sicherlich in so geringer Zahl sein, daß man ihretwegen nicht solcheBestimmungen zu erlassen braucht. UeberdieS stand eS ja derFalultät frei, ihre Anforderungen so hoch zu schrauben, als sie eS ebenwollte und eine sorgfältige Auslese unter den Bewerbern auch unterden alten Bestimmungen zu treffen, und wenn solch ein Bewerberdenn wirklich einmal durch eine vielleicht zu große Betonung seinesTitels größere pekuniäre Vorteile in der Praxis erzielen sollte, dannhat er eS ja durch seine Befähigung verdient. ES wäre also auchohne Kautschukparagraphen gegangen.In Wirklichkeit jedoch wird ein Teil von Bewerbern, dermehr gute Beziehungen zu den Ordinarien als hervorragende wissen-schaftliche Leistungen aufzuweisen hat, auch jetzt zur Dozentur zugelassen werden und nur den aufftrebenden Außenseitern, die nichtvielleicht einem Korps angehörten oder gar Juden sind, der Wegerschwert. Man glaubt und hört nämlich vielfach, daß durch dieseneuen Bestimmungen den jüdischen Aerzten die Zulassung zur akademischeu Lehrtätigkeit erschwert werden soll; es sollen in einem Teil derOrdinarien zu vielJuden unter den Privatdozenten sein— und wenn mandie Verhältnisse an den hiesigen köipglichen Instituten näher kennt, so wirdnian die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit einer solchen Auffassungnicht von der Hand weisen können. Ganz abgesehen davon, daßkein Jude in den letzten Jahren ordentlicher Professor in Preußengeworden ist, findet man z. B. an den Berliner königlichen Klinikenund Instituten nur vereinzelte jüdische Assistenten, und diese wiedernur bei einzelnen Professoren, die wegen ihrer VorurteilSlosigleit indieser Beziehung ebenso bekannt wie selten sind.ES erweckt nun— und gerade hier besonders— den Anschein,als ob das System des Herrn Justizministers auch auf die bishernoch relativ vorurteilslose medizinische Fakultät übertragen werdensoll. Jedenfalls zeigte der jüngste Fall eine verzweifelte Aehnlichkeitmit den Schönstedtschen Prinzipien. Herr B. war Physiologe,d. h. er stand der ausübenden ärztlichen Tätigkeit fern und daß ernicht die wissenschaftliche Befähigung zum Dozenten gehabt hat,kann man auch nicht gut annehmen, da er, wie wir hörten, HerrnGeh. Rat Professor Fritsch, der längere Zeit auf Reisen war, ver-treten haben soll, und während dieser Zeit auch mit Erlaubnis derFakultät Vorlesungen abhielt. Im übrigen geht aus der Entfchei-dung der Fakultät nicht hervor, ob die wissenschaftliche Qualität deSHerrn B. in Betracht gezogen wurde. Da bleibt eben die Bedürfnis-frage, und die vermag natürlich nur die hohe Fakultät zu entscheiden,es ist ja möglich, daß das Bedürfnis, das bis vor kurzem noch be-stand und dem Verstorbenen vertretungsweise die voma legendi(die Erlaubnis zu Vorlesungen) erteilen ließ, plötzlich verschwundenist. Jedenfalls fällt es einem Unbefangenen und Eingeweihtenschwer, daran zu glauben.Daß die preußische Reaktion auch in wiffenschastliche Kreiseeingedrungen ist, das weiß heute jedermann, der Fall AronSsteht auch heute noch unvergessen da als abschreckendesBeispiel preußischen Rückschrittes, sollte der Fall Borchcrtein neues Wahrzeichen preußischer Intoleranz sein? Esmehren sich die Zeichen, daß auch in den führenden medizinischenKreisen Beschränktheit der Anschauungen immer mehr einzieht unddie Wissenschaft und Forschung nicht als freier Kampfplatz allerForscher, sondern nur der priviligierten angesehen wird. Rechtcharakteristisch ist dafür daS Wort, das einem hiesigen Privatdozentenin einer wissenschaftlichen Diskussion der Berliner medizinischenGesellschaft entschlüpfte. Er meinte nämlich, daß eS nicht angängigsei, daß zwei königliche wissenschaftliche Institute zwei verschiedenewissenschaftliche Ansichten öffentlich zum Ausdruck brächten. ES gibteben nur eine Wissenschaft und zwar die königlich preußische. Sogeschehen im 20. Jahrhundert.—Oeutrcbcs Rcfcb.Mache zwecks Reklame. Ein scharfes Urteil über die„Edelstender Nation" fällt Karl von Wartenberg in dem August-Heft derMonatsschrift„Der Türmer". Wartenberg, der bekannte Militär-schriftsteller(er schrieb früher als Freiherr v. Guhlen), der wegenseiner kritischen Neigungen kürzlich gemaßreglt worden ist, besprichtdort den famosen Plan des Fürsten Hcnckell von DonnerSmarck, einenMillionenfonds für verarmte Offiziere zu schaffen, und erörtert danndie Ursachen, die einen solchen Plan überhaupt auftauchen lassen konnten.Dieser„Anschlag gegen das deutsche Offizierkorps", so meint er,war nur möglich, weil daS Ansehen des deutschen Offiziers in derOeffentlichkeit aufs heftigste erschüttert sei. Der Offizier von heuteist nicht mehr der vornehme zurückhaltende Kavalier, der er unterder Regierung Wilhelms I. gewesen ist. Während er früher dieÖffentlichkeit aufs peinlichste gemieden habe, suche er sie jetzt allzuhäufig krampfhaft auf, hasche nach Reklame, nach Bedeutung. Sokomme es, daß man heute die Offiziere zählen könne, die noch keineVerbindung mit der Scherlpresse usw. hätten, deren Konterfei die„Woche" noch nicht geschmückt habe.Woher kommt aber diese neue, den vornehmen altpreußischenGeist vernichtende Tendenz? Sie hätte nie entstehen können, wennnicht der verstorbene Feldmarschall Graf Waldersee ein werhängnis-volles Beispiel gegeben hätte. Von maßlosem Ehrgeiz gequält, wollteWaldersee der Oeffentlichkeit beweisen, daß er wie kein anderer be-rufen sei, in daS vom Fürsten Bismarck verlassene Palais in derWilhelmstraße einzuziehen und das Steuer des Reichsschiffs zu er-greifen. Kein Mittel, das ihm hierbei behülflich sein, durch das erdie Oeffentlichkeit auf sich hinweisen konnte, erschien ihm zu gering.„Mache zwecks Reklame war sein Triumphzug durch Deutschland,bevor er sich zur Uebernahme des Oberbefehls über das 1900 inChina gebildete Koalitionsheer in einem italienischen Hafen ein-schiffte; Mache zwecks Reklame die ungewöhnlichen Ehrungen, dieihm bei seiner Rückkehr für nicht vollführte KricgStatcn zuteilwurden; Mache zwecks Reklame der glänzende Bericht über seineLeitung der Koalitionsarmee, den er nach der Darstellung deS Ver-treters der„Frankfurter Zeitung" noch an Ort und Stelle deneuropäischen Zeitungskorrespondenten aufdrängen wollte; Machezwecks Reklame die Attachierung eines besonderen Reporters des„Berliner Lokal-AnzeigerS" an seine Person während der ganzenDauer seiner Abwesenheit seiner Heimat, der täglich über sein Er-gehen nach Berlin zu telegraphieren hatte; Mache zwecks Reklameendlich das Bemühen darum, daß er von dem Augenblick seinerErnennung zum Höchstkommandierenden bis zu der Stunde, inwelcher ihm in seiner Wohnung zu Hannover von lieber Land dieChina-Denkmünze an die Brust geheftet wurde; auch nicht einenSchritt tat, der nicht von Photographen für deutsche Zeitungen undWochenschriften festgehalten wurde. In allen nur möglichenSituationen sahen wir damals den seltsamen preußischen Generalabgebildet, nur nicht in der bedenklichsten. In jener nicht, in welcherer sich aus dem, von einer ebenfalls reklamebedürftigen Firma ge.stifteten, in Brand geratenen Asbesthause durchs Fenster retteteund beinahe zur komischen Figur wurde."Der arme Waldersee l Er ist tot und kann nicht mehr klagen.So wird er jetzt als Thpus nach allen Regeln der Kunst verdroschen,eine Uebung am toten Modell, da die Versuche am lebenden Modellallzu heikel scchincn. Kein Zweifel, daß zu der Lebendigkeit.mit der der tote Weltmarschall geschildert wird, daS unmittelbareLeben von heute die Farbe geliefert hat. In Waldcrsee sollen dieCharakterfiguren, die noch in Wirksamkeit sind, getroffen werden.Die Kritik dieses reichsverdrossenen Offiziers läßt an unseremherrlichen Heer nicht viel übrig. Und weil sie durchaus die Wahrheitsagt, mag man den zweifelhaften Kultus der guten altpreutzischenZeit auf sich beruhen lassen.—Die Geheimnisse der Köllerei.Zu der Meineidsaffäre der Köllerei veröffentlicht Pastor a. D.Jaeobsen in einem Flensburger Blatte folgende Erklärung:In Nr. 180 der„SchleSwigschen Grenzpost' von gestem heißteS unter Hadersleben wie folgt:„In dem„Flensburger Annoncenblatt" hat der frühere PastorJaeobsen eine Erklärung veröffentlicht, in welcher er behauptet, imJuli 1903 durch einen Brief an den Landrat Becherer überdie ihm, Jaeobsen. durch v. Winter angeblich gemachte Zumutung,unter Anerbieten von 2990 M. einen Mann zu einer bestimmtenAussage zu veranlassen, sich beschivert zu haben. Wir sind er-mächtigt zu erklären, daß eine solche Beschwerde weder beim Krris>auSschuß hier noch beim Landratöamt noch beim Landrat direkt eingegangen ist. Auch von der Tatsache, daß Jaeobsen v. Winter beider Staatsanwaltschaft denunziert hatte, hat der Landrat erst durchdie Erklärung im„Flensburger Annoncenblatt" Kenntnis erhalten."Dem Herrn Landrat ist demnach offenbar der Empfang und derInhalt meines damaligen Schreibens total aus dem Gedächtnisentschwunden!Den geschehenen Empfang hoffe ich demnächst nachweisen zukönnen, den wortgetreuen Inhalt meines damaligen Briefes, derim Konzept vorliegt, gebe ich hiermit bekannt. Das Schreibenlautet:„Scherrebek, den 12. Juli 1903.Herm Landrat BechererWohlgeborenHadersleben.Folgendes Erlebnis aus den, Frühjahr 1992 will ich Ihnennicht vorenthalten. Der kommissarische Amtsvorsteher v. Winter.dem sehr daran gelegen war, festzustellen, daß P. Timmermannin Scherrebek Optant sei, ließ mir durch eine Zwischen-Person sagen: Der Schuhmacher Greißen in Blanker ist um dieftagliche Zeit in Dänemark gewesen, derselbe muß veranlaßtwerden auszusagen, daß er Peter Timmermann damals in Däne-mark gesehen und daß Timmermann sich damals längere Zeit inDänemark aufgehalten hat. Diese Aussage muß er evcntl. eidlicherhärten, einerlei, ob er die Sache nun genau erinnert oder nicht.Ich stelle für diese eidliche Aussage 1990 M. zur Verfügung event.wenn nötig 2009 M.Ich habe diese Zumutung damals mit Entrüstung als Ver-leitung zum Meineid zurückgewiesen und mir nach diesem Erleb-„is mein Urteil über die DenkungSart des Herrn v. Winter ge-bildet. Weiteres hinzuzufügen dürfte überflüssig sein; eidliche Aus-sage steht zur Verfügung.I. Jaeobsen, Pastor."Nach Absenkung deS Briefes sprach ich am folgenden Tage mitmehreren Freunden, unter andern auch mit dem Rechtsanwalt Ritterüber die Sache und legte ihnen den Wortlaut obigen Schreibens anden Landrat Becherer vor. Auf deren Rat sandte ich zwei Tagedarauf zur Vervollständigung meines ersten Briefes folgendesSchreiben an den Landrat Becherer:„Scherrebek, den 14. Juli 1993.An den königlichen Landrat Herrn BechererHadersleben.In Ergänzung meines Schreibens vom 12. d. M. betreffenddenKonun.-AmtSvorsteher V.Winter bemerke ich, daß die Zwischen-Person der jetzige Hotelbesitzer W. Lassen in Scherrebek war.I. Jaeobsen, Pastor."Hat der Herr Landrat vielleicht auch dieses zweiteSchreiben nicht erhalten!?Ich bin bereit den genauen Wortlaut und die Absendung dieserbeiden Briefe eidlich zu erhärten bezw. durch Zeugen erhärten zulassen. Ob der Herr Landrat wohl im stände sein wird,den Empfang uuter Eid abzuleugnen?!Was zweitens die fernere Behauptung deS Landrats betrifft,daß er erst durch die Erklärung im„Flensburger Annoncenblatt"von dem Ermittelungsverfahren gegen v. Winter Kenntnis er-halten haben will, so erscheint das ebenso wunderbar und ganzuuglaublich. Meine Anzeige an die königliche Staatsanwalt-fchaft ist datiert vom 18. Juli 1993. Die Nachricht, daß dasVerfahren eingestellt wurde, ist datiert vom 28. August 1993. MeineBeschwerde darüber bei der Oberstaatsanwaltschaft ist datiert vom3. September 1903. Daß das Verfahren wieder aufgenommen seigegen v. Winter, ist durch Schreiben des Ersten Staatsanwalts inFlensburg unter dem 23. September 1903 mitgeteilt. Am 12. Ok-tober 1903 ist dann die endliche Einstellung des Verfahrens mir mit-geteilt worden. Es hat also ein ausgedehntes und langwierigesErmittelungsverfahren durch die königliche Staatsanwalt-schaft gegen einen dem königlichen Landrat Becherer un-mittelbar unterstellten Berwaltungsbeamten stattgefunden, ohne daßder Herr Landrat daS Geringste davon erfahren hat! Erst jetzt,über zwei Jahre später, will er durch den Artikel im„FlensburgerAnnoncenblatt" Kenntnis davon erhalten haben I? Wunderbar— h ö ch st wunderbar—!Flensburg, den 4. August 1995.I. Jaeobsen,stüher Pastor in Scherrebek.Wenn der Herr Landrat Becherer jetzt noch immer nicht eineBeleidigungsklage gegen den Pastor Jaeobsen erhebt, muß er wirklichein sehr schlechtes Gewissen haben IEs wäre dann freilich die Frage aufzuwerfen, ob die vor-gesetzte Behörde deS moralisch so schwerhörigen Landratsdieselbe Unempfindlichkeit an den Tag legen würde!—Der Gemeindevorstand ermißt. Jena,?. August.'(Eig. Ber.)Im Großherzogtum Sachsen-Weimar hat wieder einmal einePeriode der kuriosesten Versammlungsverbote eingesetzt;unbekümmert um das Urteil der öffentlichen Meinung und dieKritik der Presse werden politische(sozialdemokratische) und gewerkschaftliche Versammlungen in rascher Aufeinanderfolge verboten.Noch beschäftigt daS Tiefenorter Verbot aufs lebhafteste alle poli-tischen Kreise und schon wieder hat die Reaktion in einem anderenLandstädtchen eine wunderbare Blüte getrieben; eS ist Berga an derElster, das hinter Tiefenort nicht zurückstehen will. Merkwürdiger-weise wird in dem am Orte erscheinenden Blatte, der„BergaerZeitung", von der lokalen Begebenheit kein Wort mitgeteilt, so sehrzeigen sich die meisten Blätter des Großherzogtums geneigt, russischenZuständen den Boden zu bereiten.Die in Gera erscheinende„Reußische Tribüne" berichtet:Der Gemeindevorstand von Berga a. E. hat eine anberaumteöffentliche Versammlung, üi welcher der S i t ua t i o n S.b e r i cht über die Aussperrung in der Textilbranchegegeben werden sollte, nicht erlaubt. Er schreibt:„Nach dem Dafürhalten deS Unterzeichneten liegt gegenwärtigkeine Veranlassung vor, über die Aussperrung zu sprechen, da eineAussperrung zurzeit noch nicht erfolgt ist.Berga a. Elster, den 4. August 1905.Der Gemeindevorstand:Fritzsche."ES ist nur gut, bemerkt dazu das genannte Blatt, daß in diesenernsten Zeiten einzelne Bürgermeister für etwas Humor sorgen.Das bürgerliche„Jenaer Volksblatt" äußert sich wie folgt:Allerdings, das Verbot des Bürgermeisters Fritzsche von Berga,der zugleich„Volksvertreter"(Landtagsabgcordneter) ist, dürftewie kaum ein anderes geeignet sein, einen unbändigen Heiterkeits-auSbruch, überall wo eS bekannt wird, zu erregen. Aber es hat auch,wie jedes Versammlungsverbot, eine ernste Seite, und das ist: Ver-lctzung der VersanunlungSfreiheit, worauf wir immer wieder hin-zuweisen gezwungen sind.Wie lange noch soll das in dieser beschämenden Weise so fortgehen? Ueberlegen wir unS diese Frage richtig, so müssen wir ant.Worten: Bis der Reichstag das Vereins- und Versammlungsrechtfür daS ganze Deutsche Reich einheitlich geregelt hat, denn vomweimarischen Landtag est nichts, aber auch gar nichts zu erwarten.—Alö Schutztruppe der Reaktion bekennt sich jetzt ohne Scham die„Deutsche Turnerschaft", die zurzeit in Königsberg tagt.In ihrem„Geschäfts- und Jahresbericht" leistet sie sich folgendeDenunziation gegen die Arbeiter-Turnerschaft.1„Von allen Versuchen, das Turnen mit fremden Dingen znverquicken, sind am ernstesten diejenigen zu nehmen, die unserdeutsches Turnen zur Domäne der Sozialdemo«kratie und der Vaterlandslosigkeit machenmöchten,— die im Arbeiter-Turnerbund vereinigtenroten Gesellen, die von früh bis spät ihr Gift und ihreauf Unzufriedenheit, Neid und Haß gerichtete Verhetzungloslassen, um das arbeitende Volk uns abtrünnig zu machen.Fehlt ihnen auch bis jetzt jeder nennenswerte Erfolg, so gilt e3doch, treu, furchtlos und wachsam zu sein. Vor allem gilt eS,unser Turnen immer mehr mit jenem frischen, fröhlichenund treu deutschen Geiste zu erfiillen, mit jenem Gefühlder Kraft und Leistungsfähigkeit der einzelnen, vor denendie sozialistische Gleichmacherei und die Unter«drückung der persönlichen Freiheit, sich durch bessereLeistungen ein besseres Los zu schaffen, in Nichts versinkt!"Diese blöde Anpöbelung der Arbeiter-Turnerschaft liefert mirden überzeugenden Beweis dafür, wie notwendig es für die Turnerder Arbeiterklasse ist. den Bourgois-Turnvereinen mit ihrem ödenHurrapatriotismus und ihrem ohnmächtigen Keifen gegen die idealenBestrebungen des Proletariats verächtlich den Rücken zu kehren.—Wie Trotha Krieg führte!Ueber die Opfer der Flucht der Hereros in die Omaheke hatein zwölftägigcr Patrouillenritt, den Oberleuttmnt Graf Schweinitzin die Omaheke unternahm, interessante Auffchlüsse gegeben. Vonder Wasserstelle Ondowou(29 Kilometer nordöstlich Otjosondjou) anfand er auf der etwa 150 Kilometer langen Strecke, dieer dem Laufe des Otjosondjou-Omuramba folgte, einen aus-getretenen Fußpfad, der offenbar den Weg bezeichnete, den großeScharen flüchtender Hereros im August oder Sep-tember vorigen Jahres genommen hatten. Tausendegefallenen Viehes, namentlich Großvieh, zahlreiche Gerippe vonMenschen und Pferden bleichten an der Sonne und bezeichneten mitentsetzlicher Deutlichkeit, daß der Zug des Todes diesen Weggegangen war. Besonders in den dichteren Gebüschstellen amWege, wo die durstenden Tiere Schutz vor den Sonnenstrahlengesucht hatten, lagen die Kadaver zu Hunderten dicht neben- undübereinander. An vielen Stellen hatten die mit dem DursttodeRingenden mit fiebernder Hand 15 bis 20 Meter tiefe Löcher auf-gewühlt, um Wasser zu graben— vergeblich! HülsloS verfielenMensch und Tier den entsetzlichen Qualen des Durstes.Unter den Umgekommenen befanden sich auch Tausende vonWeibern und Kindern lUnd trotz dieser entsetzlichen Art der Kriegsführung ist derHerero-Aufftand noch keineswegs unterdrückt, wie die zahlreichenneuerlichen Ueberfälle umherschweifender Hererobanden beweisen.Wieviele der Hereros überhaupt noch im Felde stehen, weiß keinMensch. Denn von den auf 80 990 Köpfe geschätzten Hereros sindnur 1490 Männer im Kampfe gefallen: Ergeben haben sich bis EndeMai 1853 Männer und 6187 Frauen und Kinder. Danach können.auch wenn Zehntausende verschmachtet sind, noch immer Zehn-tausende übrig geblieben sein, die den Kampf verzweifelt fortführen!Bemerkenswert ist übrigens auch die ungeheuere Sterblichkeit dergefangenen Hereros. In Swakopmund allein starben vom16. Januar bis zum 19. Mai 490 Hereros, darunter auffallend vieleMänner. Die Engländer hätten also alle Ursache, uns die derzeitigendeutschen Angriffe gegen ihr System der Konzentrattonslager mitZinsen zurückzugeben!—_Hänge-PeterS über Südafrika.In einem Vortrag in Hannover verbreitete sich Peters überdie Zukunft Südafrikas. Seine Ausführungen, die sich auf dieEindrücke seiner kürzlichen Südafrikarcise stützen, sind teilweiserecht interessant. So ist folgende Stelle über die künftige Ent-Wickelung Südafrikas bemerkenswert:„Die gegenwärtige wirtschaftliche EntWickelung Rhodesienszeige, was der moderne Kapitalismus in der Kolonialpolitik zuleisten vermöge. In Gegenden, die noch für Livingstone undandere die äußerste Wildnis bedeuteten, findet man heute schonmoderne Städte, zu denen man auf luxuriösen Eisenbahnengelangt. Die landwirtschaftliche Bedeutung des Lande?sei allerdings nur gering, wie denn überhaupt, von einigenAusnahmen abgesehen, ganz Südafrika für den Acker»bau dauernd unmöglich sei. Damit falle aber auch der Traumvon den„Vereinigten Staaten Südafrikas" zu Boden. Südafrikaist vielmehr in zunehmendem Maße ausgesprochenes Minen,land geworden; Minen aber beherbergen eine fluktuierende Be»völkerung. Auf den Börsen hat Rhodesia speziell zurzeit einesehr schlechte Reputation; es sind viele zweifelhafte Unter»nehmungen dort gegründet, und viele Leute haben ihr Geld ber»loren. Neuerdings wendet man sich mehr dem privaten Klein»betrieb zu, und dieser rentiert sich besser. Mit seinem Reichtuman Diamanten, Gold, Silber. Kupfer, Zinn, Eisen, Kohlen.Petroleum usw. wird Südafrika nach Peters Meinung auf Jahr-hunderte hinaus eine große Bedeutung für den Weltmarkt be-sitzen. Daß es freilich auch dauernd ein Land fürWeiße sein wird, glaubt Peters jetzt weniger als je. Die Erfolgeder sogenannten äthiopischen Bewegung sind geradezufrappierend. Ihre Vorkämpfer, meist Geistliche derabessinischen Kirche, entfalten unter der Parole„D er schwarzeErdteil für die Schwarzen!" eine rücksichtsloseAgitation auf den Kanzeln und in Zeitungen, welch letztere inder Zulusprache erscheinen."Danach wären also auch die Tage der deutschen Herrschaftin Südwestafrika gezählt?Den ganzen Charakter des Hänge-Peters offenbart folgendeSchilderung:Was die Behandlung der Schwarzen und ihreHeranziehung zur Arbeit betrifft, so schilderte Peters als s e h üerfolgreich die von den Engländern befolgteMethode. Als Beispiel führt er an, wie er sich Trägerfür seine Expedition verschafft hat. Er wendet sichan den Eingeborenenkommilsionär; dieser läßt dann den Negernsogenannte„Erlaubnisscheine" aushändigen, durch welcheihnen„gestattet" wird, die gewünschten Dienste zu verrichten; diebetreffenden Neger werden, ohne lange um ihren Willen gefragtzu werden, herbeigeführt, ein„Kontrakt" wird ihnen vorgelegtund dabei erklärt: wenn ihr den brecht, dann kommt ihr ein oderzwei Jahre ins Zuchthaus— und die Sache ist erledigt. Gut»willig läßt sich kein Neger zur Arbeit herbei. Aber jene Methodebedeutet beileibe keinen Arbeitszwang, es wird den Schwarzenja nur die„Erlaubnis" zum Arbeiten erteilt. Daß dieses unterbritischer Flagge geübte Verfahren von Sklaverei nichtallzuweit entfernt ist, läßt Redner ironisch durchblicken.Offenbar schwebt dem Gemütsmenschen ein ähnliches Systemauch für die deutschen Kolonien vor!—Hualand.Frankreich.Eine Krise der Pariser Arbeitsbörse.Paris, 4. August.(Eig. Ber.)Die unerfreulichen Zustände auf der Pariser Arbeitsbörse scheineneinem ernsten Konflikt zwischen den diese Anstalt beherrschenden antt«parlamentarischen Gewerkschaften und den öffentlichen Gewalten,Regierung und Gemeinde zuzutteiben. Auf der Arbeitsbörse sindallerlei, das Ansehen des organisierten Proletariats nicht ebenfördernde Dinge vorgekommen, die der reaktionären Presse den Vor-wand lieferten, im Namen der„Ordnung und Moral" die Schließungdes JnstittitS oder zumindest die Aufhebung der Selbstverwaltungzu fordern. Um die von den Unternehmern gewünschte Maßregelzu verhüten, arbeitete die radikalsozialistische und sozialistische Mehr-heit des Gemeinderats ein Statut aus. das die Zulassung mibe»fugtet Personen in die Räume der Arbeitsbörse verhinderte und fürdie Wahl der Verwaltungskommission das Proportionalsystem ein»führt. Der Seinepräfekt erklärte den Entwurf, der die Autonomie im