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Hr. 5. 23. IchrMg. 1 MW des Jorwrts" Stiiintt WksM Sonntag, 7. Iaanar 1906. Wie sieht das prentzische Dreiklafsen- Wahlrecht aus? Im Reichstag haben neulich erst wieder zwei preußische Minister ihrer Verwunderung darüber Ausdruck gegeben, daß wir Sozialdemokraten die Ansicht vertreten, in Preußen sei der Arbeiter ein Helot. Zerrrv. Rheinbaben. ehemals Polizei», jetzt Finanzminister, erklärte: »Ich behaupte, daß bei uns der Arbeiter sich in einem voll- kommen geordneten rechtlichen Zustand befindet.' Herr Graf v. Posadowsky-Wehner , preußischer Staatsminister und Reichsstaatssekretär, ergänzte diese Rhein - babensche Behauptung durch den denkwürdigen Satz: »Ja, meine Herren, gleiches Recht haben doch politisch und rechtlich die Arbeiter in Deutschland seit längst." Man könnte nach diesen ministeriellen Versicherungen «uf den Gedanken kommen, daß die beiden Herren von den Zuständen in Preußen nichts weiter kennen, als den§ 4 der preußischen Verfassung, der allerdings in einer schönen Rede- Wendung erklärt:Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich." Diese papierne Versicherung wird jedoch schon durch die Ge- setze selbst durchlöchert,' die Ausführung der Gesetze durch die Bureaukratie tut ein übriges, um in den preußischen Ar- beitern die Ueberzeugung zu wecken und zu festigen, daß sie tatsächlich politische Heloten sind. Wenn es aber irgend ein Gesetz gibt, das die Schmach der Rechtsungleichheit, des politischen Helotentums, den preußischen Arbeitern wie mit glühendem Eisen in die Seele brennt, so ist es das Dreiklassenwahlgesetz, auf dem das preußische Abgeordnetenhaus beruht. Angesichts dieser gesetz- lich festgelegten politischen Rechtsungleichheit wirken jene Ministerworte wie schneidender Hohn. Das heutige Dreiklassenwahlrecht verdankt seine Entsteh- ung nicht einmal einem rechtmäßigen Akt der Gesetzgebung, der irgendwie als Zustimmung des Volkes ausgelegt werden könnte. Wir haben schon in einem früheren Artikel über die Vorgeschichte des preußischen Landtages darauf hingewiesen, daß die reaktionären Machthaber, sobald sie sich von dem Schlage der 48er Revolution hinreichend erholt hatten, die preußische Nationalversammlung nach Hause jagten und an Stelle des bestehenden gleichen Wahlrechts das Pluto - kratische Dreiklassenwahlrecht durch königliche Verordnung einführten. Das war also ein Rechts- und V e r, fassungsbruch schmählich st erArt, der den Macht- habern deshalb ungestraft hinging, weil dem Volke die revolu- tionäre Kraft durch die Zaghaftigkeit und Planlosigkeit der damals die Volksbewegung leitenden bürgerlichen Kreise ge- lähmt war. Dieser Rechts- und Verfassungsbruch wurde auch dadurch nicht aus der Welt geschafft, daß das oktroyierte Dreiklassenwahlgesetz ein Abgeordnetenhaus zustande brachte, von dem die Hofkamarilla ihre rechtsverhöhnenden Maß- regeln nachträglich sanktionieren lassen konnte. Wollte man jenen Abgeordnetenbeschluß als rechtmäßig gelten lassen, so käme das darauf hiiwus, als wen» der Hehler dem Räuber den rechtmäßigen Besitz geraubten Gutes attestieren könnte. Rechtsbruch bleibt Rechtsbruch, auch wenn er 58 Jahre alt wird, ohne Sühne gefunden zu haben. Das Fortbestehen des Dreiklassenwahlrechts bis auf den heutigen Tag ist ein lebendiger Hohn auf die Sage, daß Preußen ein Rechtsstaat sei. Auch der Staat Preußen mit seiner oktroyierten Verfassung ist weiter nichts, als der in rechtliche Formen gegossene Ausdruck eines Machtverhält- nisses: der Herrschaft jener unheiligen Drei- einigkeit Bourgeoisie, Junkertum und Bureaukratie über Millionen politischer Heloten.... Der preußische Landtag hat im Laufe der Zeit in seiner Zusammensetzung einige Abänderungen erfahren. In seinen wesentlichen Zügen ist er sich gleich geblieben, seitdem die Reaktion ihm die Zwillingsgestalt durch die Gliederung m ein Herrenhaus und ein Abgeordnetenhaus gab. Das Herrenhaus verdankt sein Entstehen nicht irgend welchen geschichtlichen' Vorbedingungen, nicht gleich dem englischenHouse of Lords ", der Teilnahme der Aristo- traten am Kampfe gegen die Krone zur Erweiterung der Volksrechte, sondern einzig den romantischen Schrullen Könrg Friedrich Wilhelms IV., der auch wie die Cousine Viktoria in London seine Lords haben wollte. Die preußische Imitation des englischen Hauses der Lords setzt sich zusammen aus den königlichen Prinzen und den Häuptern einer Anzahl großer Adelsfamilien, deren Zahl durch königliche Ernennung stets vermehrt werden kann. So wurde neuerdings der Reichstagspräsident Graf Ballestrem sür sich und seine Namenserben mit' der erblichen Fähigkeit zur Gesetzgebung begnadet, nachdem er in den Zollkämpfen im Reichstag seine Verwendbarkeit für reaktionäre� Pläne erwiesen hatte. Neben den erbberechtigten Familienhäuptern erhält noch eine erhebliche Anzahl von Vertretern der größeren Junkersamilien und desalten und befestigten Grundbesitzes" in den einzelnen historischen Landschaften durch die Wahl ihrer Familienmitglieder oder Standesgenossen auf Lebenszeit Platz im Herrenhaufe. Diese Gruppen haben immer die ver- bohrtesten Rückschrittler in die erste Kammer geschickt, denn so eine Junkerfamilie oder diealten und befestigten" lassen sich bei der Auswahl ihrer Vertreter immer durch die eng' herzigsten Klasseninterefsen bestimmen. D»-ch kön'gliche Ernennung auf Lebenszeit werden dann noch eine Anzahl Hcrrenhäusler den erbgesessenen Hinzuge- fügt. Das sind meist ehemalige Minister oder sonstige höhere Beamte und Generäle, deren Berufung dem Herrenhause den Beigeschmack eines Jnvalidenhauses verleiht. Das bürger- liche Element ist in schwacher Minderheit durch ein paar Dutzend Oberbürgermeister der größeren Städte und je einen Professor aus den Universitäten vertreten. Sie machen hin und wieder gegen reaktionäre Maßregeln ein bißchen Oppo- sition. natürlich in alleruntertänigster Form. Jbre bedeu- tungslose Beteiligung an der Herrenhäuslerei läßt den wahren Charakter des Herrenhauses als Hochburg des Junkertums und der Bureaukratie nur um so stärker hervortreten. Daß dieses staatliche Mißgebilde als gleichberechtigter Faktor der Gesetzgebung neben dem Abgeordnetenhause die Standes- Vorurteile und Klasseninteressen einer dünkelhaften und bornierten Kaste von Privilegienbesitzern in Preußen zur Geltung bringen kann, ist an sich schon ein sprechender Hohn auf den Satz der preußischen Verfassung:Standesvorurteile finden nicht statt." Das Zwillingsgeschwister des Herrenhauses, das Ab- I g c o r d n e t e n h a u s, ist durch Vorkehrungen anderer Art l zum Zerrbild einer Volksvertretung geworden. Entscheidet für die Zusammensetzung des Herrenhauses der Zufall der Geburt oder königliche Gnade, so ist der Geldsack die be- stimmende Macht für die Bildung des Abgeordnetenhauses. Seit der Oktroyierung des Dreiklassenwahlrechtes vom ZV. Mai 1849 hat das Wahlverfahreu für das Abgeordneten- Haus einige Abänderungen nebensächlicher Art erfahren, im Kern ist es das nämliche geblieben. Seine grundlegende Be- stimmung lautete ursprünglich: Die Urwähler werden nach-Viaßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten'Staatssteuern in drei Abteilungen geteilt und zwar in der Art, daß auf jede Abteilung ein Drittel der Gesamtsumme der Steuerbeträge aller Urwähler fällt." Jede dieser drei Klassen erhielt den gleichen Einfluß auf die Wahl des Abgeordneten. Damit wurde bestimmt, daß die auf die erste und zweite Klasse verteilten wohlhaben- den Schichten der Bevölkerung zusammen einen doppelt so starken Einfluß ausüben können als die g r o ß e M a s s e der Minderbemittelten. Es hat sich herausgestellt, daß durchschnittlich jene beiden ersten Klassen zusammen nur etwa ein Siebentel der Bevölkerung ausmachen, die dritte Klasse allein etwa sechs Siebentel. Sobald also die Klasse der Unterdrückten in Preußen in Erkenntnis ihres Klasieninter- esses den politischen Kampf bei den Wahlen gegen die bevor- rechteten Klassen aufnehmen will, ist sie von vornherein zu völliger Einflußlosigkeit verurteilt. Würde sie auch sämtliche Wähler dritter Klasse, also die große Masse des Volkes auf ihre Seite bringen, so würde sie doch nur ein Drittel der Wahlmänner in einem Wahlkreise für sich gewinnen können. Bei der Wahl der Abgeordneten würde sie immer von der doppelten Zahl der Wahlmänner der beiden ersten Klassen überstimmt werden. Eine schwache Aussicht auf Erfolg kann sie in einem Wahlkreise nur dann gewinnen, wenn es ihr gelingt, eine größere Anzahl von Stimmen aus den bevorrechteten Klassen und damit eine Anzahl von deren Wahlmännern zu sich herüberzuziehen. Zum Schaden einer Partei, die sich auf die unbemittelten, unterdrückten Volks- kreise stützt, wirkt natürlich auch die öffentliche Stimmenabgabe, deren schädliche Wirkung erst dann einigermaßen abgewehrt werdei, kann, wenn eine gute Organi- sation und erfolgreiche politische Kämpfe das Selbstbewußt- sein der unterdrückten Klassen geweckt und gesteigert haben. Eine Modifizierung von Bedeutung erhielt das oktroyierte Dreiklassenwahlrecht zuerst im Jahre 1890. Bis dahin war die vorgeschriebene Drittelung der Wähler nach dem Steuerbetrage für die Urwähler des ganzen Wahlkreises vorgesehen. 1890 wurde die Drittclungfür die ein- zelnen Wahlbezirke des Wahlkreises verfügt. Da nach dem Gesetz die Wahlbezirke mindestens 750 Seelen, höchstens 1750 Seelen enthalten, führt diese Neuerung zu er- heblichen Verschiedenheiten in der Klassenschichtung der ein- zelnen Bezirke. Ferner ging man durch daS Gesetz vom 29. Mai 1893 zu einer anderen S t e u e r v e r r ech n u ng für die Klassen­bildung über. Den Anlaß dazu gab die Miquelsche Steuer- reform, die an sich eine weitere Beeinträchtigung des Wahl- rechts der Minderbemittelten bewirken mußte. An Stelle des vorhin zitierten Paragraphen der oktroyierten Verordnung, der für die Drittelung nur die Staatssteuer in Rechnung stellt, traten die folgenden Bestimmungen: § 1. Für die Wahlen zum Hause der Abgeordneten werden die Urwähler nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Staats-, Gemeinde-, Kreis.. Bezirks- und Provinzialsteuern in drei Abteilungen geteilt, und zwar in der Art, daß auf jede Abteilung ein Drittel der Gesamt- summe der Steuerbeträge aller Urwähler fällt. Für jede nicht zur Staatseinkommensteuer veranlagte Person ist an Stelle dieser Steuern ein Be- trag von drei Mark zum Ansatz zu bringen. Z L. Urwähler, welche zu einer Staatssteuer nicht veranlagt sind, wählen in der d r i t t c n Abteilung. Verringert sich infolgedessen die auf die erste und zweite Abteilung entfallende Gesamtsteuersumme, so findet die Bildung dieser Abteilungen in der Art statt, daß von der übrigbleibenden Summe auf die erste und zweite Abteilung je die Hälfte entfällt. § 3. Wo direkte Gemeindesteuern nicht erhoben werden, treten an deren Stelle die vom Staate ver- anlagten Grund., Gebäude- und Gewerbe- steuern. 8 4. Auch in Gemeinden, welche in mehrere UrWahlbezirke geteilt sind, wird für jeden Urwahlbczirk eine besondere Ab. teilungsliste gebildet. Der vorgebliche Zweck dieser Neuerung war. den Pluto. kratischen Charakter des Wahlrechts abzuschwächen. Völlig beseitigen wollte ihn keine der bürgerlichen Parteien. Wie geringfügig indes diese Aenderungen in der Hinsicht gewirkt haben, geht aus der Vergleichung der Wählerzahlen der drei Abteilungen vor und nach der Trennung hervor. Der Prozentsatz der Urwähler in den drei Abteilungen betrug im ganzen preußischen Staat bei den Wahlen 1888 Illyz l. Abteilung.... 3.62 Proz. 3.86 Proz. ll. Abteilung.... 10,82. 12,07. III. Abteilung.... 85,56, 84,57 Es wurde also nur etwa 1 Proz. der Wähler dritter Ab- teilung in die zweite Abteilung bugsiert, und die erste Ab. teilung ist sogar noch mehr zusammengeschrumpft als früher. Hat das Proletariat also von der Bestimmung, daß den Nichtsteuerzahlern drei Mark Steuern bei' der Drittelung an- zurechnen sind, keinen nennenswerten Vorteil gehabt, so ist den Landfunkern dagegen ein großer Vorteil aus einer anderen Neuerung erwachsen. Die Bestimmung, daß in Wahl- bezirken, in denen Gemeindesteuern nicht erhoben werden, an deren Stelle die vom Staat veranlagten Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuern in Anrechnung gebracht werden, wirkt vor allein' zugunsten der etwa 16 000 selbständigen Guts­besitzer in Ostelbien, wo die Junker über ihre Untertanen un. umschränkt regieren und wo keine Gemeindesteuern erhoben werden, da es keine Gemeindeverwaltung gibt. Das besonders Skandalöse dabei ist. daß mit dem Jnkrast- treten jener Wahlrechtsparagraphen der Staat auf die Er- Hebung der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer verzichtete. Bei der Klasseneinteilung in den Wahlbezirken wird sie aber. dennoch nunmehr in Ansatz gebracht. Ein Gutsbesitzer kann> also wegen seiner nominellen Veranlagung zur Grund- und I Gebäudesteucr allein für seine werte Person die erste Wähler- klasse in seinem heimatlichen Wahlbezirk bilden, wenn er auch keinen Pfennig Steuern wirklich bezahlt; denn es kommt ja bekanntlich vor, daß ein Großgrundbesitzer bei der Veran- lagung zur Einkommensteuer herausrechnet, daß er überhaupt kein Einkommen aus seinem Grundbesitz herauswirtschaftet. Charakteristisch für den Geist des Landtages ist es, wie dieses verschrobene Gesetz zustande gekommen ist. Die Re- gierung hatte zur Milderung seines plutokratischen Charak- ters statt der Drittelung noch die sogenannte Zwölftelung der Steuerbeträge des Bezirkes vorgeschlagen, so daß also auf die erste Klasse fünf Zwölftel der Gesamtsteuersunime, auf die zweite Klasse vier Zwölftel und auf die dritte Klasse drei Zwölftel entfallen wären. Das hätte eine geringfügige Ver- schiebung der Wähler aus der dritten in die zweite und aus der zweiten in die erste Klasse zur Folge gehabt. Das Ab- geordnetenhaus war damit einverstanden. Das Zentrum suchte für sich noch einen Vorteil dadurch herauszuschlagen, daß Einkommensteuerbeträge von mehr als 2000 M. in der Steuerberechnung nicht mit in Ansatz kommen sollten. Da- durch wären in den rheinisch-westfälischen Städten die Zen- trumsleute gegenüber den meist nationallibcralen Groß- industriellen und Großkaufleuten begünssigt worden, was sich besonders bei den Gemeindewahlen geltend gemacht hätte. Die Konservativen hatten nichts dagegen, vorausgesetzt, daß das Zentrum seinerseits der vorhin skizzierten Junkerbe- günstigung zustimmte. Das geschah. Im engherzigsten Klassen- und Parteiinteresse sollten also einerseits gezahlte Einkommensteuerbeträge nicht verrechnet, andererseits nicht- gezahlte Grundsteuerbeträge verrechnet werden. Dieser Kuh- Handel wurde effektuiert gegen den Einspruch der National- liberalen. Die Vorlage kam nunmehr in das Herrenhaus, das in seiner Erbweisheit sowohl die Zwölftelung wie die Nicht- Verrechnung der Einkommen über 2000 Mark kurzweg strich. Als in dieser Gestalt die Vorlage wieder an das Ab- geordnetenhaus zurückkam, brachen die Konservativen ihren Pakt mit dem Zentrum und stimmten nunmehr mit den Nationalliberalen zusammen für die herrenhäusleniche Modi­fizierung. Darob große Entrüstung bei den Zentrumsleuten, die diesmal bei ihrem schmählichen Kuhhandel gründlich hereingefallen waren. Betrogene und Betrüger zeigten sich einander wert. Die Geschichte dieses elenden Schacher- geschäftes mit den Rechten des Volkes ist so bezeichnend sür den Geist, der die Parteien dieses Privilogienparlaments, bestehend aus einem Junker- und Bureaukratensenat und einer Geldsacksvertretung, beseelt, daß sie nicht in Vergessen- heit geraten darf, wenn man das Sündenregister der Herr- schenden Klassen in Preußen aufrollt. So sahen die gesetzlichen Bestimmungen aus, auf denen die Zusammensetzung des preußischen Privilegienparlaments beruht, so sind sie zustande gekommen. Zu welchen Ab- geschmacktheiten und Ungerechtigkeiten ihre Anwendung führt, das müssen wir in einem folgenden Artikel erörtern. Die Revolution in Rußland . Die Wahrheit sickert durch! So große Mühe sich auch die nissischc Regierung gibt, ihren Augenblickserfolg in Moskau zu einem Sieg über die Revolution überhaupt aufzubauschen, und so leichtgläubig auch ein Teil der ausländischen Presse dies zarische Märchen nach- schwatzt: es stellt sich immer mehr heraus, daß Väterchen weit davon entfernt ist, des Aufstandcs Herr zu werden. In Moskau ist zwar die Erhebung niedergeschlagen, aber es bedarf nur des Aufstandes in den anderen Hauptstädten, um die Revolution auch in Moskau wieder aufleben zu lassen. Der Kaukasus befindet sich in hellein Aufruhr. in Polen herrscht furchtbarste Gärung. in den O st s e e p r o v i n z e n ist die Revolution noch lange nicht niedergeschlagen, in Ostrußland breitet sich die Empörung in Stadt und Land immer weiter aus, und nun kommt auch noch die Meldung, daß tn zahlreichen Kreisen Sibiriens der Kriegszustand herrscht! Die Schwindelnachrichten der Regierung hatten eben tn erster Linie nur den Zweck, eine neue Anleihe unterzubringen! So wird aus Paris vom 6. Januar gemeldet: Ueber die Mission des russischen Bevollmächtigten Kokowzew wird berichtet: Wegen Uuterbringuug einer 800 Milliancn-Anleihe hatte Kokoiozew eine längere Unterredung mit Rouvier, in welcher er ihn ersuchte, die Bemühungen der russischen Regierung nach dieser Richtung hin zu unterstützen. Rouvier gab jedoch nach Rücksprache mit verschiedenen Finanzleuten einen ablehnenden Bescheid. Trotz Scheiterns seiner Misston verbleibt Kokowzew noch in Paris . Die wirkliche Lage in Moskau wird vom Petersburger Korrespondenten derBreSI. Ztg." folgendermaßen geschildert: Die Telegramme haben natürlich zahlreiche Berichte über die Moskauer Kampftage.gebracht, aber ste können doch kein klares Bild von der Sachlage geben, die sich jetzt nach der»Unter- drückung" des Aufstandes herausbildet. ES gibt kein kaisertreues Mosfau mehr; durch ganz Moskau geht dep Aufschrei einer leidenschaftlichen Empörung, einer bitteren Wut, die durch daS Gefühl völliger Ohnmacht m dem Bürgertum nur gesteigert wird. Der Moskauer Stadthauptmann Graf Medem hat allerdings den Versuch gemacht, diese Stimmung zu übertünchen, um ein.Kaisertelegramm" nach Petersburg senden zu können. Es wurden etwaLOOOHooliganS zusammengetrommelt, ein Priester hiett diesen Herrschaften auf offenem Platze einenDankgotteS- dienst" ab. und dann zog dieser Haufen, Kaiserbilder vorantragend und die Nationalhymne singend, durch die Straßen. Wie zufällig fuhr der Herr Stadthauptmann gerade an dieser Prozession vor- über, wurde mit Hurra begrüßt und hielt eine kleine Rede des Inhalts, daß nun die Revolution zu Ende fei und jeder friedlich an seine Arbeit gehen könne. Das Militär hat in Moskau sehr schlimm gehaust. Es genügt, zu sage», daß es nicht einmal die freiwilligen Sanitätsabteilungen zu den Verwundeten herangelassen hat, die stunden- lang auf den schneebedeckten Straßen hülflos liegen mußten. Sämtliche Aerztcverbände Moskaus haben nun zunächst einen flammenden Protest gegen die städtische Diese Nummer hat 24 Seiten.