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flffiMentan sogar erfreut, als gestem die Herren von Her Kolonial- Vertvolhmg sich so außerordentlich bereitwillig zeigten, jederzeit Auskunft zu erteilen, wie der Herr'Legationsrat Helfferich dem Abg. Erzberger versicherte.Die Botschaft hör' ich Wohl, allein mir fehlt der Glaubet" Nach all den Erfahrungen, die nicht nur wir Sozialdemokraten, sondern sämtliche Parteien in diesem Hause. mit Ausnahme der durchaus kolonialsreundlichen, die überhaupt nicht fragen(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten), gemacht haben, können wir an diese Bereitwilligkeit zur Auskunfterteilung nicht recht mehr glauben. Gestern allerdings, als es sich um i h r e Person handelte, waren die Herren von der Kolonialverwaltung sehr redselig und verlangten dringend, sofort Auskunft zu geben. nZch nehme ihnen das nicht übel, aber ich wünschte nur, daß sie ebenso bereit wären, zu reden, wenn es sich um die allgemeinen Reichs- Interessen, um die öffentlichen Interessen handelt. Am 25. Mai stellte ich betreffs des Ausrottungsbefehls die dringende Anfrage an die Regierung. Da kam durch die Tücke des Schicksals die Vertagung.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Man muß doch annehmen, daß die Herren von der Kolonial- Verwaltung geradezu darauf brannten, uns Antwort zu geben, zu- mal auch die Kamerunborlage auf der Tagesordnung stand. Da kam am 30. Mai, unglückseligerweise, wie vom Himmel herab- geschneit,(Heiterkeit links) die Schließung des Reichstags. Die Herren von der Kvlonialverwaltung hätten doch zum Reichskanzler gehen und ihn beschwören sollen, die Schließung zu verhindern; denn ihre eigene Ehre stände auf dem Spiel, ebenso wie das Jnter- esse des Reiches. Der Herr Reichskanzler mit seinem guten Herzen hätte doch sicherlich mit der größten Bereitwilligkeit ihnen den Gc- fallen getan.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Statt dessen hüllte man sich bis zum 14. Dezember in vollständiges Schweigen. Nur meinem Punkte erhielten wir neulich eine sehr unklare Ant- wort vom Herrn v. Richthofen   über das Verhältnis des Herrn Reichskanzlers zum Erlaß des Generals v. Trotha. Erst gestern gab Herr Geheimrat Golinelli im Auftrage des Reichskanzlers einige weitere Aufklärungen. Aus der Darlegung dieses Herrn geht nun hervor, daß der Erlaß des Generals v. Trotha bezüglich der Hereros nicht vollständig von dem Herrn Reichskanzler gewiß- billigt worden ist. sondern nur derjenige Teil, der sich auf die Frauen und Kinoer bezog, durch den die Frauen und Kinder in den Dursttod getrieben werden sollten. Im übrigen billigte es der H�rr Reichskanzler vollständig, daß Prämien ans die Köpfe der Häuptlinge ausgesetzt seien. Dagegen hatte Oberst Deimling hier im Reichstage den ganzen Erlaß gebilligt. Wir haben da eine der sogenanntenUnstimmigkeiten" in der Regierung, nämlich einen Unterschied zwischen den Anschauungen der Herren von der Militär- Verwaltung und der Herren von der Zivilverwaltung. Betreffs des zweiten Erlasses hat Gcheimrat Helfferich erklärt, daß von den Hottentotten nur diejenigen mit dem Tode bedroht wurden, die sich eines Mordes oder der Beihülfe schuldig gemacht hatten. Aus dem Wortlaute des Erlasses geht aber hervor, daß es sich um einen zweiten Ansrottungsbcfehl handelt, nur daß der Passus über die Frauen und Kinder fortgelassen ist. Es heißt da: Nur diejenigen, die sich freiwillig ergeben, sollen durch die Gnade des Kaisers des mächtigen Deutschen   Reiches begnadigt werden. Und es heißt weiter: Nur diejenigen, die die Waffen gegen die Deutschen   erhoben hätten, hätten ihr Leben verwirkt. Taraus geht doch aber hervor, daß die letzteren auch dann ihr Lbeen verwirkt haben, wenn sie sich frei- willig stellen.(Widerspruch beim Oberst v. Deimling.) Also auch hier handelt es sich wiederum um einen Ausrottungsbefchl. Nun kommt noch hinzu die Aussetzung der Preise auf die Köpfe der Witbois. Gegenüber der ausdrücklichen Verteidigung der Aussetzung dieser Prämien beharre ich dabei, daß das eine unbedingt verwerf- liche Handlung ist.(Sehr richtigl bei den Sozialdemokraten.) Ich erinnere dabei daran, daß der frühere /Gouverneur v. Lcutwein dem Hendrik Witboi ein glänzendes Zeugnis ausgestellt hat. Er vergleicht ihn mit Hermann dem Cherusker, der ja von jedem guten Deutschen   als ein Stammesheros angesehen wird. Die Römer hätten Hermann den Cherusker genau so gut und mit noch viel größerem Rechte als einen Verräter ansehen können, wie die Deutschen   den Hendrik Witboi. Ich betone, dieser Vergleich stammt von Leutwcin. Glücklicherweise ist die Kriegsverwaltung nicht in die Lage gekommen, die Prämien auszuzahlen. Das spricht sehr für die Herero und die Hottentotten, die sich nicht zu derartigen Verräterdicnsten hergegeben haben. Es entschuldigt aber keines- Wegs die Verwaltung, die derartige Verräterprämien ausgesetzt hat. Ich muß dann noch einmal zurückkommen auf das in der Zukunft" veröffentlichte Telegramm. General v. Trotha verwahrt sich in ihm dagegen, daß er der Mann für eine schwächliche Kriegs- führung sei; aber dann heißt es weiter:Ew.(fpzellenzl Ich halte den Frieden mit dem einzig anständigen Gegner Morenga nicht nur für erwünscht, sondern für dringend geboten. Die Lage ist durchaus nicht so, daß wir auf eine baldige Unterwerfung des Aufstandes rechnen können." Aus diesem Telegramme hatte Horden den Schluß gebogen, daß es an den Reichskanzler gerichtet und daß dieser einen Friedensschluß mit Morenga verhindert hätte. Gestern ist uns nun in der Budgelkommission mitgeteilt worden, daß dies eine irrtümliche Annahme derZukunft" ist. Der Empfänger dieses Telegramms soll nach den gestern gemachten Ausführungen nicht der Reichskanzler, sondern der Chef des Generalstabs sein. Wir stoßen hier aus die erstaunliche Tatsache, daß die Kricgsführnng in Südwestaftika Sieleitet worden ist einerseits vom Chef des General- tabs, andererseits vom Reichskanzler. Der Widerspruch zwischen der Kriegs- und der Kolonialverwaltung ist in der Kriegsführung schon wiederholt zutage getreten. Die Bemühungen des Generals v. Trotha, mit Morenga einen Frieden zu schließen, entsprechen offenbar den Anschauungen der Kolonialverwaltung, aber nach diesem Telegramm nicht den Anschauungen des Generalstabs. Dieser Widerspruch trat auch zutage, als der Reichskanzler den ersten Erlaß des Generals v. Trotha gegen die Hereros verurtcDlte und später Oberst Deimling ihn in vollem Umfange hier verteidigte. Ferner hat der Kaiser durch das Militärkabinett dem General v. Trotha seinen Dank und seine warme Anerkennung für seine vortrefflichen Leistungen aussprechen lassen und ihm diesen Dank durch die Verleihung des Ordens ponr Is morits bestätigt. Der oberste Kriegsherr zollt also der ganzen Kriegsführung des Generals v. Trotha wännste An- erkennung, aber auch das steht im Widerspruch mit den Ausführungen des Reichskanzlers, die eine solche unbedingte Anerkennung nicht ent« hielten, da sie ja jenen Erlaß mißbilligten und diese Mißbilligung sogar tn einem Briefe an den General zum Ausdruck gebracht wurde. Ich meine, wenn von verschiedenen einflußreichen Stellen ganz vcr- schiedene Anordnungen getroffen werden, so können wir uns nicht darüber wundern, daß schließlich General v. Trotha sich nicht mehr um die Zivilverwaltung kümmerte. Das sind aber ganz unhaltbare Zustände, denn es handelt sich nicht bloß um die Kriegsführung im engsten Sinne, sondern um politische Akte von großer Bedeutung. Der Erlaß des Generals v. Trotha ist ein Akt von politischer Be- deutung, weil er die Politik den dortigen Eingeborenen gegenüber kennzeichnet. Wir müssen fordern, daß die gesamte Kolonial- Verwaltung, sowohl im Frieden wie im Kriege, nur der Entscheidung des Kolonialamtes unterstellt wird, auch gegenüber dem kommandierenden General. Unter keinen Umständen dürfen Ein- griffe in die Verwaltung von rein militärischen Gesichtspunkten aus erfolgen. Wenn das bisherige Verfahren fortgeführt wird, so wird nach den bisherigen Erfahrungen namentlich im Chinakriege, wo die Soldaten aufgefordert wurden, sich wie Hunnen zu benehmen und Barbareien zu begehen unsere Kolonialpolitik den schwerste» Schaden erleiden. Zu meiner Verwunderung hat der LegationSrat König heute erklärt, daß die Greueltaten, die in den Kolonien vorgekommen sind, nicht auf die Böswilligkeit einzelner Personen zurückzuführen sei, sondern daß auch bei allen anderen Kolonieverwaltnngen Greueltaten vorgekommen sind. Das trifft ja den Kern der Sache. Ich bin der Ueberzeugung, daß die aiisgeivählten Kolonialbeamten durchschnittlich in bezug auf moralische und intellektuelle Qualität nicht niedriger stehen als die Beamten bei uns zu Lande. Wenn trotzdem eine solche Häufung von Mißbräuchen in der Koloinalverwaltung in die Erscheinung tritt, wenn soviel Greueltaten»nid so schreiende Un- gerechtigkeiten begangen werden, von denen heute Ihnen der Ab« geordnete Ablaß   eine ganze Schüssel voll vorgesetzt hat, dann liegt das nicht am Tropenkoller das ist nur ein Märchen, das jemand ausgeklügelt hat dann ist das nur zurückzuführen auf die Aus- beutung und Unterdrückung der Völker, die der Zweck aller Kolonial- Politik ist. Die Machtvollkommenheit, die geradezu absolutistische Herrschaft der Beamten führt sie dazu, diese schlimmen Keime der Entartung und Brutalität zur Entfaltung zu bringen. Leute, die hierzulande sich normal entwickelt hätten, werden dort zu Ausbeutern schlimmster Art. Eine mir vorliegende Nummer derSüdwestafrikanischen Zei- tung" zeigt, daß vom 30. Oktober bis 30. November drei Weiße wegen Einbruchs, neun wegen Trunkenheit, vier wegen Diebstahls, drei wegen Raubes, einer wegen Unterschlagung, einer wegen Sittlichkeitsvergehens, flinf wegen kleiner Vergehen, im ganzen also 26 Weiße ins Gefängnis gebracht sind. Dagegen find nur 3 Ein- geborene ins Gefängnis gebracht I Die Todesfalle zeigen, daß in derselben Zeit von Weißen 1 Erwachsener und 1 Kind, von Ein- geborenen 17 Männer und Weiber und 7 Kinder gestorben sind. Selbst wenn man die Sterblichkeit der Schwarzen etwas höher rechnet, reden diese Zahlen eine deutliche Sprache Solange wir diese Kolonien haben, werden sie zu Mißbräuchen der scheußlichsten Art führen. Wenn Sie diese Mißbräuche abschaffen wollen, dann hilft keine Reform der Beamtenschaft, dann müssen Sie das ganze Kolonialsystem abschaffen, weil es zweifellos auf eine Aus- beutung der Eingeborenen hinausläuft. Deshalb bitte ich Sie: Lehnen Sie mit uns diese ganze Vorlage ab.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Geheimrat Helfferich protestiert gegen die Behauptung des Vor- redners, daß General v. Trotha eine Rüge vom Reichskanzler er- halten habe. Der Reichskanzler habe seine volle Uebereinstimmung mit der Tätigkeit des Generals v. Trotha wiederholt zum Ausdruck gebracht. Abg. Dr. Scmler(natl.) verzichtet aufs Wort.(Lebh. Beifall.) Abg. Dr. Müller-Sagan(frs. Vp.): Es sind in der sozialdemo- kratischcn Presse, nämlich in derLeipziger Volkszeitung  ", leiden- schaftliche Vorwürfe gegen Abgeordnete vom Zentrum und der ftei- sinnigen Vollspartei erhoben worden, weil sie Beschwerden, die an sie gelangt sind, nicht genügend vertreten hätten. Wir wollten aber erst die Erklärungen der Reichsregierung abwarten. Mein Fraktions- kollege Ablaß   hat ja heute gezeigt, wie gründlich wir diese Sache nehmen. Wenn der Abgeordnete Ledebour   heute früh anwesend gewesen wäre, als ich namens meiner Parteifreunde die Erklärung zu dieser Vorlage abgab, so hätte er uns nicht vorwerfen können, daß wir unser Urteil über die wirtschaftliche Bedeutung der Bahn geändert hätten. Ueberzeugt haben uns vielmehr die Mitteilungen des Obersten v. Deimling: daß eine Aufgabe des Südens einen Einfall der Hereros in den Norden zur Folge hätte, eventuell auch internationale Verwicklungen an der englischen Grenze, und daß eine Erleichterung der Verproviantierung der beste Weg zur rascheren Beendigung des Aufstandes sei. Getreu ihrer alten Stellung zu den Militärfragen werden meine Freunde der Re- gierung die Mittel nicht verweigern, einen notwendigen Krieg zum siegreichen Ende zu führen.(Beifall bei den Freisinnigen.) Abg. Ledebour(Soz., mit Unruhe empfangen): Der Abg. Müller- Sagau zwingt mich zu ein paar kurzen Bemerkungen. Wenn Abg. Müller-Sagan mit Einwilligung des Herrn Päplow die diesen be- treffenden Aktenstücke dem Reichskanzler übergeben hat, so ist aller- dings der Vorwurf nicht aufrecht zu erhalten, den eine Zeitung »reiner Partei gegen die genannten Abgeordneten erhoben hat; immerhin bleibt es beftemdlich, daß Herr Päplow, wenn er sich an den Reichskanzler wenden wollte, den Um- weg über Dr. Müller-Sagan gewählt hat. Ich finde es äußerst befremdlich, daß Sie von Ihrem freisinni- gen Standpunkt aus durch die Gründe der Militär- verWallung sich zur Bewilligung einer Bahn bewegen lassen, deren wirtschaftliche Zwecklosigkeit Sie selbst anerkannt haben.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Damit schließt die Diskussion.§ 1 wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Die folgenden Paragraphen werden debattelos angenommen. In der Gesamt- abstimmung wird die Vorlage gegen die Stimmen der Sozial- demokraten angenommen. Hierauf nimmt das Wort Oberst v. Deimling: Im Namen meiner Kameraden draußen in Afrika   danke ich von ganzem Herzen dem hohen Hause für die so überaus schnelle Be- ivilligung der Bahn. Aus allen Gauen Deutschlands   sind ungezählte Weihnachtsspenden jetzt an die Truppen hinausgeschickt. Sie dürfen überzeugt sein, daß von allen diesen Weihnachtsgeschenken keines so die Herzen der Truppen draußen erfreuen wirdwieJhreGabe. die Eisenbahn. Sehen doch daraus die Truppen, daß die Abgeordneten des Volkes und damit das ganze deutsche   Volk hinter ihnen stehen, daß für sie die Herzen in warmer Teilnahme schlagen. Aus diesem Bewußtsein wird die Truppe am besten die Kraft schöpfen, weiter auszuharren in ihrer schweren Aufgabe bis zum siegreichen und so Gott   will nicht allzu späten Ende.(Lebhafter Beifall.) Darauf wird die Generaldebatte über den Etat fortgesetzt. Abg. Gothel»(fts. Vg.): An den Wohlfahrtscinrichtimgen haben die Arbeitgeber selbst ein großes Interesse. Auf der anderen Seite muß man aber doch auch anerkennen, daß für Wohltätigkeit viel getan wird, insbesondere auch von jüdischen Firmen. In England ist die sozialdemokratische Chartistenbewegung, die dieselben Ziele verfolgte, wie Herr Kautsky in Deutschland  , elend gescheitert. Bei uns wird die Sozialdemokratie besonders gefördert durch die Tätigkeit der Polizei, die Märtyrer schafft. Die Matznahmen der Regierung züchtet ja geradezu Sozial» demokraten, das sehen wir an Mecklenburg  , wo die Sozialdemokratie die stärkste Zunahme aufweist. Es ivar richtig, was Graf Posadowsky   über die hohe Bildung unseres Volkes gesagt hat. Aber wenn die Arbeiter so gebildet sind, haben sie anw den Wunsch, an der Gesetzgebung auch in den Land- tagen mitzuwirken. Ich gebe zu: Auch die Völker machen ihre Fehler, mißbrauchen auch wohl ihre Freiheit. Aber wenn man nur dem die Freiheit geben wollte, bei dem eS ausgeschlossen ist, daß er sie mißbraucht, köünte man überhaupt niemand die Freiheit geben, nicht einmal den Herren Ministern.(Heiterkeit.) Unvorsichtig war es, daß gerade Abg. Stöcker über das Schwinden der deutschen   Treue geklagt hat. Er sollte doch an den Scheiter- Haufenbrief denken!(Sehr gut! links.) Das Auftreten des Herrn Stöcker in Essen hat wahrscheinlich den Sozialdemokraten nur ge- Holsen. In Straßburg  -Land aber hat er als evangelischer Vorkämpfer den Pakt mit dem Zentrum empfohlen.(Sehr gut! links.) Die Sozialdemokratie wird aber auch vom Regierungstische ge- stützt. Herr Bebel braucht nur aufzustehen, so kommt der Reichskanzler, um sich lediglich mit dessen Rede zu beschäftigen. Die ausgezeich- neten Reden der Herren Schräder, Gröber, Payer bekommen dagegen keinerlei Erwiderungen. Ein Volksvertreter kann nicht immer in die patriotische Hurratrompete einstimmen, das wäre eine Pflicht- Verletzung. Ich bin weit entfernt, das französische   Gelbbuch über Marokko  Tir objektive Wahrheit zu halten. Sicher aber ist, daß die deutsche Politik in dieser Angelegenheit nicht immer dieselbe geblieben ist. So etwas mutz im Auslande beunruhigen. Ich halte es für im- bedingt notwendig, daß_ der Reichskanzler diesem französischen  Gclbbuch ein deutsches Weißbuch entgegensetzt,' um jene» schlechten Eindruck wieder gut zu mache». Der Reichskanzler hat die Kriegs- gerächte alsUnsinn" bezeichnet. Aber viel mehr als in sozial- demokratischen Kreisen waren diese Gerüchte i» den Kreisen der Beamten und Offiziere verbreitet.(Sehr richtig! links.) Ich habe nur den einen Wunsch, daß diese Etatsberatnngen von cineni Patriotismus geleitet werden, der nicht vor der Kritik zurückschreckt. Sorgen wir dafür. daß ein gesunder Boden im Volke entstehe, auf dem der Patriotismus emporwachsen kann.(Lebhafter Beifall links und in der Milte.) Abg. Graf Mielzhnski(Pole): Die schlimmsten Maßnahmen gegen uns betreibt die preußische Regierung mit dem Ansiedelungs- gesetz. Man sollte doch wenigstens denken, daß die Regierung vor der Familie und der Religion Halt machen würde. Auch das geschieht aber nicht. Man beruft sich sogar auf Papst Leo XIII.  , obwohl dieser Greis im Vatikan   gerade stets den Polen   ermunternde Worte gesagt hat, obwohl er bis zum Tode seine Rechte gegen die italienische   Regierung verteidigt hat. Kann man es uns denn übel nehmen, wenn wir unser Vaterland, das im Unglück danieder liegt und in Ketten geschlagen ist, lieben? Im Unglück liebt man doch doppelt. Ist es wahr, daß der Oberst v. Skeczinski in Rathenow  mit schlichtem Abschied entlassen ist, weil er sein Gut an einen Polen  verkauft hat? Die jetzige Politik bat dazu geführt, daß Frankreich  die Ohren spitzt und Deutschland   seine Lasten vermehrt hat. Trotz- dem wird Herzog v. Bülow(Heiterkeit) im nächsten Jabre uns mit lächelnder Miene sagen: Nur die Klugheit der preußischen Politik hat das Vaterland gerettet. Generalmajor Sijft v. Armin: Der Vorredner hat eine direkte Anfrage wegen der Verabschiedung des Oberst v. Skeczinski an die Heeresverwaltung gerichtet, und so will ich ihm darauf antworten, obwohl dem Oberst als Offizier die Ursache selbstverständlich bekannt ist. Der Oberst hat bei Sr. Majestät den Abschied erbeten und Se. Majestät hat den Abschied bewilligt. Weiter habe ich nichts darauf zu erwidern. Abg. Blninenthal(südd. Vp.): Die Angaben, die uns durch den Reichskanzler über die auswärtige Politik Deutschlands   im ver- gangenen Jahre gemacht worden sind, waren überaus dürstig. Es ist nicht nötig, durch die diplomatische Küche gegangen zu sein, um die Kochkunst des Küchenchefs zu beurteilen. Wir merken an den: uns vorgesetzten Mahle, wie bitter eS ist. (Sehr gut! links.) Einstimmig, ohne jeden Unterschied der Parteien, wünschen alle Elsaß-Lothringer möglichst gute Beziehungen zu Frank- reich. In der Marokko  -Frage konnte die deutsche Regierung ihr Ziel der Wahrung deutscher   Interessen leichtlich ohne Brüskierung Fraiikreichs erreichen. Der Abgeordnete Bassermami wollte im französischen   Gelbbuch zwischen den Zeilen lesen.Das kann man nach der Posadowsky  'schen Einschätzung der mutmaßlichen Durchschnittsfähigkcit eines Reichstagsabgeordneten von uns eigentlich nicht verlangen.(Heiterkeit.) Aber zum Glück hat wenigstens die nationalliberale Partei noch staatsmännische Talente, die uns die dürftigen Regierungserklärungen ausdeuten.(Heiterkeit.) Abg. Dr. Scmler(natl.): Passen Sie auf. gerade geht das elektrische Licht aus!(Heiterkeit.) Lassen Sie nur, ich werd's Ihnen schon wieder anstecken.(Große Heiterkeit.) Der Abg. Bassermann ver- langte für Deutschland Ellbogenfreiheit.(Eine elektrische Lampe wird mit neuem Kohlenstist versehen. Heiterkeit.) Mit der Benutzung des Ellenbogens erwirbt man sich nur den Ruf eines Rauhbeins. (Heiterkeit.) Die internationale Marokkokonferenz war ein Danaer- geschenk; viel leichter hätten Deutschland   und Frank- reich unter sich zu einem Abkommen gelangen können. Die kriegerischen Mittel standen in merkwürdigem Gegen- satz zu den Vorteilen, die man erreichen konnte und wohl auch wollte. Jedenfalls gäbe es in Deutschland   nichts Unpopuläres als einen Angriffskrieg gegen Frankreich.  (Lebhafte Zustimmung links.) Erst jetzt sind die über alles Erwarten guten Beziehungen zwischen Deutschland   und Frankreich  , die sich allmählich entwickelt haben, auf Jahre hinaus verschlechtert worden, und das durch unser brüskes Auftreten. Ohne den Vorwurf mangelnden Patriotismus zu fürchten, müssen wir diese schwachen Seiten der deutschen   aus- wärtigen Politik aufdecken. Deutschland   scheint jetzt, wenn man der konservativen Presse glauben will, sehr geneigt, die Machtfrage zu stellen. Der Abg. Stöckcr meint, daß die Bildung christlicher Gewerkschaften ein Abrücken der Arbeiter von der Sozialdemokratie bedeute. Das Umgekehrte ist der Fall. Ich befürchte, daß die christlichen organi- fierten Arbeiter später die Sozialdemokratie verstärken werden. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Warum befürchten?) Weil ich ein Gegner der Sozialdemokratie bin. Meine politischen Freunde im Elsaß  können der Ausschaltung des Reichstages aus der Landesgesetzgebung nickst zustimmen, so lange wir dort nicht eine wirkliche Volks- Vertretung haben. Ich habe aber zum Reichstage in bezug auf die Einführung des allgemeinen Wahlrechts mehr Zutrauen als zu unserer Landesvertretung. Der Staatssekretär v. Köller hat aller- dings erklärt, daß. so'lange er im Amte sei. an eine Einführung des allgemeinen Wahlrechts bei uns nicht zu denken sei. Nun. auch Herr v. Köller hat seine Ansichten schon geändert. Jedenfalls sollte man den Elsaß-Lothringern das allgemeine Wahlrecht nicht vor- enthalten.(Beifall links.) Abg. Erzberger(Ztr.): Geheimrat Helfferich hat mir gestern den Vorwurf gemacht, daß ich unter dem Schutze der Anonymität ge- schrieben habe. Das hat er dodh ebenso gemacht; denn seine Er- klärung in derNordd. Allg. Ztg." war doch auch nicht mit seinem Nanien unterzeichnet.(Sehr richtig! im Zentrum). Geheimrat Dr. Helfferich: Ich habe dem Vorredner aus seiner Anonymität keinen Vorwurf gemacht. Wir konnten nicht voraus- sehen, daß Herr Erzberger hier etwas anderes vorbringen werde als in derKölnischen Volkszeitung". Das bat er aber getan. Abg. Erzberger   meldet sich zum Wort. Präsident Graf Ballestrem schlägt die Hände über dem Kops zusammen.(Heiterkeit.) Ich nehme für uns in Anspruch, daß wir alles getan haben. Iva? wir konnten. An diesem guten Gewissen prallen alle Angriffe des Herrn Erzberger ab. Abg. Erzberger(Z.) hält seinen Vorwurf, daß die Budget- kommission ungenügend unterrichtet sei. aufrecht. Damit ist die erste Beratung deS Etats erledigt. Große Teile deS Etats gehen in üblicher Weise an die B u d g e t- kommission. Nächste Sitzung: Dienstag, den 9. Januar, nachmittags 2 Uhr.(Steuervorlagen.) Präsident Graf Ballestrem: Ehe wir auseinandergehen und da wir hier so zahlreich versammelt sind(Heiterkeit. Es sind etwa 12 Personen im Saale  ), möchte ich Ihnen, aber auch den Kollegen, die hier nicht anwesend sind, ein fröhliches Weihnachtsfest und ein recht glückliches neues Jahr wünschen. (Beifall.) Schluß der Sitzung S'/z Uhr. Huö der Partei. AuS den Organisationen. In der am 11. d. M. abgehaltenen Mitgliedcrversaimnlung des 2000 Mitglieder zählenden Zweigvereins Köln   und Umgegend deS Verbandes der baugewerblichen Hülfsarbeiter wurde einstimmig eine Protestresolution gegen die Haltung des Bau-Hülssarbeiter" imVorwärts'-Konflikt und gegen die Ver- suche, zwischen den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie eine Kluft zu schaffe», angenommen. Was wird auS Rußland  ? Darüber zerbricht sich imVolksblatt für Anhalt" Genosse PeuS den Kopf. Seiner völligen Ratlosigkeit gibt er folgenden erschütternden Ausdruck: Wer kanns sagen? Die Nachrichten widersprechen sich. Bald hcißts, Witte ist noch immer Herr der Situation und bald wieder siegt Durnowo. Bald glaubt man, die Revolutionäre holen zum letzten vernichtenden Schlage aus, bald wieder scheint auf ihrer Seite alles in Wirrnis. In hohem Maße vermißt man führende Männer, wie sie die französische   Revolution von 1789 in so glänzender Art und großer Zahl hervorgebracht hat. Wo ist ein revolutionärer Führer, dessen Name in aller Munde wäre? Was sind die Meutereien? Sind'S planmäßige revoluttonäre Akte oder sind'S nur wilde Ausbrüche zielloser Menschen? Das letztere dünkt uns ivahrschciulichcr. weil wir so gar kein planmäßiges Fortschreiten gewahr werden. Heute meutern sie, morgen unter- werfen sie sich wieder.-- Das ganze Schauspiel der russischen Revolution, so gigantisch und großartig eS in seiner Kraft eutsaltung ist, bietet, was Klar-