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It. 294. 22.»«.. l. WIM des.Hmillts" Kttlim DlllliSdlM Reichstag. 13. Sitzung vom Freitag, den 15. Dezember 1SVS. vormittags 11 Uhr. Am Tische des Bundesrats: Prinz Hohenlohe-Langen- bürg, Frhr. v. Stengel. Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Beratung des Gesetzentwurfes betreffend die Feststellung eines zweiten Nach- träges zum Reichshaushalisctat für die Schutz- gebiete für das Rechnungsjahr 1905(Bahnbau Lüderitz- bucht-Kubub). Die Konimisfion beantragt unveränderte Annahme der Regierungsvorlage und empfiehlt auherden, folgende Re- s o l u t i o n e n zur Annahme: a) Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dahin zu wirken, daß sämtlickies für den Bahnbau nebst Nebenanlagen sowie für die zum Betrieb der Bahn notwendigen Quellen, auch soweit diese von der Trace entfernt liegen, erforder- liche Gelände von dem Besitzer unentgeltlich zur Verfügung gestellt ivird, soweit nicht nach dem für die Kolonien geltenden Expropriaiions- rechte die Uncntgeltlichkeit der Abtretung gesetzliche Folge des Bahnbaues ist. b) Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, zu veranlassen, daß dem Reichstag   schleunigst ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, durch den bestimmt wird, daß in den deutschen   Schutzgebieten der von der Reichsverwaltung zu gewährende Polizeischutz auf je einen möglichst engen Bezirk da beschränkt wird, wohin die wirtschaftlichen Interessen gravitieren. Abg. Dr. Müller-Sagan ssts. Vp.): Mit Rücksicht auf die Ge� schäftslage des Hauses will ich mich auf eine kurze Erklärung be schränken: Meine politischen Freunde sind der Meinung, daß der Bahnbau sich nicht mit wirtschaftlichen Interessen begründen läßt. Meine Freunde haben aber nach den Hinweisen, die besonders vom Oberst Deimling in der Kommission genracht worden sind, sich nicht der Ueberzeugung verschließen können, daß der Bahnbau aus militärischen Rücksichten unerläßlich erscheint. Wir werden unter Aufrechterhaltung unsere? sonstigen Standpunktes zu der Kolonialpolitik für den Bahnbau stimmen mit dem aus- drücklichen Borbehalt, daß daraus keine Konsequenzen zu ziehen sind für die Weiterführung des Bahnbaus über Kubub hinaus. (Beifall links.) Abg. Frhr. v. Richthofe»(kons.): Wir werden für die Vorlage stimmen, die ein Weihnachtsgeschenk für unsere Kolonien bedeutet (Beifall rechts.) Abg. Schweickhardt(D. Vpt.): Wir find der Ueberzeugung, daß wtr unteren Truppen nicht die nötigen Hülfsmittel versagen dürfen. Dazu kommt, daß durch den Bahnbau eine große Verminderung der Ausgaben für Transporte stattfinden wird. Diese Gründe veran- lassen mich und meine Freunde, für den Bahnbau zu stimmen.(Bei- fall links.) Abg. Lattmann(W. Vgg.) erklärt sich namens seiner Partei ebenfalls mit der Vorlage einverstanden. Abg. Graf v. Arnim(Rp.): Wir treten ebenfalls für die Bor läge ein. Abg. Basserman»(natl.): Ich beschränke mich namens meiner polltischen Freunde auf die kurze Erklärung, daß wir den Bor- schlägen der Budgetkommission zustimmen und unserer Freude darüber Ausdruck geben, daß es gelingen wird, die Vorloge noch vor Weihnachten zu verabschieden.(Beifall.) Die Vorlage wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Auch die Resoluttonen der Budgetkommission werden angenommen. Hierauf wird die Generaldebatte über den Etat fortgesetzt. Abg. Ablaß(freis. Vp.): Gegen den Haupttnann v. Besser ist durch den Bericht eines Offiziers der Schlitztruppe festgestellt, daß er S0 70 Träger hat verhungern lassen(Hört I hört! links) mit dem Bemerken, die Schweine sollten verrecke« l(Hört! hört l links.) Die Leichen hat er in den Busch werfen lassen, wo sie. von Tieren an- gefresien, später vorgefunden wurden. Hauplmanu v. Besser hat scruer befohle». Schwarze, die man im Busch findet, zu töten und ihnen den Kopf abzuschneide».(Hört I hört! links.) Für all das erhielt v. Besser 6 bis 7 Monate Festungshaft!(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Hat er nicht einen Orden bekommen? Heiter- keit.) Ich glaube, der Mann ist noch im Reichsdienst.(Hört, hört I) Ein anderer Hauptmann. Gaston Tiery, hat mehrere Eingeborene erschossen und sich einen Harem schwarzer Weiber gehalten.(Hört, hört!) Oberleutnant Dominik in Kamerun   und andere Beamte haben widergesetzlich die Prügelstrafe gegen Eingeborene angewandt. Der Gouverneur von Togo   hat einen Schwarzen wegen eines ge­ringen Diebstahls solange in glühender Sonne festgebunden, bis er vcrjchinachtet war.(Pfuirnfe.) Er ist freigesprochen worden, obwohl ihm Offiziere ins Gesicht sagten, er sei schlimmer al« Leist und Wchla».(Hört, hört!) Der Stationsvorsteber Wegener in Togo  hat einen Schwarzen systematisch zu Tode geprügelt und ist nur zivilrechtlich dafür haftbar gemacht worden. In Neu-Guinea   hat ein Beamter von neuem eine selbständige Stellung erhallen, der wegen seiner sexuellen Verirrungen allgemein.die lange Zunge" heißt I(Hört I hört!). Bor dem Gouverneur Jest» v. Puttkomer ist die Regierung längst gewarnt worden in einem Schriftstück, das sich in den Akten des Berliner   DisziplinarhofeS befindet.(Hört! hört! link» und im Ztr.). Ich frage die Regierung, ob sie in Zukunft noch weiter derartige Mißstände dulden will. Nicht der mangelnde Idealismus des Bürgertums, sondern die Fehler der Regierung haben die Sozialdemokratie groß gemacht.(Lebh. Beifall b. d. Freis.). Stellvertretender Kolonialdircktor Prinz Hohenlohe-Laugruburg: Ich werde nach Maßgabe»neiner Mittel energisch gegen alle etwa vorhandenen Mißstände in unseren Kolonien einschreiten. Die einzelnen Fälle sind mir bisher noch nicht bekannt gewesen. Ich verurteile Brutalitäten von ganzem Herzen und»verde alles tun, um sie zu unterdrücken. Geh. Legationsrat Könjg: Herr v. Besser ist kriegsgerichtlich zu drei Jähren verurteilt. Im Gnadenwege hat er eine Pension erhalten. >Hört! hört! bei den Sozialdentokraten.) Da» allerhöchste Recht der Begnadigung darf hier doch»vohl nicht kritisiert werden.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Aber entschieden l Sie sind wohl zum ersten- mal auf den Reichstag losgelassen?) Die Geschichte von dem Harem des Oberleutnants Tiery scheint auf Küstenklatsch zu beruhen. Hauptmann Wegener ist nur wegen seines Geisteszustandes frei- gesprochen worden. Herrn v. PuttkamerS Verdienste sind allgemein anerkannt; daß er jetzt nach Deutschland   bestellt ist. um fich wegen der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen zu rechtfertigen, ist Ihnen ja schon mitgeteilt. Der Eingeborene, den der Gouverneur Horn von Togo in der Sonne fesseln ließ, ist nitbt deshalb, sondern in­folge der am Tage zuvor von Eingeborenen erlittenen Mißhandlungen gestorben.(Unruhe link«.) Die Vorwürfe gegen de» Beamten in Reu-Guinca beruhen auf persönlicher Gehässigkeit. I» den Kvlouien anderer Nationen kommen viel schlimmere Sachen vor. Das Vor- stehende(Heiterkeit) wird genügen, um uns gegen die erhobenen Vorwürfe zu rechtfertigen. Abg. v. Gcrlach(srs. Vg.): Der Reichstag   hat unzweifelhaft die Ausübung des Begnadigungsrechts zu kritisieren. Graf Stolberg sprach von der Sparsamkeit der Großgrundbesitzer. Sparsam sind unsere Agrarier in einem, nämlich im«teucrzahlen.(Heilerkeit und Sehr richtig! links, große Unruhe rechts.) In nächster Nähe meiner Heimat zahlt ein Großgrundbesitzer mit mehreren Tausend Morgen »eine Einkomweusteucr.(Lebhafter Zuruf rechts: Namen nennen I Zurufe von den Sozialdemokraten: Er kann sich doch nickt 2 Stunden mit Namennennen aufhalten I Große Heiterkeit.) Ein früheres Mit- glied diese« HauseS zahlt keine Einkommensteuer, wohl aber eine hohe ErqSnzungSsteuer(Zuruf: Freiherr von Wangenheim'.). Die .Herren Söhne der Agrarier leben jedenfalls nicht sparsam und sind «n Luxusgegenstand erster Güte.(Große Heiterkeit.) Redner fragt, ob der Beamte wenigstens eine Rüge bekommen hat. der in der- fasiuilgswidriger Weise gegen den Abgeordneten Jessen   ein Straf- verfahren eröffnet hat; er tadelt das Verfahren gegen den RegierungS- rat Martin. Hätte man der Martinschen Warnung Folge geleistet, so wären 25 Millionen deutsches Kapital gerettet worden. Die russischen Grenzverletzungen erregen allmählig sogar den Unwillen unserer agrarischen Kreise, wie ein Artikel der �Deutschen TageS- zeitung" beweist.(Hört! hört! links.) Daß Jaurss am Reden ver- hindert wurde, der in den letzten 10 Jahren der Hauptbefürworter eines guten Einvernehmens mit Deutschland   war, ist keine diplomatische Großtat.(Sehr richtig I links.) Vor Rußland katz- buckelt man, aber unsere Freunde stößt man zurück. Die Ausweisung eines holländischen Journalisten wegen einer harmlosen Bemerkung über PodbielSti hat in Holland   arg verschnupft. Die Alldeutsche» scheinen es direkt zum Kriege mit England treiben zu wollen. Ein solcher Krieg wäre, wie Rußlands   Beispiel gezeigt hat, um so ge- fährlichcr, als auch bei uns breite Massen dank dem Wahlrecht in Preußen mit berechtigter Erbitterung gegen das Staatswesen erfüllt sind. Wir denken in nationalen Dingen anders als die Sozial- demokratie, aber d a s müssen wir betonen: Nur eine freiheitliche Politik im Innern ist die Voraussetzung einer guten Politik nach außen. Staatssekretär Graf PosadowSky: ES ist hier das Marttnsche Buch über Rußland   erwähnt worden. Der Verfasser hatte auf den Titel des BucheS neben seinen Namen seinen vollen amtlichen Titel aufdrucken lassen. Wir mußten daher unzweifelhaft zu erkennen geben, daß die Veröffentlichung des Buches ohne Wissen der Negierung geschehen ist. Die reine Anarchie würde einreißen, wenn Neichsbeamte von vornherein gegen zukünftige Handlungen eines Reichsamts protestieren dürsten. Der Abg. Bebel hat in seiner gestrigen Rede die Erinnerung an das schmerzliche Jahr 1800 heraufbeschworen. Wie aber die Sozialdemokratie über daS glorreiche Jabr 1813 denkt, darüber belehrt uns die sozialdemo- kratischeNeue Zeit", welche schreibt:Der Flottcntaumcl reißt die letzten Trümmer der bürgerlichen Opposition fort. Der König rief und alle alle kamen, ganz wie bei der großen Eselei von 1813". (Lebhaftes Hört I hört! rechts.) In demselben Artikel wird Napoleon  als Befreier dargestellt. Ich will ganz ruhig und objektiv sprechen, damit kommt man am besten zur Verständigung. Nack dem Abgeordneten Bebel wollen die Arbeiter nichts als das gleiche Recht. Politisch und rechtlich haben doch die Arbeiter in Deutschland   schon das gleiche Recht.(Widerspruch b. d. Soz.) Ich wünsche den Arbeitern das gleiche Recht auf allen, auch auf Wirt- schaftlichem Gebiete. Sie aber(zu den Soz.) wollen nicht das gleiche Recht, sondern die Klassenherrschaft des Proletariats, die da« gleiche Recht ausschließt.(Zuruf b. d. Soz.: Absolute« Mißverständnis! Große Heiterkeit rechts.) Nun zu dem Grafen Stolberg. Ich bin der letzte, der leugnet, daß fich die Lebenslage der unteren Klasse» in den letzten zehn bis zwanzig Jahren bedeutend gehoben hat. Ich bin auch der letzte, der leugnet, daß die Landwirtschast sich in bedrängter Lage befindet. Nichts hat mir überhaupt ferner gelegen, als den besitzenden Klassen jede Opfer- fteudigkeit abzusprechen. Ich habe nur konstatiert, daß diese Opfer- freudig keit nickt mit dem steigenden Reickturn gleichen Schritt ge­halten hat. Die Opferfteudigkeit kann sich auf anderem als dem wiriichaftlichen Gebiete offenbaren. Drei von den zehn Millionen deutscher Wähler haben bei den letzten Reichstagslvahlen sich ihrer Stimme enthalten. Sozialdemokraten waren es nicht! denn diese bringen ihren letzten Mann zur Urne. Hätten dle bürgerlichen Parteien sich den Wahleifer der Sozialdemokraten zum Vorbild genommen, so hätten diese ihre Sitze nicht ans 80 vermehrt, sondern kaum die Höhe ihres MandatSbestandeS in der vorigen Session erreicht.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Siehe Sachsen  !) Wir treiben in Deutschland   Sozialpolitik auf Grund der kaiserlichen Botschaft von 1881 und in der festen Ueberzeugung, daß es die sittliche Pflicht eines Knlttirstaates ist, für feine armen und schwachen Glieder zu sorgen. Nun wird uns aber unser sozialpolittsches Streben durch zwei entgegengesetzte Strömungen erschwert: Die revolutionäre Haltung der Sozialdemokratte, die seit dem Jenaer   Parteitage immer schärfer hervortritt, erschwert der Regierung und den bürgerlichen Parteien in steigendem Maße daS sozialpolitische Wirken und kühlt bis weit nach links hin den Eifer für Sozialreformen ab. Die Arbeiter aber sind es, die den Schaden davon haben. Wenn man fortgesetzt hört vomAppell an die Gewalt" oderauch in Deutsch  - land sind wir bereits in der Revolution" usw., wenn man so etwas in den Provinzzeitungen der sozialdemokratischen Partei liest, die viel schärfer sind als das sozialdemokratische Zentralorgan, so ist doch unzweifelhaft, daß es sowohl derRegicrung wie den bürgerlichen Parteien immer schwerer wird, wirllich Sozialpolitik zu treiben. Natur­gemäß verstärkt die eben geschilderte Haltung der Sozialdemokratie jene entgegengesetzte Strömung, die prinzipiell jeder Sozialpolittk ab- lehnend gegenübersteht. Ich habe neulich versucht, einige Gründe ftir die auffallende Stärke der Sozialdemokratie in Deutschland  zu ermitteln. Ich bin nicht eigensinnig, und wenn ein anderer mir bessere Gründe anführen kann, so lasse ich mich gern belehren. Davon bin ich allerdings fest überzeugt, daß man die Führer der Sozial- demokratie weil überschätzen würde, wenn man ihrer hypnotischen Agitatton die Entstehung und daS Wachstum der Sozialdemokrie zu- schreibt. Es müssen innere Ursachen vorhanden sein, und es ist Pflicht jedes Patrioten, diesen Ursachen nachzugehen. Ich meinerseits werde mich dieser Pflicht nicht entziehen, so lange ich auf diesem Platze stehe. Wer den Schläfer in der Stunde der Gefahr kräftig an der Schulter rüttelt, erwirbt sich unter Umständen ein großes Verdienst, (Lebhafter Beifall rechts und im Zentrum). Abg. Stöcker(Wirtsch. Vgg.) polemisiert zunächst gegen den Abg. v. Gerlach. Er bespricht als- dann in billigender Weise da« Redeverbot gegen Jaurds. An sich halte ich JauröS für einen sehr verständigen Mann: man konnte ihm aber nicht gestatten. Arm in Arm mit Herrn Bebel in Berlin  aufzutreten. Die sozialdemokratische Partei unterstützt offen die russische Revolutton. Noch weiter gehen die einzelnen Genossen, insbesondere Rosa Luxemburg  , die feine Dame. die jetzt in Anerkennung ihrer ausgezeichneten Verdienste Redaktrice desVorwärts" geworden ist.(Große Heiterkeit) Der Massenstreik, der in Jena   proklamiert wurde(Widerspruch bei den Sozialdemokraten), ist nichts als eine verkappte Revolutton.(Hu I hu I bei den Sozialdemokraten.) Bei der Rosa Luxemburg  , die immer Revolution predigt, aber nie selbst hingeht, handelt es sich um eine revolutionäre Maul« und Klauenseuche.(Große Heiter- keit recht».) Die Revisionisten müssen sich ducken und die armen Schlucker von Redakteuren werden zum Wider- ruf veranlaßt. was ja auch nicht gerade charakterbildend wirkt.(Sehr richtig l rechts und bei den Freisinnigen.) J,nmer war das Judentum, um mit Mommseu zu sprechen, ein Ferment der Dekomposition. Ich erinnere an die Namen Marx, Lassalle. Singer und Stadthagen  . Seit 1848 hat die Judenpresse das Herz unsere« Voltes vergiftet.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Hat doch schon Lassalle gesagt: Zwei Dinge hasse ich: Literaten und Juden, und nun bin ich beides!(Große Heiterkeit.) Als Herr Mehring noch Verstand hatte(Lachen bei den Sozialdemokraten). hat er mit Recht den demoralisierenden Einfluß der Presse auf das deutsche Volksleben konstatiert. Früher hatten wir Goethe und Schiller, wen können wir jetzt den Geistesheroen des Auslandes gegenüberstellen?(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Stöcker I Große Heiterkeit). Ick warte auf die Stunde, wo sich die Arbeiter von Ihnen(zu den Sozialdemokraten) abwenden.(Gelächter bei den Sozialdemokraten, Beifall rechts.) Staatssekretär Frhr  . d. Stengel polemisiert gegen den Abg. Gröber und führt aus, daß der Paragraph 6 des Flottengesetzes nur ür das damalige Flottcngesetz gelten sollte. Die neuen Steuern nehmen durchaus Rücksicht auf die wirtschaftlich Schwachen(Wider- spruch links) Genußmittel wie Bier und Tabak, deren starker Genuß schädlich ist. verttagen sehr wohl eine starke Steuer. Draußen im Lande wird der Kampf um die Steuern durch die interessierten Industrien wesentlich verschärft. Dieses hohe HauS aber hat ob­jektiv die Gesamtinteressen des Volkes zu berücksichtigen.(Beifall rechts.) Abg. Gamp(Rp.): Wenn Herr v. Gerlach die Sohne der Groß- grundbesitzer für LuxuSprodukte erklärte, so hält er sich, der ja auch Agrariersohn ist, wohl auch für ein Luxusprodukt.(Heiterkeit.) Die Kolonialverwaltung ist aus den gegen sie gerichteten Angriffen voll- kommen rein hervorgegangen. Ich bestreite entschieden, daß jeder Beamte daS Recht haben soll, angebliche Mißstände an die Oeffentlichkeit zu bringen. Was würde da auS der Disziplin der Beamten?(Sehr richtig l rechts.) Die Diäten» gcwährung würde die Sessionen nicht verkürzen, sondern verlängern. Ich schlage vor. daß alle Etatspositionen, die bis zum 1. April nicht erledigt sind, als angenommen gelten.(Große Heiterkeit.) Bei dem Wahlrecht in Preußen mögen die Arbeiter zu kurz kommen, dafür haben sie beim Reichstagswahlrecht zweifellos zu viel Rechte.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Die Angriffe des Grafen PosadowSky gegen die bürgerlichen Klassen waren ganz unbegründet. Eine vom Materialismus durchdrungene Nation hätte nicht so Großartiges auf wirtschaftlichem Gebiete leisten können. Die Firma Krupp   zahlt 10 Millionen Dividende und gibt 11 Millionen für Wohlfahrt», nnd öffentliche Zwecke aus. Die Regierung täte besser. daS Vertrauen bei den bürgerlichen Parteien zu erhöhen, daß eS ihr Emst mit der energischen Bekämpfung der Sozialdemokratie ist.(Beifall rechts.). Hieratif vertagt das HauS die W e i t e r v e r a t u n a auf heute nachmittag 4'/z Uhr.  (Außerdem dritte Lesung der Bahn Lüderitzbucht- Kubub.) Schluß 4 Uhr. 14. Sitzung vom 15. Dezember, nachmittags 4% Uhr. Am Bundesratstische: Prinz Hohenlohe-Langenburg  . Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die d r i t t e B e- r a t u n g des zweiten NachtragSetat»(Bau der Bahnlinie Lüderitzbucht-Kubub). Abg. Ledebour(Soz.): ES hat mich sehr befremdet, daß diejenigen Parteien beS HauseS, die mit uns die schwersten Bedenken gegen diese Vorlage hatten, dennoch jetzt von ihren Bedenken zurückgekommen sind. Man hat versucht, diesen Bahnbau durch die wirtschaftliche Eni» Wickelung des südlichen Gebietes zu motivieren. Eine Begründung dieser Entwickelungsmöglichkcit, die wir schon in der Borlage ver- mißten, ist auch in der Kommission nicht beigebracht worden. Die einzigen Ausführungen in dieser Richtung, die deS Herrn RcgierungSratS Golinelli, haben von zwei Seiten schärfste Zurück- Weisung erfahren. Ein Mitglied einer sehr großen ausschlag- gebenden Partei machte längere Ausführungen, in denen er sich nachzuweisen bemühte, daß es das richtigste wäre, dies ganze südlich: Gebiet überhaupt aufzugeben und sich bei der wirtschaftlichen Er- schließung zu konzentrieren auf das nördliche Gebiet von Swakvp- mund über Windhuk  . Parteien, die auf einem solchen Standpunkt stchen. können keineswegs ihre Zustimmung zu der Vorlage auS wirtschaftlichen Beweggründen ableiten. Die Ausführungen de» GehcimratS Golinelli sind sehr angreifbar, namentlich seine Ver- gleiche mit dem Kaplande. Es hieß da:»Diese Zahlen- gemeint sind Zahlenangaben aus dem Kaplande führen eine beredte Sprache für die EntwickelungLmöglichkeit des Südens der Schutz- gebiete, die nicht ungünstiger sind als die entsprechenden Teile deS Kaplandes." Aber die großen Entwickclungsmöglichkeiten des Kap- landeS beruhen auf denjenigen Distrikten, die den Steppencharalter, den der Süden unseres Schutzgebietes besitzt, nicht haben. Weiter wird die Güte des Häsens Lüderitzbucht angeführt. Auf Grund der Aussage einiger Hamburger Kapitäne der Wörmannlinie ist aller- ding» festgestellt, daß der Hafen von Lüderitzbucht eine relativ gute Reede ist. während Swakopmund   absolut unbrauchbar ist. Wir haben also die Tatsache, daß dort, wo die EntwickelungSmoglichkeit unserer Kolonien liegt, kein guter Hafen ist, dort aber, wo ein guter Hafen ist, kein gutes Hinterland vorhanden ist. Wenn auch der Hafen von Lüderitzbucht noch so gut ist, so hat doch der Bahn- bau keinen Sinn, wenn das Hinterland nicht brauchbar ist. Nun weist man darauf hin, daß eL sich um eine Notstandsvorlage, um eine Kriegsvorlage handelt. Es handelt sich um eine Stichbahn durch die Wüste. Nun frage ich Sie: Wenn sich die Verhältnisse in den nächsten 8 Monaten so verbessern wie bisher, so wird dort überhaupt kein Kriegszustand mehr herrschen, eS sei denn, daß man der Ansicht ist, daß, so lange überhaupt noch Eingeborene da sind. auch Krieg geführt werden müsse. Zum Beweise dafür, wie wenig in Wirklichkeit die Bahn unter den gegenwärtigen Zuständen für die Truppen Nutzen bringen wird, berufe ich mich auf die AuS- führungen des Bundesratsbevollmächtigten, insbesondere deS Obersten v. Deimling, der erklärt hat, einer der Truppenführcr hätte gesagt, man solle tausend Kamele kaufen. Wenn für die gegenwärtige Kricgszeit dieser Kameltransport als daS einzige in absehbarer Zeit erreichbare Transportmittel gefordert wird, so fällt damit die Bahn erst recht. Wenn nur einigermaßen guter Wille bei unserer Militär- und Kolonialverwaltung vorhanden ist. so wird eS sich bei dem Aufstande nickt mehr um unabsehbare Zeiten handeln. Die Zahl der Aufständischen ist bereits sehr zusammen« geschrumpft. Als wir in die erste Lesung der Borlage eintraten. wurde unS mitgeteilt, daß die Witbiihottentotten insgesamt 300 Mann zählen. Davon haben sich inzwischen 74 Mann ergeben, und eS ist zu erwarten, daß sich innerhalb sehr kurzer Zeit die übrigen Witboihottentotten ergeben werden. I» der letzten Sitzung der Budgetkommission wurde unS ja mitgeteilt, daß sich weitere 100 Mann ergeben haben. Da komme ich auf die Tatsache zurück. daß der Friedensschluß mit Morenga möglich sein dürfte. Oberst v. Deimling hat ja bestätigt, daß Verhandlungen stattgefunden haben, und geht jedenfalls aus den Mitteilungen hervor, daß weitere Verhandlungen mit Morenga nicht aussichtslos sind. Zweifellos wird sich innerhalb der nächsten 6 Monate ein Ab­kommen mit Morenga treffen lassen, und sobald ein derartiges Ab- kommen getroffen ist. fällt jeder Grund für eine Krikgöbahn fort. deren Bau auf 8 Monate berechnet ist. Bei dieser Gelegenheit muh ich darauf hinweisen, daß eS sich gar nicht um die kurze Strecke Lüderitzbucht Kubub handelt. sondern daß Oberst Deimling in der Budgetkommission ausdrücklich erklärt hat, daß die Bahn bis nach Keetman�hoop weiter- geführt werden müsse. Auf eine Anfrage des Abg. Müller-Fulda hat er dann noch hinzugefügt, daß noch eine weitere Bahn- Verbindung von Windhuk   nach Keetmanshoop   notwendig sein würdet Da handelt eS sich dann nicht mehr um Stichbahnen in das Innere des Landes, denn sie sind drei- bis viermal so lang wie die gegen- wärtige Strecke, sondern um mehrere Eisenbahnlinien, die nach einem Vergleiche des Obersten Deimling jede dir Länge der Strecke Metz   bis Posen haben sollen.(Härtl hört! bei den Sozialdemo- kraten.) Wenn Sie sich also auf diesen Plan hier einlassen, so be- willigen Sie nicht nur die geforderte Wüstenbahn, sondern im Prinzip die beiden Ivcitercn Strecken sofort mit. Der Abg. Erz- berger hat Ihnen ja gestern mitgeteilt, daß schoi jetzt, ohne die Be» «illiznng des Reichstages abzuwarten, trotz früherer Ablehaung dieses Postens, die Vorarbeiten für die Strecke von Windhuk  «ach Keetmanshoop   in Angriff genommen worden sind und daß nur nachher indirekt die Zustimmung deS Reichstags zu de» schon ge- machten Ausgaben verlangt wird. Danach besteht gar kein Zweifel über die Absichten derjenigen Persönlichkeiten, die schließlich für die Handlungsweise der Kolonialverwaltung maßgebend sind, und deshalb müssen Sie sich klar sein, daß, wenn Sie den kleiner Finger hergeben, Sie gleich den ganzen Arm in den Rache» deS Kolonial- »wlochs hineinstecken müssen. Ich war sehr überrascht«nd