Sonntage einen Soldaten und versetzte tljm, als er nicht gleichmunter werden wollte, mehrere schmerzhafte Tritte in das Gesähund warf ihn zur Türe hinaus. Als der Mann wieder hereinkam,Packte er ihn und stieg ihn abermals hinaus. Dafür erhielt derWachtmeister zwei Tage gelinden Arrest. Wenn die beiden Soldatenin diesen Fällen die aktiven Personen gewesen wären, so wäre eswohl nicht ohne jahrelanges Gefängnis oder gar Zuchthaus ab-gegangen.Aus Halle berichtet man uns unterm S. August: Der Unteroffizier Müller von der 4. Kompagnie des Infanterie-RegimentsNr. 86 war deshalb vor dem Kriegsgericht der 8. Division angeklagt,weil er einen Untergebenen abgeschüttelt und diesen geohrfeigt hatte.Man nahm an, es handle sich nur um„minderschwere Fälle" undVerurteilte den Täter zu 10 Tagen Mittelarrest.Der Unteroffizier B ö t t g e von demselben Regiment hatte seineDienstgewalt in gemeiner Weise mißbraucht. Er hatte ohne danachzu fragen, die eigenen Stiefel seiner Untergebenen angezogen, denLeuten Geld abgeborgt und nicht wiedergegeben, einem Soldatenzwei Pfund Butter und einen Siegelring weggenommen, Beschiverdenunterdrückt usw. Während der Angeklagte mit den Sachen seinerUntergebenen umherlief,„amüsierten" sich die Mannschaften überein Paar alte.Trittlinge" ohne Absätze, die auf der Kammer aus»gestellt waren und als die eigenen Stiefel des Herrn Unteroffiziers„verehrt" wurden. Der Angeklagte erklärte vor Gericht, die Tatennicht als Vorgesetzter, sondern„so mehr als Kamerad" begangen zuhaben. Als er nachts einem schlafenden Untergebenen im Bett denBrustbeutel abnehmen wollte, wurde er erwischt. Das Urteil lauteteauf sechs Monate Gefängnis und Degradation.Ebenfalls degradiert und zu sechs Monaten Gefängnisverurteilt wurde der Zahlmeisteraspirant Alfted Severin vomArtillerie-Regiment Nr. 75, der Lieferanten betrogen hatte. Er ließsich von Bäckermeistern, Gemüsehändlern 2C. quittierte Rechnungengeben mit dem Hinweise, er bezahle gleich; er ging dann ohne Be-zahlung ab, und besaß dann in der Verhandlung die dreiste Stirnzu behaupten, er habe bezahlt.—Südwestafrikanische Verluste.Berlin, 9. August. Ein Telegramm aus Windhuk meldet: ReiterRobert Albel, geboren am 23. April 1882 zu Schweidnitz, am8. August im Gefecht bei Worte! schwer verwundet, Schußlinken Oberschenkel; Reiter Johann Sierks, geboren am4. November 1883 zu Ehristianshütte, seit 22. Juli in der Nähe desgroßen BruckkaroS vermißt.—MusUikLSchweiz.Zfitich, 6. August.(Eig. Ber.). Nach der Meldung bürger»licher Blätter steht die Ausweisung mehrerer ausländischerAnarchisten bevor. Der von den anarchistischen Kindereien gewißnicht ernstlich bedrohte Staat ist dann gerettet.—Frankreich.Der Parteitag unserer französischen Genosse, i.der in diesem Jahre zu Ehalons stattfinden und am 1. Novemberbeginnen soll, wird sich leider wieder trotz der durch die„Einigung"herbeigeführten Annäherung der feindlichen Brüder mit allerlei un-angenehmen Dingen zu beschäftigen haben. So mit der Bewertungdes Verhaltens des„Genossen" Brousse, der in seiner Eigenschaftals Präsident des Pariser Gcmcinderats an den offiziellenEmpfangs-Feicrlichteiten zu Ehren des Königs von Spanien teil-nehmen zu sollen geglaubt hat!— Tie zur Beurteilung dieses imhöchsten Grade unsozialistischen Verhaltens kompetente Kommissionsprach e i n st i m m i g ihr Bedauern über Brousse'S Handlungsweiseaus und beschloß, dem Parteitag vorzuschlagen, die Wiederkehrsolcher Vorkommnisse durch geeignet erscheinende Maßnahmen zuverhindern. Sodann wird die Anfrage einer Partcisektion zurSprache kommen, die sich bei der Seine- Föderation erkundigte, obsie ein Mitglied wegen Anlegens von„Orden und Ehrenzeichen"ausschließen dürfe! Die Antwort lautete:„Das Parteistatut ent-hält keinerlei Bestimmungen über diesen Punkt; der Parteitagsoll auch die Frage prinzipiell entscheiden!"— Zum Teil hatbereits die erste nach der Einigung abgehaltene Versammlungdes neuen Nationalrats, die am 14. Juli stattfand, dem Parteitagevorgearbeitet. Zu Vertretern Frankreichs im internationalenBureau wurden nach langer Debatte und Erörterung wichtigerPrinzipienftagen Vaillant und Jaures und als StellvertreterBracke und'Longuet gewählt. Die Jsere-Föderation hatte zu dieserNationalrats-Sitzung den Antrag gestellt: Die Frage derHaltung der Sozialisten im Kriegssalle aus dieTagesordnung des Parteitages von Chälons zu setzen. Es wurdeaber nach eingehender Diskussion der Beschluß gesaßt, diese Frageerst dem französischen Parteitage zu unterbreiten, der vor demStuttgarter internationalen Kongresse stattfindet.—Niederlande.Das neue Ministerium in Holland. Die liberale Presse bringtdie Namen der neuen Minister, obschon sie noch nicht amtlich bekanntgemacht sind. Es sind: des Aeußeren: de Marez van Swin-deren. Gesandter in Washington; Justiz: Pros, van Hamel;Heer: Generabnajor Staat; Marine: Kapitän Cohen Stuart;Finanz: de Meester; Jimern: P. Rink, Kammermitglied;Kolonien: Fock. Kammermitglied.Das achte Departement: Wasierstaat, Handel und Industrie,wird geteilt. Minister von Landwirtschaft, Handel. Industrie undArbeit wird Herr V e e g e n s, Minister der öffentlichen Arbeitenwird Kraus.Das Kabinett besteht ganz aus Freisinnigen. Die fürdie inländische Politik wichtigsten Portefeuilles: die des Innern,der Arbeit und der Justiz, werden vertreten durch zwei bekannteFortschrittler und einen freisinnigen Demokraten. Der letzte,Herrn Veegens, ist einer der allerersten Befürworter desallgemeinen Wahlrechts, welche es in Holland gegeben hat.Die Herren Rink, van Hamel und Fock sind ebenfalls Anhänger desallgemeinen Wahlrechts. Die anderen Minister sind als Politikernicht anders bekannt, als daß alle Liberale sind.Der Kabinettssorniator, der liberale Führer Goemann Borgesius,hat selbst kein Portefeuille genonmien. wahrscheinlich aus demselbenGrunde, aus dem verschiedene andere freisinnige Größen vorbei-gegangen sind, da die gesamte Linke nur 62 Sitze von den 100 hat,un1> ihre Mehrheit über die Klerikalen also sehr klein ist. Abgeordnete.welche Minister werden, verlieren ihr Mandat und Neuwahlen müssendann stattfinden. Die Angst vor solchen Neuwahlen hat dieZusammensetzung des Ministeriums offenbar beherrscht. Die beidenAbgeordneten Rink und Fock haben beide feste liberale Sitze inne.Herr Borgesius selbst besitzt im Gegenteil ein Mandat, das mit dergrößten Mühe, mit nur 100 Stimmen auf 9000 Wähler, den Kleri-kalen entrungen ist.'ES ist nun die Frage, wie die fortschrittlichen Mmister sich inder Kammer eine Mehrheit verschaffen werden.—Schweden.Das neue Kabinett und die Unionskrise.Stockholm, 9. August. Ein Mitarbeiter des„StockholmsTagblad" hotte eine Unterredung mit dem Minister-Präsidenten Lundeberg, welcher bekräftigte, daß die neueRegierung ausschließlich mit Rücksicht auf die Unionskrise gebildetworden sei und nur zu dem Zwecke, um eine Lösung derselben aufGrundlage des vom Reichstage gegebenen Programms zu versuchen.WaS die schwedische Regierung angehe, so werde kein ungeziemendesZögern die Lösung der Krisis hinausschieben; die Regierung seivielmehr berett, ihrerseits in jeder Weise zur schnellen Abwickelungbeizutragen. Auf die Frage, ob die Regierung beabsichtige, einenneuen außerordentlichen Reichstag einzuberufen, antwortete derMinisterpräsident: natürlich, wenn Norwegen daS schwedischeProgramm annimmt, das heißt, wenn von Norwegen nach der Volks.abstimmung das Verlangen nach Verhandlungen gestellt wird unddiese Verhandlungen zu einem befriedigenden Ergebnis führen. ESsei ja übrigens, so fügte der Ministerpräsident hinzu, auch vomGesichtspunkt der inneren Politik Schwedens von großem Interesse,daß die Abwickelung so schnell geschehe, daß die Frage bald aus derWelt geschafft werden könne. Einige Zeit müsse die Regierunghaben, um die Sachen zur nächsten ordentlichen Rcichstagssesswnvorzubereiten, und bevor diese Arbeit ihren Anfang werde genommenhaben, werde die Frage der Rekonstruktion der Regierung lediglichunter Rücksichtnahme auf die innere Politik ihre Lösung gefundenhaben. Schließlich hob der Ministerpräsident hervor, daß es jetztwieder in der Hand Norwegens liege, ob die ganze Unionsfrageschnell zu Ende geführt werden solle. Der Reichstag habe seinProgranim aufgestellt, welches nichts anderes als billige Bedingungenfür die Auslösung enthalte; und die schwedische Regierung werde ihreAufgabe im Geiste des Reichstags ausführen. Es komme jetzt aufdie Norweger selbst an, ob sie Entgegenkommen zeigen oderSchwierigkeiten schaffen wollen.—Afrika.Paris, 9. August. Dem„Petit Parisien" wird ausO r a n gemeldet, daß die Truppen des Maghzen in einer Stärkevon 2000 Reitern und einer größeren Anzahl Infanteristen in derSchlacht bei Ayan Sidi, Meluk von den Hauptstreitkräften des Prä-tendcnten Buamama vollständig vernichtet wurden. Die Lagein Udjda ist demzufolge sehr gefährdet.—Amerika.Amerikanische Justiz.An einen gemeinen Racheakt der amerikanischen„Justiz" er»innert die„New Dorker Volkszeitung" anläßlich einer Nachricht ausPennshlvanien. Anfang der neunziger Jahre schoß Alexander Berg-mann auf Frick, den Geschäftsführer der Carnegieschen Stahlwerkein Pittsburg. Frick hatte sich als Arbeiterfeind äußerst verhaßtgemacht, und um so wichtiger erschien seine Person den Richtern.Er wurde bei dem Attentat nur leicht verwundet und ging einigeTage später seinen Geschäften ungestört nach. Der AttentäterBergmann aber wurde zu 21 Jahren Zuchthaus verurteilt. SeinVerbrechen war der Angriff mit tödlicher Waffe, aber die Richterkonstruierten daraus noch ein halbes Dutzend weiterer Straftaten:Einbruch, verbotenes Betreten eines fremden Hauses, Tragen vonverborgenen Waffen usw., und für jede einzelne Straftat, die zu-sammen in Wirklichkeit nur die c i n e Straftat des Angriffs bildeten,erkannten sie aus das Höchstmaß der Strafen. Nach Abzug desTeiles, der ihm für gutes Verhalten gesetzlich angerechnet werdenmuhte, hat Bergmann die Strafe jetzt verbüßt. Nur für dasTragen verborgener Waffen, was mit einem Jahr Arbeitshausbestraft wurde, hat er noch zu büßen. Sein Schicksal hat in Arbetter»kreisen viel Teilnahme erregt, umsomehr, als man einmal hörte,daß er dem Erblinden nahe sei; man bemühte sich um seine Frei-lassung, aber ohne jeden Erfolg. Jetzt wird er aus den« Staats-gefängnis in Pcnnsylvanien entlassen, um noch ein Jahr(bei guterFührung zehn Monate) im Arbeitshause zuzubringen, sodatz diekapitalistische Rachgier voll befriedigt wird.Die„New Aorker Volkstribüne" fügt hinzu:„In der großenReihe schändlicher Urteile, die kapitalistische Richter über Kämpferfür die Rechte der Arbeiter verhängt haben, ist jenes gegenAlexander Bergmann eines der schändlichsten gewesen."—Die Wahltnktik der holländische«Sozialdemokratie.Unser holländischer Korrespondent schreibt uns:Die„Leipziger Volkszeitung" fällt in einem jüngst veröffent-lichten Leitartikel ein Urteil über die Haltung der niederländischenParteileitung iParteivorstand und Redaltion des Parteiorgans„HetVolk"), die' bei deu Stichwahlen für die Kammer eingenommenwurde. Diese Wahltaktik wird bei den holländischen Parteigenossendiskutiert. Ich hielt die Debatte aber nicht für so wichtig, um denLeser» des„Vorwärts" davon Mitteilung zu machen. Nachdemaber doch das Leipziger Parteiblatt sein abfälliges Urteil gesprochen— cS spricht u. a. von einer„pfiffigen Auslegung eines Kongreß-beschlnsicS"— ist es vielleicht nicht unangebracht, die deutschenParteigenossen über den Sachverhalt aufzuklären. Die Dingestehen so:Auf dem letzten Parteitage wurde einstimmig beschlossen, beiden Stichwahlen nur diejenigen Kandidaten der bürgerlichen Parteioffiziell bei den Stichwahlen zu unterstützen, welche sich für dieDringlichkeit des allgemeinen Wahlrechtes erklärten.ES war schon bei der Erörterung der Resolution auf demParteitag deutlich, daß zweierlei Strömungen auf dem Kongreß vor-handen waren; die einen wollten den Beschlutz so aufgefaßt wissen.daß die Partei in allen Fällen, wo kein Anhänger des allgemeinenWahlrechtes in der Stichwahl stand, also etwa zwischen einemKlerikalen und einem Altliberalen, ihren Wählern Wahlenthaltungauflegen sollte, während die anderen meinten, daß die durch denersten Wahlgang entstehende politische Lage abzuwarten sei und daßman, da die unwiderstehliche Begier aller nicht klerikalen Wähler,Kuyper zu stürzen, hinlänglich bekannt war, sich die Hände freihalten müsse, auch im Hinblick auf unsere eigenen Mandate.Gerade um diese zwei Auffassungen zu vereinigen beschränkteGenosse Troelstta sich bei seinem Referat und bei dem von ihmgestellten Anttag auf Festlegung derjenigen Punkte, über die sich dieganze Partei einig fühlte. Keinem vernünftigen Politiker fällt esein, über taktische Fragen Beschlüsse zu fassen in einem Augenblick,wo man noch gar nichts weiß von den Umständen, in denen derBeschluß zur Anwendung kommen muß. Bei Stichwahlen stellt manalso vor dem ersten Wahlgang einige positive Hauptforderungen auf,bestimmt aber niemals in allen Einzelheiten, was man tun will.Nun kamen die Wahlen und brachten als Ergebnis, daß dieMöglichkeit, Kuyper zu stürzen, vorhanden war. Dagegen war esausgeschlossen, daß die Liberalen eine Mehrheit bekamen. DieSituation war so: entiocder blieben die Klerikalen unter 60 Man-baten, dann war Kuyper gestürzt, die Sozialdemokraten bildetendaS Zünglein an der Wage; oder Kuyper erreichte über 60 Mandate,dann behielt die klerikale Koalition mit ihrer Schul-, Schutzzoll- undanderer Reaktion die Regierung.Die sozialdemokratischen Wähler mußten, um den ersten Erfolgzu erreichen, alle insgesamt ohne Ausnahme und überall gegen dieKlerikalen stimmen, auch da, wo eS für sie bedeutete, mit einem Alt-liberalen zu gehen.Unsere Partei also hatte es in ihrer Hand. Kuyper zu stürzen,Kuyper, den Manu der Zwangsgesetze von 1903, den Helden der6000 Opfer des Generalstreiks, den Menschen, der seit vier Jahrengegen unsere Bewegung wie vielleicht noch niemand losgegangenivar. Würde etwa im Jahre 1879 ein einziger deutscher Sozial-demolrat eine Gelegenheit versäumt haben, Bismarck zu stürzen,und wenn er dem Teufel selbst seine Stimme hätte geben müssen?In ganz der gleichen Lage befanden sich die niederländischen Arbeiterund die niederländische Parteileitung.Die Parteileitung erließ ein Manifest, in dem ganz in Ueber-einstimmung mit dem Kongreßbeschlutz folgendes gesagt wurde: Da,wo ein Anhänger des allgemeinen Wahlrechts in der Stichwahl steht,tritt die Partei in ihrer ganzen Kraft nicht bloß mit ihren Stimmen,sondern auch mit ihren Orgaiiisatioiis- und Agitatiousmitteln fürdiesen Kandidaten ein; da, wo kein Anhänger des allgemeinen Wahl-rechts in der Stichwahl steht, gibt die Partei keine Losung aus,mischt sich in den Wahlkampf nicht ein, sondern läßt die Wählerfrei nach eigenem Gewissen handeln. Daß diese Wähler, wie nuneinmal die politische Lage war, wie ein Mann zur Urne gehen undgegen die Klerikalen stimmen würden, wußte jeder und niemandhätte es fertig gebracht, daran etwas zu ändern. Was aber denParteivorstand natürlich nicht verhindert haben würde, Stellunggegen djese Strömung zu nehmen, wenn er es für nötig erachtethätte. Das war aber keineswegs der Fall, im Geg�ieil. Wohlnie Ivar die geistige Stimmung uiiserer proletarischen Wähler sosehr im Einklang mit der politischen Klugheit; ja, ich meine, wennder Parteivorstand vermutet hätte, daß viele sozialdemokrattscheWähler bei der Stichwahl zu Hause bleiben würden, so hätte er sichin die Zwangslage versetzt sehen müssen, den Kongreßbeschluß außerKraft zu setzen, wie dies in allen Ländern und allen Parteien schonöfter borgekommen ist.Keinerlei pfiffige Auslegung wurden also beliebt. Die Dar«stellung des erwähnten Artikels in der deutschen Parteipreffe istfalsch. Unser Parteiorgan„Het Volk" sagt von dem Artikel der„Leipziger Volkszeitung":„Die„Leipziger Volkszeitung" fällt einUrteil über unsere Taktik bei den Stichwahlen, das vielleicht Werthaben würde, wenn eS auf Kenntnis der Tatsachen beruhte; ohnediese Kenntnis aber ist es besser, daß sich die ausländischen Partei»genossen des UrteilenS, und selbstverständlich, daß sie sich des Ver-urteilens enthalten.... Die Vorstellung, e« sei einer libe«ralen Propaganda gelungen, die sozialdemokratischen Arbeiterfür die Parole„Weg mit Kuyper" zu gewinnen, istdas Gegenteil der Wahrheit. Der Haß gegen Kuyper ist nichtneuerdings aufgelodert, sondern seit 1903 ist in dieser Hin»ficht im Gefühl der sozialdemokratischen Arbeiter keineAenderung eingetreten. Der Anteil der Liberalen an denZwangsgesetzen ist nicht vergessen, unsere Stimmenzahl beweist,daß wir gegen die Liberalen einen kräftigen Feldzug geführthaben."DaS allermerkwürdigste dabei ist, daß diese Kritiker scheinbarkein Auge haben für das glänzende Resultat der von uns befolgtenTaktik: Die Klerikalen 48 Abgeordnete, die Liberalen 47 Abgeordnete,die Sozialdemokratie mit sieben Mandaten das Zünglein an derWage. Wenn eine solche Situation zu erzielen war, wäre eS dannnicht der reinste Wahnsinn gewesen, bei den Stichwahlen zur Seitezu gehen und auf diese Weise der reaktionärsten und gefährlichstenRichtung der bürgerlichen Realtion, dem Klerikalismus, zum Siegezu verhelfen?Wir sind überzeugt, daß die deutschen Genossen uns Recht geben,wie das der nächste niederländische Parteitag mit mindestensaller Stimmen auch tun wird.—Die russische Revolution.Eiscnbahncrstreik in Polen.Warschau, 9. August. Der Verkehrsminister hat den Beschluß,die polnische Sprache als Dienstsprache bei der Warschau-WicnerBahn zu verwenden, verworfen. Die Lage hat sich infolge dessensehr verschärft. Es heißt, daß ausländische Aktionäre sich an dieRegierung zu wenden beabsichtigen, da eine Betriebseinstellunggroßen Schaden nach sich ziehen werde.*Unruhen am Schwarzen Meer.Aus Sewastopol schreibt man der„Russ. Korresp.": Die Be-Hörden suchen den Keim der Unruhen in der Marine dadurch zu ver»Nichten, daß sie einen Teil der Matrosen zur Landarmee, vor allenDingen zur Besetzung der Festungswerke abkommandierend und anihre Stelle Landsoldaten auf die Schiffe schicken. Sie gehen dabeivon der ja nicht unbegründeten Voraussetzung aus, daß diese, Plötz»lich zur Marine versetzten Infanteristen nicht viel Schaven anrichtenkönnen, da keinerlei Aussicht vorhanden ist, daß die Flotte in ab»schbarer Zeit in Aktion treten muß.Den gewünschten Erfolg erzielen die Behörden mit dieser Maß-regel allerdings keineswegs. Im Gegenteil sind jetzt die revolutionärgesinnten Matrosen dabei, auch unter den Landtruppen Propagandazu treiben. Es haben sich in der letzten Zeit zahlreiche Fälle er-eignet, wo die Soldaten den Gehorsam verweigerten. So z. B.noch jüngst, als Hinrichtungen an Aufrührern vorgenommen werdensollten. Die zur Exekution kommandierte Rotte leistete dem Kom»mando keine Folge und nach drei fehlgeschlagenen Versuchen mußtenzuletzt die Gendarmen zu dem Henkeramte verwendet werden.Ferner sind vor kurzem aus den Militärgefängnissen eine Anzahlvon Inhaftierten geflüchtet, unter ihnen 13, denen die Todesstrafebevorstand. Die Flucht war nur möglich unter der Mitwirkungder Wachtposten und er Gefängnisschlietzer. Seit diesem Vorfallewerden auch zu Gefängniswärtern die Gendarmen verwandt und eingroßer Teil der Sträflinge wird auf den Schiffen interniert.Der Krieg in Ostasien.Die Friedenskonferenz.Portsmouth<New Hampshire), 8. August. Der russischeFriedensdelegierte von Rosen und die japanischen De»legierten trafen heute hier ein; alle Delegierten haben im HotelWentworth Wohnung genommen. Heute vormittag fuhren sie sämtlichin Booten nach dem Marinearsenal, wo sie vom Konteradmiral Meadnebst Stab begrüßt wurden; es wurde Salut geschossen, und Marine-Mannschaften erwiesen ihnen die militärischen Ehren. Den Bevoll-mächtigten wurden dann ihre Zimmer in einem Marinegebäude zu-gewiesen. Admiral Mead hat die strengsten Weisungen zurSicherung vollständiger Geheimhaltung der Beratungen der Bevoll-mächtigten erteilt. Den Delegierten wurde dann ein Frühstückgegeben, bei dem die amerikanischen Offiziere mit ihren Gattinnenzugegen waren. Die Bevollmächtigten kehrten darauf in das Hotelzurück.Portsmouth lNew Hampshire), 8. August.(Meldung des„Neuterschen Bureaus".) Minister Witte erklärte heute bei einemInterview, er sei mehr a l s je von dem Wunsche beseelt.alles in seiner Macht Liegende zu tun, um den Friedensschlußherbeizuführen, aber alles werde davon abhängen, waS die Japanererwarteten zu erlangen. Er werde indessen nichts unversucht lassen,um das gewünschte Ziel zu erreichen, und im Falle des Fehl-schlagens werde die Welt das Urteil darüberfällen, wen die Verantwortung treffe.Linewitsch gegen Witte.Eine Petersburger Korrespondenz meldet:Es schien bisher nicht geboten, den pessimistischen Aeußerungen,die von hier aus verbreitet worden sind, in bezug auf die Friedens»aussichten allzu starke Rechnung zu tragen. Auch auf die„strengvertraulichen" Auseinandersetzungen Wittes in Paris, die natürlichfür die Oeffcntlichkeit bestimmt waren, braucht kein besonderesGewicht gelegt zu werden; noch weniger auf die Briefe von Linewitschund anderen Offizieren, die in den Zeitungen den Zaren beschwören,er möge die Armee nicht der Möglichkeit, zu siegen, durch einenFriedensschluß berauben. Alle diese Erscheinungen konnte man mitRecht als Veranstaltungen— ziemlich ungeschickte freilich—. be,•trachten, die bestimmt waren, die Japaner einzuschüchtern, um siezu veranlassen, ihre Bedingungen auf das niedrigste Maß herab»zuschrauben. Diese Auffassung war denn auch eine allgemeine.Nunmehr sind wir aber in der Lage, von einem neuenStimmungsumschlag in den höchsten Regionen zu melden.Seit der Flottenkatastrophe wünschte man den Frieden— wirwollen nicht sagen unter allen Umständen, aber doch wenn irgendmöglich. Die Illusion, noch siegen zu können, tauchte freilich immerwieder einmal auf, erklärlicherweise bei Personen, die nicht mitrealen Tatsachen rechnen, sondern mit Phantastereien bis herab zuTraumemgebungen; aber die Wirklichkeit erwies sich schließlich dochimmer wieder als stärker, und noch eindringlicher als die fernemilitärische Wirklichkeit, von der sich ein so unmilitärischer Zarwie Nikolaus nie eine rechte Vorstellung machen konnte, waren dieProteste des Finanzminister»; er bezeichnete die finanzielle Lage de»Reiches als„unentwirrbar" bei Fortsetzung des Krieges. In solchenStimmungen fand der Vorschlag der Vereinigten Staaten Annahmeund kam schließlich die Entsendung Wittes zustande.Aber Linewitsch hat gegen den Frieden n:cht nur in Schriftstückenprotestiert, die deutlich bestimmt waren, der Welt Sand in die Augenzu streuen; auch seine Privatbriefe an den Zaren, dienicht für die Oeffentlichkeit sind, blasen hier mächtig den Optimismusin allerneuster Zeit wieder an. Linewitsch und andere hohe Offizierebehaupten, einen Sieg demnächst garantieren zu können, und stebeschwören deu Zaren, dem Heerevdie Möglichkeit zu g-bei� do»