eingereiht, eS fand aber nicht die Zustimmung des Kaisers, der noch Iveitere Verschönerungen wünschte. Jetzt hätte die Stadt von dem Bau zurücktreten und die Ausführung der Brücke, wie sie der Kaiser wünschte, dem Staate überlassen sollen. Aber die liberale Mehrheit der Stadtverwaltung tat das nicht, sie änderte ihr Projekt den Wünschen des Kaisers gemäß um mrd vermehrte dadurch die Baukosten um 100 000 M. So vertritt das Bürgertum die Jnter- essen der Gemeinde.— Unsere Aufgabe ist es jetzt, dafür zu sorgen, daß die Arbeiterklasse auch bei den Gemeindetvahlen einig und ge- schlössen vorgeht, und daß jeder, der seine Stimme für uns abgibt. sich einreiht in die Organisation des Proletariats.— Die Ausführungen Borchardts fanden lebhaften Beifall. Nachdem noch ein Genosse gesprochen hatte schloß der Vorsitzende die Versammlung mit einem Appell zur regen Beteiligung aller Genossen an der Wahlagitation. Rixdorf. Die Bibliothek des Wahlvereins befindet sich in der Parte! spedition. Die Bücherausgabe erfolgt an Mitglieder unentgeltlich in der Zeit von 4 bis 8 Uhr täglich. Die Parteigenossen werden zu reger Benutzung der guten und umfangreichen Bibliothek auf- gefordert. Wilmersdorf . Die Errichtung eines Postamtes sin Ortsteil Friedenau- Wilmersdorf erscheint nunmehr gesichert. Um endlich.dem Drängen von Gesuchen und Petitionen des nahezu 7000 Einwohner zählenden Ortsteils nachzukommen, ist von der Reichspost-Verwaltung in Aus- ficht gestellt worden, im kommenden Rechnungsjahr im Ortsteil eine Postanstalt mit unbeschränkten Annahmebefugnissen zu errichten. Schöneberg . Die erste Automobilspritze für unsere Feuerwehr, die bekannt. lich nach einem Stadtverordneten-Beschluß im Frühjahr d. I. mit einem automobilen Löschzug ausgerüstet wird, ist dieser Tage auf dem Hauptdepot von Bautzen kommend eingetroffen. Sie ist für eine Fahrleistung gut gehender Pferde und bezüglich des mitzu- führenden Vorrats an Feuerung und Wasser für 25 Kilometer gebaut und besitzt einen mit Petroleum zu heizenden Dampfkessel. Die Automobilspritze gelangt in der neu zu errichtenden Feuer- wache im Berliner Ortsteil Speyererstraße) zur Einstellung. Aus Furcht wahnsinnig zu werden hat am Freitagabend der L0 Jahre alte Arbeiter Pioch in der Brunhildstraße Selbstmord verübt. Von dem Gedanken verfolgt geisteskrank zu werden hat er bereits vor vier Wochen versucht, sich mit Lysol das Leben zu nehmen, was ihm jedoch nicht gelang. Gelegentlich eines Aus- ganges seiner Frau griff er zum Strick und hat damit sein Ziel erreicht. Ueberfall eines Kassenboten. Am Donnerstag in der Mittag- stunde wurde der des Weges in der Gotenstraße kommende Kassen- böte Zöllner von dem Kutscher einer Mineralwasserfabrik plötzlich zu Boden geworfen und arg zugerichtet. Erst auf die Hülferufe von den Passanten wurde er befreit. Der Tater suchte sich seiner Feststellung durch die Flucht zu entziehen, zwei herbeigerufene Schutzleute konnten aber den Wagen einholen und den Schläger festnehmen. Wahlresultat-Verkündigung. Ganz gegen seine Gewohnheit macht der Wahlvorstand im„Schöneb. Tgbl." bekannt, daß die Verkündigung des Wahlresultats im 3. Bezirk der dritten Ab- teilung am Montag, den 6. d. M., nachmittags 5 Uhr, in der Turnhalle der Gemeindeschule in der Kyffhäuserstraße erfolgen soll. Dort hat bekanntlich unser Parteigenosse Gabriel über den bürgerlichen Wahlmacher Schneider, der im letzten Augenblick mangels eines anderen Durchfallskandidaten einspringen mutzte, einen glänzenden Sieg errungen. Jedenfalls wird der aus den Herren P. Sydow, Beyer und Stube gebildete Wahlvorstand sich erst an höherer Stelle die nötigen„Informationen" einholen. Viel Glück! Werder . Einen Ueberblick über die diesjährige Obsternte in Werder a. H. gab beim Erntedankfest, das kürzlich in der Havelstadt gefeiert wurde, der Direktor Dnbrow von der Obstbau-Genossenschaft. Der Werdersche Obstdampfer fuhr vom 13. Juni-siis 12. Oktober, also vier Monate, nach Berlin . Im vorigen Jahre wurden infolge der besseren Ernte vom 5. Juni bis zum 5. November, also fünf Monate lang. Fahrten unternommen. Die Zahl der Fahrten betrug 90 gegen 113 im Vorjahre. Der ftühere Schluß der Fahrten wurde wesentlich durch den schlechten Ausfall der Aepfel - ernte bedingt. Auch die süßen Kirschen wurden weniger befördert, 304 000 Tienen, gegen 500 000 im Vorjahre. Die Himbeeren wiesen dagegen eine Vermehrung von 0500 Tienen auf, es wurden im Vor- jähre 8200, in diesem Jahre 14 700 Tienen befördert. Das Kern- obst hatte die größte Einbuße. Nur 3700 Scheffel und Kiepen, gegen 16 700 im Vorjahre, mithin 13 000 weniger, gelangten zur Be- förderung nach Berlin . kerlmer I>sackrickten. Die Stadtverordneten-Wahle» und der liebe Gott! Es sind nun bald hundert Jahre her, daß auf Grund der Städteordnung von 1803 die Berliner Bürgerschaft ihre erste Stadt- verordneten-Versammlung zu wählen hatte. Am Sonntag vor der Wahl wurden in allen Kirchen Berlins Predigten gehalten, die als Vorbereitung auf die Stadtverordneten-Wahl dienen sollten. Am Morgen des Wahltages wurde von allen Kirchtürmen mit sämt- lichen Glocken geläutet. Und dann begaben sich die Wähler in Feiertagskleidung, jeder in seiner Kirche, um dort den Wahlakt vorzunehmen. Kurze Hinweise auf die Wahl von der Kanzel herab sind bis auf den heutigen Tag üblich geblieben. Die heute geltende Städte- ordnung enthält noch die Bestimmung, daß in dem letzten Haupt- gottesdienst vor der Wahl„auf die Wichtigkeit dieser Handlung hinzuweisen" ist. In der Kirche werden aber die Stadtverordneten- Wahlen nicht mehr vorgenommen, und auch das die Wähler mahnende Glockengeläut ist längst abgeschafft. Wir vermuten je- doch, daß in nicht zu ferner Zeit die freffinnige Mehrheit der Ber liner Stadwerordneten-Versammlung dem Magistrat die Anregung geben wird, eine Rückkehr zu diesen Sitten früherer Jahrzehnte an- zubahnen. Denn schon ist der Berliner Stadtfreisinn drauf und dran, sein Möglichstes zu tun, damit bei den Stadt- verordneten-Wahleu de r liebe Gott wieder zur Geltung komme. Wir haben bereits mehrfach mitgeteilt, daß die Zentrums- Partei den Berliner Katholiken vorschwatzt, sie müßten bei den Stadtverordneten-Wahlen ihre speziell katholischen Interessen wahr- nehmen. Die Wahlparole, die von dort ausgegeben ist, lautet: Wählt, wen ihr wollt, wählt einen Liberalen, einen Bürgerparteiler, wenn's euch Spatz macht, aber wählt keinen Sozialdemokraten und auch kein Mitglied des Evangelischen Bundes! Freisinn und Bürgerpartei haben begierig nach der Hülfe gegriffen, die ihnen da winkt, und sind freudig auf Verhandlungen mit der Zentrumspartei eingegangen. Die Zentrumsleute, die bekanntlich nicht jedem Geschäftemacher trauen(wir verdenken's ihnen nicht), stellen den Kandidaten ihrer Bundesgenossen nur eine Bedingung. die unweigerlich erfüllt werden muß. Wie Gretchen an Faust, so richten sie an die unterstützungsbedürftigen, hülfesuchenden Mandatbewerber die Frage:„Wie hältst Düs mit der Religion?" Wer ihnen die Wahrung der Parität zwischen Katholiken und Evangelischen verspricht, der hat das Examen bestanden. In B e r l i n- N o r d o st hat besonders der freisinnige Stadt- verordnete Karl Goldschmidt , der ja wohl selber Katholik ist, sich um das Zustandekommen des Bündnisses zwischen Freisinn und Zentrum bemüht. Am Freitag war von der Zentrumspartei nach der Brauerei Friedrichshain eine„große" Versammlung einberufen worden, zu der sich denn auch etwa 180 (hundertundfünfzig) Mann eingefunden hatten. Herr Goldschmidt hielt eine Rede, der Verbandskassierer Klein und der Arzt Dr. Samter als Freisinnskandidaten für den 27. und den 33. Wahl- bezirk gaben die gewünschten Erklärungen ab— und die Sache war gemacht. Herr Goldschmidts Rede war ein kulturhistorisches Dokument, das im Wortlmit veröffentlicht zu werden verdiente. Wir hätten gar nicht gedacht, daß der Mann noch so ehrlich und treu an den lieben Gott glaubt, wie er es am Freitag bekundete. Wenn es wahr ist, so ist das sein gutes Recht, und das offene Be- kenntnis verdient Achtung. Aber, wie gesagt, zugetraut hätten wir's ihm nicht. Der Anschluß an die fromm-katholischen Kreise, den der alt gewordene Berliner Liberalismus da vollzieht, wird manchen an ein bekanntes, aber nicht gerade salon- fähiges Sprichwort erinnern. Als der Liberalismus noch jung war, trieb er Dinge, die als keineswegs gottgefällig gelten. Nun er gealtert ist- und alles sich von ihm abwendet, will er Stadt- Verordneten-Wahlen mit Gottes Hülfe zustande bringen. Wenn die Bürgerpartei in kirchlichen Kreisen Hülfe sucht, so handelt sie nur konsequent. Der Liberalismus aber wirft, indem er dieses Bünd- nis eingeht, den letzten Rest seiner Traditionen über Bord. Er entledigt sich seines letzten Ballastes, um sein leck gewordenes, sinkendes Schifslein vielleicht noch wieder auf eine kurze Spanne Zeit über Wasser halten zu können. Die sozialdemokratischen Wähler, die Berliner Arbeiterbevölkerung, vor allem auch die k a t h o l i s ch e n Arbeiter, deren es in Berlin viele Tausende gibt, werden dem Freisinn tvie der Bürgerpartei samt dem Zentrum am 8. Ro- vember zu zeigen haben, daß die Werbekraft des sozialdemokrati- scheu Gedankens mächtig genug ist, um gegen den ganzen Troß des vereinigten Bürgertums den Kandidaten der Sozial demo- k r a t i e zum Siege zu verhelfen. Tue jeder seine Pflicht, da- mit auch diesmal toieder der Tag der Stadtverordneten-Wahlen ein R u h m e s t a g für die Berliner Sozialdemokratie wird. Die juristische Sprechstunde am Mittwoch abend fällt wegen der Berliner Stadtverordneten-Wahlen aus. Im Zeichen des Verkehrs. Aus Anlaß des Besuchs des Königs von Spanien am Nachmittage des 0. November d. I. treten folgende Verkehrsbeschränkungen ein: Etwa von 1 Uhr nach- mittags ab werden für Wagen, Reiter und Fußgänger gesperrt: Kaiser . Wilhelmbrücke, Lustgarten, Schloßfreiheit, Schloßbrücke, Fahr- dämme der Plätze am Opern- und Zeughause, Fahrdämme, Reitweg und Mittelpromenade der Straße„Unter den Lmden", Pariser Platz und Platz vor dem Brandenburger Tor . Später wird der Verkehr über den Potsdamer Platz , durch die Bellevnestraße, über den Kemperplatz, durch die Siegesallee , den östlich dieser belegenen Teil der Charlottenburger Chaussee, sowie an den Uebergängen„Unter den Linden " an der Wilhelm- bezw. Neuen Wilhelmstraße, Friedrich- und Charlottenstraße, zeitweilig abgelenkt oder unterbrochen werden. Das Brandenburger Tor wird auch noch einige Zeit nach dem Passieren des Zuges geschlossen bleiben, damit ein ungehinderter Abmarsch der in der Straße„Unter den Linden " spalierbildenden Truppen gewähr- leistet wird. Das Aufstellen fliegender Tribünen und das Besteigen von Bäumen und Bauzäunen ist streng untersagt. Aus Anlaß der am 7. d. M., vormittags 11 Uhr, stattfindenden ereidigung der Rekruten der Garnisonen Berlin , Char- lottenburg, Spandau und Groß-Lichterfelde werden der Lustgarten. die Schloßfreiheit und die Schloß- und Kaiser Wilhelm-Brücke von gl/» Uhr vormittags ab bis nach beendeter Feier für jeden Verkehr gesperrt. Der Verkehr auf den Plätzen am Opern- und Zeughause in der Richtung nach Osten wird nach Bedarf in die Nebenstraßen abgelenkt werden. Von dem Flächeninhalt der Stadt Berlin , der sich auf 6349,47 Hektar stellt, sind nach den neuesten, auf das Jahr 1905 bezüglichen Mitteilungen des städtischen Vermeffungsamtes 3679,46 Hektar als Bauland anzusehen, während die Straßen, Plätze usw. 1546,23 Hektar umfassen, die Parkanlagen 369,06 Hektar, die Friedhöfe 101,61 Hektar, die Exerzierplätze 76,49 Hektar, die Eisenbahnanlagen 414,92 Hektar, die Wasserläufe 161,70 Hektar. Von dem Bau- l a n d sind erst 2782,47 Hektar bebaut und 896,99 Hektar noch unbebaut. Der weitaus größte Teil des unbebauten Landes liegt im Nordosten und im Norden, allein 273,56 Hektar im Stadtteil Königs- viertel, wo immer noch auf den Ausbau des XI. Radialsystems der Kanalisation gewartet wird, und 214,99 Hektar im Stadtteil Wedding . In beiden ist die bebaute Fläche(dort 180,76 Hektar, hier 140,09 Hektar) vorläufig noch geringer als die noch unbebaute. Dagegen ist in allen anderen Stadtteilen das Verhältnis umgekehrt. So sind auf dem Gesundbrunnen nur 93,21 Hektar noch unbebaut, aber 134,12 Hektar bebaut, im östlichen, Teil des Stralauer Viertels nur 75,38 Hektar noch unbebaut, aber 200,65 Hektar bebaut usw. Die geringste unbebaute Fläche vorhandenen Baulandes findet sich in den vereinigten Standesamtsbezirken Altstadt und Friedrichstadt , nur 0,97 Hektar, während hier 320 Hektar bebaut sind. Zur Selbstmordstatistik. Im Jahre 1904 haben in Berlin 612 Personen durch Selbstmord geendet. 132 haben sich vergiftet; davon endeten 19 durch Gasvergiftung. Den Tod durch Erhängen wählten 199 Personen, 94 suchten und fanden den Tod im Wasser, 2 ließen sich überfahren. Erschossen haben sich 133. Zum Messer griffen 11 Selbstmörder, während 26 durch Sturz aus dem Fenster usw. endeten. Auf andere Weise schieden 10 Personen freiwillig aus dem Leben._ Eine Familieutragödie wird aus Boxhagen-Rummelsburg gemeldet. In dem Quergebäude des Hauses Boxhagener Chaussee 10, an der Weichbild- grenze Berlins , wohnte seit kurzem der Arbeiter N e h r i n g mit einer Frau Anna geb. Michael und zwei 5 und 3 Jahre alten Kindern Gertrud und Ella. Die Ehe dieser Leute war nicht glücklich, weil die Frau Neigung zur Leichtlebigkeit zeigte. Wiederholt drohte ihr Mann ihr, daß er sie verlassen werde. Gestern verließ er nach einem heftigen häuslichen Auftritt die Wohnung. Als er später doch wieder zurückkehrte, fand er keinen Einlaß mehr. Jetzt suchte er seine Frau und Kinder bei ihrem Bruder in der Boxhagener Chaussee 15. Als er sie dort nicht fand, ging er �nichts sGutes ahnend mit seinem Schwager wieder nach Hause und ließ die Wohnung durch einen Schlosser öffnen. Den Männern bot sich ein chrecklicher Anblick. Frau Nehring hatte ihre beiden Kinder und sich selbst erhängt. Alle drei waren tot, Wiederbelebungsversuche hatten keinen Erfolg mehr. Trotz aller Warnungen. Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich gestern vor dem Hause Berlinerstr. 104 in Pankow . Dortselbst versuchte der in der Chorinerstr. 30 wohnhafte Arbeiter Rogosch von einem in voller Fahrt befindlichen Straßenbahnwagen der Linie 46 abzuspringen. R. wurde mit furchtbarer Gewalt gegen einen eisernen Mast der Stromleitung der Straßenbahn geschleudert und erlitt einen doppelten Rippenbruch und eine Kopfverletzung. Ter Verunglückte Ivurde im Straßenbahnwagen bis nach der Breitenstraße in Pankow transportiert und erhielt bei dem dort- selbst wohnhaften Arzt Dr. Fischer einen Notverband. Von hier aus wurde er mittels Kran wn wagen, seinem Wunsche entsprechend. nach seiner Wohnung übergeführt.— Beim Besteigen eines in der Fahrt befindlichen Straßenbahnwagens verunglückte gestern am Halleschen Tor der Kaufmann Max Bunken, Mansteinstr. 16. Er versuchte, auf die Vorderplattform eines Motorwaggons der Linie 82 zu springen, glitt ab und siel so unglücklich, daß er einen Bruch hause übergeführt. Zum Krüppel gefahren. Ein entsetzliches Unglück ereignete sich Freitag nachmittag gegen 146 Uhr in der Birkenstraße, Ecke der Bremerstraße. Tortselbst spielte die dreijährige Tochter des Tischlers Dietrich, Bremerstmße 43 wohnhaft, auf dem Fahrdamm, als ein Straßenbahnzug der Linie 15(Rixdorf— Moabit)' vorbeifuhr. Plötzlich lief die Kleine quer über den Fahrdamm, geriet zwischen dem Motor- und Anhängewagen des Straßenbahnzuges, wurde niedergerissen und kam unter den Anhängewagen zu liegen, dessen Räder ihr über das linke Bein hinweggingen. Dem Kinde wurde der Knochen des Unterschenkels zermalmt und förmlich vom Körper losgetrennt. Der Schaffner des Anhängewagens trug das verunglückte Mädchen nach dem Krankenhause Moabit , woselbst ihm das Bein sofort amputiert werden mußte. Von einem Schlächterwagen üierfahren und getötet wurde gestern die 78 Jahre alte Witwe Alwine Selbiger aus der Grimmstr. 25, als sie vor dem Hause Dresdenerstraße 126 den Fahrdamm über- schreiten wollte. Sie erlitt einen Schädelbruch und starb bereits auf dem Wege nach dem Krankenhause am Urban, wohin ein Schutzmann sie bringen wollte. Durch einen Wäschebrand um das Leben gekommen ist das zwei Jahre alte Kind Frieda Keusche! aus der Kleinen Andreasstraße 10. Die Mutter hatte vorgestern abend den Kinderwagen, in dem die Kleine schlief, in die Küche gestellt, in der Wäsche zum Trocknen auf- gehängt war. Diese geriet im Laufe der Nacht in Brand und ver- qualmte die Küche so stark, daß das Kind im Wagen erstickte. Als um Mitternacht ein Bruder der Frau Keusche! heimkehrte und den Brand entdeckte und löschte, war es schon tot. Arbeitslosigkeit hat den Kellner Bruno Standke aus der Jnvä- lidenstraße 33 in den Tod getrieben. Durch zwei Revolverschiisse in die Brust machte er seinem Leben ein Ende. Sein in der Chaussee- straße wohnender Bruder fand ihn tot in seinem Zimmer liegen. Arbeiter-Bildungsschule Berlin . Heute abend 7 Uhr im großen Saale des Gewerkschaftshauses, Engel-Ufer 15, Vortrag mit pianistischen und gesanglichen Erläuterungen über:„Das deutsche Volkslied" von Dr. Leopold Hirschberg(Dozent für Musikgeschichte an der Hmnboldt-Akademie). 1. Das Volkslied im Altertum. 2. Der Minnesang und Meistersang. 3. Das Volks- lied des Mittelalters. 4. Verfall des Volksliedes, die Kanapee- und Perückenzeit. 5. Wiederaufleben des Volksliedes in der Neu- zeit. Billet an der Kasse 30 Pf. inkl. Garderobe. Beginn pünkt- lich 7 Uhr. Zahlreicher Besuch wird erwartet. Straßensperrung. Die im Zuge der Thaerstraße befindliche „Schwarze Brücke" wird behufs Vornahme von Reparaturarbeiten vom 6. d. M. ab bis auf weiteres für Fuhrwerke und Reiter gesperrt. Der Zentralverband der Handels- nnd Transportarbeiter teilt mit, daß das Mitglied Heinrich Tarnwig, Müllerstraße 35a, das Mitglieds- buch der Organisation sowie das des Wahlvereins für den VI. Kreis verloren habe. Beide Bücher befinden sich in einer roten Brieftasche. Der etwaige Finder wird um Rückgabe der Bücher an den Verlierer gebeten. Berliner Asyl-Berein für Obdachlose. Im Monat Oktober nächttgten im Männer-Asyl 21445 Personen, wovon 8311 badeten, im Frauen-Asyl 4603 Personen, wovon 1221 badeten. Die Verminderung der Geburten in Berlin , die nun schon seit ziemlich drei Jahrzehnten andauert, erklärt sich nur zum Teil daraus, daß die Heiratslust nachgelassen hat, zum anderen Teil ist sie offenbar auf eine Abnahme der Fruchtbarkeit der Ehen zurück- zuführen. Die vom Berliner Statistischen Amt ausgeführte Ver- gleichung der jährlichen Zahl ehelicher Geburten mit der Zahl der vorhandenen Ehefrauen ergibt für die Jahre von 1876 bis 1904 eine nahezu ununterbrochene Abivärtsbewegung. Das Jahr 1876 hatte die für das damalige Berlin ganz außerordentlich hohe Zahl von 40 302 ehelichen Geburten gebracht und hatte hiermit den Ab- schluß einer nach 1871 einsetzenden raschen Aufwärtsbewegung ge- bildet. 40 302 eheliche Geburten waren 41 auf das Tausend der damaligen Bevölkerung Berlins und 240 auf das Tausend der vo�- handenen Ehefrauen. Schon fünf Jahre später, im Jahre 1881) stellte sich die Zahl der ehelichen Geburten auf nur 39 129, nur noch rund 34 für je tausend Personen der Bevölkerung und nur noch rund 197 für je tausend vorhandene Ehefrauen. Die Abwärts- bewegung dauerte dann fort, wurde aber etwas langsamer. Das Jahr 1904 schließlich brachte 42 447 eheliche Geburten, das sind nur noch III— 112 auf je tausend Ehefrauen. Will man von dem außerordentlichen Geburtenreichtum des«inen Höhepunkt bildenden Jahres 1876 absehen und nur bis 1879 zurückgehen(das 39 806 eheliche Geburten hatte, 37 auf tausend Einwohner,' 214 auf tausend Ehefrauen), so hat sich in den letzten fünfundzwanzig Jahren die Geburtenzahl, mit der Zahl der Ehefrauen verglichen, nahezu auf die Hälfte verringert. Feuerbericht. Wegen eines größeren Tifthlereibrandes wurde die Wehr gestern früh gegen 5 Uhr nach der Manteuffelstr. 121 gerufen. Die zweite Kompagnie mußte tüchtig Wasser geben, um die Flammen zu ersticken. Ueber die Entstehungsursache ist nickstS ermittelt.— Eine Stunde später entstand in der Waldemarstr. 71 in einer Wohnung Feuer, das indes leicht unterdrückt»verden konnte.— Steinkohlen hatten sich dann am Halleschen Ufer 84 entzündet, während noch in der Müllerstr. 164 vom 16. Löschzuge ein Brand befestigt werden mutzte, der in einer Badestube aus- gekommen war. Das Casino-Theater in der Lothringerstraße hat mit den Novi- täten seines neuen Programms wieder einen guten Grift getan. Man kam aus dem Lachen gar nicht heraus. Die Verwickelungen, die das Hauptstück des Abends„DasOpferlamm". Schwank in drei Aufzügen von Oskar Walther und Leo Stein , boten, waren denn auch überaus grotesk und recht geschickt in die Handlung des Schwankes hineingeflochteii. Ein junger Offizier steht am Tage vor seiner Hochzeit mit der Tochter eines reichen Rittergutsbesitzers. Er hat einen Sttich unter die Eseleien seiner Jugendjahre gezogen. Alle seine Hoffnungen sollen sich nun erfüllen.— da erscheint seine ehemalige Geliebte, eine Zirkusreiterin, im Hause der Brauteltern. Sie fordert eine Wftndungssumme von zehntausend Mark. Ihm steht diese Summe nicht zur Verfügung. Blamieren will er sich aber auch nicht lassen. So muß denn die Zirkusdame, die durch- aus nicht abreisen will, gesellschaftlich einrangiert werden. Ein Jugendfreund des Bräutigams, Professor v. Griebenow, muß sich zum Pseudogatten hergeben. Dessen Gattin wieder, die erst später eintrifft, wird die neuengagierte Stütze usw. Die Verwickelungen und Verwechselungen wachsen in's Ungeheure. Endlich verschafft ein Freund des bedrängten Bräutigams diesem die geforderten zehn- tausend Mark. Und nun entwirrt sich der Knoten. Zwei glückliche Brautpaare repräsentieren sich am Schlüsse.— Prächtig war Direktor Hans Berg in der Rolle des Professors, auch Fräulein Lilly Behle machte als Kunstreiterin einen vorzüglichen Ein- druck. Adolf Zimmermann , der den reichgewordenen Holzhändler Lehmann darstellte, ließ es an grotesker, viel belachter Komik nicht fehlen. Auch bei den anderen Mitspielenden waren die Rollen in guten Händen.— Fritz Schäfers einaktige Operette „Im Spreewald", die das Programm eröffnete, sowie die drei Einlagen(Musikalischer Akt, Zivergduettisten und die groß- artigen Leistungen des Kunstschützen Martens) verdienten den reichen Beifall, der ihnen bei offener Szene und nach Fallen des Vorhangs gezollt wurde. Zirkus Schumann. Neue Debüts haben zu Anfang dieses Monats im Zirkus A. Schumann stattgehabt. Da ist zu- nächst der Globuskünstler Mr. Willie Hale. assistiert von Miß Francis, welcher zunächst als Reifenmanipulator, später als Jongleur auf rollender Kugel, arbeitet. Seine Tricks mit dem farbigen Reifen sind bewundernswert; die elastischen Spangen ge- horchen ihm willenlos, sie laufen fort und kehren gehorsam zu ihm zurück; sie rollen vorwärts, um plötzlich in einem rechten Winkel nach der Seite abzugehen, sie durchkreuzen einander in ihrem Laufe usw. Auch der komisch-akrobattsche Akt des Wally Hoste-Trios, dessen Debüt am 1. d. M. stattfand, findet allabendlich starken Bei- fall. Daneben stehen die anderen Programinnummern, deren Debüts erst unlängst stattfanden, der Tscherkessenreiter Arkadia, welcher als Stehendreiter brilliert, die interessanten, fast unheim-
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