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Nr. 202. 22. Jahrgang.

1. Beilage des ,, Vorwärts " Berliner Volksblatt. Mittwoch, 30. Auguf 1905.

Der politische Massenstreik.

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Massenstreit seit 1902 in Italien und Rußland in gewaltigem Um- und gar keine radikale" Entgleisung ist, haben wir ja bereits hin­fange angewendet worden ist, daß also schon hierin Veranlassung länglich dargetan. Wie steht es nun mit den anderen Fällen? Ist genug zur Prüfung dieses Kampfmittels vorlag. Ferner: soll ein es wirklich ein Beweis für den persönlichen Charakter der Gegenstand, dessen Diskussion auf internationalen Kongressen un- Polemit, wenn man Parvus und Bebel in solchen Fällen bei feite In Preßäußerungen, die sich mit dem Buch der Genoffin vermeidlich ist, nicht auch der gründlichen nationalen Diskussion läßt und sich gegen Bernstein und Vollmaz wendet? Ganz und gar Roland- Holst über den politischen Massenstreit beschäftigten, wurde bedürfen? Die Behandlung der Frage durch den Gewerkschafts - nicht! Bei den Bebel und Parbus handelt es sich eben um Ent­der Verfasserin zum Vorwurf gemacht, daß sie ihre Aufgabe dadurch kongreß in Köln war aber eine so wenig gründliche, daß sie gleisungen", um Trugschlüsse aus ganz richtigen Voraussetzungen, unnötig fompliziert und erschwert habe, daß sie, statt nur die eher zur Trübung als zur Klärung des Problems beigetragen hat. die bei der politischen Gesamtrichtung dieser Genossen keinerlei Möglichkeit des politischen Massenstreits zu beweisen, gewisser- und schließlich: Sollte denn wirklich nicht das Vorgehen der Neaktion, Bedenken einzuflößen brauchen. Solch gelegentlichen rrungen ver­maßen dessen Notwendigkeit zu beweisen versucht habe. Wir das dem Proletariat fortgesetzt seine politischen Rechte schmälert fällt eben jeder, aber er verfehlt darum den richtigen Weg nicht. halten diese Auffassung für ein vollständiges Verkennen nich nur Hamburg , Lübeck ! und ihm dadurch mehr und mehr die Mittel Etwas ganz anderes ist es, wenn solch verfehlte Stellungnahmen der Aufgabe der Genoffin Roland- Holst , sondern auch des ganzen raubt, vermittelst parlamentarischen Einflusses eine Demokratisierung feine Entgleisungen sind, sondern sich ganz logisch aus den poli Standpunktes, von dem aus die Frage des politischen Massenstreiks und Sozialisierung des Staates herbeizuführen, die Arbeiterklasse tischen Grundanschauungen ableiten lassen. Dann hat man es nicht zu behandeln ist. veranlassen, über den voraussichtlichen Verlauf der fünftigen Ent- mit 3ufälligkeiten, sondern mit Symptomen zu tun, Es gäbe wirklich nichts Müßigeres, als eine Diskussion über den wickelung und die demgemäß einzuschlagende Taktik so gründlich als deren Ursachen nachzuforschen allerdings Pflicht der Parteigenossen ist. politischen Massenstreit, wenn es sich dabei nur um das handelte, möglich nachzudenken? was manche Genossen darin sehen: um ein proletarisches Kampf­Und wer dann etwa von Gesinnungsschnüffelet spricht, der verkennt Man hat gesagt, die Diskussion über den politischen Maffen- vollständig das Wesen einer aktionskräftigen Partei, die eben nicht mittel, von dem kein Mensch wissen kann, ob es jemals zur Ver- streik werde die Aufmerksamkeit der Arbeiter von der Organisations: jeden nach seiner Fasson selig werden lassen kann. wendung gelangen wird, dessen Anwendung ganz vom Zufall ab- und täglichen Kleinarbeit abziehen und sie mit der Hoffnung auf Der politische Massenstreit läßt sich allerdings nicht organisteren hängt, das aber, wenn es wirklich einmal angewendet werden sollte, ein trügerisches Allheilmittel erfüllen. Das Buch der Genoffin und inszenieren wie ein beliebiger wirtschaftlicher Streit, aber er gleich gut oder gleich schlecht funktionieren wird, einerlei, ob das Roland- Holst gibt zu solchen Befürchtungen wirklich nicht den läßt sich dennoch vorbereiten. Vorbereiten durch den Ausbau der Proletariat für diesen Kampf vorbereitet ist oder nicht. Träfe diese geringsten Anlaß. Die Verfasserin erhebt ja gerade gegen die Organisationen, vorbereiten aber namentlich auch durch den Geist, Auffassung zu, entzöge fich der politische Massenstreik jeder Be- anarchistische Generalstreitillusion den Vorwurf, die organi- der dem Proletariate eingeflößt wird. Die Genossin rechnung und Vorbereitung, so wäre es in der Tat schade um jede satorischen Bedingungen der proletarischen Revolution zu ver- Roland- Holst sagt von diesen beiden Mitteln: Minute, die mit seiner Erörterung nuglos vertrödelt würde. fennen. Die Generalstreifidee ist aber deshalb am verderb Aber so liegt die Sache eben nicht. Das ganze Buch der lich sten für die gewerkschaftliche Pragis, weil sie auf das Hinein­Genossin Roland- Holst ist dem Nachweis gewidmet, daß der politische ziehen der Massen zur Organisation und auf die tägliche Massenstreit kein von spintisierenden Theoretikern ausgehecktes Phantom se leinarbeit teinen Wert legen tann." Der politische Massen­ist, sondern das Ergebnis des proletarischen Klassenstreit im sozialistischen Sinne aber seze gerade die denkbar beste tampfes fel 6 st. Genossin Roland- Holst betont im Gegensatz zu gewerkschaftliche Organisation und Disziplinierung voraus! Ebenso­den Zukunfts- Optimisten", die da wähnen, die wirtschaftliche wenig stehe er im Widerspruche mit dem Parlamentarismus. Entwickelung werde schließlich schon die bürgerlichen Klassen Parlamentarismus bleibt ein äußerst geeignetes, vielleicht unent­zwingen, die sozialistische Gesellschaftsordnung einzuführen, daß dem behrliches Mittel, die Massen über den fulturwidrigen Charakter des Proletariat der Sieg unmöglich ohne Kampf zufallen könne. Und modernen Staates aufzuklären, sie aus dumpfer Teilnahmslosigkeit indem sie dann sorgfältig die proletarischen Kampfmittel prüft, ge- zu erwecken und dem proletarischen Emanzipationskampfe zuzuführen, langt sie zu dem Resultat, daß der politische Massenstreit in den den bürgerlichen Parteien Reformen abzuringen, sie vorwärts zu unvermeidlichen Kämpfen eine wichtige Rolle spielen werde. Die treiben und die Differenzen auszunützen." Ueberhaupt bilde ja der Auffassung der Genoffin ergibt sich also mit zwingender logischer politische Massenstreit feinen Gegensaz sondern eine Ergän Notwendigkeit aus ihrer theoretischen Grundauffassung vom Wesen zung der bisherigen Mittel und Methoden der Sozialdemokratie. des proletarischen Klassenkampfes. Will man ihre Folgerung Wie eine Erörterung solcher Anschauungen Verwirrung und Organis -die Notwendigkeit des politischen Massenstreiks ablehnen, so sationslockerung hervorrufen sollte, ist uns völlig unbegreiflich! muß man zuvor die Unrichtigkeit ihrer Voraussetzungen nach- Man hat weiter gemeint: Welcher Unsinn, über einen politischen weisen, nachweisen also, daß die Bourgeoisie freiwillig abdanken und Massenstreit zu diskutieren, den man einstweilen doch gar nicht zu mit fatalistischer Gelassenheit zusehen wird, wie das Proletariat inszenieren wagt. Ja, wenn man noch in Hamburg und Lübeck den stückweise ihre politischen Privilegien ihren müden Händen entringt. Generalstreit proklamiert hätte! Genossen, die solche Einwendungen

Der

Eins ist die Drganisation des Proletariats; ein anderes das Bewußtsein, der Geist, der dieses beseelt und auch die un­organisierte Masse beeinflußt. Auch an diesen Geist stellt der politische Massenstreit die höchsten Ansprüche. Das Proletariat muß von flarem Klassenbewußtsein erfüllt, das heißt sozialdemokratisch erzogen sein. Es muß sich in seinen An­schauungen und Gewohnheiten immer die Möglichkeit eines plöglichen Umschlags vor Augen halten, den entscheidende Kämpfe heraufbeschworen, und entschlossen sein, in einem solchen Falle seine äußersten Kräfte gegen die Machtmittel des Staates einzuseßen..

Die Organisierungs- und Uebungsarbeit des alltäglichen, politisch- parlamentarischen Kampfes ist aber nur eine unter den Aufgaben der Sozialdemokratie, so wie die Pragis der täglichen gewerkschaftlichen Arbeit zur Besserung der Arbeitsbedingungen nicht alle Aufgaben der Gewerkschaften erschöpft. Die Auf klärung und Aufrüttelung der Massen zum revolutionären Bewußtsein, zur Einsicht, daß nur sie selbst wichtige politische und soziale Umwandlungen durchführen können, die Berbreitung der sozialistischen Grundgedanken und Ideale in den Massen, diese zweite Hauptaufgabe der Sozialdemokratie bildet zugleich die andere Seite der Vorbereitung des politisch revolutionären Massenstreifs, heißt: die Vorbereitung der Arbeiterschaft für große geschichtliche Momente, für folgenschwere Wendungen."

das

Wer auf dem Standpunkte der ökonomischen Aushöhlungstheorie machen, beweisen damit nur, daß sie die Auffassung von Kautsty steht, wie manche Gewerkschaftler und Genossenschaftler, wer wie und Roland- Holst gar nicht verstanden haben. Sie werfen eben Jaurès glaubt, durch die gesegliche Eroberung der parlamentarischen wieder einmal, wie bei der Verwechselung von anarchistischem Macht den Sozialismus zum Siege führen zu können, der hat aller- ,, Generalstreit und politischem Massenstreit" alle Begriffe funter­dings ein Recht, die Erörterung des politischen Massenstreits eine bunt durcheinander. Kautsky und Roland- Holst verstehen eben unter Man sage nun ja nicht, das seien ja olle Kamellen", über­ganz überflüssige Debatte zu nennen. Ja, er hat sogar das Recht, dem politischen Massenstreit etwas ganz anderes als etwa die flüssige Agitationsphrasen, denn alles das, was die Genoffin Roland­fich solche Diskussionen als finnlos und die Parteientwickelung Genossen b. Elm, Bernstein und Kazenstein. Genoffe v. Elm erklärte Holst hier verlange, geschehe ja schon hinlänglich durch die übliche schädigend energisch zu verbitten. Das tat z. B. Genoffe Kolb, ja in Köln , daß er einen Massenstreit zur Abwehr des Hamburger Propaganda der Partei. Was die Partei bisher an Disziplinierung der konsequent und ehrlich genug ist zu erklären, daß die Frage des Wahirechtsraubes für gar nicht so unsinnig halte, und Genosse und Aufklärung geleistet hat, in allen Ehren: aber ausreichend er­Massenstreits eben nichts anderes sei als die Frage der theoretischen Kazenstein hatte ja geradezu den Massenstreit gegen die Lübecker scheint uns das noch lange nicht. Die theoretische Durchbildung der Grundauffassung vom Wesen des Klassenkampfes. Er sagt:" Wir Wahlrechtsräuber in Vorschlag gebracht. Auch Bernstein tritt für Waffen, ja jogar mancher organisatorisch tätiger Kreise der Partei berlassen uns auf die organische Entwickelung der Dinge.... solch demonstrative Massenstreits verbunden mit Straßen- läßt noch sehr viel zu wünschen übrig. Das ist aber die größte Unsere bewährte Taktik ist die in die Theorie übertragene vodemonstrationen ein. Die Genossen erwarten also von einem Gefahr für die Partei, deren Marschrichtung doch nicht von ein paar lution. Aus dieser Tatsache gilt es, ohne Furcht die on- lokalen Demonstrationsstreit Wunderdinge. Sie unterschätzen ebenso theoretischen Autoritäten, sondern von der Masse der tätigen Partei­sequenzen zu ziehen, damit der Widerspruch beseitigt sehr die Widerstandskraft der Bourgeoisie, wie sie ihren guten Willen mitglieder bestimmt wird. Die richtige Route ist aber ohne den wird, der heute zwischen unserer Taktik und der Katastrophen- überschätzen. Wenn solche Demonstrationsstreits in Desterreich, Kompaß der Theorie nicht zu finden. Je größer die Kluft wird theorie besteht.... Das ist es, worum sich der ganze Streit Schweden , Holland 2c. schon gute Dienste geleistet haben, so braucht zwischen Theoretikern und Praktikern, desto verhängnisvoller für die dreht. Mit der Lösung dieser Frage ist auch die das darum nicht auch in Deutschland der Fall zu sein. In Partei. Jeder Praktiker sollte den Ehrgeiz haben, auch ein Stück des Generalstreits entschieden." Es gibt nichts Ober- Deutschland ist eine so flare und scharfe Ausprägung des Theoretiker zu werden. flächlicheres, als zu sagen: Wir sind durchaus keine Evolutionisten" Klassenkampfstandpunktes eingetreten, daß Demonstrationen kaum Wie schmerzlich es selbst in der Reichshauptstadt vielen Genossen und Revisionisten, aber der politische Massenstreit ist uns troßdem irgend welchen Eindruck machen würden. Man kennt die an dem elementarsten theoretischen Verständnis gebricht, das hat ja völlig schnuppe. Daß das Proletariat sich seiner bedienen wird, ist Gefährlichkeit der Sozialdemokratie viel zu gut, als daß man nicht so drastisch die Versammlung der Dreitausend bewiesen, die sich schon möglich, aber beschwören kann's doch auch keiner. Kommt er geschlossen den Kampf gegen sie aufnehmen würde. Für Deutschland außerstande fühlten, in den verworrenen Ausführungen Friedebergs aber, na, so tommt er eben und wird schon so geführt werden, wie käme deshalb nur die Form des politischen Massenstreits in Betracht, Richtiges und Unrichtiges zu trennen. Sicher hatten ja manche der es die Umstände bedingen. Vorbereiten läßt sich der General- die der Kapitalistenklasse an die Nieren geht, die den ganzen Staat Anwesenden das Gefühl, daß es mit den Ausführungen des Refe streit jedoch nicht also warum darüber so viel Worte machen. zu desorganisieren droht. Ein Streit von so gewaltigen Dimensionen renten vielfach nicht seine Richtigkeit haben könne, aber zu festen Die ganze Diskussion ist nur aufgetaucht, weil wieder einmal ein und solcher Energie läßt sich aber nicht einfach proklamieren, er muß Begriffen, zu flaren Einwendungen vermochte sich dies instinktive paar von den allezeit streitlustigen Theoretikern die Frage aufge- aus der Stimmung der Massen mit elementarer Kraft hervorbrechen. Mißtrauen nicht zu verdichten. Dieser trübselige Zustand ist aber worfen haben. Genoffin Roland- Holst sagt darüber: tein unabänderliches Muß, es läßt sich wirklich mehr theoretische, Es ist bei der Diskussion über den Generalstreik oft davon prinzipielle Klarheit in die Köpfe auch der großen Masse bringen, die Rede, ob der politische Massenstreit in diesem oder jenem Falle, wenn nur erst in engeren Kreisen die verhängnisvolle Gleich 3. B. zur Erringung oder Sicherung des Wahlrechts anzuwenden gültigkeit gegen die Theorie überwunden ist. Zu dieser Gleich= fei. Wer dies im Voraus bestimmen will, beweist nur, daß er von gültigkeit mag ja in der Tat die oft unparteigenöffisch gereizte den psychologischen Bedingungen, die sich zu den wirtschaftlichen und Form der Polemit ihr Teil beigetragen haben. Nun sollte man organisatorischen Voraussetzungen der siegreichen Boltserhebung jetzt nicht in den noch noch viel größeren unigekehrten Fehler gefellen müßten, keine Ahnung hat. Der politische Massenstreit verfallen, gleich jede theoretische Diskussion, deren Nußen und Be­läßt sich ebenso wenig beschließen oder verbieten, wie irgend ein großer Streit, eine Massenbewegung, eine Boltserhebung, eine Re­

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Sehen wir uns doch einmal diese Einwürfe, die wir so oft aus dem Munde von Genossen gehört haben, von denen wir ein bers ständigeres Urteil erwartet hätten, ein wenig näher an. Da bes tommen zunächst die diskutiersüchtigen Theoretiker ihr Teil. Sie haben wieder einmal aus langer Weile eine Frage aktuell gemacht. Und obendrein haben sie ihre ganze bisherige Auffassung verleugnet, da doch bisher stets unwidersprochen der Generalstreit als Generalunsinn galt. Nun, zunächst war unter dem Generalstreit, den man für Generalunsinn erklärte, der anarchistische Generalstreit gemeint, der, wie wir gleich zeigen werden, ganz etwas anderes ist, als der politische Massenstreit, von dem in unseren Debatten die Rede ist. Zweitens ist es total unrichtig, daß die betreffenden Theoretiker ganz urplöglich die Entdeckung gemacht hätten, daß der politische Massenstreit in den proletarischen Befreiungstämpfen eine wesentliche Rolle zu spielen geeignet jei. Der eifrigste Befürworter der Ansichten der Genoffin Roland- Holst , Genosse tautsty, war dieser Auffassung schon sehr viel früher. So lesen wir in seiner Broschüre Die soziale Revolution", die 1902 erschien:

bolution.

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deutung man nicht sofort einsieht, für eine persönlicher Wichtigtuerei entsprungene Zungendrescherei der zur praktischen" Arbeit zu bequemen Herren Theoretiker" zu halten. Wer das Buch der Genoffin Roland- Holst aufmerksam gelesen hat, wird unbedingt zugeben müssen, daß es sich bei dem politischen Massenstreit um eine Frage handelt, die für die Zukunft des Proletariats von außer­ordentlicher Bedeutung und für die Gegenwart deshalb höchst aktuell" ist, weil es schon heute gilt, die Vorbereitungen für das zukünftige Handeln der Partei zu schaffen. Aber selbst wenn sich Kautsky und Genoffin Roland- Holst in der Beurteilung des Massenstreits irrten, so sollte der Partei eine tiefergehende theoretische Erörterung schon deshalb sehr willkommen sein, weil sie den Massen Gelegenheit gibt, ihre sozialistischen Vorstellungen zu flären, etwas was ihnen not tut wie das tägliche Brot.

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Aus der Partei.

Zur Vorwärts"- Frage"

H. S.

lautet der zweite Artikel der Leipziger Volkszeitung": Der Vorwärts" behauptet, K. E. habe mit seinen Ausfällen gegen uns nur auf einen an den Haaren herbeigezogenen Angriff" geantwortet. Sehen wir zu!

So tief muß die Empörung, so überwältigend die Sehnsucht der Massen sein, daß es ihnen zu einer Gewißheit wird, in den alten Verhältnissen nicht weiter leben zu können, so erstrebenswert muß ihnen des Kampfes Ziel fein, daß ein jeder seine ökonomische Eristenz, ja sein Leben mit Freuden dafür einsetzt. Der politische Massenstreit kann also nur das Ergebnis einer heftigen moralischen Krise im Proletariat sein, eines Ausbruches lang an gesammelter revolutionärer Erregung. " Das dem Proletariat eigentümliche Pressions- und Kampf- Man sieht, von wie verschiedenartigen Gesichts­mittel ist die organisierte Arbeitsverweigerung, der Streit. Je punkten die Genossen Bernstein , Elm 2c. einerseits und Kautsky , mehr die kapitalistische Produktionsweise sich entwickelt und das Roland- Holst andererseits ausgehen. Die ersteren halten die deutsche Kapital fich fonzentriert, desto riesenhaftere Dimensionen nehmen Bourgeoisie für schwach und nachgiebig genug, fie schon jetzt Und je mehr die kapitalistische Produktionsweise durch förmlich proflamierte Demonstrationsstreits zu Zugeständnissen die kleinbürgerliche verdrängt, desto mehr wird die gesamte Ge- givingen zu können, während die legteren mit der weiteren Ver­sellschaft abhängig vom ungestörten Fortgang der fapitalistischenfchärfung der Gegenfäße zwischen Bourgeoisie und Proletariat Produktion, desto mehr wird jede ernsthafte Störung der letzteren, rechnen und der Ansicht sind, daß der politische Massenstreit erst in wie sie ein Streit großer Massen mit sich bringt, eine nationale den entscheidenden Kämpfen eine dann allerdings um Ralamität, ein politisches Ereignis. Auf einer gewissen Höhe der so wichtigere Rolle spielen wird! Die Ursache auch dieser ökonomischen Entwickelung liegt dann der Gedanke nahe, den Meinungsverschiedenheiten besteht also wiederum in der verschieden­Streit als politisches Kampfmittel zu benußen. Es ist als artigen Grundauffassung vom Wesen des Klassenkampfes! solches bereits in Frankreich und Belgien in die Erscheinung ge= Nun tönnte man aber erst recht wähnen: Wenn der politische treten und hin und wieder mit Erfolg angewandt worden. Massenstreit sich nicht willkürlich inszenieren läßt, wenn er den Vollmar wurde wegen seiner Depesche an die Tägliche Rund­Meines Erachtens wird er in den revolution är en elementaren Ausbruch der Volts empörung darstellt, so stehen wir schau" vom Vorwärts" verurteilt. Dagegen legten wir in unserem Kämpfen der Zufunft eine große Rolle spielen. ihm auch machtlos wie einem Naturereignis gegenüber und brauchen Leitartikel über" guten Ton" dar, daß mit der Verurteilung Voll­In meinen Artikeln über das neue Parteiprogramm von 1891 ihn also erst recht nicht diskutieren. Nichts falscher als das! Schon mars sehr wenig erreicht sei, wenn nicht mit der üblen Sitte, die in ( Reue Beit ", 1890/91 Nr. 50, S. 757) wies ich schon auf die um Auffassungen wie die von Bernstein , v. Elm, Kazenstein mit seiner Depesche gipfele, gründlich aufgeräumt werde. Wir führten Möglichkeit hin, daß unter Umständen, wenn eine große Ent- Argumenten entgegentreten zu können, ist es nötig, alle Formen als Beispiel an, daß der Vorwärts", wenn auch nicht in so krasser scheidung bevorsteht, wenn gewaltige Ereignisse die Arbeitermassen des politischen Streits und alle Voraussetzungen für diese Formen Form, wie Vollmar, eben erst denselben Fehler begangen habe. aufs tiefste aufgewühlt haben, ausgedehnte Arbeitseinstellungen fennen zu lernen, furz das Problem eingehend zu studieren. Dies Diese Bemerkung war gerade so an den Haaren herbeigezogen", große politische Wirkungen hervorrufen können." Studium führt aber geradewegs zurück zu den theoretischen Grund- wie die Kritik des Vorwärts" an Vollmar. Damit möchte ich natürlich nicht der Idee des fragen der Partei als den Wurzeln des jeweiligen Standpunkts. Den Fall selbst kennen unsere Leser, aber sie müssen uns ge­Generalstreits im Sinne der Anarchisten und der Man lerne doch endlich begreifen, daß dergleichen sogenannt, taktische" statten, ihn noch einmal kurz zu rekapitulieren. Ende Mai d. J. französischen Gewerkschaften das Wort reden. Dieser soll die Fragen nie und nimmer für sich, sondern stets nur im Zusammen- veröffentlichten die Berliner Genossen einen Aufruf im Vorwärts". politische und namentlich die parlamentarische Tätigkeit des hang mit der Theorie der Partei zu lösen sind. worin sie die Absicht kund gaben, eine Pflicht der Pietät gegen ihre Proletariats ersetzen und er soll das Mittel werden, die bestehende Eine allgemeine Bemerkung erscheint mir hier sehr am Plaze. Vorfahren zu erfüllen und eine Geschichte der Berliner Arbeiter­Gesellschaftsordnung mit einem Ruck über den Haufen zu werfen. Die Genossen, die da immer in Abrede stellen, daß dem Meinungs- bewegung herauszugeben, wozu sie um Einsendung von Material Das ist unsinnig." streit in der Partei ernste und wichtige fachliche Meinungsver- baten. Der Aufruf, der nicht den geringsten Angriff auf gegnerische Man sieht also, wie töricht der Vorwurf ist, unsere Theoretiker schiedenheiten zu Grunde lägen, berufen sich zum Beweise dafür, Parteien enthielt, veranlaßte Herrn Eugen Richter in einem langen framten auf einmal ein ganz neues Rezept aus. Ein etwas eifrigeres daß alles nur persönlicher Krafeel" fei, gern auf die ver- Leitartikel, die höhnische Aufforderung an die Berliner Genossen Studium der Schriften unserer Theoretiker würde aber sowohl dies schiedenartige Wertung von Aeußerungen je nach der Person. Als zu richten, in dem von ihnen geplanten Geschichtswerke doch ja auch wie manches andere Mißverständnis von vornherein ausschließen, Ed. Berustein und Vollmar sich für die Bizepräsidentschaft ausges zu erzählen, daß Bismard und sein Reptilienfonds die Taufpaten was für Diskussionen ungemein ersprießlich wäre! sprochen hatten, habe man gleich losgeschlagen, während man Barbus der Berliner Arbeiterbewegung gewesen seien. Hierzu schwieg der Es war also nicht Sensations- oder theoretische Rauflust, was sein Eintreten dafür kaum verübelt habe. Die Neutralität der Ges Vorwärts", während wir in einer kurzen Notiz einige besonders Kautsky und andere die Frage des politischen Massenstreits erörtern werkschaften erkläre man für revisionistisch, und doch sei auch Bebel bübische Lügen Richters zusammenstellten und ihn daraufhin einen ließ, sondern eine alte, längst gehegte, aus der theoretischen Grund- dafür eingetreten. Und beweise nicht auch Bernsteins Eintreten für Strolch noch im Sterben" nannten. Dazu schwieg der Vorwärts" auffassung herausgewachsene Ueberzeugung. Daß die Erörterung ben politischen Massenstreit, daß es lächerlich sei, von Radikalismus abermals. Erst zehn oder zwölf Tage später, als die Kölnische aber solche Dimensionen annahm, daß sie auf die Tagesordnung des und Revisionismus zu sprechen? Zeitung" die Parteipresse aufforderte, unseren auf Richter an= Jenaer Parteitages gesetzt wurde, das hatte gleichfalls seine sehr Daß Bernsteins Eintreten für den politischen Massenstreit mit gewandten Ausdruck zu verleugnen, druckte der Vorwärts" das triftigen Ursachen. Man vergesse doch nicht, daß der politische seinen sonstigen Anschauungen durchaus im Einklange steht und ganz einzige von allen Parteiblättern diese Aufforderung nach und

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