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Nr. 12. 23. Jahrgang. 1. KtilU des Jormärls" Kerlim Polltslilntt. Dienstag. 16. Inmar 1906. Reichetag* 20. Sitzung vom Montag, den 13. Januar 1206. nachmittags 1 Uhr. Am Tische deS Bundesrats: v. Einem. Der Niederlassungsbertrag mit den Nieder- landen und der Vertrag mit der Schweiz über die Errichtung deutscher Zollabfertigungsstellen auf den linksrheinischen Bahnhöfen in Basel werden in dritter Lesung ohne Debatte an- genomnien. Es folgt die Interpellation Roeren. Sie lautet: 1. Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß der Leutnant der Landwehr-Artillerie, Rechtsanwalt und Notar Dr. Fritz Feldhaus zu Mülheim a. d. Ruhr infolge ehrengerichtlichen Spruchs des Ehrengerichts deS dortigen Landwehrbezirks vom 3. August 1903 wegen Unterlassung der Herausforderung des Beleidigers zum Zweikampf mit schlichtem Ab- schied entlassen ist? 2. Welche Maßnahmen gedenkt der Herr Reichskanzler zu ergreifen, um die Wiederholung eines solchen auf Duellzwang hinauslaufenden Verfahrens zu verhindern? Zur Begründung der Interpellation nimmt das Wort Abg. Roeren(Z.): Der Fall, um den es sich handelt, hat nicht nur in den Kreisen der Gebildeten, sondern auch weit darüber hinaus die größte Ent- rüstung hervorgerufen. ES handelt sich nicht eigentlich um das Duell als solches, auch nicht um den bloßen gesellschastlichen Druck, sondern um den direkten amtlichen Zweck durch eins der durch die königliche Kabinettsorder von 1897 gerade zum Ausgleich von Ehrenhändeln geschaffenen Ehrengerichte. Ueber daZ Verhältnis der zwei Per- fönen, die dabei in Frage kommen, hat das königliche Amtsgericht zu Mülheim a. d. Ruhr gesagt, daß die Beleidigung gegen den Rechtsanwalt um so frivoler war, als fie gegen einen als besonders ehrenhaft und gewissenhaft bekannten Mann gerichtet war, während der Gegner ein junger und völlig unerfahrener Mann Ivar, der in frivoler und provokatorischer Weise gehandelt hat. Soweit das Urteil des Amtsgerichts. Dieser Gegner ist der 1873 geborene Mediziner Göpel, welcher vom 1. Oktober 1999 bis zum 1. Januar 1992, also fünf Vierteljahre den Augenarzt Dr. Peretty, einen Schwager des Rechtsanwalts, vertreten hat. Da Differenzen zwischen Göpel und Peretty entstanden, richtete Göpel im Verlauf derselben an die Schwiegermutter des Dr. Peretty, die Mutter des Rechtsanwalts Feldhaus, einen Brief, dessen wesentlicher Inhalt nur A u s f ä l l e gegen diese völlig unbeteiligte Dame bildeten. Die Beantworttmg dieses Briefes übernahm der älteste Sohn, eben der Rechts- anwalt FeldhauS. Der Inhalt war der. daß Dr. Feldhaus erklärte, daß die Erkundigungen nach dem Privatvcrmögen des Dr. Göpel nur deshalb angestellt wären, weil man unter seinen Papieren einenletzten Willen" gefunden hatte, aus dem hervor- ging, daß Dr. Göpel seinen Plan, sich daS Lebe» zu nehmen. endlich ausführen wolle. Nach bU Jahren schickte Dr. Göpel das Schreiben an den Rechtsanwalt Feldhaus zurück mit der Be- merkung. eS sei mit der Schreibmaschine geschrieben, und das sei in der Privatkorrespondenz nach mitteleuropäischem Gebrauch un- statthast. Später schrieb Göpel an die beiden Brüder einen Brief etwa folgenden Inhalts: 1. Ich konstatiere, daß die Nichtbeantwortung meines BnefeS seitens des Herrn Feldhaus eine grobe UnHöflichkeit war und 2., daß daS Ehrgefühl des Herrn Dr. FeldhauS nicht in dem Grade entwickelt ist, wie man es von einem akademisch ge- bildeten Herrn erwarten sollte. In dem Briefe wurde unter 1. ein Mangel an vornehmer Denkungsari" konstattert. Diese Schreiben bilden nun den Ausgangspunkt für das Verfahren vor dem militärischen Ehrenrat, das die Entlassung des Dr. FeldhauS als Landwehroffizier mit schlichtem Abschied zur Folge hatte. Als Dr. Feldhaus das Schreiben erhielt, war er auf Reisen in Königswinter . Er schickte es noch am selben Tage an einen ihm befreundeten Arzt mit dem Ersuchen, nach seinem Er- messen die erforderlichen Schritte zu tun. Als er einige Tage später nach Mülheim zurückkehrte, hörte er, daß der Aufenthalt Göpels noch nicht ernrittelt sei. Feldhaus hat die ganze Angelegenheit dem Ehrenrat unterbrettet. In der ersten Verhandlung desselben erklärte er sich entsprechend dem Wortlaut der Kabinettsorder vom 1. Januar 1897 zu einem gütlichen Austrag der Sache bereit, Göpel aber zog ohne weiteres seine vorhergegebene Erklärung zurück und weigerte sich, sich dem Spruche des Ehrenrates zu unterwerfen. Hierauf schrieb Feldhaus an den Ehrenrat:Nachdem Herr Göpel es gestern abgelehnt hat. die Angelegenheit durch standesgemäßen Ausgleich aus der Welt zu schaffen und nachdem ich au« seinen Erklärungen vor dem Ehrenrat entnommen habe, daß sich seine Angriffe hauptsächlich gegen meine Familienangehörigen, insbesondere gegen meine Mutter, richte», halte ,ch eine Aufklärung der ganzen Angelegenheit vor den ordentlichen Gerichten für dringend erforderlich. Ich werde daher sofort gegen Herrn Göpel die Privatklage anhängig machen und von dem Ergebnis demnächst weitere Meldung machen." Die Klage wurde eingereicht und hat zur rechtskräftigen V e r urteilung Göpels zur höchsten zulässigen Strafe von 690 M. eventuell entsprechendem Gefängnis geführt. In der Begründung wird betont, eS sei nur deshalb nicht auf Gefängnis erkannt, weil derAngeklagte noch ein junger, völlig von einseitigen studentischen Anschauungen beherrschter Mensch sei.(Hört! hört!) Mit diesem Urteil hätte die Sache doch auch als erledigt be- trachtet werden sollen. Denn korrekter, als Dr. FeldhauS kann man sich überhaupt gar nicht benehmen. Der Brigadekommandeur hat denn auch dem Ehrengericht erklärt, es solle den Dr. FeldhauS gegen weitere Provokationen sehützeu. Aber daS Ehrengericht war feinfiihliger" als der Brigadekommandeur und erklärte den ?errn Dr. Feldhaus' als unwürdig, Offizier zu leiben. fLebhastes und wiederholtes: HörtI hört! im Zentrum und links.) Also, so weit ist es gekommen, daß die Beschreitung des Rechtsweges in BeleidigungSsachen als ein für einen Offizier un- würdiges Vorgehen erklärt wird.(Hört I hörtl links und im Zentrum.) ES handelt sich um die U e b e r h e b u n g eines einzelnen Standes über die gesamte Zivilbevölkerung. Diese Ueberhebung mutz den Gegensatz zwischen �dem Militär und der übrigen Bevölkerung noch unnütz verschärfen. lSehr richtig! links und im Zentrum.) Es ist eines Ehrenmannes unwürdig, sich unter einen von ihm als verkehrt erkannten gesellschaftlichen Zwang zu beugen.(Sehr richtig! links.) Aber auch abgesehen von dieser KabmettSorder von 189S, mit der die EhrengerrchtScntscheidung im Widerspruch steht, handelt eS sich um einen unerhörten und strafwürdigen Gewissenszwang.(Lebhafter Beifall im größten Teil des Hauses.) Weim schon die Ueberzeugung, daß daS Duell nicht mit den göttlichen und staatlichen Gesetzen un Einklang steht, jemand unwürdig macht, Offizier zu sein, so möge der Herr KriegSminister doch einmal über die ungeheuerlichen Konsequenzen davon nachdenken. Dann würden die meisten Offiziere, dann würde in erster Linie der Herr Kriegsminister selber für unwürdig erklärt werden, dem Offizierkorps anzugehören.(Heiterkeit und lebhafter Beifall links und im Zentrum.) Fest steht jedenfalls, daß hier amtlich ein schwerer Gewissens- zwang ausgeübt worden ist. So etwas muß verhängnisvoll auf die Massen wirken und muß dazu beitragen, die Autorität der Behörde bei den Massen zu untergraben.(Sehr wahr!) Hier handelt eS sich nicht einmal um das Duell, sondern um den Zwang zum Duell durch die Behörde, und den müssen wir alle verwerfen.(Bravo I) Kriegsminister v. Einem: > Bevor ich zur Besprechung des Falles übergehe, möchte ich die Worte verlesen, welche Se. Majestät der Kaiser der Verordnung über die Ehrengerichte im Mai 1874 vorausschickte. Was den vorliegenden Fall anbetrifft, so steht eS zweifelhaft fest, daß eine schwere Beleidigung gegen den Leutnant Feldhaus vorgelegen hat. Das Ehrengericht hat entschieden, daß Leutnant Feldhaus, weil er es abgelehnt hat, für eine ihm zugefügte Be- leidigung standesgemäße Genugtuung zu fordern und zwar unter Anführung von Gründen, welche mit den Anschauungen eines Offiziers über den Austrag von Ehrenhändeln nicht vereinbar sind, für schuldig der Verletzung der Standesehre zu erachten sei und hat die Entlassung mit schlichtem Abschiede beantragt. Se. Majestät der Kaiser hat mittels Allerhöch st er Kabinettsorder vom 6. September v. I. dahin entschieden, daß Leutnant FeldhauS mit schlichtem Abschied entlassen wird.(Hört! hört!) Die Darstellung des Herrn Vorredners war durchaus zutreffend, ich kann mich nur seinen Schlußfolgerungen nicht anschließen. Zweifellos ist der Brief, den Göpel zunächst an die Schwiegermutter des Dr. Feld- haus geschrieben hat, in Ton und Form nicht angemessen gewesen. Göpel hat stets ausgesagt, daß er sich zweifellos erheblich gekränkt gesehen hat, daß seine Honorarforderungen nicht beglichen und überhaupt die Rücksichten, die er nach seiner Ansicht zu fordern hatte, nicht genommen waren. DaS ist der Grund gewesen, warum er den Brief des Dr. Feldhaus zurückgesandt und daneben zweifellos beleidigende Worte gegen Dr. FeldhauS gebraucht hat. Nun sagt der Herr Borredner: es war das einzig richtige, daß Dr. Fcldhaus auf diesen beleidigenden Brief nichts getan hat. Ich bin durchaus anderer Ansicht. Wenn damals in diesem ersteren Falle Leutnant Feldhaus das Organ benutzt hätte, was ihm zu Gebote stand, nämlich den Ehren- rat, so wäre zweifellos die ganze Affäre aus der Welt geschafft worden.(Lachen links.) Ich glaube, keiner von Ihnen wird stillschweigend eine derartige zugefügte Beleidigung dulden, er wird nicht abwarten, bis eine noch schwerere Beleidigung folgt. Damals lag noch keine so schwere Beleidigung vor, damals war auch noch nicht die Aegriertheit auf der anderen Seite vor- Händen. Das dann später eingerichtete ehrengerichtliche Verfahren führte zu keinem Vergleich infolge deS Wider st an des Göpels. Dieser widersprach dem Vergleich, weil ihn Leutnant Feldhaus durchaus nicht in dem Maße als einen Ehrenmann angesehen habe, wie er das beanspruchen konnte.(Lachen links.) Sie lachen darüber, daß Göpel die Empfindung von sich hatte, ein Ehrenmann zu sein. Das Gericht hat ihn ja auch für einen nicht ernsten leicht- sinnigen jungen Menschen gehalten und hat ihn mit der höchsten zulässigen Strafe belegt. Zweifellos ist damit die Sühne nach dem Strafgesetzbuch erfolgt. Zweifellos aber nicht erfolgt vom Standpunkt der verletzten Ehre aus. Soweit ich die Verhandlungen der Antiduell-Liga verfolgt habe, ist auch dort immer hervorgehoben: Wir haben kein Strafgesetz, was die Sühne für die verletzte Ehre in der Weise gibt, wie es ein Ehrenmann fordern kann.(Abg. Bebel: Na! na!) Nun handelt es sich um die Frage: War Göpel ein minderwertiger Mann? Dagegen spricht, daß der Augenarzt Peretti ihn 43 Jahre lang mit seiner Ver- tretung betraut hat. Dagegen spricht auch, daß Göpel vor diesem Fall lange Zeit in der Familie Feldhaus verkehrt hat. Wäre Göpel Offizier gewesen, dann wäre das Organ dagewesen, das Ehren- gericht, das hätte sagen können: dieser Mann hat seine Ehre ver- letzt, indem er in frevelhafter Weise einen anderen beleidigt hat. Hier aber hat dies Organ vollkommen gefehlt. Wenn wir ein solches Organ einsetzen können, wäre uns allen geholfen.(Widerspruch und Heiterkeit links.) Die Annahme des Herrn Roeren, Feldhaus sei ein prinzipieller Gegner des Duells, trifft nicht zu. Er hat sich nur immer als Feind dieses Duells bezeichnet. Der Herr Vorredner hat dann von einer Ueberhebung des Offizierstandes gesprochen. Nicht der Offizier- stand allein ist aber Träger des Duells, sondern sehr weite Kreise des Volkes, ganz gleich welcher Konfession, huldigen noch heute dem Duell. Daß die Beteiligung amZlveikampf gegen göttliche und menschliche Gesetze durchaus verstößt, i st zweifellos.(Hört! hört I links.) Was den Verstoß gegen göttlrche Gesetze anlangt, so soll man demjenigen, der aus Gewissens- zwang sich in ein Duell einläßt, eS überlassen, wie er als gläubiger Christ sich mit seinem Gotte abfindet.(Lachen links.) Der Verstoß gegen das Gesetz des Staates wird besttast. Was nun den zweiten Punkt der Interpellation anbetrifft, so habe ich im Auftrage des Herrn Reichskanzlers folgende Erklärung abzugeben. Zur Austragung von Ehrenhändeln besteht bei uns die Sitte des Zweikampfes in weiten Kreisen der gebildeten Stände. Im Offizierkorps ist der Zweikampf in wirk samer Weise durch die allerhöchste Verordnung vom 1. Januar 1897 bekämpft worden. Weitere Abhülfe könnte aber nur von einer gleich- zeitigen Aenderung der gesetzlichen Bestimmungen über die straf- rechtliche Verfolgung der Beleidigung und des Zweikampfes erhofft werden. Eine solche Aenderung des Gesetzes ist schon aus Anlaß früherer Interpellationen ernstlich erwogen worden und wird auch jetzt noch im Auge behalten. Sie läßt sich aber nicht durch- führen ohne eine Umgestaltung deS Abschnitts des Straf­gesetzbuches über Beleidigung und Zweikanrpf und ohne einen tiefen Eingriff in unser Strafsystem, insbesondere soweit es die Festungsstrafe und die Geldstrafe bettifft. Dies ist nur möglich im Zusammenhang mit der in Vorbereitung befindlichen Revision des Strafgesetzbuchs. Es darf als sicher angenommen werden, daß bei dieser Revision eine anderweitige strafrechtliche Be- Handlung der Beleidigung und des Zweikampfes eine wichtige Frage bilden wird. Inwieweit eine solche Aenderung der Gesetzgebung eine Wandlung der zurzeit herrschenden Ansichten über die Wahrung der verletzten Ehre bewirken wird, muß abgewartet werden. S o lange der Zweikampf von weiten Kreisen als anerkanntes Mittel zur Wiederher st ellung der verletzten Ehre gilt, kann auch das Offizier- korp« in seine» Reihen lein Mitglied dulden, welches nicht bereit ist, gegebenenfalls auch mit der Waffe für seine Ehre einzutreten. (Lebhaftes Hört! hört! Unruhe links. Zuruf: Aufforderung zur Ungesetzlichkeit!) Die allerhöchste Kabinettsorder sagt in ihrem Eingang: Ich will, daß dem Zweikampf zwischen meinen Offizieren in höherem Matze begegnet wird als bis jetzt. Sie hat derartig günstig gewirkt auf den Zweikampf im Heere, daß im vergangenen Jahre nur ein einziges Duell zwischen attiven Offizieren stattgefunden hat.(Hört I hört! rechts.) Dies ist eine durchaus günstige Wirkung, über die wir uns alle nur freuen können.(Bravo ! rechts.) Abg. Himburg(k.): Wenn ein Offizier mit schlichtem Abschiede entlassen wird, ohne daß er eine strafbare Handlung begangen hat, so ist das unter allen Umständen zu mißbilligen. Aber wir wollen doch auch nicht vergessen, wie wichtig das hochentwickelte Ehrgefühl unseres Offizierkorps für Deutschlands Größe ist. Bismarck hat einmal gesagt: Den preußischen Leutnant machen Sie»nS nicht nach. Jeder Stand hat seine besondere Ehre. der Richter die Unparteilichkeit, der Kaufmann die Reellität, der Offizier den Mut. Das Duell wird nicht aufhören. Das liegt in unserem Nationalcharakter, der Deutsche läßt nichts auf sich sitzen, über das Leben geht die Ehre.(Vereinzelter Beifall rechts.) Abg. Dave(freif. Vg.j: Das Novum in der heutigen Verhandlung ist die vorgelesene Erklärung des Herrn Reichskanzlers, deren Inhalt es ist: Ich, der höchste Beamte des Reichs erachte mich nicht für befugt. die Gesetze durchzuführen.(Lebhafter Beifall links und im Zentrum.) Der Abg. Himburg wieS auf den deutschen National- charakter hin. Aber das Duell entspricht viel mehr den Anschauungen der romanischen als der germanischen Völker. Wir sind für Ver- schärfung der Strafbestimmungen gegen das Duell, vor allem für Beseitigung der custodia honesta und für Einschränkung der Begnadigungen gegen Duellanten. Der vorliegende Fall ist einer der krassesten, den man sich nur denke» kairn. Denn der Kriegsminister mußte ja die Darstellung des Kollegen Roeren für richtig erklären. Der klaffende Widerspruch zwischen Gesetz und Ducllanten-Ehrgefühl ist unerträglich. Niemand wird aber einem Offizier, der sich weigert, sich zu duellieren, Mangel an Mut nachsagen. In, dänischen Kriege boten sich drei Offiziere, die sich aus religiösen Gründen weigerten, sich zu duellieren. an, sofort vor den Feind gestellt zu werden.(Hört! hört! links.) Aber das wurde abgelehnt. Die Anschauungen von der Notwendigkeit der Exklusivität des Offizier- korps haben bei Jena Schiffbruch gelitten.(Leb- hafter Beifall links und im Zentrum.) Abg. Bassermai«(natl.) schließt sich der Verurteilung deS Duells an, bestreitet aber, daß die Verabschiedung mit schlichtem Abschiede eine entehrende Strafe sei.(Widerspruch links.) Die Urteile der Gerichte in Beleidigungssachen seien leider im allgemeinen zu milde. (Zuruf bei den Sozialisten: Wir können darüber nicht klagen! Große Heiterkeit.) Unser Standpunkt ist der, welchen unser verstorbener Führer Bennigsen im Jahre 1896 präzisiert hat: Wir empfinden das Duell als einen peinlichen Widerspruch gegen die Staatsgesetze und hoffen auf seine allmähliche Einschränkung. Ein Uebelstand ist es, daß sich heute kaum jemand gerne entschließt, in BeleidigungSsachen vor ein Schöffengericht zu gehen, be- sonders wenn die Schöffen einer ganz anderen Gesell- schaftsklasse angehören. Die Anti-Duell-Liga fordert mit Recht eine Aenderung der GerichtsverfassungSbcstimmungen in dieser Richtung. Die Reform der Strafgesetzgebung ist aber nicht abzu- warten. Wir müßten vielmehr auf dem Wege der Spezialgesetz- gebung vorgehen. Schon heute erträgt die öffentliche Meinung kein frivoles Duell. Aber Sie werden das Duell nicht durch strengere Strafen abschaffen. Geben Sie erst einen besseren Schutz der per- sönlichen Ehre!(Beifall links und rechts.) Abg. Bachem(Z.): Aufs höchste befremdet hat mich der Schlußsatz in der Er» klärung des Reichskanzlers. Es lief mir eiskalt über den Rücken, als ich hörte, daß der höchste Vertreter der Staatsgewalt erklärte, das Offizierkorps könnte kein Mitglied in feinen Reihen dulden, das nicht in gegebenen Fällen be- reit wäre, die bestehenden Gesetze zu brechen.(Lebhafter Beifall links und im Zentrum.) Aber gerade das Gegenteil hätte der Reichskanzler erklären sollen: Das Offizicrkorps kann kein Mit- glied in seinen Reihen dulden, welches die Absicht hat, in gegebenen Fällen die Staatsgesetze zu überschreiten.(Sehr richtig! links und im Zentruni.) Das hatte dem Standpunkte eines christlichen Reichs- kanzlers entsprochen.(Sehr richtig! im Zentrum.) Bisher glaubten lvir, daß wir unseren, Ziele, daß das Duell allmählich abgeschafft würde, näher kämen. Jetzt aber sehen wir, daß gerade das Gegenteil der Fall sein wird. Der Reichskanzler hat durch seine Erklärung den heutigen Tag zu einem dies nekastus gemacht. (Lebh. Beifall links und im Zentrum.) Auf anderen Gebieten weiß doch der Herr Reichskanzer sehr wohl die Majestät des Gesetzes zu schützen. Wenn der Herr Reichskanzler gegen dir Sozialdemokratie vorgehe» will, da weiß er ganz genau die Töne zu finden, die die Absicht zum Ausdruck bringen, unter allen Umständen das Vorgehen der Sozial- dcmokratie gegen die öffentliche Ordnung aufs strengste zu verurteilen. Im preußischen Abgeordnetenhause hat der Justizminister Bebel (Schallende Heiterkeit), ich wollte sagen, der Justizminister Beselcr ebenfalls betont, daß man jede Verletzung der Majestät des Gesetzes ahnden werde. Soll denn dieser Standpunkt nur gegen die Sozial- dcmokratie gelten?(Zurufe bei den Soz.: Ja I ja I) Wie kann man gegenüber den Standesvorurteilcn eines ganz kleinen Teiles unseres Volkes einen solchen schonenden Standpunkt einnehmen, daß man zugibt, daß die Gesetze sich vor diesen Standes- Vorurteilen beugen müßten? Ist es denn kein Vorgang gegen die öffentliche Ordnung, wenn aus der irregeleiteten Ansicht gewisser Kreise heraus diese Gesetze aufs schroffste übertreten werden? Wie verträgt sich denn die Erklärung des Herrn Reichskanzlers mit der Majestät des Gesetzes? Ich gebe zu, unsere Gerichtsverfassung gegenüber den Beleidigungen könnte gewiß verbessert werden. Auch die Beleidigung ist eme schwere Rechtsverletzung. Aber daS Er- schießen eines Menschen ist eine noch schwerere Rechtsverletzung als die Beleidigung.(Lebhafter Beifall im Zentrum und links.) Ebenso bedauere ich es auf das lebhafteste, daß wir auS dem Munde des Abg. Bassermann keine schärferen Töne gehört haben. Mit einer so lahmen Erklärung leistet nian dem Duell nur Vorschub.(Beifall links und in, Zentrum). Die Frage ist nur. ivie können wir dem Unwesen steuern? An die einzelnen Ehrengerichte können wir nicht heran. Aber jedes ehrengerichtliche Urteil erfordert die Bestätigung des aller- höchsten Kriegsherrn. Und diese Bestätigung ist eine Regierungshandlung des Kaisers in feiner Eigen- schaft als allerhöchster Kriegsherr.(Lebhafter Beifall links und im Zentrum.) Für eine solche Handlung sind unS aber die Organe verantwortlich, welche verfassungsmäßig die Krone vor dem Lande vertreten. In unserem Falle ist das der Herr Reichs« kanzler bez. sein Vertreter. ES ist Sache des Herrn Reichskanzlers, es ist seine Verpflichtung, den Schaden, welchen er durch seine heutige Erklärung angerichtet hat, auf irgend eine Weise wieder gut zu machen, wenn er weiteren Anspruch auf den Namen eines ch r i st- lichen Reichskanzlers machen will.(Lebhafter, immer erneuter Beifall im Zentrum und links.) Abg. Bebel(Soz.): Wir haben durch die heutige Verhandlung den Standpunkt, den wir seit einer Reihe von Jahren bei jeder Gelegenheit, die sich bot, eingenommen haben, infolge der Erklärung des Reichskanzlers eine Genugtuung gefunden, wie sie sich gar nicht besser denken läßt. Die Erklärung des Herrn Reichskanzlers lief darauf hinaus, daß es den Offizieren erlaubt sein müsse, unter Um- ständen die be st ehenden Gesetze zu übertreten, und daß das sogar unter Umständen ihre Pflicht sei. Der moralische Schaden, welchen der Herr Reichskanzler dadurch dem herrschenden Systeme zugefügt hat. ist auf keine andere Weise wieder gut zu machen. Denn eS ist doch in diesem Hause auf die offiziellste Weise nichts mehr und nichts weniger ge- sagt worden, als daß für gewisse Klassen Recht und Unrecht nicht mehr gelten, daß eS in unserem Klaffen st aate gewisse Klassen gibt, die das Recht haben. Recht und Gesetz mit Füßen zu treten.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Ich muß dem Abg. Roeren anerkennen, daß seine Partei seit vielen Jahren dem Du'ellunfug mit großem Eifer zu Leibe ging. Dabei hat aber insbesondere der Abg. Bachem, welcher das Zentrum bei solchen Gelegenheiten zu vertteten pflegte, in den letzten Jahren die Anschauung vertreten, daß die allerhöchsten KabinettSorderS, die sich mit dem Duell in den letzten Jahren beschäftigt haben, den Zweck hätten, das Duell nach Möglichkeit zu beseitigen. Ich selbst aber habe seinerzeit dem Abg. Bachem das Irrige dieser seiner Auslegung der aller- höchsten Kabinettsorders auseinandergesetzt. Heute finden wir die Bestätigung unserer damaligen Auffassung durch die Erklärung deS Herrn Reichskanzlers.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ueber das Unsinnige der Auffassung, welche dem ganzen Duellwesen zugrunde liegt, ein Wort zu verlieren, ist ja völlig überflüssig. Das Duell müßte doch wenigstens garantieren, daß auch nun der Be- leidiger die wirkliche Strafe findet. In Wirklichkeit aber hängt der Ausgang des Duells ja wesentlich vom Zufall ab, und in sehr vielen ist es der Beleidigte, welcher noch überdies fein