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Mr. 295. 22. Jahrgang.

4. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt. Sonntag, 17. Bezember 1905.

Die Wahrheit über Sewastopol .

Wir erhalten über die in den offiziösen russischen Telegrammen und in der deutschen bürgerlichen Preise in ganz falschem Lichte dargestellte grandiose Marine- Erhebung in Sewastopol den folgenden genauen Bericht von unserem dortigen Privatforrespondenten. Sewastopol , den 30. November 1905. Ich will im Nachstehenden ein furges Bild der folgenschweren Ereignisse geben, die sich hier während der letzten Zeit abgespielt Am Tage nach dem Freiheitsmanifest", am 31. Oktober, ver­sammelte sich hier eine sehntausendtöpfige Menge zu einem grandiosen Meeting und zog alsdann zum Gefängnis, um die politischen Gefangenen zu befreien. Das im Gefängnis versteckt gehaltene Militär gab auf die Menge Feuer, tötete- 8 und ver­wundete etwa 20 Personen.

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Betrunkener zu sehen eine sonst in Rußland an Feiertagen gerade| Bucht liegende Stadtteil vernichtet worden und zahllose Menschen­nicht seltene Erscheinung. Ein Matrose, der mit einer Brannt- leben zugrunde gegangen wären. weinflasche in der Hand nüchtern auf der Straße einherging, 3u gleicher Zeit eröffneten die Panzerschiffe Rostislato" und wurde von der vorübergehenden Patrouille sofort in Haft genommen. Tri Swjatiteli", der Kreuzer, Pamiat Merkurija" und die Batterien Der Einfluß der Sozialdemokratie auf die Haltung der Mann- der Nordseite das Feuer gegen den revolutionären Otschafom", schaften war unverkennbar und licß es nirgends zu Ausschreitungen während gleichzeitig Swirepy" durch Schüsse vom Teres" tampf­fommen, die den Behörden den erwünschten Anlaß hätten geben unfähig gemacht wurde. Der Steuermann des Swirepy" wurde fönnen, Ordnung" zu schaffen. Die Meuterer" versuchten auf getötet, und das Schiff wurde durch die Welle an die Längsseite des Kreuzers Pamiat Merkurija" herangetrieben, der dem bereits jegliche Weise ihre Friedensliebe zu betonen. Am Sonntagnachmittag fand am Seeboulevard ein äußerst wehrlosen Swireph" trotzdem unter heftiges Feuer nahm und start besuchtes Meeting, statt, an dem diesmal auch Matrosen und die gesamte Besabung tötete. Ein Teil der Mannschaft Soldaten teilnahmen. Kapitän Schmidt hielt eine glänzende Rede, des" Swirepy", der sich ins Wasser gestürzt hatte, wurde dur ch An Bord des und der in der er zum zweiten allrussischen politischen Massenstreit auf- intenschüsse " Otschafow" war unterdessen Feuer ausgebrochen und forderte. Sonntag und Montag vergingen völlig ruhig. Am Montag verbreiteten die revolutionären Matrosen einen Otschakow" sab sich gezwungen, die weiße Flagge als Zeichen der Aufruf, in dem sie die Bevölkerung aufforderten, sich zu beruhigen Ergebung zu hissen. Trokdem wurde entgegen allen Regeln des und nicht den böswillig ausgestreuten Gerüchten zu glauben, als Serieges, infolge eines angeblichen" Mißverſtändnisses " no ch sei eine allgemeine Plünderung der Stadt beabsichtigt. Die weitere zehn Minuten auf den Otschatom" ge­Matrosen versicherten der Bevölkerung, daß die öffentliche Ordnung schossen. Auch die revolutionären Torpedoboote Nr. 268" und in vollem Maße aufrecht erhalten und daß sie selbst zum Schutze Nr. 270" wurden außer Gefecht gesezt und auf letterem der der Einwohner bewaffnet in die Stadt einrücken würden, falls die Kapitän Schmidt verhaftet. schwarzen Hunderte" es wagen sollten, eine Judenheze oder eine allgemeine Plünderung zu veranstalten.

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niedergemacht.

Die übrig gebliebene Mannschaft des Otschafoto" war während des Kampfes ins Wasser gesprungen, und die am Seeboulevard versammelte Menge versuchte die Ertrinkenden zu retten, indem sie Boote aussandte. Die Behörden zeigten bei der Rettung an­fänglich eine schamlose Haltung. Nicht nur daß sie an der Rettungs­aftion nicht den geringsten Anteil nahmen und fein Regierungsboot zur Verfügung stellten, sie versuchten auch auf alle Weise den Ab­gang der Privatrettungsboote zu verhindern. Es ist eine zweifel­vom Torpedoboote Nr. 270" gerttet hatte und nach dem Ufer zurückkehren wollte, durch zwei Schüsse vom zarentreuen Kreuzer Pamiat Merkurija" in Grund und Boden gebohrt wurde, wobei Better und Gerettete ums Leben tamen! Von den auf dem " Otschakow" in Haft gehaltenen 33 Offizieren wurde niemand ge­tötet. Dieselben wurden bald nach Beginn des Kampfes von Re­als gierungsbooten gerettet. Nur späterhin, nach dem Kampfe, als bereits das Feuer auf dem Otschafom" um sich griff, hatten auch die Behörden ein menschlich Rühren verspürt und sandten Boote aus, zufangen.re embärende Einzelheiten des Stampfes müssen fest­um die ins Wasser gesprungenen Leute vom Otschakow" auf­genagelt werden. Während der Kanonade befand sich auf dem Sec­boulevard eine Menge von zirka 60 bis 100 Personen. Jemand aus der Menge entfaltete plötzlich eine rote Fahne. Sofort er­dröhnten vom Panzerschiff Rostislaw" in der Richtung des Publikums zivei Kanonenschüsse, durch die glüdlicherweise niemand getötet wurde, da die Geschosse erst in einer gewissen Entfernung vom Publikum platten.

Nach zwei Tagen fand eine demonstrative Beerdigung der Ge­fallenen statt, an der sämtliche revolutionäre Organisationen teil­nahmen. An den offenen Gräbern wurden Reden gehalten. Eine der besten Reden war die des Kapitäns 2. Ranges Peter Schmidt, der daraufhin auf Befehl des Hauptkommandierenden der Schwarzmeerflotte, des Admirals Tschuchnin, verhaftet wurde. Dieser Aufruf machte auf die Bevölkerung den besten Eindruck In den folgenden vier Wochen fanden an den Sonntagen am und erweďte noch wärmere Sympathien für die kämpfenden Sceboulevard Bolksmeetings statt, in denen dem Volte die nächsten Matrosen. Der ausgezeichneten Haltung der Matrosen wurde ein­Forderungen der revolutionären Parteien erläutert wurden. mütiges Lob gezollt und die in den Straßen vorübergehenden Admiral Tschuchnin hatte den Matrosen und Soldaten strengstens Matrosen wurden von vielen Einwohnern mit Händeschütteln, mit verboten, an diesen Meetings teilzunehmen und zu diesem Zweck freundlichem Lächeln begrüßt. Die Stimmung war eine zuber­an den Eingängen zum Boulevard Patrouillen postiert. Die sichtliche und gehobene. Nichts deutete darauf hin, daß die lose Tatsache, daß eine Privatschaluppe, die verwundete Matrosen Matrosen und Soldaten, erbittert durch diesen Befehl, organisierten Matrofenbewegung ein so blutiges Ende nehmen soll. Trok alle nun Meetings in den Kasernen und auf den in Sewastopol dem flüchteten viele Einwohner, eingeschüchtert durch die Ereignisse stationierten Kriegsschiffen, auf welchen die hiesigen Sozial- in Stronstadt und Wladivostok, nach den umliegenden Ortschaften. demokraten eine energische Agitation entwickelten. Schmidt, der Der auf Anordnung des Polizeihauptmanns angesichts der Demon­nach zwei Wochen aus der Haft entlassen worden war, war nun stration am 15. November erfolgte Ladenschluß, sowie insbesondere durch die Ereignisse in den Vordergrund geschoben worden und nahm der am 27. November über die Festung Sewastopol verhängte Be­an der weiteren Entwickelung derselben den regsten Anteil. Vom 21. November an wurden auf dem Blaze zwischen den lagerungszustand irugen viel dazu bei, die erschreckten Einwohner noch mehr einzuschüchtern. Marinetajernen( d. H. den Kasernen der an Land befindlichen Unter den geschilderten Umständen kam der nunmehr in der Malich Weetings abgehalten. Die Garung unter den Matrosen heran. Es war Dienstag, ein flarer, sonniger Tag. Der Panzer Matrosen) und den Kajernen des Infanterie- Regiments Brest Geschichte Rußlands dentwürdig gewordene Tag des 28. November täglich wuchs. Die Regierungsorgane verhielten sich vorläufig abwartend. treuzer Otschatow" stand am Eingang der Außenreede, neben ihm Am 24. November fand nachmittags ebenfalls ein Meeting statt; bier Torpedoboste, die sich ihm angeschlossen hatten. In einer Kontre- Admiral Piffareweth erteilte nun dem du jour habenden gewissen Entfernung vom Otschafow" stand das Panzerschlachtschiff Matrosen - Detachement der sogenannten Schlachtkompagnie" den" Panteleimon "( der frühere" Potemtin). Bereits am Montag Befehl, die Versammelten durch Schüsse zu zerstreuen. Der waren gegen 30 von den Matrosen verhaftete Marineoffiziere auf Matrose Petrow, der den Befehl hörte, schoß unverzüglich auf den Otschatow" gebracht worden, da man berechtigterweise an­Bisfarewsky und den Armeeoffizier Stein mit den Worten: Besser nehmen durfte, daß die Anwesenheit der Offiziere die Regierung mögt Ihr beide sterben, als daß Euretwegen Tausende umkommen." eher geneigt machen würde, eine friedliche Lösung des Konfliktes Biffarewsky wurde schwer verwundet, Stein starb noch in derselben herbeizuführen. Auch einige Beamte des Marineressorts, die sich Nacht. während ihrer Dienstzeit mißliebig gemacht hatten, wurden ver­haftet und in den Lasarew- Kasernen interniert. Die Inhaftnahme geschah seitens der Patrouillen in der forrettesten Weise und die Behandlung der Verhafteten ließ an Höflichkeit nichts zu wünschen übrig. Frühmorgens am Dienstag begab sich ein kleiner Dampfer mit einer Deputation der aufständischen Matrosen der Marinekasernen zum Streuzer Otschakow", wo die Deputation mit lautem Hurra begrüßt wurde." Otschakow" hißte die rote Flagge. Kurz darauf begab sich die Deputation unter der Leitung von Schmidt und unter dem Schuße des Torpedobootzerstörers Swirepy" nach dem Schiffe " Bruth", auf welchem sich die wegen der Juniunruhen 1905 auf den Kriegsschiffen Potemfin"," Pruth " und" Georgy Pobedonofsew" verhafteten Matrosen befanden. Sämtliche Verhaftete wurden, ohne jeden Widerstand seitens der Wache, befreit und unter braufendem Jubel auf den Otschakow" gebracht. Als der Dampfer mit den Befreiten am Potemkin" vorüberfuhr, wurde er von der Mannschaft desselben begeistert begrüßt und kurz darauf, gegen 1 Uhr mittags, higte auch Potemkin" die rote revolutionäre Flagge. Mittlerweile hatte sich auf den anderen fünf Panzerschlacht­schiffen" Rostislaw"," Tri Swojatitela"( 3 Heilige), Dwenadzat Apostolow"( die 12 Apostel)," Sinop " und" Tschesma", auf dem Streuzer Pamiat Merkurija" und einigen anderen Heineren Schiffen das Folgende zugetragen:

Am Sonnabend, dem 25., versammelten sich die Matrosen der Flottenfasernen wiederum. Ihnen schlossen sich die Soldaten des Regiments Brest und ein Teil der Hafenarbeiter an und alle zogen in grandioser Demonstration unter den Klängen einer Marinekapelle, von der Bevölkerung mit hellem Jubel begrüßt, zu den weit abliegenden Kasernen des Infanterie- Regiments Bjelostok, um auch die Soldaten dieses Regiments für sich zu geivinnen. Die Manifestanten stießen unterwegs auf das in Kampfesausrüftung aufgestellte Regiment Bjelostor und eine Kom­pagnie Artillerie. Die Kapelle des Regiments Bjelostok intonierte die Zarenhymne und das Regiment präsentierte das Gewehr. Um zu betonen, daß die Demonstration eine durchaus friedliche sei und um Blutvergießen zu vermeiden, fiel auch die Marinefapelle der Manifestanten in die Zarenhymne ein. Daraufhin machte das Regiment Bjelostot und die Artillerie kehrt und begab sich nach den außerhalb der Stadt liegenden Feldlagern. Die Demonstranten blieben noch längere Zeit beisammen, hielten vor den Kasernen des Regiments Brest ein Meeting ab und kehrten dann zu den Marine­Tafernen zurüd.

Unterdessen trachtete man auf seiten der Regierung, die Matrosen möglichst zu isolieren und die von der Propaganda noch wenig berührten Soldaten des Regiments Brest zurückzu­gewinnen. Die altbewährten Mittel halfen auch diesmal noch. Sonnabend nachts wurden die Militärgeistlichen auf die Beine gebracht, Branntwein unter die Soldaten verteilt und die nun im doppelten Sinnesrausch befindlichen Soldaten gegen ihre Brüder, die für die Freiheit tämpfenden Matrosen, aufgehetzt. Während der Nacht wurde den betäubten Soldaten ein neuer Treueid ab­genommen und die Offiziere des Regiments, die während der letzten Tage nicht mehr in den Kasernen erschienen waren, über nahmen wieder das Kommando über dasselbe.

Unterbessen hatten die Matrosen die folgenden 17 Forderungen formuliert und den Behörden vorgelegt: 1. Sämtliche aus politischen Gründen verhafteten Matrosen und Soldaten find gegen Bürgschaft aller Matrosen zu befreien und einem öffentlichen Gericht zu übergeben.

2. Alle sogenannten Schlachtfompagnien" und Kosaken sind aus der Stadt zu entfernen. Abschaffung des Kriegszustandes. Abschaffung der Todesstrafe.

3. Unverleglichkeit der Person der Delegierten. 4. Völlige Freiheit außerhalb der Dienstzeit. Das Recht, alle öffentlichen Lokale und Versammlungen zu besuchen. 5. Errichtung von Bibliotheken und Lesehallen auf Kosten des Staates. Abonnement von Büchern, Zeitungen und Journalen nach Wunsch der Mannschaften.

6. Höfliche Behandlung der Mannschaften seitens der Offiziere und Anrede mit Sie". Abschaffung der Titulatur außerhalb der Dienstzeit.

8. Verkürzung der Dienstzeit: für Soldaten auf zwei Jahre ( jekt drei Jahre acht Monate); für Matrosen auf vier Jahre( jekt ficben Jahre).

10. Sofortige Entlassung aller Reservisten sowie aller Mann­schaften, die ihre attive Dienstzeit ausgedient haben.

17. Die Offiziere sollen den Mannschaften während der Dienst­zeit täglich zwei Stunden allgemeinen Unterricht geben.

Puntte 7, 9 und 11 bis 16 betreffen rein ökonomische For derungen, wie Erhöhung des Gehalts, jährlicher Monatsurlaub, Pension für die Invaliden, Regelung der Bekleidungs- und Nahrungsfragen, Ausführung von Nebenarbeiten nicht durch die Mannschaften, sondern durch Lohnarbeiter, Verbot des Gebrauchs von Mannschaften zu häuslichen Bedienungszweden usw.

Außerdem schließen sich die Matrosen und Soldaten den all­russischen Forderungen: 1. der sofortigen Einberufung einer kon­stituierenden Versammlung auf Grundlage des allgemeinen, direkten, gleichen und geheimen Wahlrechts und 2. des acht­stündigen Arbeitstages an. Dieses Programm der Matrosen wurde am Montag, den 14. November überall verteilt und an den Straßeneden aufgeklebt. Die Matrofen hatten den Admiral Tschuchnin zu wiederholten Malen gebeten, in den Marinekasernen zu erscheinen, um die For­derungen anzuhören. Doch obgleich sie sich für die Sicherheit seiner Person berbürgten und in das Feldlager, in dem der General sich befand, sogar eine Spezialpatrouille zu seinem Echuke entsandten, erschien Tschuchnin nicht.

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Ein Dampfer mit einer Deputation der Marineoffiziere war die Front des ganzen Geschwaders, mit Ausnahme der abseits stehenden Schiffe Dtschafom" und" Potemtin", entlang gefahren und hielt bei jedem Schiff einige Zeit an. Die auf dem Dampfer befindlichen Offiziere teilten den Matrosen mit, daß ein Teil ihrer ökonomischen Forderungen bereits gewährt sei und versprachen, für die Erfüllung der weiteren Forderungen das möglichste zu tun. Der rückständige und leichtgläubige Teil der Mannschaft nahm die leeren Versprechungen der Offiziere als bare Münze auf, die organisierten Matrosen hingegen befanden sich in der Minderheit und waren nicht imstande, gegen die Masse anzufämpfen. So wurde denn ein Zwiespalt in die Reihen der Matrosen getragen, der auf dem Kriegsschiffe Rostislam" zu einem Handgemenge zwischen der Mannschaft führte. Anfangs wurde auf dem Rostislaw" die rote Flagge gehißt, sodann entstand eine Schlägerei, die rote Flagge wurde heruntergeholt und zerrissen und schließlich die patriotische weißblaue Andreasflagge gehißt. Gegen 1 Uhr mittags hatten bereits alle vorerwähnten Schiffe die Andreasflagge gehißt. Unterdessen hatten auch die auf einem Hügel befindlichen weithin sichtbaren Lasarew- Stajernen die rote revolutionäre Flagge entfaltet und es standen nun gwei Parteien einander tampfbereit gegenüber. Den Oberbefehl über das regierungstreue Geschwader führte Admiral Tschuchnin, den Oberbefehl über das revolutionäre Geschwader hatte der auf dem Otschakow" befindliche Kapitän Schmidt übernommen.

Die Lage wurde fritisch und mit atemloser Spannung, zwischen Angst und Hoffnung schwankend, harrte die Bevölkerung der kom­menden Greignisse.

Ihre Geduld follte nicht auf eine allgulange Probe gespannt werden. Um ein Viertel vier Uhr nachmittags ertönten die ersten Schüsse.

Um 4 Uhr 19 Minuten nachmittags begann nun ein regelrechtes Bombardement der Regierungsschiffe auf die Marinekasernen aus Maschinengewehren, das ununterbrochen 21 Minuten dauerte.( Be­fanntlich haben die Telegramme der Zarenschergen und die gläubige bürgerliche Presse des Auslandes seinerzeit die Züge verbreitet, daß die revolutionären Mannschaften das Bombardement auf die Stadt ausgeführt hätten! Die Red, des Vorw.".) Schüsse wurden sodann seltener, nur jede Stunde fielen bereinzelte Kanonenschüsse nach der Richtung der Marinefasernen hin. Gegen 23 Uhr nachts zum Mittwoch wurden die Lasaret - Kasernen unter heftigem Kanonenfener gestürint und um 4 Uhr früh mußten sich die Stafernen mit 1600 Freiheitskämpfern und mehreren Geschüßen den Regierungstruppen ergeben.

Otschakow" brannte lichterloh die ganze Nacht. Keine Hand hatte sich gerührt, um den Brand zu löschen. Das Schiff mit den auf ihm zurückgebliebenen Kämpfern wurde dem furchtbaren Tod in den Flammen überlassen. Das düster- schöne Bild hatte Hunderte ans Ufer gelockt, die erschüttert dem Brande zuschauten und mit bangem Weh den vom Schiffe her ab und zu ertönenden Detonationen folgten. Mittwoch morgen war der Brand beendet und der Otschakow" total ausgebrannt. Der Zar hatte die erste Seeschlacht seit zwei Jahren gewonnen.

Am nächsten Morgen war die Stadt Selvastopol wie aus­gestorben; niemand wagte sich auf die Straße. Nur einige Un erschrockene öffneten ihre Läden, doch um 12 Uhr mittags wurde alles sofort wieder verrammelt, da sich das Gerücht verbreitet hatte, es würde sofort eine Hetze gegen die Juden und die Intelligenz be­ginnen. Glüdlicherweise bewahrheitete sich das Gerücht nicht. Die Ordnungsmänner" hatten es für besser befunden, den Raubmord auf einige Zeit hinauszuschieben.

Die

Die Panik, die sich der Einwohner während des Bombardements bemächtigte, ist unbeschreiblich. Die Bevölkerung verlor gänzlich den Kopf und suchte sich in Kellern und anderen Verstecken zu retten. Andere stürzten auf die Straßen hinaus, warfen sich auf die Erde oder verbargen sich hinter Bäumen, Zäunen und Mauern. Stadt selbst hat nur wenig gelitten. Ernstlich beschädigt wurden nur mehrere am Meeresufer gelegene Häuser. Der Telegraphen-, Poſt-, Schiffs- und Eisenbahnverkehr war während der Tage gänzlich ein­gestellt worden. Donnerstag nach dem Bombardement eröffnete die Eisenbahn zeitweilig den Verkehr wieder. Der Bahnhof war überfüllt von Scharen flüchtender Einwohner, die Hab und Gut ver­ließen, um wenigstens ihr Leben zu retten.

Die Verluste an Menschenleben lassen sich vorläufig noch nicht genau feststellen. Soviel man erfahren konnte, sollen in den Lafarew­Kasernen nur vier bis sechs Personen getötet sein, auf dem Otschakow" dürften allermindestens 100 Mann getötet sein. Andere sind ertrunken, viele haben Brandwunden erlitten, viele sind dem Wahnsinn verfallen.

Das ist die Geschichte und das Ende der so friedlich, so be­sonnen eingeleiteten Erhebung der Matrofen in Sewastopol !

Das Verbrechen des Absolutismus und feiner Mordgesellen läßt sich nicht mit Worten kennzeichnen. Grell ragt es hervor fogar unter all den düsteren Schandmälern zarischer Winfür und Nieder­tracht, einzig in feiner Art.

Die Geschichte der russischen Freiheitsbewegung, die von zahl­losen Leiden zu erzählen weiß, wird den gefallenen Helden zu Sewastopol ein ewiges, rühmliches Andenken bewahren.

Verfammlungen.

Gegen drei Uhr mittags fuhr der revolutionäre Dampffutter Urale", der eine Deputation der Matrosen an Bord hatte, an dem regierungstreuen Kanonenboot" Terez" vorbei und soll das­selbe durch Signalements aufgefordert haben, sich dem revolu­tionären Geschwader anzuschließen. Nach einer anderen Version soll der llrales" die von den Offizieren entwendeten und soeben Der Verein zur Wahrung der Interessen der Maurer befußte erst wiedergefundenen Verschlußstücke der Geschüße an Bord gehabt sich am Sonntag in einer Mitgliederversammlung bei Wilke in der haben und dieselben nach dem Potemtin" haben bringen wollen. Brunnenstraße mit dem Thema:" Die letzten Vorkommnisse in Jedenfalls steht es unumstößlich fest, daß das regierungstreue unserem Beruf." Es handelte sich hier hauptsächlich um die im Stanonenboot Tereb" und nicht die Meuterer" als Vorwärts" bereits sowohl vom Verein wie vom Verband der erstes das Feuer begonnen hat. Es ist ferner wichtig festzustellen, Maurer mehrmals erwähnten Differenzen über die Arbeitszeit daß auch von Regierungsseite die ersten Schüsse nicht von der auf dem Bau Kaiserho f" der Firma Lachmann u. Mannschaft, sondern von den Offizieren des Bauber, sowie um ähnliche Differenzen auf dem Bau des Tereb" abgegeben wurden. Der Uraleg" wurde be- Amtsgerichts in Schöneberg . Der Vorsitzende Mehke schilderte schädigt und war nicht mehr in der Lage, die Fahrt fortzusehen. ausführlich die Entwickelung der Streitigkeiten, verteidigte die Tie Verwundeten des Uralezz" wurden durch einen in Begleitung Haltung des Vereins und wies den Vorwurf, daß er Arbeitskräfte des revolutionären Torpedobootzerstörers Swirepy" fofort herbei- nach dem Bau geschickt habe oder Streitbruch von seiten des Vet­Er habe zu den be= geeilten Dampfer weggeschafft und der Uralet" selbst nach dem eins begangen werde, entschieden zurück. Hafen geschleppt. treffenden Kollegen gesagt:" Wir schicken Euch nicht hin, aber ab­Mittlerweile hatte die Befabung des neben dem Terez" halten fönnen wir Euch auch nicht." Hätte der Verein den Bau Die Offiziere der Marinelasernen( der sogenannten Lasareto- stehenden regierungstreuen Minenichiffes Bug", das zirfa bejegen wollen, so hätte man ja sofort an 20 Mann hinschicken Kafernen) hatten sich bereits am Sonnabend, den 12. Movember 340 Sperrminen mit mehr als 1200 Pub Pyrorilin an Bord hatte, fönnen. Was den Verein bestimmt, nicht unbedingt für die sieben­aus den Kasernen zurüdzichen müssen. Die Disziplin wurde bon gleich bei Beginn der Schlacht die Eenfvorrichtungen des Schiffes stündige Arbeitszeit einzutreten, ist, wie auch im Vorwärts" schon den Matrosen selbst in musterhafter Weise aufrecht erhalten. geöffnet und der Bug" war in einer halben Stunde vor aller erwähnt worden ist, teils der Umstand, daß der Tarifvertrag nur Patrouillen durchzogen die Straßen der Stadt und verhafteten jeden ugen bis auf die Maßspiken versniten. Diese Tat der Mann- vem Verband abgeschlossen und nach Auffassung der Vereinsmit Matrosen, der die Kaserne ohne Grlaubnisschein verlassen hatte. schaften verdient in der rühmlichsten Weise hervorgehoben zu werden, glieder nicht einmal von der Mehrheit der Maurer Berlins gut. Die Branntweinläden waren gefchloffen und es war nirgends ein da sonst im Falle einer Explosion der Minen der ganze an der geheißen wurde, teils auch der Umstand, daß, wie behauptet wir

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