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dem 17 Jahre alten Lehrling. Den letzten Anlaß zur Flucht des Lehrlings bildete der Umstand, daß er am 29. Juni, dem katho­ lischen   Feiertage, den ganzen Tag arbeiten sollte, während Meister und Gesellen feierten. Weil der junge Mann an dem Feiertage nicht weiter arbeiten wollte, wurde er wieder mit dem Gummi- schlauche bedroht und deshalb lief er schließlich davon. Der Vater des Lehrlings machte in der Verhandlung unter anderem geltend, daß der Lehrling bei dreijähriger Lehrzeit l'/z Jahre mit Arbeiten beschäftigt wurde, die mit der Erlernung des Handwerks in keinem Zusammenhang standen. Darauf hatte der Meister die Erwiderung, daß man dem Jungen noch im letzten Jahre beibringen könne, was er zur Ausübung des Berufs brauche! Der Meister wurde mit seiner Klage angewiesen. Der junge Mann lernt nun in einer Maschinenfabrik sein Handwerk.   Einen kindischen Angriff richtet dieFreis. Ztg." gegen den «Vorwärts". Den Vorwurf nämlich, die Freisinnige Volköpartei durchkrasse Unwahrheiten"verdächtigt" zu haben. Dies Ver- brechen soll derVorwärts" durch folgende Auslassung begangen haben: Die freisinnige Presse benimmt sich diesen Truppen- Verstärkungen gegenüber höchst seltsam. Sie ist durch die Erklärungen desTag" und derNational-Zeitung" voll- ständig befriedigt und gibt sich den Anschein, als ob die Verstärkung der slldwestafrikanischen Truppen um 1200 Mann in einem einzigen Monat ganz in der Ordnung wäre und sich durchaus in dem Rahmen der Bewilligungen des Reichstages hielte. In Wirklichkeit ist aber vom Reichs' tage nur ein alle zwei Monate stattfindender Truppem Nachschub von 250 Mann bewilligt worden. Selbst also, wenn es wahr wäre, daß die abgesandten Truppen nur die in vier Monaten entstandenen Lücken ausfüllen sollten, würden 700 Mann mehr abgehen, als vom Reichstag bewilligt worden sind I D i e l i b e- rale Presse st eckt aber den Kopf absichtlich in den Sand, um nicht ebenfalls in den Ruf nach Einberufung des Reichstages einstimmen zu müssen. Es wäre den liberalen Herren unangenehm, ihre Zustimmung zu Maßnahmen offen geben zu müssen, deren Verantwortung sie viel lieber der Regiening selbst überließen l Wir sind trotz der sittlichen Entrüstung derFreis. Ztg." nicht in der Lage, unsere Vorwürfe zurücknehmen zu können. Die frei- sinnige Presse hat in der Tat eine überaus flaue Haltung eingenommen. Da?Verl  . Tagebl.", das ja doch wohl auch der freisinnigen Presse zuzurechnen ist, hat fast jeden Tag beteuert, daß die Budget Verletzung der Regierung eine ganz harmlose Sache sei. Die Ab sendung von 5000 Mann Verstärkungen sei ganz unwahr scheinlich, so hieß es bereits in der Abendausgabe vom 5, August. In der Abendausgabe vom 7. August wurde erklärt, daß trotz der neuerlichen Meldungen derMagdeb, Ztg." die beabsichtigten Nach- schiibe durchaus keine Verletzung des Budgetrechts bedeuteten. In der Morgenausgabe vom 8. August hieß es weiter, daß es mit den angeblichen Verstärkungen für Südwestafrikaganz und gar nichts sei". Nur für die bereits abgegangenen 300 Mann müsse die Regierung allerdings um Indemnität nachsuchen. Daß diese Indemnität aber sofort nachgesucht werden müsse, davon war keine Rede. Allerdings sprach auch dasB. T." von der Einberufung de  ? Reichstages, aber doch recht beiläufig, wie über- Haupt in dem Blatt die ganze Südwestafrikafrage und es handelte sich doch, wie selbst dieKöln  . Volksztg." hervorhob, im wesentlichen um die Frage, ob derKrieg überhaupt noch in der bisherigen Form fortgesetzt werden solle höchst pomadig beurteilt wurde. Und auch dieV o s s. Z t g.". die doch ein volksparteiliches Blatt ist und zudem einen beträchlich größeren Leserkreis besitzt als dieFreist Ztg.". schenkte der Frage der Einberufung des Reichstages so gut wie keine Beachtung. Sie begnügte sich damit, am 5. August von den angeblich geplanten Ver- srärkungcn für Südwestafrika und denDementis" kurz referierend Notiz zu nehmen, ohne selbst irgendwie Stellung zu nehmen. Auch die Budgetfrage und die Einberufung des Reichstages waren für sie Hekuba  . Aber auch dieFreis. Ztg." selbst ließ bei ihrer ganzen Be- Handlung der Südweslafrikasrage die nötige Energie vermissen. Sie schloß sich zwar der Forderung der sofortigen Einberufung des Reichstags an und setzte hinter die freiwillig-offiziösen Dementis desTag" und derNational-Ztg." ein Fragezeichen sogar unter Zitierung desVorwärts", allein sie verschwendete an die ganze Affäre auch nicht ein Zehntel jener Verve, mit der sie jetzt ilber- flüssigerweise denVorwärts" attackiert. Aber selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre seit wann ist denn daS Blatt des Herrn Müller-Sagan d i e freisinnige Presse? Statt uns törichterweise an- zurempeln, sollte das Blatt seine überschüssige Energie dazu ver- wenden, freisinnige Blätter wie dieVoss. Ztg." und dasBerliner Tageblatt" gegen die aberwitzige Südwestafrikapolitik scharf zu machen I Die Fleischnot nimmt auch in B a y e r n immer unheimlichere Dimensionen an. Aus allen größeren Städten kommen Nachrichten, daß meist nicht einmal die Halste des gewöhnlichen Bedarfs an Schweinen geschlachtet werden kann. In Nürnberg   haben die Metzgenneister vom Mittwoch ab den Preis für das Schweinefleisch von 80 aus 00 Pst pro Pfund erhöht, aus anderen Orten werden ähnliche Preissteigerungen gemeldet. Die arbeitende Bevölkerung wird dadurch schwer getroffen und wird bald ganz auf Fleischnahrung verzichten müssen. Der Konsum von Pferdefleisch steigt rapid, in manchen Orten hat sich bereits der Verbrauch von Hunde- fleisch eingebürgert, der sonst in Bayern   gänzlich unbekannt war. Die Regierung steht der allgemeinen Notlage vollkommen gleich- gültig gegenüber und weigert sich nach wie vor hartnäckig, die Grenze für ausländische Schlachtschweine, sei es auch nur für ein bestimmtes Quantum, zu öffnen. Die Agrarier schwingen die Veiffche und diktieren die Preise. Hueland. Oesterreich-Ungar». Für das allgemeine Wahlrecht wollen so meldet eine Depesche aus Budapest   die ungarischen Sozialdemokraten in der nächsten Zeit folgende Demonstrationen entfalten: Sie lassen eine Million Plakate drucken, die nichts weiter enthalten als folgende Worte: So lange man uns nicht das allgemeine Wahlrecht bewilligt. gibt's keme Ruhe in Ungarn  !" Sämtliche Plakate sollen zur selben Stunde in allen Straßen und an den Hauptorten Ungarns  angeschlagen werden, Italien  . Der Papst gegen die Sklaverei. verr Coccozo der Vorsitzende derAntisklaverei-Liga". wurde nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten   und Kanada   ver- gangene Woche vom Papst empfangen. Coccozo berichtete über die Resultate seiner Reise, die der Aufgabe galt, die amerikanischen  Bischöfe fur� die Jdee� zu gewinnen, in Mittel-Afrika Orte zu rchen Freiheit des Menschen lusicherung moralischer und für Eßwaren. In Bilbao   warfen Bettler mit Steinen nach der Equipage des Bischofs, weil er ihnen kein Almosen gab. England. Tie Manöver der englischen Miliz haben letzten Montag in der Gegend von Salisbury   begonnen, Sie werden geleitet vom General Hamilton, der dem Mandschurei  -Kriege als Attache bei der japani- schen Armee beigewohnt hat. Das Wichtigste aber ist, daß den Manövern zum erstenmal ein französischer Offizier beiwohnt, um im Auftrage seiner Regierung die Leistungsfähigkeit der Miliz zu studieren._ i""- zu gewinnen, in Mittel-Asrira iurre zu gründen, in denen die Achtung der persönlichen Freiheit des Menschen eine Statte stmxl Coccozo hat die Zusicherung moralischer und materieller Hülfe erhalten, sodaß er hofft, es könnten in naher Zukunft in Asnka lo~orfer errichtet werden, deren jedes dem Schutze eines amerikanlschen oder kanadischen Sprengels unterstehen soll. Es sind sogar bereits Namen für die Niederlassungen vorge- sehen, z. B,: Llberte, New£)ork, Quebec  , Minnesota  , Montreal  usw. Der Papst hat einen Kunstgegenstand im Werte von 10 000 Lire gespendet, der unter den Wohltätern der Liga verlost wer- den sollt Glückliche Neger II_ Spanien  . Die Hungersnot. Aus Sevilla   wird gemeldet: Der N o t st a n d auf dem Lande wird immer größer: Tausende von Arbeitern leben aus Mangel an Brot nur vom Genuß von Wurzeln. In Utrera  plünderten Hungernde die Bäckereien und andere BerkauMden Huö der Partei. Im zweiten Hambnrgischcn Wahlkreise beschäftigten sich die Parteigenossen mit dem Parteitage. In der Diskussion über die Maifeier traten nur zwei Redner gegen die Arbeitsruhe auf, während die übrigen für die Arbcitsruhe eintraten. Danach wurde über daS Organisationsstatut verhandelt, die Versammlung jedoch vertagt, nachdem folgender Antrag Elm vorgelesen worden war: Der Parteirag anerkennt ausdrücklich das Recht der GeWerk- schaften, durch von ihnen dazu bestimmte Vertreter gemeinsam mit den Vertretern der Partei resp. der Fraktion in allen die Intet essen der Gewerkschaften wie der Partei in gleichem Maße bt rührenden Fragen zusammenzuwirken und diesbezügliche Resolu tionen für den Parteitag und den Gewerkschaftskongreß, sowie Gesetzesvorschläge usw. für den Reichstag vorzubereiten und zu beschließen. Die praktische Durchführung dieses Beschlusses wird dem Parteivorstand und der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands überwiesen." Personalien aus der Parteiprcsse. Genosse Stückle n, bisher an derAltenburger Volkszeitung", tritt am 1. Oktober in die Redaktion derArbeiterzeitung" in Dortmund   ein. Der dortige Redakteur, Genosse Hönisch, tritt an Stelle des Genossen I ä ck h m dieLeipziger Volkszeitung" ein. Totcnliste der Partei. In Zittau   starb im Mter von 75 Jahren der Parteigenosse Karl Münch, der in früheren Jahren viele Per- trauensstellungen in der Partei eingenommen hat. Er war so mit der Parteibewegung in seiner Heimat Zittau   verwachsen und zugleich eine Art Original, so daß kein fremder Parteigenoffe nach Zittau  gekommen ist, ohne nicht auch Karl Münch kennen zu lernen. Ob- wohl früher Gasthofsbesitzer, war er doch Vegetarier, Antialkoholiker und Tabakgegner und vertrat diese Ansichten oft in recht drastischer Weise. Viele Genossen auch außerhalb Zittaus werden sich des Ver- storbenen gern erinnern._ Die Revolution in Rußland  . Polnische Gärung. Warschau  , 10. August. Heute sind 3 Polizisten und ein Kellner durch Rcvolverschüsse schwer verletzt worden. Der unbekannte Täter ist entflohen. Warschau  , 10. August. Der Chef der mechanischen Abteilung der Weichscl-Eisenbnhn, Meier, wurde heute nachmittag überfallen und getötet. Der Täter ist entkommen. Die Vorgange des 22. Juli. Wir erhalten folgenden Bericht: Die Halbjahrsfeier der schrecklichen Januartage, wo die russische  Regierung sich mit dem Blute friedlicher Petersburger Arbeiter besudelt hat. ist nicht ohne Blutvergießen vorübergegangen. So- wohl die Führer der revolutionären Bewegung als auch die Arbeiter selbst beschlossen, den 22. Juli ganz ruhig zu begehen und nur durch allgemeinen Stillstand der Arbeit. Seelenmessen und friedliche Meetings das Andenken der Opfer des 22. Januar zu ehren. In Petersburg   und einigen anderen Städten verlief der 22. Juli tatsächlich verhältnismäßig ruhig, obgleich überall die strengsten Maßnahmen zur Aufrechtcrhaltung der Ordnung getroffen waren. Auf dem Preobraschenskaja-Friedhofc, wo viele Opfer der Januar- tage beerdigt sind, war viel Militär und Polizei aufgestellt. Viele Fabriken und Betriebe feierten, in vielen Kirchen wurden Toten- messen gelesen, an einigen Stellen fanden Meetings statt, auf denen Reden zur Erinnerung an die Opfer der grausamen russischen Re- gierung gehalten wurden. Einen mehr demonstrativen Charakter trug dieser Tag in Ssestrowzk. in der Nähe von Petersburg  . Dort feierte das riesige Waffenwerk. Am Morgen um 11 Uhr ver- sammelten sich über 1000 Arbeiter in der Kirche, wo eine Toten- messe zelebriert wurde. Beim Verlassen der Kirche entfalteten die Arbeiter zwei Fahnen: eine rote mit der Aufschrift:Proletarier aller Länder vereinigt Euch" und eine schwarze mit der Aufschrift: Ewiges Andenken den Kämpfern für die Freiheit" und bewegten sich unter Absingung eines Trauermarsches und der Marseillaise  die Duskowski-Chaussee entlang. Vor der Kirche und während des Zuges wurden Reden gehalten. Dann ging es zum Kurhause, wo die Administration ersucht wurde, die Musik schweigen zu lassen und den für den Abend angesagten Ball auf einen anderen Tag zu verlegen. Hernach zerstreuten sich die Arbeiter friedlich. Gegen Abend erschien ein Bataillon vor dem Kurhause und der Ball sollte unter militärischer Bewachung dennoch stattfinden. Um 9 Uhr näherten sich die Arbeiter mit einer schwarzen Fahne dem Kurhausc, wo eine Panik ausbrach. Aus der Menge traten Redner hervor, welche die Bedeutung des Tages erklärten und das Publikum auf- forderten, die Musik und den Ball zu unterbrechen. Auf der Bühne im Garten erschien einer der Künstler und erklärte im Namen seiner Kollegen, daß sie sich am Programm des Abends nicht beteiligen würden. Donnernder Applaus folgte dieser Erklärung. Die Mehr- zahl des Publikums äußerte sich für den Schluß der Vergnügungen. Im allgemeinen verlief auch hier der Tag ruhig. Erst ein paar Tage nachher wurden 00 Arbeiter verhaftet. In Kostroma   feierten alle Druckereien des OrteL mit Aus- nähme der Kronsthpographie. Am Abend veranstalteten die Arbeiter außerhalb der Stadt ein Meeting, auf dem Reden gehalten wurden. Man konnte während der Reden Arbeiter heftig schluchzen hören. Zu ernsten Zusammenstößen mit der Polizei ist eS nicht gekommen.__ Der Krieg in Ostasien  . Von der Friedenskonferenz. Portsmouth  (New Hampshire  ) 10. August.  (Meldung des Reuterschen Bureaus.) Im Verlaufe verschiedener Privatgespräch" hat Witte geäußert, daß er der Zahlung einer Kriegs-- entschädigung. energischen Widerstand entgegen- setze. Berichte auS lapamschen Kreisen besagen aber, daß auch die mildesten Bedingungen eine Entschädigung für die ungefähren Kriegskosten Japans   enthielten, welche auf 600 bis 800 Millionen Dol l a r geschätzt werden. Dies zeigt den weiten, wenn nicht unüberbrückbaren Unterschied zwischen den Parteien. Es ist jedoch möglich, daß Rußland   sich zu einer Kompensation verstehen würde, zum Beispiel dafür, daß die Japaner aus den Besitz Sachalins   verzichten würden, dessen Besitz ihnen die Herrschaft über die gesamte sibirische Küste sichern würde. Paris  . 10. August. TerM a t i n" meldet: Dem Portsmouiher Korrespondenten des Blattes erklärte der japanische Deputierte Matsumoto  , Vertrauensmann von Komura, daß letzterer nicht weniger als 2M> Milliarden Kriegskosten fordern werde; ohnehin habe Komura heftig gegen die öffentliche Meinung in Jgpan anzukämpfen, welche das Doppelte verlange; solltest die 2V2 Milliarden nicht bewilligt und die bedingungslose Abtretung bev Insel Sachalin   verweigert werden, so würde die Konferenz als beendigt anzusehen sein und Marschall Oyama aufs neue die Offensive beginnen. Die japanischen Delegierten verweigerten gestern die Zulassung deS russischen Rechtsgelehrten Prof. v. Martens zu den offiziellem Sitzungen, weil es vorher vereinbart worden sei, daß nur zwei Russen und zwei Japaner als Sekretäre an den Sitzungen teil» nehmen sollen. Japanische Flottcnd em onstrationen. Tokio  , 10. August. Vizeadmiral K a t a 0 k a meldet, daß er ein Geschwader nach Kamtschatka   und ein anderes nach O ch 0 t s k gesandt habe. Beide Geschwader seien jetzt mit der Ausführung ihrer Operationen beschäftigt. Hebung des KreuzersWarjag". Tokio  , 9. August. Laut Mitteilung des Marinedepartements ist der am 18. Februar 1904 auf der Reede von Tschemulpo gesunkene russische KreuzerWarjag" am Dienstag nach- mittag wieder flott gemacht worden. Die Mitteilung wurde hier angesichts der Schwierigkeit der Flottmachung mit großer Freude aufgenommen. Unruhen in China  . London  . 10. August.Daily Mail" meldet aus Schanghai  ; Ein Telegramm aus Kaisen gfu in der Provinz Honan be- richtet, daß die dort stehenden kaiserlich chinesischen   Truppen ge- meutert und sich dem christenfeindlichen Pöbel angeschlossen haben-, Die Meuterer, deren Zahl auf 2000 geschätzt wird, haben Suit» schianghsien genommen. Die Regierung in Peking   sendet Truppeg gegen sie aus._______ Die Flmdmhrltutt Strauer mid Krogumn vor dem Oberlmegsgerichi. Altona  , 10. August 1905. Heute morgen hat vor dem Oberkriegsgericht des IX. Armee« korps die Berufungsverhandlung gegen die beiden Landwehrleuts WilhelmStrauer und ErnstKrogmann begonnen. Allge« meines Aussehen erregte das Urteil, welches das Kriegsgericht der 13. Division Anfang vorigen Monats gegen die Angeklagten, denen eine Reihe militärischer Vergehen und Verbrechen, darunter wieder- holte Gehorsamsverweigerung, Beleidigung, tätlicher Angriff gegen Vorgesetzte, Gefaiigenenbefreiung und Meuterei, zur Last gelegt worden waren, gefällt hatte. Fast die gesamte deutsche Presse beschäftigte sich eingehend mit dem Richterspruche. Er lautete gegen Strauer auf sieben Jahre drei Monate, gegen Krogmann auf sechs Jahr« zwei Wochen Gefängnis. Ueber beide wurde außerdem noch die Ehrenstrafe der Entfernung aus dem Heere ausgesprochen. In der Trunkenheit hatten sich die Landwehrleute zu den so außer« ordentlich verhängiiisvollen Ausschreitungen hinreißen lassen. Sie wollen nicht gewußt haben, daß sie während der Begehung der Tat« lichkeiten im militärischen Dienstverhältnis gestanden haben. Im Monat Mai waren sie gemeinsam zu einer lltägigeu Uebung bei dem 9. Schleswig-Holsteinischen   Pionier- Bataillon in Harburg   ein- berufen worden. Am 29. Mai war dieselbe beendet. Straucher   und Krogmann hatten sich während der Uebung kleine disziplinarisch« Vergehen zuschulden komnien lassen und dafür eine Arreststtafe er« halten. Während nun die Kameraden am Schlußtage auf dem Kasernenhofe entlassen wurden, erhielten die Angeklagten den Be« fehl, zur Verbüßung ihrer Strafe anzutreten. Sie leisteten dieser 'Aufforderung jedoch keine Folge, sondern gingen in die Kasernen- kantine und gaben sich dort dem Alkoholgenuß in starkem Maße hin. Vergeblich befahl ihnen dort wiederholt ein Unteroffizier, ihm zu folgen. Schließlich kamen die beiden dem Befehle nach. Da sich da» Arrestlokal in Altona   befindet, mußten die Landwehrleute nach dem Bahnhofe in Harburg geführt werden. Auf dem Marsche dorthin nahmen sie den begleitenden Vorgesetzten gegenüber eine widersetz« liche Halwng ein und erklärten, sie seien jetzt keine Sol« baten mehr, nachdem die Uebung beendet. Am Bahnhofe angelangt, entflohen sie ihren Transporteuren, wurden jedoch bald wieder festgenommeil. Auch während der Eisenbahnfahrt nach Altona   versuchten die Arrestanten aus dem dahineilenden Zuge herauszuspriiige». In Hamburg   sollten sie in einer Droschke nach dem Altonaer Bahnhofe gebracht werden. Die Tobenden zerschlugen jedoch die Scheiben des Wagens und entwichen zum zweiten Male. Nach kurzer Verfolgung wurden sie wieder eingefangen. Als man einen nochmaligen Fluchtversuch befürchtete, wurde die Droschke durch berittene Schutzleute eskortiert. Beim Besteigen de» nach Altona   fahrenden Zuges ließen sich die Rasenden zu neuen Widersetzlichkeiten hinreißen. Kaum hatte der Zug den Bahnhof verlassen, so sprang Krogmann auS dem Wagen- abteil heraus und versuchte zu entkommen. Einer der TranS» porteure, der ihm nachgesprungen war, ergriff den Flllchttng zum dritten Male. Von diesem Augenblick an ging der Transport ver» hältnismähig ruhig von statten. Bor das Kriegsgericht der 13. Division gestellt, behaupteten die Angeklagten, daß sie sich der Tragweite ihrer Handlungen k e i n e S« wegs bewußt gewesen seien, da sie der festen Meinung waren, nicht mehr im militärischen Verhältnis gestanden zu haben. Außerdem seien sie beide total bettunken gewesen. Die Beweisaufnahme gestaltetes sich jedoch sehr un« günstig für die Landwehrlcute. Der Verrreter der Anklage, der darauf hinwies, daß im vorliegenden Falle eine besonders strenge Sttafe am Plage sei, beanttagte gegen Sttauer eine Gefängnisstrafe von 12 Jahren 7 Monaten, gegen Krogmann eine solche von 19 Jahren 3 Monaten. DaS Gericht erkannte wie oben erwähnt. Sofort machten beide Angeklagte von dem Rechte der Berufung Gebrauch. Aber auch der Gerichtsherr hat gegen daS Urteil Be­rufung eingelegt. Um 10 Uhr eröffnete der Borfitzende, Oberstleutnant v. Schlüter. die Verhandlungen. Als Leiter fungiert OberkriegSgerichtSrat Otto. Die Anklage vertritt OberkriegSgerichtSrat Wolf, während die Ver- teidigung in den Händen des Rechtsanwalts Schenk liegt. Nachdem die erschienenen Zeugen auf die Bedeutung des Eides hingewiesen worden sind, beginnt der Verhandlungsführer mit der Verlesung de» Protokolls der Sitzung vor dem Divisionsgericht. Er erwähnt dabei. daß die Angeklagten das erste Urteil in vollem Umfange an« g e f 0 ch t e n haben und zwar mit der Begründung, daß sie während der Begehung der Tat unzurechnungsfähig gewesen seien und daß sie sich alS Zivilisten und nicht als Soldaten gefühlt hätten. Außerdem fochten sie die Höhe des Strafmaßes an. Der Gericht»- Herr dagegen verlangt in seiner Berufungsbegründung eine schärfere Sttafe für die Angeklagten. DaS Urteil erster Instanz hält er für zu gering. Die Verlesung des Protokolls nimmt längere Zeit in Anspruch. Nach Beendigung erfolgt zunächst die Vernehmung der beiden Angeklagten. Als erster wird Strauer aufgerufen. Er ist von Beruf Hafenarbeiter, steht im 27. Lebensjahre und unverheiratet. Die erlitttne Untersuchungshaft hat sich in seinem bekümmerten Gesichte ausgeprägt. Nachdem er über seine Personalien Auskunft gegeben, bekundet er über die Borgänge, deren einzelne Punkte ihm nicht mehr ganz in der Erinnerung sind. Er sagt aus. daß er und sein Kamerad sehr betrunken gewesen sei. Den Befehl anzutreteii, habe er nicht richtig verstanden. Auf die Frage, ob er gewußt habe, daß er Gefangener gewesen sei. ant- wartet der Angeklagte bejahend. Beim Transport sei er unterwegs verschiedene Male ausgetreten und habe jedesmal Schnaps gettunken. Auf die Frage, ob Strauer aus der Droschke gesprungen sei, ant- wartet er:Jawohl, ich wollte meinen Kameraden festhalten". Auf die Frage des Verteidigers, wie groß das Quantum sei, daS St. getrunken, gibt der Angeklagte an, daß er vier Mark für Schnaps ausgegeben habe. Er und Krogmann hätten eine große Literflasche gehabt. Er, St., habe anderen spendiert und diese ihm auch. Verteidiger: Hat der Gefreite Johnsen schon in Harburg   mit Ihnen Schnap» getrunken?