückte ihm einmal meine Verwunderung über Verharrungssystem. So sollte immer um uns geworben seine unerschütterte Vasallentreue aus: werden mit Zeit- und Zärtlichkeitsaufwand was die Aber minnen und Engländer to woe and to win nennen. gewinnen: dazu geben sich unsere jungen Herren wahrlich nicht die Mühe. Sie wollen ihr Glück nicht erst erringen, sondern es mühelos pflücken, wie eine Blume am Wegesrand!"
„ Es freut mich sehr," sagte ich, daß Du nicht zürnft; aber es beweist mir, daß Dein Gefühl für Lilli doch kein so heftiges war, wie Du vorgiebst, denn verschmähte Liebe be- pflegt boshaft und nachträgerisch zu sein."
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Weinend füßt Ihre lieben Hände Ihr zu Tode trübter ,, Du irrft, verehrteste Frau Kousine ich habe die Friedrich Tilling." Lilli rasend gern. Zuerst glaubte ich, mein Herz gehöre Tilling war seit vierzehn Tagen nach Wien zurückDiesen Brief besitze ich noch. Wie verknittert und ver- Dir; Du hast Dich aber so zurückhaltend falt erwiesen, daß gekehrt- so hatte ich erfahren- doch kam er nicht zu blaßt sieht das Blatt nicht aus! Nicht nur die verflossenen ich noch rechtzeitig die keimende Leidenschaft erstickte; dann mir. In den Salons tonnte ich natürlich nicht erwarten, fünfundzwanzig Jahre haben diese Verwitterung verursacht, hab' ich mich eine Zeit lang für Rosa interessirt; schließ ihm zu begegnen, da ihn seine Trauer von allem gesellsondern auch die Thränen und Küsse, mit welchen ich da- lich aber hat sich meine Neigung bei Lilli fixirt und schaftlichen Umgang fern hielt. Doch hatte ich gehofft, mals die lieben Schriftzüge bedeckte." Bu Tode betrübt" dieser Neigung werde ich jetzt treu bleiben bis an mein daß er zu mir kommen oder wenigstens mir schreiben würde; ja aber auch himmelhochjauchzend" war mir zu Lebensende." es verging aber ein Tag um den anderen, ohne mir den Muthe, nachdem ich gelesen. Deutlicher- obwohl kein erwarteten Besuch. oder Brief zu bringen.
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Wort von Liebe darin stand konnte kein Brief den Beweis erbringen, daß der Schreiber die Empfängerin und teine andere liebte. Daß er in solcher Stunde, am Sterbe lager der Mutter, sein Leid nicht am Herzen der Prinzessin auszuweinen fich sehnte, sondern an dem meinen mußte doch jeden eifersüchtigen Zweifel ersticken.
das
Sieht Dir ganz ähnlich." Lilli oder feine!"
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" Ich begreife nicht, was Du hast, Martha," so sprach Da sie Dich aber nicht will, mein armer Konrad?" mich eines Morgens Tante Marie an;" Du bist seit einiger " Glaubst Du, ich wäre der erste, der einen Korb be- Zeit so verstimmt, so zerstreut, so, ich weiß nicht wie.. kommen, der sich bei derselben einen zweiten und dritten Du hast sehr, sehr unrecht, daß Du keinem Deiner Bewerber geholt und beim vierten Antrag angenommen wurde? Gehör schenkst. Dieses Alleinsein das habe ich zu allem schon um der Zudringlichkeit ein Ende zu machen?... Lilli Anfang gesagt- taugt nicht für Dich. Die Folge davon
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