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Nr. 183. 22. Iahrgaag. 2. Kc!>U Ks Joraiitlf fnliiitt WsblM Dienstag, 8. Augast IM. Parteigenossen und Genossinnen! Heute abend 8 Uhr finden in Berlin   und den Vororten Volksversammlungen statt, um gegen die Fleischnot und die Fleischverteuerung Protest zu erheben. Parteigenossen und Genossinnen! Bei den jetzigen Fleischpreisen ist ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung gezwungen, sich fast gänzlich des Fleischgenusses zu enthalten, oder muß sich zur Schande unserer Nation mit dem minderwertigen Fleisch der Freibank und dergleichen behelfen. Als unsere Vertreter im Reichstage auf die Folgen des Lebens- mittelwuchers hinwiesen, da predigten sie tauben Ohren. Heute schon zeigt sich, daß ein großer Teil des Volkes nicht mehr imstande ist, die Mittel für eine richtige Ernährung auf- zubringen, so daß Mann, Frau und Kinder langsam degene- rieren müssen. In den heutigen Versammlungen soll Gelegenheit gegeben werden, wuchtigen Protest einzulegen gegen die Beraubung und Bewucheruug der arbeitenden Bevölkerung; es soll Protest erhoben werden gegen die Politik der Reichsregierung, gegen eine Politik, die nur auf eine Bereicherung der Besitzenden und Auspowerung der Massen hinausläuft. Erscheint in Massen in den heutigen Versammlungen! Die Vertrauensleute Berlins  und der Vororte. Die Vertrauenspersonen der Frauen. Serlmer l�admckten. Städtische Schweinezucht. Heute abend werden in 26 Versammlungen die Berliner  Arbeiter gegen die unerhörte und gemeingefährliche Ver- teuerung der Fleischnahrung durch die besinnungslose agrarische Liebesgabenpolitik protestieren. Vor allem wird dem robusten preußischen Landwirtschaftsgcneral dabei die Wahrheit gehörig gegeigt werden; er ist schon deshalb der nächste dazu, weil er nicht nur zurzeit gerade das Landwirtschaftsministerium aus ihm selbst sicherlich ganz unbekannten Gründen verwaltet, sondern auch nebenbei noch Schweinezüchter ist. Mit dem Ungarn   der Operette kann er von sich singen:Mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh und Schweinespeck I" Indessen die herbste Kritik bringt uns weder über die augenblickliche Notlage hinweg, noch sichert sie uns vor deren Wiederholung: wir müssen vielmehr auch auf positive Vorschläge zur Minderung der Fleischnot bedacht sein. Einen solchen, der besonders auf die Verhältnisse von Groß-Berlin Rücksicht nimmt, wird die nächste Nummer der von unserem Genossen Dr. Südekum herausgegebenenKommunalen Praxis" enthalten. Durch das Entgegenkommen des Herausgebers sind wir schon heute in der Lage, das Wescnt- lichste aus der Arbeit mitzuteilen, die einen bedeutenden deutschen Agronomen zum Verfasser hat. Ausgehend von der Frage, was die Städte zur Milderung der Fleischnot tun können, weist der Verfasser darauf hin, daß sie sehr wohl auf ihrem Gemeindelande große Schweine- züchtereien einzurichten vermöchten. Gerade Berlin   habe auf seinen Rieselfeldern alle Vorbedingungen für eine rentable und für das Volkswohl hochbedeutsame derartige Anlage. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß man bei der im großen Stile betriebenen Schweinezucht auf den Berliner   Rieselfeldern nicht nur die billigste Fleischproduktion, sondern auch die billigste Futterproduktion hat. Die Aufzucht der Borstentiere müßte nach amerikanischem Vorbilde zumeist im Weidebetriebs durchgeführt werden. Die Amerikaner schließen ihre Schweineherden in bewegliche Zäune ein. die je nach Bedarf von einer Stelle nach einer anderen verlegt werden. Grün- futter können die Rieselfelder in fast unbegrenzten Mengen hervorbringen; fünf Grasernten im Jahre sind nichts Seltenes. Diese reichlichen Ernten wären sofort und direkt für die Schweinezucht verwendbar. Dazu käme der Anbau von Hack- fruchten(Rüben) und anderen Futtergewächsen(z. B. Raps). die bekanntlich auch hervorragend gedeihen. Von besonderem Vorteile für die städtische Schweinezucht würde die Verwendung der vielen in der Großstadt vor- handenen industriellen Abfalle, z. B. der Biertreber. der Schlempe, der Kleie u. a. sein-, ganz abgesehen von den der- wertbaren Bestandteilen des 5küchenabfalle�, denen der Ver- fasser des erwähnten Artikels nur untergeordnete Bedeiitung beimißt. Die industriellen Abfallstoffe vertragen alle keine großen Transportkosten: ihre Verwendung m den stadtischen Schweinezüchtanstalten wäre vom volkswirtschaftlichen Stand­punkte aus als geradezu ideal zu bezeichnen. Sehr geeignet zur Verwendung als �chlvemefutter ist ein Teil der Abfälle im Schlachthausbetriebe. Auch hier sind die großen amerikanischen Züchter bahnbrechend vorgegangen. Dazu kämen dann noch die Abfälle und minderwertigen Waren aus den Markthallen und endlich die Magermilch, für die heute vielfach die rechte Verwendung fehlt. Es würde der Stadtgemeinde sicherlich möglich und leicht sein, wit den Milchproduzenten und-Händlern einen vorteilhaften Abschluß auf Lieferung der rückständigen Magermilch zu machen. Und derartiger Futterquellen würden sich zweifellos noch eine ganze Anzahl eröffnen, wenn die städtische Schweinezucht nur erst bestände, denn es ist tatsächlich nicht absehbar, was eine Groß- stadt alles an verwendbaren Stoffen in sich birgt. Erfolgversprechend dürfte das Unternehmen um so mehr sein, in je größerem Stile es eingerichtet wird. 100000 Schweine könnten wohl mindestens alljährlich aufgezogen iverden, das wäre etwa'/, des Berliner   Schlachtbedarfes von heute. Es kann keine Frage sein, daß das Angebot von 1(�000 schwemen zu soliden Preisen die Schwcinefleischpreise m Berlin  dauernd auf erträglicher Höhe halten würde. Den agrarischen Schnapphähnen könnte man damit das Handwerk um so eher legen, als ja von der kommunalen Viehzucht bis zur koniniu- nalen Fleischversorgung nur ein S ch r i t t ist. Wenn man etwa einwenden wollte, daß die Anlage des Unternehmens zunächst erst einmal eine Riesensumme kosten dürfte, so ist dagegen zu sagen, daß erstens die Schweine- zucht, so weit es irgend angängig ist. als Weidebetrieb gedacht ist; und daß zweitens die notwendigen Baulichkeiten durchaus nicht kostspielig zu sein brauchen. Auch hier wieder wende man den Blick auf die amerikanischen Vorbilder I Heizung der luftigen Ställe und motorische Kraft würde aus einer großen zentralen Kesselanlage zu beschaffen sein, die so einfach wie möglich gedacht ist. Mit Recht sagt der Verfasser des Artikels in derKommunalen Praxis":Es soll und wird die städtische Schweinezucht Gelegenheit zur Entfaltung modernster technischer Fortschritte bieten, die noch über die anierikanischen hinausgehen; man muß sich nicht vorstellen, daß die Schweinezucht auch nur ein landwirtschastllches Geheinmis sei, sie ist noch nicht einmal eine vollendete Technik I Sie ist aber zweifellos eine sehr ein- fache(dabei sehr einträgliche Sache, denn sonst würde sie mit den unvollkommenen Hülfsmitteln der deutschen Landwirtschaft nicht möglich sein!" Es ist nicht nur möglich, sondern geradezu notwendig, daß die städtischen Gemeinwefen alles tun, was in ihren Kräften steht, um die Bevölkerung vor den Schäden der agrarischen Raubpolitik zu bewahren. Hier ist ein Mittel gegeben I Richtet die Stadt Berlin   eine solche Schweinezucht großen Stiles ein, dann wird die städtische Bevölkerung, be- sonders die ärmere, sehr bald ein billiges und dabei gutes und gesundes Schweinefleisch haben; sie wird nebenbei den Patrioten" auf dem Lande noch die besondere Freude niachen, daß jeder Bissen Schtveinefleisch ein nationales Produkt ist._ Aufklärungen über den Milchstreit werden jetzt bald von dieser, bald von jener Seite verbreitet. Der Jammer ist nur der, dah da immer eine Aufklärung der anderen widerspricht, obwohl jede der streitenden Parteien über die unerschütterlichsten Beweisstützen verfügt, über ganz zweifelsfreie Weisheiten von an- erkannter Unfehlbarkeit, als da sind: wissenschaftliche Gutachten, bebördliche Anordnungen, gesetzliche Vorschriften und mehr der- gleichen. Nachdem gegen die d ä n i s ch e M i l ch. die die Milchhändler nach Berlin   einführen, die Milchzentrale einen dänischen Professor als Eideshelfer herbeigeschleppt hat, ist jetzt wieder der Verband der Milchhändlergenofsenschaften an der Reihe. In einem Schreiben, das der Verband den Zeitungen übersendet, wird ausgeführt, datz die sogenannte Pasteurisierung oder Abkochung der Kuhmilch vor dem Verkauf, die man jetzt bei der aus Däneniark einzuführenden Milch als bedenklich und den Kindern gefährlich bezeichne, tatsächlich auch bei uns geübt werde, und datz die Pasteurisierung entweder der Vollmilch oder der Nebenprodukte, d. h. der Magermilch, Buttermilch und Molken, für ge- wisse Fälle, in Zeiten allgemeiner Seuchengefahr oder bei Sperrung auch nur eines der beteiligten Viehbestände, zur Verhütung von Seuchen- Übertragung gesetzlich und unter Androhung von Strafen vor- geschrieben sei. Es wird hingewiesen auf Anregungen, die von landwirtschaftlichen Interessenvertretungen selber gegeben worden seien, auf einen im Jahre 1900 gefaßten Beschluß der Landwirt- schaftskammer für die Provinz Brandenburg  , auf eine Regierungs- Polizeiverordnung aus demselben Jahr, auf einen in demselben Jahr veröffentlichten Artikel des Direktors der staatlichen brandenburgischen Molkerei-Lehranstalt, auf das praktische Beispiel der modernen, mit Pasteurisierungsapparaten ausgerüsteten Molkereien, so der Karstädter  Molkerei des Herrn v. Podbielsli. Herr Ernst Ring, der agrarischeBoß" der Milchzentrale, der Viehzentrale usw., scheine so schließt das Schreiben mit seiner Warn u ir g vor der dänischen Milchnach amerikanischenr Muster geradezu einen Bluff der öffentlichen Meinung gewagt zu haben". Nun ist wieder Herr Ernst Ring au der Reihe. Vom alten, lieben Zopf der Ferienarbeiten. lieber den Zweck der Schulferien scheint mancher Lehrer immer noch recht sonderbare Anschauungen zu haben. Sind sie zur Er- holung da oder zur Arbeit? Früher meinte man, auch in den Ferien müsse stramm ge- arbeitet werden. Das galt noch vor wenigen Jahrzehnten als ganz selbstverständlich, zwar nicht bei uns Jungen, aber desto mehr bei den Lehrern und auch bei den meisten Eltern. Wir erinnern uns da eines alten Lehrers, der bei jedem Schulschluh seine Schüler mit dem brummigen Abschied in die Ferien entließ, notwendig seien die Ferien eigentlich nur für die Lehrer. Mit der Zeit haben sich dann die Meinungen über diese Frage gewandelt. Heute weiß so ziemlich alle Welt, daß die Ferien unseren Kindern mindestens ebenso notwendig sind wie den Lehrern. Dem entsprechend sind auch die Ferienarbeiten immer mehr eingeschränkt worden und vielfach wird bereits gänzlich auf sie verzichtet. Es hat sich die Ansicht Bahn ge- brechen, daß der Gewinn an Kenntnissen, den Ferienarbeiten etwa bringen können, den Verlust nicht aufwiegt, den dabei die Kinder an ihrer körperlichen und auch geistigen Erholung erleiden. Hier und da begegnet man aber doch noch Lehrern, die den Eindruck machen, datz sie den lieben, alten Zopf der Ferienarbeiten möglichst in seiner ganzen, stattlichen Länge konservieren möchten. Ist es nur die Macht schlechter Gewohnheit, die sie festhält im Bann- kreis der älteren Anschauung über den Ferienzweck? Oder fürchten sie, ohne Ferienarbeiten die Kinder nicht in der vorgeschriebenen Zeit an das ihnen gesteckte Ziel bringen, nicht bis zum Jahresschluß mit ihrem Klassenpensum fertig werden zu können? Aus der 8 8. Knabenschule in der Bergstraße wird unS eine Probe des Ferieuarbeitsunfugs gemeldet, die unsere? ErachtenS tveiteren Kreisen bekannt zu werden verdient. Dort erwartet der Lehrer einer 8. Klasse von seinen im zweiten Halbjahr stehenden Schulrekruten ein Uebermatz von Ferienarbeiten, das wir zunächst für unglaublich gehalten haben. Er meint, daß folgende Arbeiten für siebenjährige Jungen nicht zu viel seien: im Lesen täglich eine Seite dreimal üben, im Schreiben täglich eine Seite aus der Tafel üben(die letzt« Uebung vorzeigen), im Rechnen täglich eine Seite auf der Tafel üben(die letzte Uebung vorzeigen). Unsere Leser werben annehmen ioollen, daß hier«in Mißverständnis eines einzelnen Kindes vorliegen müsse. Aber wir haben uns vergewissert, daß diese Vermutung leider nicht zutrifft. Das Unterrichts- und Erzichungsverfahren eines bestimmten Lehrers öffentlich zu kritisieren, ist immer ein heikles Ding. Wir entschließen uns nicht leicht zu solchem Schritt; denn wir wissen, daß dergleichen Kritiken kaum geeignet sein können, die Freudigkeit des betreffenden Lehrers zu steigern. Manchmal aber mutz doch eine öffentliche Besprechung als das allein Nichtige erscheinen, weil nur von ihr mit Sicherheit eine Abhülfe zu erwarten ist. Eltern, die den Mut haben, sich direkt zu beschweren, dürfen keineswegs immer darauf rechnen, bei der Schule das wünschenswerte Entgegenkommen zu finden. Nur zu rasch ist man dort bereit, einem Vater oder einer Mutter zu erwidern:Das verstehen wir besser." Zu den Vorkommnissen, bei denen eine öffentliche Be- sprechung geboten ist, gehören die Ucbcrschrcitungen des leidigen ZüchtigungSrcchtcs. Wir zählen dazu auch die. oben mitgeteilte arge Probe von weitestgehender Ausnutzung deS leider noch be- stehenden Rechtes, den Kindern ihre Ferienerholung durch Ferien. arbeiten zu schmälern. Wir hoffen, daß diese Veröffentlichung einen Anlaß geben wird, �im Punkte der Ferienarbeiten auch der sogenanntenfreiwilligen', den Lehrern unserer Gemeindeschulen künftig etwas schärfer aus die Finger zu sehen, falls man nicht lieber ganz mit diesem Unfug aufräumen will. Wie»mg wohl der Lehrer, der seine Anschauungen über den Zweck der Schulferien so betätigt hat, selber die Ferien hinbringen? Wird dieser Pädagoge in den fünf der Erholung bestimmten Wochen an seiner Weiterbildung wit demselben Eifer arbeiten, den er von siebenjährigen Schülern erwartet? Ans der Baugeschichte des Märkischen Museums werden jetzt, wo dieses Gebäude seiner Vollendung entgegengeht, einige Angaben auf Beachtung rechnen dürfen. Gebaut wird seit sechs Jahren, aber die ersten Verhandlungen über die Schaffung eines eigenen Hauses für das Museum reichen um das Dreifache dieses Zeitraumes zurück. Schon in der Mitte der 80er Jahre hatte die Museumsverwaltung Verlangen nach einem solchen Hause geäußert. Im Oktober 1889, vor jetzt bald 16 Jahren, beantragte die Direktion beim Magistrat die Errichtung eines Museumsgebäudes und schlug als Bauplatz den Köllnischen Park vor. Magistrat und Stadtverordneten-Versamm- lung stimmten 1892 grundsätzlich zu. Es fand dann 1893 der öffent- liche Wettbewerb statt, aus dem der Möllersche Entwurf den ersten Preis davontrug. Zur Ausführung kam dieser Entwurf nicht, namentlich deshalb, weil die erforderliche Summe von annähernd 2 Millionen Mark zu hoch erschien. Die städtischen Behörden wollten damals möglichst nicht über 1 Million Mark hinausgehen. Die weiteren Verhandlungen rückten in den nächsten Jahren nicht recht von der Stelle. Erst nachdem im Herbst 1896 Stadtbaurat Hoff- mann sein Amt angetreten hatte, wurden im Frühjahr 1897 die Bauentwurfsarbeiten neu aufgenommen. Im Frühjahr 1898 wurde der Hoffmannsche Entwurf, dessen Ausführung reichlich 1% Millionen Mark kosten soll, genehmigt. Eine neue Verzögerung entstand aus der notwendig gewordenen Veränderung der Baufluchtlinie der Wallstratze, für die erst im Frühjahr 1899 die staatliche Genehmi» gung einging. Erst im Juni 1899 konnte endlich mit den Erdarbeiten begonnen werden. Die Fundamentierung des Gebäudes, besonders des Turmes, brachte dann eine nochmalige Verzögerung, weil der Baugrund schlecht war. Die Vollendung des Baues wurde anfänglich schon für Frühjahr 1904 erwartet. In städtischer Jmnpflege befanden sich Anfang Juli d. I. 6365 Personen und zwar 3787 Männer, 2655 Frauen und 423 Kinder. Davon wurden verpflegt: in der Irrenanstalt Dalldorf 751 Männer, 589 Frauen und 69 Kinder; in der Jdiotenanstalt Dalldorf  175 Kinder; in der Irrenanstalt Herzberge 759 Männer und 274 Frauen; in der Anstalt für Epileptische Wuhlgarten 674 Männer, 472 Frauen und 161 Kinder. In Privatanstalten waren 1280 Männer und 1100 Frauen untergebracht, während 323 Männer, 220 Frauen und 78 Kinder in Privatpflege gegeben waren. Berliner   Asyl-Bcreii» für Obdachlose. Im Monat Juli nächtigten im Männer-Asyl 21 580 Personen, wovon 11 292 badeten, im Frauen-Asyl 4422 Personen, wovon 1143 badeten. Der Direktor der städtischen Straßenreinigung, Gustav Schloßly, der erst vor einigen Wochen pensioniert wurde, ist am Sonntag im Alter von 65 Jahren gestorben. Schloßky hat auch eineGeschichte des Straßenreinigungswesens" geschrieben, die noch der Veröffent- lichung harrt. 14. Arbciter-Sängcrfest. Auch das diesjährige Sängerfest deS Arbeiter-Sängerbundes war ein Massenfest der Berliner   Arbeiter. Bis in den späten Nachmittag hinein brachten Zug auf Zug, sowie Dampfer und Kremser die Scharen der proletarischen Sänger und Sangesfreunde zu Tausenden nach dem beliebten Friedrichs- Hagen. Wohl 40 000 Personen hatten sich beim /Müggelschloß" undStrandschloß" angesammelt und belagerten Gärten und Wald- platze oder ergingen sich an den grünen Ufern des spiegelglatten Müggelsees. Das Wetter war prächtig. Die drückende, erschlaffende Hitze der letzten Tage war bei bedecktem Himmel einer angenehmen Kühle gewichen, so daß die Festteilnehmer nicht gerade Waschwasser zu schwitzen brauchten. Dennoch hatten Männlein und Weiblein einen respektablen Durst mitgebracht, und die Kellner mußten laufen wie geölte Maschinen. Ein eigenartiges Bild bot die Kaffeeküche. Sie war stundenlang von Frauen und Mädchen förmlich belagert; glücklich diejenigen, die endlich mit gefüllter Kanne zu Vätern zurück- lehren konnten. Erschöpft und keuchend sagte Mutter denn man bloß: Na so wat! Als dann der schier endlose Festzug mit der Musik und den vielen Bannern seinen Marsch durch den Wald beendet hatte, kon- zentrierte sich das Hauptinteresse allgemein auf den Festgesang. 152 Vereine mit 2200 Sängern nahmen daran teil. Weit um den rot geschmückten Festplatz'herum staute sich die Menge der Zu- Hörer Kopf an Kopf. Mit einem herzlichen Willkommen begrüßte nun der Bundesvorsitzende M e h e r die erschienene Arbeiterschaft, gleichzeitig auf den Wert der A r b e i t e r- Gesangvereine hinweisend. Und dann brauste der exakte Massengesang herzerhebend in macht- vollen Akkorden über die stille waldige Halde, fern ein melodisches Echo weckend. Jedes Lied trug den Sängern und ihrem Dirigenten Blobel reichsten Beifall ein. Als sich später die Massen in zwanglose Gruppen aufgelöst hatten, wurden sie noch durch manchen frisch-sröhlichen Gesangsvortrag der einzelnen Vereine erfreut. So nahte schließlich der späte Abend und damit das Ende des im vollsten Sinne des Wortes harmonisch verlaufenen Festes. Ja sogar über die schon sprüchwörtlich gewordenedrangvoll-fürchterliche Enge" der buchstäblich vollgepfropften Eisenbahnznge setzten sich unsere Genossen mit gutem Berliner   Humor hinweg; mußte»! sie doch, um nur mitzu- kommen, sogarin die Packwagen einsteigen, wo allerdings manche zarte und unzarte Hand und manches weiße Kleid eine sehr unangenehme Bekannt- schaft mit dem auffallend dick abgelagerten, echt staatspreußischen Packwagcnschmutz machen mußten. Die Rückbeförderung mit den Dampfern ließ ebenfalls viel zu wünschen übrig. Als gegen 12 Uhr nachts die letzten Fahrzeuge von den Passagieren besetzt wurden, entstanden wahre Kämpfe um die Eroberung von Plätzen. In dem großen Gedränge wurden mehrere Frauen ohnmächtig; eine Frau soll so schwer verletzt worden sein, daß sie nach dem Krankenhause gebracht werden mußte. Daß die Friedrichshagener   Fähre den außergewöhnlichen An- fordernngen auch diesmal wieder nicht gerecht zu werden vermochte, sei nur nebenbei bemerkt. Nicht unerwähnt bleiben darf aber die uneigennützige Tätigkeit der Arbeiter-Samariterkolonne und des Arbeiter-Schwimmerbundes bei dem Feste. Die Hülfswachen beider Vereinigungen wurden tagsüber deS öfteren in Anspruch genommen. und bereitwilligst boten sie jedem ihre guten Dienste. Graf Pücklcr soll an den Amtsrichter, der seine Verhaftung ver- anlaßte, einen Drohbrief gesandt haben, worin er zum Zweikampf auffordert. Der Brief sei aber nicht angenommen worden. Eine größere Gesellschaft gewerbsmäßiger Glücksspieler, die zum größten Teil auS Berlinern besteht, ist nach einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft in Rostock   i. M. an die hiesige Kriminalpolizei gelegentlich der in der Zeit vom 24. bis 26. Juli zu Doberan   ab- gehaltenen Pferderennen festgenommen worden. Die Verhafteten sind der Agent Albert Wanzeck, Kellner Domerscheditz. Tisckiler Uschnfski, Kaufmann Map Löwenthal und Kausinann Julius Kögel aus Berlin  , ferner fünf Glücksspieler aus Hamburg   und ein Agent Howind aus Altona  . Zwei Berliner   Glücksspielern, dem Handels- mann Otto Kurzwig und Kaufmann Otto Berndt  , ist es gelungen zu entkommen. Gegen beide sind Steckbriefe erlassen worden. Uever eine Strnßenbahnwagcn-Karambolage, die glücklicherweise keine Verletzung von Personen zur Folge hatte, wird uns ge- schrieben: Ich fuhr am Sonntag mit der Straßenbahn von der Linlstraße nach Schmargendorf   imd nahm auf dem Hinterperron des Anhängewagens Platz. Es war dies einer jener langen Wagen der ehemaligen Dampf-Straßenbahn. In Schöneberg   traf der Wagen- zug in einer kurzen Kurve mit einem in entgegengesetzter Richtung fahrenden Wagenzuge zusammen. Da bei Abmessung der Kurven anscheinend keine Rücksicht auf die alten Wagen der Dampf- Straßenbahn genommen worden ist, die sich durch ihre außerordent» liche Länge auszeichnen, prallten mitten in der Kurve die Anhänge» wägen der beiden sich begegnenden Züge mit den Dachkanten heftig zusammen, wodurch die Perronpassagiere etwas unsanft durcheinander geschüttelt wurden, ohne indes iveiteren Schaden zu leiden. Es wurde nur die Hintere Kante des Daches des von mir benutzten