Nr. 337. 22. Jahrgang.nlage des.HmSlts" Kerliun KIKsMDienstag, W. Oktober MZ.Das summarische Versahren.X. Die Reform der Strafprozeßordnung.*)Aus dem dilcttantcnhasteften und traurigsten Machwerk, das jedie Bureaukratie ersonnen hat, dem vom Reichstag zurückgewiesenenEntwurf zur Strafprozeßordnung von 1894, entlehnt die Strafprozeßkommission die exorbitante Erweiterung des sogenannten a b■gekürzten oder summarischen Verfahrens. Was hierdem deutschen Volke zugedacht wird, kann auch die kühnste Phantasienicht für möglich halten. Die an Schneidigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen den Verdächtigen alles nur Denkbare übertreffenden Vor-schlage der Kommission gehen dahin: Bei Uebertretungen ohne jedeAusnahme und bei allen Vergehen, sofern der Beschuldigte auf frischerTat betroffen und vorläufig festgenommen ist oder sofern der Beschuldigtedie ihm zur Last gelegte Tat eingesteht,— einige weitere,hier nicht interessierenden Fälle lassen wir unerwähnt— ist aufVerlangen der Staatsanwaltschaft der Angeklagte in einem ab-gekürzten Verfahren abzuurteilen. Dieses findet in allen Fällen,also auch für jede Art von Vergehen, vor dem Amts-richter ohne Zuziehung von Schöffen statt. DieStaatsanwaltschaft führt den Beschuldigten ohne E i n r e i ch u ngeiner Anklageschrift dem Amtsrichter mit dem Antrag aufsofortige Aburteilung vor. Dieser teilt dem Angeklagten mündlichmit, was ihm zur Last gelegt wird, und schreitet sodann sofort oderspätestens am zweiten Tage nach der Vorführung zur HauptVerhandlung, wobei er zugleich auch über die Verhaftung oderFreilassung des Angeklagten entscheidet. Ob dieser seine Zustimmungzu der mit ihm vorgenommenen Prozedur gibt oder nicht, ist ohneBedeutung. Sie findet auch gegen seinen ausdrücklichen Widerspruch statt.Die zur Beratung der Lex Rintelen vom Reichstag gewählte Kom-Mission machte nach reiflicher Beratung die Anwendung des sunima-rischen Verfahrens von der Einwilligung des Angeklagten ab-hängig. Diese Voraussetzung sollte sich in einem Rechts st aatvon selbst verstehen. Man werde sich nur klar, wie das summarischeVerfahren nach den Vorschlägen der Strafprozeßkommission in derPraxis vor sich gehen wird. Ein Redner in einer Versammlungtut einen Ausspruch, in dem der überwachende Schutzmann eineStraftat, etwa eine Majestätsbeleidigung, Aufreizimg, Aufforderungzum Ungehorsam gegen die Gesetze, Beleidigung oder dergl. findet.Der auf frischer Tat ergriffene Redner wird vorläufig festgenommenund sodann dem zuständigen Amtsgericht vom Staatsanwalt zursofortigen Aburteilung vorgeführt. Als einzigen Tatzeugenladet der Staatsanwalt zur Hauptverhandlung den Schutzmann. Namen von Gegenzeugen oder sonstiges VerteidigungsMaterial kann sich der seiner Freiheit Beraubte nichtbeschaffen. Auch einen Verteidiger sich anzunehmen ist er nicht inder Lage, denn innerhalb 24 Stunden findet die Hauptverhandlungstatt. Ungefähr aber so viel Zeit dauert eS bei unserem bureau-kratischen Geschäftsgang, bis die Bitte des Angeklagten um Brief-p ap ier, auf dem er einen Rechtsanwalt um seinen Besuch ersuchenwill, an die zuständige Stelle gelangt ist. So herrlich für den An-geklagten vorbereitet, gelangt die vielleicht in tatsächlicher undnoch mehr in rechtlicher Beziehung äußerst kompliziert liegendeSache zur Hauptverhandlung. Hier kann dann der Einzelrichter, oftein ganz junger Assessor, eine GesängniSstrafe bis zu fünf Jahrenverhängen.Und aus welchem inneren Grunde soll diese ganze überhastete,alle sonst für notwendig erachteten Garantien eines geordnetenGerichtsverfahrens außer acht lastende Prozedur zur Anwendung ge-langen? Allein aus dem zufälligen und rein äußerlichen Grunde,weil der Angeklagte auf frischer Tat betroffen ist—übrigen? ein Rechtsbegriff, der der schärfsten begrifflichen Präzisionbedürfen würde, sofern seine Annahme nicht in das völlig subjektiveBelieben der Anklagebehörde gelegt werden soll. Um solche Kleinig-leiten kümmert sich natürlich die Strafprozeßkommission nicht. Ihrwissenschaftlicher Sinn gestattet eS ihr, nicht einmal denVersuch der Aufftellung einer Definitton zu machen.Noch viel bedenUicher ist eS, an die Tatsache des Geständnisse? ohne weiteres die Zulastung des summarischen Verfahren»zu knüpfen. Die Kommission ist so entzückt von ihrer eigenenSchneidigkeit, zu der sie sich hier endlich voll durch«gerungen hat, daß sie selbst für ihre Arbeiten dassummarische Verfahren anwendet, über die von einzelnen Mit-gliedern schüchtern vorgebrachten Einwendungen im Husarenritt-Tempo hinwegjagt und in der Eile ganz vergißt, daßsie eine Rechts ordnung schaffen sollte. Sie hätte sich sonst wohlklar werden müssen, daß zu der Beurteilung einer Strafsache oftauch die Lösung sehr schwieriger rechtlicher Zweifelsfragen gehört, so daß damit, daß der Angeklagte die ihm zur Last gelegtenTatsachen zugibt, der Fall in keiner Weise entschieden und esdaher wenig angebracht ist, nur wegen des ZugeständnisteS derTatsachen der Anklage jede Verteidigungsmöglichkeit mit Stumpfund Stiel auszurotten. Mag allenfalls bei den sogenannten ge«meinen Verbrechen ein abgekürztes Verfahren im Falle des Ge-ständnisteS des Beschuldigten unter Umständen unschädlich sein, soliegt die Sache sofort anders bei allen in das politische oder gewerk-schaftliche Gebiet hinübergreifenden Anklagen. Wir wissen, welcheaußerordentliche Ausdehnung die Auslegung der gesetzlichen Tat-bestandSmerlmale gerade bei den hier einschlägigen Deliktenerfahren hat, wir wissen, daß auch der scharffinnigsteJurist oft nicht vorauszusehen vermag, ob eine bestimmteTat als eine durchaus gesetzmäßige von den Gerichtenangesehen oder alz das niedrigste und gemeinste Delikt gebrandmarkt,iverden wird, welches da» unverfälschte Rechtsbewußtsein deS Volkeskennt, als Erpressung. In jener berühmten Entscheidung deS Reichs-gericht», welche den Anfang mit der Anwendung de» Erpressung«-begriffs auf die Ausübung des Koalilionsrechts gemacht hat, sind eSin erster Linie die von den Arbeitern dem Arbeitgeber gegenüberangenommenen dreisten und herausfordernden Mienen, welchedie Grenzlinie zwischen vollkommenem Recht und schwerem Unrechtgezogen haben. Oder man denke an die ungeheuere und ungeahnteAusdehnung, die der§ 1S3 der Gctverbe-Ordnung im Laufe der Zeitallmählich erfahren hat, bis endlich sogar das Reichsgericht denletzten Schritt getan hat, ihn auf den von den Arbeitern den Arbeit-gcbern gegenüber geübten Willeuszwang anzuwenden, worin eineReihe höchster Landesgerichte mit Recht die Bestrafung der Ausübungder Koalitionsfreiheit als solcher erblicken zu müssen vermeinen.WaS hat ferner nicht alles die Rechtsprechung als Majestätsbeleidigung,als Aufreizung zum Klassenhaß. als Beschimpfung religiöser Ein-richtungen angesehen, oder welche der herrschenden Gewalt scharfgcgenübergetretene politische oder gewerkschaftliche Betätigung istnicht irgendwann und irgendwo einmal als grober Unfug bestraftworden?In allen diesen Fällen stehen die den Angeklagten zur Last ge-•) Vergleiche 170, 185, 191, 196, 200, 206, 208, 215, 219 des»Vorwärts*.legten Tatsachen durchaus fest, die rechtliche und soziale Wertung,die ihnen die Anklagebehörde geben will, allein ist eS. wogegen sichdie Angeklagten mit Energie sträuben. Und wer will hier wirklichden Mut haben, den Propheten zu spielen und vorauszusagen, welcheRechtsauffastung schließlich zum Siege gelangen wird, die des An-geklagten oder die der Anklagebehörde? Denn in allen den vor-genannten und ihnen analogen Fällen sind die Grenzlinien zlvischenRecht und Unrecht bis zur vollkommenen Unkenntlichkeit verivischt.Die Strafprozeßkommission weiß von diesen tiefernsten Er-schemungen nichts, sie ist so beneidenswert unschuldig, daß für sieeine Tat, die der Angeklagte zugibt, keinerlei Schlvierigkeitenmehr bietet. Wozu braucht der Angeklagte dann noch Zeit undMöglichkeit, seine Verteidigung vorzubereiten, er ist geständig I Nunkann der Einzelrichter ruhig zur Aburteilung schreiten.Gegen die Flachheit dieser Auffassung und ihre Gefährlichkeitbat die von der schneidigen Sttafprozeß-Kommission einerBeachtung nicht gewürdigte Wissenschaft in energischster Weise Frontgemacht. Insbesondere hat B i n d i n g bereits im Jahre 1895 dagegen mit Entschiedenheit angekämpft und mit bitterem Hohn denVorschlag gemacht, man möchte doch auch ja nicht die Errichtunggerichtlicher Nacht st ationen vergesten, denn wacht der Ver«brecher, so muß auch das Gericht wachen, und, ehe der Tag graut,kann dann der Verbrecher seine Strafe zu verbüßen beginnen.Vielleicht würde sich auch, worauf schon einmal Profestorvon Bar hingewiesen hat, die gesetzliche Einführung der Lynch-justiz empfehlen, sie ninimt noch kürzere Zeit in Anspruch undbietet keineswegs geringere Garantien, als das von der Kommissionbeabsichtigte summarische Verfahren, welches, da es alle zugunstendes Angeklagten und seiner Verteidigung im Laufe der Zeiterrungenen Rechte vernichtet, dem Richter die Möglichkeit, ein fach-geniäßes Urteil zu fällen, von Grund aus versperrt.Die Kommission beruft sich für ihre Regelung auf das eng-l i s ch e Recht. Allein wenn die Kommission einmal wissenschaftlichsein will, so passiert ihr stets das Mißgeschick, daß sie sich gründlichirrt. So wie sie die Fristen, die das österreichische Recht für dieDauer der Kollusionshaft kennt, ungenau angibt, so täuscht sie sichauch hier,— übrigens für eine Kommission von.Sachverständigen* einenicht sehr anerkennenswerte Leistung. In Wahrheit verlangt Eng-l a n d für die Anwendung des summarischen Verfahrens ausdrücklichdie Zustimmung des Angeklagten, womit natürlich derBestimniung der Stachel genommen ist. Gerade diese entscheidendeVoraussetzung aber will die Strafprozeßkommission nicht geltenlassen, im angeblichen Interesse der Würde und der Autorität deSGerichts, welche wirklich keinen Eindruck mehr machende Phrase stetsherhalten muß, wenn es sich darum handelt, den Angeklagtenrechtlos zu stellen und ihm die Möglichkeit der Verteidigung zunehmen.Wirkt auch das summarische Verfahren bei Vergehen mitRücksicht auf die Höhe der hier in Frage kommenden Strafen inseiner ganzen Ungerechtigkeit besonders sinnfällig und abstoßend, soist eS nicht minder gefährlich bei der Gattung der geringfügigstenDelikte, den Uebertretungen. Gerade wir Sozialdemokratenhaben alle Ursache, an dieser Stelle besonders auf der Hutzu sein. Hier ist das Gebiet, auf dem alle diekleinen polizeilichen Nadelstiche der aufftrebenden oppositionellenArbeiterbewegung versetzt werden: Von der straffen Heranziehungde« Vereinsgesetzes an bis hinunter zu dem Sttaßenpolizeireglementgegen die Streikposten, der Sonntagsheiligungs-Verordnung gegendie Flugblattverteiler u. s. f. bis ins Unendliche. So sehr wir auchüber den besonders in Preußen verbreiteten Glauben subalternerPolizeigeister, auf diesem Wege die größte Kulturbewegung der Zeitersttcken zu können, lächeln, so energisch werden wir dennoch zuprotestteren haben, daß auf diesem Gebiete, auf dem ganz besondersintensiv der Kamps gegen die Arbeiterbewegung geführt wird, undauf dem, insoweit e» sich um Polizeiverordnungen handelt, diePolizei sogar der einzige gesetzgebende Fattor ist, nichtirgend eine der sonst für notwendig erachteten Garantien fortfällt.AuS diesem Grunde müssen wir uns mit Entschiedenheit gegenden Kommissionsvorschlag wenden, in allen UebertretungSsachen dieAburteilung ausnahmslos dem Einzelrichter, ohne Zuziehung vonSchöffen, zu übertragen und uneingeschränkt das summarische Verfahrenzuzulassen. Wir werden vielmehr im Gegenteil verlangen müssen,daß nicht bloß diese beiden erheblichen Verschlechterungen de« geltendenRechtes unterbleiben, sondern auch daß da« allein einer wirklichenRechtspflege entsprechende Prinzip des Zwange» zur Vernehmung dersämtlichen vom Angeklagten geladenen Zeugen auch auf das Ver-fahren in UebertretungSsachen uneingeschränkte Anwendung findet.Die Strafprozeßkommission erhofft von der Einführung dessummarischen Verfahrens eine Einschränkung der Dauer derUntersuchungshaft. Daß sich dieses gewiß erstrebenswerteZiel auf andere und bessere Weise leicht erreichen läßt, haben tvirim Anschluß an die von der Kommission völlig ignorierten Vorschlägeder Wissenschaft bereits in den früheren Artikeln betont. Die Ab-kürzung der Untersuchungshaft mit einem tumultuarischen und dahersicherlich zumeist zuungunsten deS Angeklagten ungerechtenMteil zuerkaufen, ist ein zu teurer Einsatz. Selbstverständlich, wenn mannicht untersucht, sondern sofort verurteilt, kann e» auch keineUntersuchungshaft geben. In Wahrheit wird diese übrigen» trotzder Ueberhastung des Verfahrens an Dauer kaum verlieren.Denn da sich das deutsche Volk das Recht, sich gegen eine ungerechteAnklage zu wehren, niemals rauben lasten wird, so wird eben diezweite Instanz zur ersten, hier daS ganze Verteidigungsmaterialvorgebracht werden und daher daS Verfahren in dieser Instanz umsolänger währen. Endlich werden es auch gar nicht die einfachenFälle sein, in denen das summarische Verfahren zur Anwendung ge-langt. Der ganze schwerfällig und bureaukrattsch arbeitende, aufBeschleunigung nicht zugeschnittene Geschäftsgang unserer Staats-anwaltschaften und Gerichte wird dahin führen, daß in normalen Zeitenund in normalen Fällen diese ganze Prozedur auf dem Papier stehenwird. Man kann die« schon aus dem geltenden Recht schließen, das bereit«in beschränktem Maße ein solches Verfahren kennt, ohne daß eS jemals inirgendwie nennenswertem Umfange zur Anwendung gebracht ist. Um soüppiger aber wird eS in politisch oder wirtschaftlich�erregtenZeiten empor-schießen und seine zersetzende, jede sorgfältige Erforschung der objektivenWahrheit zerstörende Wirkung ausüben gegen einen Redner, der ein vor-eiliges Wort spricht, einen Redakteur, der eine unvorsichtige Wendungbraucht, einen Flugblattverteiler, einen GeiverlschaftSsührer, der sichin einer Versammlung für die Proklamierung eines Stteiks ausspricht, einen Streikposten, der Arbeitswillige auf da« Bestehen einesStreiks aufmerksam macht usw.Für die Gewerkschaftsbewegung liegt hier eineeminente Gefahr vor und Aufgabe jedes dazu Berufenen ist es, un-verzüglich die Arbeiterschaft mit aller Entschiedenheit über den ge-planten Angriff auf eine sachgemäße und geordnete Rechtspflegeaufzuklären, damit verhütet wird, daß die Regierungen den Volks-feindlichen Bestrebungen der Strafprozeßkomnussion in dem zu er-wartenden Gesetzentwurf folgen.In der„Deutschen Juristenzeitung*, deren bisherigeeinseitige Stellungnahme zugunsten der fast überall gegen den An-geklagten gerichteten Vorschläge der Strafprozeßkommission bei einemunabhängigen Fachblatt nicht scharf genug verurteilt werden kann,nennt der Oberlandesgerichtspräsident Hamm die Regelung, die vonder Kommission vorgeschlagen ist, die„glücklichste* Lösung, welchedie abschreckende Wirkung der Strafe erhöhen werde. Richtigerwürde niau wohl von der abschreckenden Wirkung deS deutschen G t ras-Verfahrens sprechen, daS jede unbequeme polittsch» oder gewerkschaftliche Betätigung zu verhindern geeignet ist. Man steht,was die glück' ch begrabene Umsturz- und ZuchthauSvorlage nichtvermochte, läßt sich auch auf dem Umwege des Strafprozesses erreichen, sofern daS deutsche Volk nicht rechtzeitig gegen die Be-strebungen seiner reaktionären Juristen auf der Wacht steht.Huö der Partei.Heber den Jenaer Parteitag gab in der gutbesuchten Versamm-lung deS Wahlvereins in Jena am 6. Oktober der VorsitzendeLeber einen ausführlichen Bericht, indem er die einzelnen Be-ratungsgegenstände durchging und daran kritische Bemerkungenknüpfte. Mit dem Verlauf deS Parteitages kann die JenaerOrganisation zufrieden sein, ihre Darbietungen haben die An-erkcnnung der Gäste gefunden, den Komiteemitgliedern und denMitwirkenden wird der besondere Dank deS PartcivorstandeS ab-§estattet. In der Diskussion wurde der Wunsch ausgesprochen, zurrage der Frauenagitation eine besondere Frauenvcrsammlung ein-zuberufen. Eine vom Vorstand eingereichte Resolution, die sich mitden Beschlüssen deS Parteitages einverstanden erklärt, wurde zumBeschluß erhoben. Der vorläufige Kassenabschluß vomParteitag, den Kassierer Hörschelmann vortrug, läßt stattdes mutmaßlichen Defizits einen beträchtlichen Ueberschuß erwarten.Einer voraussichtlichen Ausgabe von 4300 M. steht eine Voraussicht-liche Einnahme von 5400 M. gegenüber. Dieser Abschluß erwecktelebhafte Genugtuung, lieber die Verwendung deS UeberschusseS wirdin nächster Versammlung Beschluß gefaßt. In der Versammlungwurde auch mitgeteilt, daß es nicht gelungen ist. die PersönlichkeitdeS Buben festzustellen, der die Obelisken vor dem VolkShauS zuBeginn deS Parteitages durch Begießen mit einer Säure beschädigthat.— Der Wahlverein zählt jetzt 638 Mitglieder.DaS neue Organisationsstatut veranlaßt den Landesvorstandfür Württemberg, zum 26. November eine außerordentlicheLandesvcrsammlung nach Stuttgart einzuberufen. Ausgabe der-selben soll sein, daS Statut der württembergischen LandeSorgani-sation dem allgemeinen Organisationsstatut anzupassen. Im Zu-sammenhange damit findet am 25. November eine Konferenz allersozialdeniokratischen Gemetndevertreter Württemberg? statt.— Dieneu geschaffene Parteiorganisation macht auch eine Umgestaltungder Landesorganisation der sozialdemokratischen Partei deS Herzog-tums Brau«schweig notwendig. Der Vorstand deS Arbeiter-Vereins Braunschweig, dem auch die Regelung der LandeSangelegen-heiten obliegt, veröffentlicht einen diesbezüglichen Statuten-Entwurf.der auf dem demnächst stattfindenden Landesparteitage erörtert undbeschlossen werden soll.Das AgitationSkomitce für den Niederrhein erstattet alt denEnde Oktober in Essen stattfindenden Provinzialparteiwg seinenGeschäftsbericht. Daraus ist zu entnehmen, daß daS Geschäftsjahrin einer verhältnismäßig ruhigen Zeit begann, im Laufe desselbengaben aber der Bergorbeiterstreik und die ReichstagSersatzwahl inEssen der Bewegung einen besonderen Impuls. WaS die Organi-sation anbetrifft, so ist im Agitationsbezirk eine Zunahme von2509 Mitgliedern zu verzeichnen. In den Kreisen Kleve, Geldernund Siegen war eS auch in diesem Jahre nicht möglich, festen Fußzu saßen. Um gründlicher die Agitation betreiben zu können, wurdefür den nicderrheinischen Agitationsbezirk ein besoldeter Partei«sekretär in der Person des Genossen Faure angestellt, außerdem habendie Wahlkreis« Essen und Mühlheim-DuiSburg besoldete Partei-sekretäre. Die mündliche und schriftliche Agitation war eine sehrrege. An Flugschriften wurden 600 000 im Berichtsjahr« verbrettet.darunter 124 000 Kalender, lieber die AgitattonSschrift„Morgenrot"soll auf der Konferenz berichtet werden. Die Parteiprcss« ist durchdie Gründung der„Remscheider Arbeiterzeitung", die ein Kopfblattder..Bergischen Arbeiterstimme" in Solingen ist, vermehrt worden.Diese Neugrundung hat aber auf argen Widerspruch gestoßen undauf dem Parteitage werden sich an diese Gründung wohl weitereErörterungen knüpfen.Auch der Kommunalpolitik ist die nötige Aufmerksamkeit ge-schenkt worden. Am 1. Oktober hat eine in Barmen stattgefundeneGemcindevertreter-Konferenz eine Programm-Vorlage für denParteitag fertiggestellt. Zurzeit sind in LI Orten des Agitation?-bezirkes 67 sozialdemokratische Gemeindevertreter vorhanden. All.gemein ist die Klage über die Abtreibung der Versammlungslokale.Wo die Schwarzen in Betracht kommen, verstehen diese im Vereinmit der Polizei die Saalabtreibereien erfolgreich durchzusetzen,kommen aber die Freisinnigen in Frage, so stehen diese denSchwarzen darin nicht nach.Die Agitationskommisston für die Provinz Schleswig-Holsteinveröffentlicht ihren Bericht für den Zeitraum vom 1. Juli 1904 bi»31. Juni 1905, der dem zum 15. und 16. Oktober m Elmshorntagenden Provinzialparteitag als Grundlage für seine geschäftlichenBeratungen dienen soll. Dem Beschluß des vorjährigen Provinzial-Parteitages auf Anstellung eines besoldeten Agitationsleiters fürdie Provinz, das Fürstentum Lübeck und da» Herzogtum Lauenburgist durch Anstellung deS Genossen E. Saatfeld aus Hamburg Rech-nung getragen worden, der sein Amt als Vorsitzender der AgitationS-kommission Anfang Januar diese» JahreS antrat. Um den Arbeitender Kommission eine sichere finanzielle Grundlage zu geben, wirdein Etat über die voraussichtlichen Ausgaben und die notwendigenEinnahmen aufgestellt, den der Provinzialparteitag zu prüfen hat.In den beiden letzten Quartalen de» vergangenen Geschäftsjahre»erhob die Kommission von den ihr unterstellten Wahlkreisen 20 Proz.der eingegangenen Mitgliedcrbeiträge; den Prozentsatz für da»kommende Geschäftsjahr wird der Provinzialparteitag nach demEtat festsetzen. Eine von der Kommission veranstaltete Agitationfür die„SchleSwig-Holsteinische VolkSzeitung" hatte nur teilweiseErfolg, die Auflage des ProvinzialorganS«st jetzt 16 000. Di« Zahlder Abonnenten der„Gleichheit" ist von 228 auf 1415 in die HöheSeschnellt. Für Agitation auf dem Landgebict wurde eine Flug-hrift in Zeitungsformat, der„Rote Landbote*, herausgegebenund bis jetzt in drei Nummern in dänischer und in deutscher Spracheverbreitet. Von der ersten Nummer wurden 155 000 Exemplare indeutscher Sprache, 12 000 Exemplare al» dänischer„Röoe Postbud"verteilt. Die zweite Nummer wurde in kleinerer Auflage durch diePost verschickt, mit der dritten Nummer wird zurzeit wieder eineallgemeine Verbreitung vorgenommen. Außerdem wurde in derMehrzahl der Kreise die Broschüre„Grundsätze und Forderungen"verbreitet. Das wirkungsvollste AgitationSmatcrial ist der„Nord-deutsche VollSkalender", der in deutscher Sprache in 150 000 Exem-plaren, als dänischer„SozialdemokratietS nordslcSvigske Folke-Almanak' in 10 000 Exemplaren seinen Weg bis in die entlegenstenDörfer und Gehöfte der Provinz fand. Ferner wurden noch 305 000Flugblätter, 20 000 Maizeitungen und sonstige» Schriftenmaterialverbreitet. Der Maifcicrgcdanke hat in der Provinz weitere Fort-schritte gemacht. Von 55 Orten, in denen der Weltfeiertag derArbeit festlich begaiigen wurde, demonstrierten 42 durch Arbeits-ruhe. Sogar in so kleinen Orten wie-Sonderburg auf der InselAljen und Kade.rsleben wurden 300 bezw, 800 Feiernde gezählt.