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Berliner Volksblatt.

22. Jahrg.

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Telegramm Adresse: Sozialdemokrat Berlin ".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: 6. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Sonntag, den 24. Dezember 1905.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV. r. 1984.

Des Erlöfers Geburt.

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Mehr als neunzehn Jahrhunderte sind verflossen, seit die Gerechtigkeit haben die herrschenden Klassen und ihre Diener, Freude, und Hoffnung und Glaube ziehen in unsere Herzen. gläubige Menschheit die Geburt des Zimmermannssohnes aus die Kirchendiener, ein Evangelium der Barmherzigkeit, aus Denn unsere Erlösung vollzieht sich schon mit jedem Tage, Nazareth feiert, der dem Menschengeschlechte als Erlöser ver- der Religion Freier und Gleicher eine Religion der Bettler mit jeder Stunde. Hört Ihr vom Osten das Stimmengewirr tündet ward. In einer furchtbaren Zeit der Bersekung des und der Ausfähigen gemacht, aus der irdischen sozialen Er- und den Lärm des Kampfes? Dort brechen bereits unsere alten Römerreiches, da Millionen in ausweglosem Elend, in lösung von Hunger, Not und Erniedrigung ein Wolfen- Brüder ihre schwersten Stetten, die Selbsterlösung der Masse Stlaberei und Erniedrigung berfanken, in dieser düsteren fuckucksheim der Seelenerlösung" nach dem Tode. Dieser beginnt, der zündende Blitz der sozialistischen Erkenntnis hat fozialen Nacht ging die Morgenröte der christlichen Erlösung unbarmherzige Prozeß der historischen Umschmelzung bereits die alte Finsternis erhellt, der starke Hammer des auf, von den Elenden und Enterbten mit frommem Glauben der christlichen Erlösungslehre dauert bis auf unsere Klassenkampfes wird geschwungen, das Volk wird zum Schmiede und jauchzender Hoffnung begrüßt. Und heute wieder, wie Tage fort. Die mittelalterliche feudale Gesellschaft hatte den des eigenen Schicksals. seid bald zweitausend Jahren werden die Glocken von un- urwüchsigen, fühnen christlichen Kommunismus zu der frank- Auch dort in dem heiligen Rußland " wurde jahr­zähligen Kirchtürmen in unzähligen Städten und Dörfern haften, tränenreichen christlichen Barmherzigkeit, zur Lehre hundertelang Weihnachten gefeiert. In dem alten frommen mit eherner Zunge die Wiederkehr jenes freudigen Tages des weltabgeschiedenen Klosterlebens verrenkt. Die kapitalistische Mütterchen Mostau" erdröhnten alljährlich zur Geburt des preffen, in hohen Palästen und niedrigen Hütten werden Neuzeit hat die christliche Charitas zur Heuchelei, zum frechen Erlösers die betäubenden schweren Glocken von den vierzig Tannenbäume im Kerzenlicht und Flitterschmuck erglänzen zur Hohn auf die christliche Lehre gemacht. In jeder Klassen- mal vierzig schwerfälligen byzantinischen Kirchen mit ihren freudigen Feier der Geburt des Erlösers. gesellschaft, wo die Not der Massen eine soziale Notwendigkeit, breiten, schreiend goldenen Ruppeln. In der neueren Zaren­Doch wo ist die Erlösung geblieben? Darben nicht heute ist die Heuchelei eine öffentliche, staatliche Einrichtung. Mit hauptstadt, in Petersburg , wurden alljährlich zur Feier der Millionen in täglicher Bein, wie vor Jahrtausenden? Und jedem weiteren Schritte in der Entwickelung der kapitalistischen christlichen Weihnacht am Newastrande krachende Salutschüsse werden sie nicht wie damals von den Reichen mit Füßen getreten, Gesellschaft wird die mit dem christlichen Glauben getriebene gegeben. Fromm bekreuzten sich dreimal mit eiliger Geberde die doch schwerer in das Himmelreich kommen sollten, denn Heuchelei der herrschenden Klassen gröber und ungeschminkter. und besonderer orthodorer Fingerstellung die offiziellen ein Rameel das Nadelöhr passieren? Elende Heuchelei ist dieses offizielle Weihnachtsfest, wo russischen Christen und berührten in fleißigem Erdengruß un­Es ist nichts als eine pfäffische Lüge, wenn dem Volte zur Feier der Geburt des Erlösers der Armen, der Geburt zähligemal den Boden mit der schweißperlenden Stirn. eingeredet wird, das Christentum habe eine seelische und nicht in der Krippe, von der reichen Bourgeoisie am Tannenbaum Jahrein-jahraus jubelte die russische Christenheit ob der eine leibliche Erlösung verheißen und vollbracht, das Reich ein Lurus getrieben wird, der den notleidenden, frierenden, Geburt des Erlösers, dieweil Millionen Muschits an Hunger­Jesu sei nicht von dieser Welt. Nicht als ein unbestimmter darbenden Massen Hohn spricht. Elende Heuchelei die frommen typhus und an Storbut starben, wegen rückständiger Steuern Wechsel auf die Glückseligkeiten des Jenseits, fondern als ein Gebete und die himmelwärts berdrehten Blicke der salbungs- mit Nagajtas ausgepeitscht wurden, dieweil hunderttausende Evangelium der Erlösung von dem materiellen Glend, der vollen Kirchendiener, die zum Weihnachtsfest, zur Geburtsfeier Fabrikproletarier in sechzehnstündiger Fron berkrüppelten und fozialen Ungleichheit und der sozialen Ungerechtigkeit hienieden des milden Menschenfreundes rüstend, zubor eilig zu neuen bei geringster Auflehnung erschossen wurden, dieweil Kibitkas auf Erden war die christliche Lehre gepredigt und auf- Mordwerkzeugen und neuen Lasten für die Bedrückten ihren mit eintönigem Schellengeläute über die unendliche Schnee­genommen. Die Erlösung von den ungeheuerlichen Folge. Segen geben. Elende Heuchelei dies ganze offizielle Christen- steppe Sibiriens fegten und einen Schub Verbannter nach erscheinungen der Klassenherrschaft, von gesellschaftlichen Kon- tum der heutigen Gesellschaft, das sich eine Adventnacht aus dem anderen in das große Totenhaus der Zwangsarbeit in traften, bon täglicher Not, von Bebrückung des Menschen durch wählte, um durch einen räuberischen Ueberfall Millionen den Bergwerken lebendig ablieferten. Und es war knapp den Menschen, der Voltsmasse durch eine Handvoll Mächtiger- fleißiger Arbeiter den letzten Bissen täglichen Brotes vom Munde zwei Wochen nach dem letzten orthodoxen Weihnachtsfest, als bas war das Evangelium der ersten Apostel des Christentums zu reißen und kurz vor Glockenschlag des Weihnachtsfestes den in Petersburg der Zug der Zweihunderttausend mit dem Kruzifir und das war es, was ihnen die Anhänger und die Gläubigen schwarzen Brüdern in Afrika neue Greuel des Krieges, neue furcht in der Hand vor das Zarenschloß zog, um in des Erlösers in hellen Scharen zuführte. So irdisch, so realistisch, so finn- bare Vernichtungsbotschaft ins Land schickt als Bescherung. Das Namen um Erlösung von der furchtbaren Sklaverei zu flehen. lich war diese Erlösung gemeint, daß die ersten Christen sofort einzig Wahre an dem heutigen christlichen Weihnachtsfest, aus Noch waren die feierlichen Glockentöne der Weihnachtsfeier an die Wurzel des fozialen Nebels, an die Eigentumsverhält- dem jeder innere lebendige Geist verschwunden, von dem nur in den Lüften nicht verklungen, als sie von krachenden Gewehr­niffe die Art mit wuchtigem Hiebe anlegten. Das Evangelium der tote Brauch und das sinnliche Blendwerk geblieben, ist falben übertönt wurden, und des Erlösers Kruzifig senkte sich der christlichen Erlösung war ein durch Jahrhunderte Hallender das ewig grüne Tannenbäumchen, der duftige Gruß der reinen blutbespritzt zu Boden, entfiel der todesstarren Hand der schmetternder Trompetenruf zum Striege wider die Reichen und frischen Natur, das Bäumchen, das die christlichen Kirchen- Bittenden unter dem Rugelregen des allerchriftlichsten Zaren. das Privateigentum. Ihr Elenden", rief der heilige Bafilius diener der alten naiven Heidenwelt und ihrem Sonnentultus Darauf ermannte sich die Voltsmaffe und griff zur Selbst­im vierten Jahrhundert den Reichen zu ,,, wie wollt Ihr Euch gestohlen und mitten in das fremde, unnatürliche Milieu der erlösung, von der Bitte und der Hoffnung zum Kampf, vor dem ewigen Richter verantworten? Ihr erwidert uns: christlich- bürgerlichen Heuchelei gepflanzt haben zur Freude vom Struzifir zum roten Banner der Sozialdemokratie. Wie habe ich unrecht, da ich nur für mich behalte, was mir der Kinder und der kindlichen Erwachsenen.

gehört? Jch aber frage Euch: was nennt Ihr Euer Eigen- Dieser Welt der offiziellen christlichen Heuchelei gegenüber

was

Vaterlandslosen, wir Geächteten, wir Elenden", und mit Prometheus fragen wir:

Ich dich ehren? Wofür? Hast du die Schmerzen gelindert Je des Beladenen?

Hast du die Tränen gestillet Je des Geängfteten?

Ein Jahr ist seitdem verflossen, heute tehren die Weih­nachten wieder, die heilige Nacht zieht im heiligen Rußland " herauf- über einem rauchenden Trümmerhaufen der ehe­maligen chriftlichen Zwingburg. Noch ist heiß der Kampf und furchtbar der Opfer Zahl. Doch die Erlösung, die Selbst­erlösung des russischen Volkes, unser aller Selbst­erlösung hat begonnen. Das rote Banner, unserer Er­lösung Zeichen, flattert aus dem Stampfgewühl immer wieder siegreich in den Lüften auf und Millionen und Abermillionen

tum? Von wem habt Ihr es erhalten? Wodurch werden stehen wir proletarische Rotte", wir die Reichen reich, als durch die Befignahme von Dingen, die allen gehören? Wenn jeder für sich nicht mehr nähme, als er zu feiner Erhaltung braucht, und den Rest den anderen ließe, dann gäbe es weder Neiche noch Arme". Und zwei Jahrhunderte später donnerte noch ein anderer wackerer Gottesstreiter, Gregor der Große : Es genügt nicht, daß man anderen ihr Eigentum nicht nimmt, man ist nicht schuld- Auch wir feiern die Ankunft des Erlösers, des wahren Enterbter, Erlösungsharrender scharen sich um die Sturmfahne Ios, solange man Güter sich vorbehält, die Gott für Erlösers der Menschheit. In jeder verfallenden Gesellschaft, auf dem ganzen Erdenrund. Klopfenden Herzens, des alle geschaffen hat. Wer den anderen nicht gibt, in der die aufstrebende, unterdrückte Klasse durch ihren Kampf Glaubens und der Hoffnung voll, senden wir heut heiße Blicke er hat, ist ein Totschläger und Mörder, denn neue Bahnen der Entwickelung nicht auszuhauen vermag, da nach dem Osten und begleiten jede Bewegung der stolzen da er für sich behält, was zur Erhaltung der Armen gedient taucht der Glaube an einen wundertätigen Erlöser auf, die Standarte mit Jubel. Die ersten Wälle der alten Gesellschaft hätte, kann man sagen, daß er tagaus, tagein so viele er ermüdete, verzweifelte Menschheit klammert sich an die Dar fangen an, zusammenzustürzen, die rote Fahne führt siegreich schlägt, als von seinem Ueberfluß leben fonnten". Diese stellung einer mächtigen, rettenden Persönlichkeit, die durch ihre den ersten Sturmlauf aus. schneidende Sprache führten die Jünger Jesu wider die soziale Wunderwirkung alle erlösen wird. Das alte Volt der Ungleichheit der Menschen und mit solchen rein irdischen Hebräer erwartete seine Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei Und so feiern wir heute unser Weihnachtsfest, durch Argumenten führten sie die Sache der Enterbten, die zu er- von Mose , in dem verfallenden Rom steht Christus als Er- einen Abgrund getrennt von der heuchlerischen bürgerlichen lösen der große Nazarener seine Schule stiftete. löser auf, in den Anfängen der fapitalistischen Gesellschaft, be- Christenwelt mit ihren heuchlerischen Feiern, Gebeten und Allein, die materiellen Verhältnisse erwiesen sich stärker vor noch das moderne Proletariat auf die geschichtliche Bühne Glocken. Um unseren grünen Lebensbaum gefchart, fest im als die feurigste Rede der christlichen Apostel. Die Worte trat, suchte ein Fourier lange den Mächtigen und Reichen, Glauben und froh in der Hoffnung auf der Menschheit eines Chrisostomus, des Mannes mit dem goldenen Munde, der ihm helfen sollte, seinen Erlösungsplan für die Menschheit nahende Erlösung, geftügt auf den nie versagenden Hammer die Donnerstimme des großen Gregors verhallten wie die zu verwirklichen. unserer Arbeit und unserer Befreiung Symbol, feiern wir

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Stimme des Rufers in der Wüste. Der Strom der Uns hat der Erlöser Sozialismus den starken Hammer unser Arbeitsfest, wir Millionen Elender und Enterbter, ein geschichtlichen Entwickelung, dem das chriftliche Evan- des Klassentampfes und der Erkenntnis in die Hände gedrückt stolz und trohig und träftig Geschlecht und rufen der ver gelium bes Kommunismus und der Abschaffung und zugerufen: Erlöset euch selbst! Die Selbsterlösung logenen herrschenden Christenwelt zu, wie Prometheus : des Reichtums eine Zeitlang zu trogen bersuchte, der Menschheit durch den Kampf des Klassenbewußten Prole­riß das fühne Boot der Welterlöser mit, tehrte es um und tariats, die Erlösung der Masse nicht durch einen wunder­zwang es, mit dem Gang der Verhältnisse zu schwimmen. tätigen Erlöser, sondern durch die Masse selbst, das ist der Die Klassengesellschaft hat die zu ihrer Vernichtung verkündete erlösende Gedanke des Sozialismus, das unser Erlösungs­Lehre in ihren eigenen Dienst gespannt, die Erlöse Kirche wurde zu einem neuen Pfeiler der jahrtausende

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tch

evangelium.

Auch wir feiern unser Weihnachtsfest, auch wir stecken Sklaverei der Voltsmassen. Aus dem Evangelium der sozialen Lichter auf unseren Weihnachtsbaum, auch unter uns ist heut

Hier sit' ich, forme Menschen Nach meinem Bilde,

Ein Geschlecht, das mir gleich sei, gu leiden, zu fämpfen, Zu genießen und zu freuen sich Und Dein nicht zu achten, Wie ich!