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Che sich das Haus vertagte, machte der Präsident Mit- 1 Indessen Nervosität ist ansteckend. Die Hamburger Polizei teilung   von dem Ableben des Staatssekretärs v. Richthofen  , hat bereits eine für gestern( Freitag) abend einberufene Ver­die sich so lange verzögert habe, weil er von der Regierung fammlung der Metallarbeiter auf. Grund des Vereinsgesetzes" ver­bis zur Stunde weder über das Ableben noch über den Zeit- boten! Ja, sie ist noch weiter gegangen. Sie hat gar folgende punkt der Beerdigung benachrichtigt sei. Da er aber aus generelle Bekanntmachung erlassen: Zeitungen Kenntnis davon erhalten habe, schlage er vor, morgen am Beerdigungstage die Sigung ausfallen zu lassen. Am Regierungstische gab es über diesen Wischer" lange Gesichter, während im Hause lebhaftes Hört! hört!" erschallte.

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Die Unterlassung der Benachrichtigung ist ja nur eine der kleinsten Rücksichtslosigkeiten gegen den bewilligungs­Lustigen Reichstag  . Geschieht der Mehrheit ganz recht; sie apportiert ja doch alles, was die Regierung von ihr begehrt. Die nächste Sigung findet am Montag statt.

Zur Hamburger und zur Berliner   Wahlrechts­

Demonstration.

Der die kühnsten Erwartungen übertreffende imposante Verlauf der Hamburger Wahlrechtsdemonstration hat gezeigt, wie die Arbeiter schaft über die politischen Brutalisierungsgelüfte der Hanseatischen Machthaber und ihres Klüngels denkt. Daher ist es auch erklärlich, daß die Scharfmacherorgane heiß bemüht sind, die Bedeutung dieser ihnen eindringlichst zu Gemüte geführten Bekundung des Volts­willens dadurch herabzusehen, daß sie weiter versuchen, den Groß­stadt- Janhagel der Sozialdemokratie an die Rodschöße zu hängen. Wer bloß die Tobsuchtsanfälle der Hamb. Nachrichten" liest, der muß in den Glauben verjezt werden, Hamburg   habe am Abend des 17. Januar in Blut geschivommen. Das edle Organ muß aber doch schon zugeben, daß die ersten Nachrichten- seine Nachrichten nicht in allen Teilen zutreffend sind. Wie weiland die gefallenen Krieger nach der Hunnenschlacht, so läßt es auch die bei den Straßen­kämpfen mit dem Hamburger Mob gefallenen berittenen und un­berittenen Polizeifrieger wieder auferstehen bezw. sich auf dem Wege der Besserung befinden.

Die unverantwortliche Polizei.

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" Nachdem sich an die sozialdemokratischen Versammlungen am 17. d. M. Auflehnungen schwerster Art gegen die öffentliche Ordnung angeschlossen haben, wird die Polizeibehörde öffent­liche Versammlungen für den am 21. und 22. Januar und für die Tage, an denen die Bürgerschaft über die Wahlrechts­vorlage verhandelt, ausnahmslos verbieten und sonstige öffentliche Versammlungen in der nächsten Zeit nur in ganz be­sonderen Fällen zulassen. Umzüge werden bis auf weiteres über­haupt nicht gestattet werden."

Und was gibts in unserem teueren Berlin  ? Man kann die Nervosität der Hamburger Behörde wenigstens für echt halten. Die Nervosität der preußischen Junker und Mucker, der Leute von der Post", ,, Deutsche Zeitung" usw. ist zweifellos erheuchelt. Und doch vermochten und vermögen fie es, unsere behördlichen Organe mit dem Nervositäts­Bazillus zu infizieren. So hören wir, daß am morgigen Sonntag sämtliche Berliner   Poftunterbeamten Dienst haben sollen!? Will man sie als Oder glaubt mau, Schußtruppe der Reaktion mit verwenden? Taufende von Händen nötig zu haben, um die Siege" der Berliner  Polizei und Garnison über das friedlich demonstrierende Berliner  Proletariat nach berühmten Mustern in alle Richtungen der Windrose telegraphieren(!) zu können? Oder will man bloß" verhindern, daß die Postsflaven die Volksversammlungen befuchen?!

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In letzter Stunde geht uns aber eine Nachricht zu, von deren Richtigkeit ganz Berlin   fich heute wird überzeugen fönnen. Sie be weist, daß gewisse Kreise unseres Beamtentums im Herensabbat der Scharfmacherei sich doch noch etwas Vernunft und Kaltblütigkeit be­wahrt haben. Herr von Borries, Berlins   Polizeipräsident, läßt am heutigen Tage folgende Bekanntmachung an alle Berliner   Litfaß­säulen fleben: Bekanntmachung.

Für den morgigen Tag find von der sozialdemokratischen Partei zahlreiche Versammlungen einberufen worden, um gegen Wie schon gestern mitgeteilt wurde, hat die Polizeibehörde eine das für das preußische Abgeordnetenhaus geltende Wahlrecht Warnung an die gesamte Bevölkerung erlassen. Sie scheint aber sehr schlecht über den Beginn der Erzesse im Kaschemmenviertel 3 protestieren. Wenngleich der sozialdemokratische Partei­unterrichtet zu sein, denn nicht im Anschluß an die sozialdemo- vorstand die Mitglieder seiner Partei ermahnt hat, hierbei den fratischen Versammlungen", die etwa um 6 Uhr beendet waren, Anordnungen der Behörden zu folgen und Demonstrationen sondern abends um 11 Uhr hat der lichtscheue Mob das Bombarde- auf der Straße zu vermeiden, so ist es nicht ausgeschlossen, daß ment auf die Schaufensterscheiben usw. begonnen! Wie gestern erregte Massen nach Schluß der Versammlungen dennoch die schon hervorgehoben, ist dieses von Verbrechern frequentierte Viertel, dessen Kaschemmen im vorigen Sommer von den Mitgliedern der Ordnung auf der Straße stören und sich zu gemeinsamen Kund­internationalen Kriminalistenvereinigung mit großem Interesse in gebungen hinreißen lassen. Sollten derartige Ausschreitungen Augenschein genommen worden sind, von Polizei ganz entblößt vorkommen, so wird ihnen mit vollem Nachdruck und nötigen­gewesen, während es in" normalen" Zeiten stets von starken Polizei- falls mit den äußersten nach dem Gesetz zulässigen Mitteln patrouillen durchzogen wird. Frei von aller Polizeiaufsicht, beging entgegengetreten werden. der Janhagel die Erzesse, ohne zunächst von Polizisten behindert zu werden. Die Polizei hatte an dem Abend- höhere Aufgaben zu erfüllen: fie ließ das Rathaus und die friedlichen Demonstranten bewachen. Auf dem menschenleeren, von Hunderten von Polizisten abgesperrten Rathausplake stand ein großes Pikett berittener Poli­zisten, im Rathause selbst waren 150 Beamte stationiert. Die Polizeibehörde mag fich drehen und wenden, wie sie will, den Vor­wurf, eine große Unterlassungsfünde und taktische Ungeschicklich feiten begangen zu haben, kann sie nicht entkräften. Das Verhalten bieler Polizeiorgane gegenüber ruhigen Leuten wird von völlig ein­wandsfreien Zeugen scharf kritisiert.

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Nach dem bekannten Worte: Verleumde fühn, es bleibt doch etas hängen, wird von unseren politischen Gegnern die Schuld an den bedauerlichen Vorgängen der Arbeiterschaft in die Schuhe geschoben.

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Ga widert uns an, am Vorabend des 21. Januar die gemeinen Entstellungen unserer politischen Gegner aufs Korn zu nehmen. Daher beschränken wir uns aufs allernötigste. Derjenige Teil der bürgerlichen Presse, der sich in irgend einem Edchen seines Gewissens für vorkommende Fälle" noch ein letztes Restchen Anstandsgefühl gewahrt hat, erkennt an, daß die Hamburger Erzesse nur bei Not­züchtigung der Wahrheit der Sozialdemokratie in die Schuhe ge­schoben werden können. Dagegen schreibt Dr. Friedrich Langes " Deutsche Zeitung" am Freitag einen Nonsens über: Die General probe für den 21. Januar in Hamburg  "( die Rheinisch- Westfälische Zeitung" brachte tags zuvor einen Leitartikel: Die Hamburger Generalprobe")- einen Nonsens, auf den wir furz eingehen müssen, nicht um uns mit Dr. Lange über seine Auffaffung der Hamburger Borgänge zu streiten, sondern um die Tendenz dieses teutschen Artikels des unabhängigen Tageblatts für nationale Politit" zu charakterisieren. Der langen Rede furzer Unsinn ist natürlich der: die Behörden noch schärfer zu machen, als sie im Augenblick schon find. Da wird geflennt: die Sozialdemokratie sei schuld an den Ereignissen in Hamburg  ; denn sie habe die Er­bitterung erregt, für deren Folgen sie auch die Verantwortung tragen müsse usw. Daß es angenommen: dieser Gedankengang wäre richtig viel sträflicher, viel leichtsinniger ist, in die gesamte preußische Schußmannschaft, die Gendarmerie, das Heer eine Er­bitterung zu tragen, wie die, deren Feuer die reaktionäre Meute in den letzten Tagen diabolisch schürt, das brauchen Logiker und Ge­mütsmenschen a la Dr. Lange nicht zu bedenken.

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Die Hauptsache ist den biederen Hezern und Schwätzern übrigens die Nubanwendung auf die Reichshauptstadt." Welche Fol. gerungen werden daraus für Berlin   gezogen?" Und Folgerungen müssen natürlich gezogen werden; denn hier wird die" Post" zitiert aufgeregt durch die vorhergegangene Agitation in Flugblättern und Vorwärts"-Artikeln und zum Teil womöglich ,, animiert" durch Alkoholgenuß am Sonntag morgens und vormittags" werden diejenigen, die keinen Einlaß in die abs gesperrten Versammlungslokale finden, geneigt sein, etwas zu unternehmen, d. H. in irgendwelcher Form die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs auf den Straßen und Plätzen ge­fährden

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Was soll demnach geschehen? Sehr einfach! Verbot der für den 21. Januar geplanten Versammlungen nicht aus politi. schen(!?), sondern aus rein verkehrspolizeilichen Gründen, im Interesse der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs... ein Verbot speziell für Berlin  , und nur gerade für Sonntag, den 21. Januar, eventuell und vorläufig überhaupt für die Sonn­tage..." Die guten Seelen! Sie wissen nicht, daß die Berliner  Arbeiterschaft von anderen Riefenveranstaltungen wie beim Zoll­wucher usw. abgesehen am Sonntag, den 1. Mai 1904, an die 100 000 Arbeiter auf die Beine gebracht und in Versammlungen vereinigt hat, deren Anzahl noch größer war als die Zahl der für den morgigen Sonntag projektierten! Und diesen Tag feierte in gleicher Weise das gesamte deutsche, das internationale Proletariat! soviel wir wenigstens wissen feine Säbel Und damals waren geschliffen, das Militär der Berliner   Garnison nicht fonfigniert, Hintmel und Hölle nicht in Bewegung gefeßt. Und trotzdem ging der preußische Staat nicht unter, das alte Schloß zu Berlin   blieb stehen, keinem Polizeimann, feinem Gendarmen wurde ein Härchen gefrümmt.

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Da bei solchen Vorgängen Unbeteiligte und Neugierige jeden Alters und Geschlechts zugegen zu sein pflegen, so glaube ich im Interesse der Einwohnerschaft zu handeln, wenn ich sie auffordere, allen Massenansammlungen fernzubleiben, weil sonst nicht zu verhindern ist, daß unter Umständen auch Unschuldige au Leben und Gesundheit Schaden leiden. Berlin  , den 20. Januar 1906.

Der Polizei- Präsident. von Borries.

Für uns war diese freundliche Fürsorge unnötig. Auf jeden Fall aber fann sie nicht schaden, und wir dürfen uns vielleicht gar freuen, daß Herr v. Borries sich dem Aufrufe unseres Parteivorstandes in so liebenswürdiger Weise angeschlossen hat.

Staatsraison oder Hochverrat?

Gegenüber der borniert- reaktionären Haltung, mit der die privilegierten Klassen in Preußen jede Wahlreform ab­lehnen, verdient die Haltung des Wahlgesezausschusses der bayerischen Ersten Kammer rühmend herbor­gehoben zu werden.

Die Erste bayerische   Kammer ist ihrer Zusammensetzung nach ein ebenso zopfiges Institut, wie das preußische Herren­haus. Die bayerische   Kammer der Reichsräte besteht aus den mündigen Brinzen des Königshauses, den Kronbeamten, den zwei Erzbischöfen, den Häuptern der standesherrlichen Familien, einem vom König auf Lebenszeit ernannten Bischof, dem Präsidenten des protestantischen Oberkonsistoriums und anderen vom König zu erblichen oder lebenslänglichen Reichsräten er­nannten Mitgliedern. Aber selbst diese Zusammenſegung der Stammer der Reichsräte hat nicht verhindert, daß die von ihr eingesetzte Wahlrechtskommission dem Wahlgefeßentwurf, der die bisher bestehende indirekte Wahl beseitigt, beinahe einstimmig, nämlich mit 11 gegen eine Stimme an­genommen hat!

Mögen aber auch dem neuen Wahlgesehentwurf noch be­denkliche Mängel anhaften, und mag auch die Zustimmung des Ausschusses der Ersten Kammer vornehmlich auf das Interesse zurückzuführen sein, das die Ultramontanen an der Wahlreform haben: beachtenswert bleibt trotz alledem die Tatsache, daß das bayerische Herrenhaus sich im schroffsten Gegensatz zu dem mumifizierten preußischen Herrenhaus für eine Demokratisierung des Wahlrechts ausgesprochen hat! Aus der Debatte des Wahlgesetzausschusses seien nach der Münchener Post" folgende Stellen wiedergegeben:

Reichsrat Dr. Ritter v. Bechmann als Referent: Die Stammer der Reichsräte habe sich seit acht Jahren mit der Frage der Aenderung des Landtagswahlgesetes zu beschäftigen gehabt. Die erste Veranlassung hierzu sei im Jahre 1898 durch einen Antrag Grillenberger gegeben worden.

Zu Beginn der jetzigen Session sei von den Abgeordneten Dr. b. Daller und Genossen ein neuer Antrag eingebracht worden. Derselbe verlange jedoch nicht mehr die Vorlage eines Gesetz entwurfes von der königlichen Staatsregierung, sondern enthalte selbst einen ausgearbeiteten Initiativentwurf eines neuen Land­tagswahlgesetes, der jedoch im Wortlaut nahezu völlig mit dem feinerzeitigen Entwurf der königlichen Staatsregierung über einstinime. In formeller Beziehung sei hiergegen nichts zu er­innern, da die vorwürfige Materie dem Initiativrechte des Land­tages überlassen sei.

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freise die Regel sein und nur 30 Wahlkreise zwei Kandidaten aufweisen. Eine noch konsequentere Durchführung des Systems der einmännigen Wahlkreise wäre entschieden au wünschen gewesen.

Zum Schlusse erklärt der Referent, daß er glaube, mit gutem Gewissen das Gesez zur Annahme empfehlen zu können und fügt noch bei, daß bei Ablehnung desselben, wozu allerdings der Kammer der Reichsräte die vollste Freiheit gelassen sei, die Unruhe im Lande fortdauern, ja sie noch mehr steigern würde.

Reichsrat Ritter v. Thelemann: Er möchte betonen, daß er schon im letzten Landtage das Zustandekommen des Wahlgesetzes dringend gewünscht und es sehr beklagt habe, daß das Gesetz nicht zustande gekommen sei. Auch zurzeit hege er den dringenden Wunsch, daß der jetzt vorliegende Entwurf zum Gesetz werden möge, da er nicht nur unter den gegebenen Verhältnissen das Zustandekommen des Gesetzes als ein Gebot der Not= wendigkeit erachte, sondern auch weil das bisherige Wahl­gesetz zweifellos veraltet und dringend einer zeitgemäßen Umgestaltung bedürftig sei.

Reichsrat Dr. Frhr. v. Hertling: Er stimme unter allen Umständen dafür, daß das Gesetz zu stande lomme, denn er fürchte, daß, wenn das Gesetz noch einmal zu Falle kommen werde, das ganze Land eine noch größere Beunruhi gung erleiden dürfte, als dies bei den letzten Wahlen der Fall gewesen sei. Die wenn auch unberechtigte Wahlparole: Raub des Wahlrechts" habe damals auf die Massen gewirkt, und dies müßte in erhöhtem Maße auch jezt ein­treten. Aus diesem Grunde würde er es beklagen, wenn die Ablehnung dieses Gesetzes durch die Kammer der Reichsräte er­folgen sollte.

Prinz Ludwig von Bayern: Er sehe nur zwei Möglichkeiten, entweder man nehme den von der Kammer der Abgeordneten in Vorlage gebrachten Geseßentwurf in der Fassung an, wie er an die Kammer der Reichsräte gekommen sei, und sichere dadurch die Wahlreform, oder man ändere ihn ab und bringe dadurch höchst­wahrscheinlich die Wahlreform zu Fall.

Seiner Meinung nach dürfte bei der vorgesehenen relativen Mehrheit der Ausgang der Landtagswahlen auch für die Liberalen nicht ungünstiger werden, als bei der absoluten Mehrheit. Zum Beweise führe er das Beispiel der Münchener   Gemeindewahlen an. Obwohl hier das Zentrum die Mehrheit aller in der Stadt abgegebenen Stimmen erhalten habe, sei doch der Ausgang der Wahl der gewesen, daß fast keine Zentrumsleute, sondern über= wiegend Liberale und auch einige Sozialdemokraten gewählt worden seien.

Er für seine Person habe ganz andere Bedenken gegen das ganze Wahlgesetz gehegt. Er wäre dafür gewesen, daß man Iauter einmännige Wahlkreise gebildet und daß in diesen die absolute Mehrheit entschieden hätte. Er sei auch der Anschauung gewesen, was vom Gerechtigkeitsstandpunkte­aus betrachtet viel für sich gehabt hätte, daß bei den je. Landtagswahlen auf die Be. meiligen bölkerungszunahme Rüdsicht genommen und immer die lekte Volkszählung der Wahlkreis. einteilung zugrunde gelegt würde. Alle diese Fragen hätten aber zurzeit an Bedeutung verloren, und es handle fich jekt nur darum, ob die Kammer der Reichsräte das von der Kammer der Abgeordneten einstimmig angenommene Gefeß zum Scheitern bringen wolle oder nicht. Maßgebend sei für ihn der Umstand, daß das ganze Land eine Aenderung des bestehenden Wahlrechtes wünsche und daß ca fich mit großer Majorität dafür ausgesprochen habe.

Er schwärme nicht für das neue Wahlgeses, doch müsse er anerkennen, daß es einen großen Fortschritt gegen über dem jezigen bedeute. Die durch die gesetzliche Wahlkreiseinteilung im Laufe der Zeit zutage tretenden Ungerechtigkeiten könnten durch Novellen bes seitigt werden. Es sei ihm bekannt, daß die vor Dezennien gesetzlich festgestellten, ursprünglich annähernd gleichen Reichstags= wahlkreise durch die Bevölkerungsverschiebungen jetzt höchst una gleiche Wählerzahlen aufwiesen. Trotzdem dürfte es besser sein, die Wahlkreise gesetzlich festzulegen, als dies dem Verordnungs. wege zu überlassen.

Hier müsse er auch einige Worte zugunsten der geheimen Wahlen vorbringen.

Mit Ausnahme des Herrn Reichsrats Frhrn. b. Thüngen  sei keiner der Herren gegen das geheime Wahlrecht aufgetreten. Seiner Anschauung nach sei die geheime Wahl ein Schutz der Schwachen gegen die Starken. Vielfach würden gerade abhängige Leute veranlaßt, anders zu wählen, als sie beabsichtigten. Es gäbe gewissenlose Menschen genug, die ihre Untergebenen zwängen, ganz anders zu wählen, als diese wählen möchten. Diese scheuten auch nicht davor zurück, ihre Untergebenen nur wegen einer nicht genehmen Stimmenabgabe aus dem Dienste zu entlassen. Um derartige Uebelstände zu verhüten, müsse mit allen Mitteln an der Sicherstellung des geheimen Wahlrechts gearbeitet werden. Der Gesezentwurf sei in dieser Richtung im fortschrittlichen Sinne gefaßt.

Prinz Ludwig ließ dann noch die Ausführungen über die Vorzüge des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Reichstagswahlrechts folgen, die wir bereits widergegeben haben!

Die Auslaffungen der bayerischen Standesherren, be­fonders des bayerischen Stronprinzen sind aus einem doppelten Grunde für die preußische Wahlrechtsbewegung höchſt aktuell. Einmal wegen ihrer prinzipiellen Betonung der Not­wendigkeit eines möglichst demokratischen Wahlrechts, ferner aber auch wegen der unverhüllten Anerkennung der Pflicht der Regierungen und der privilegierten Klassen, sich der Willens­äußerung der Masse des Volkes zu fügen! Wie ein roter Faden zieht sich durch alle Reden die Betomung der Pflicht, der Volksstimmung Rechnung zu tragen und die Massen nicht durch ein starres Festhalten an überlebten, reaktionären Klassen­vorrechten immer mehr zu erbittern!

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Für die bayerischen Standesherren, den fünftigen Träger der Krone an der Spize, ist also des Volkes Wille das höchste Gesetz in Preußen dagegen wird das Volk, das seinem Willen Ausdrud geben will, als innerer Feind, als vaterlands­lose Rotte, als ein Haufe von Aufrührern behandelt! In Bayern   legt man die bessernde Hand an ein veraltetes, die Massen benachteiligendes Wahlrecht, in Preußen mobilisiert man die Staatsanwälte, fonfisziert man die Flugblätter, bedroht man friedlich Demonstrierende mit Polizeifäbel und Sleinkalibrigen! Was in Bayern   vornehmstes Gebot der Staatsräson ist, ist in Preußen Hochverrat!

Das Prinzip der Gleichheit, wonach alle Stimmen als solche gleich gezählt werden müßten, sei auch im bisherigen Ge­fete boll zur Geltung gekommen. Eine Erweiterung dieses Brinzipes weise der Entwurf nicht auf, auch keine Verbesserung. Hier würde das System der Proportionalwahl ent Die Arbeiterflasse in Preußen und in allen Bundes­scheidend eingegriffen haben, insofern als hierbei die Bewertung der Stimmen nicht rein nach dem der Proportion staaten mit gleich reaktionärem Wahlrecht wird sich auch diesen vorzunehmen wäre.... Insofern laffe die Durchführung schreienden Kontraft als Agitationsmittel nicht entgehen lassen, des Prinzipes der Gleichheit etwas zu wünschen um gegen die reaktionären Regierungen und reaktionären übrig, als die Wahlkreise nicht alle einmännig Parteien Sturm zu laufen. Namentlich auch das Zentrum, seien. Nach dem Entwurfe sollten zwar die einmännigen Wahl- das in Preußen zu den Beschützern des unerhörten Drei­