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»,.25. 23. w, w 2. DeilM desJormarts" Kerliner Islksdlalt. Zollkrieg zwischen Oesterreich- Ungarn und Serbien . AuS Wien wird uns vom 25. Januar geschrieben: Die ungarische Regierung hat gestern dem serbischen Vieh die Grenze gesperrt, und so ist der Zollkrieg zwischen der Großmacht und dem kleinen Ballanstaate fast unvermeidlich geworden. Die Sperre wird sehr gründlich durchgeführt: Verboten ist die Einfuhr von Hornvieh. Schafen. Ziegen und Schweinen, von Fleisch in jedem Quantum und schließlich von Geflügel in lebendem und geschlachtetem Zustande, also es ist so ziemlich die ganze Viehausfuhr Serbiens nach Oesterreich unterbunden. Rechtlich ist diese Maßregel sehr anfechtbar. Zwar beruft man sich darauf, daß nach dem Veterinär- übereinkommen vom Jahre 1692 beide vertragschließenden Mächte das Recht haben, im Falle der Einschleppung einer ansteckenden Tier- krankheitdie Einfuhr von Tieren aller derjenigen Gattungen zeit- weise zu beschränken oder zu verbieten, auf welche der Ansteckungs- stoff übertragbar ist." Man weiß nun natürlich zu erzählen, daß von Serbien in 19 Fällen Milzbrand eingeschleppt worden ist und die serbische Regierung gegen weitere Verschleppungen nichts ver- fügt habe, daß ferner unter den serbischen Schweinen die Pest aus- gebrochen sei und daß in Serbien Geflügel- und Hühnercholera herrsche. Aber daß alle diese Krankheiten just in dem Augenblick gefährlich wurden, da Oesterreich-Ungarn sich dem kleinen Serbien gegenüber als den Herrn aufspielen will, das macht die Sache recht verdächtig. Offenbar wollte man der serbischen Regierung zeigen, was ihr drohe: denn daß unter diesen Um- ständen die abgebrochenen Verhandlungen über den neuen Handelsvertrag(der gegenwärtige erlischt am 28. Februar) nicht er- neuert werden dürften, daß vom 1. März an also ein regelrechter Zollkrieg entbrennen wird, ist klar. Von der Meistbegünstigung, die den beiden Staaten verbleibt, haben aber alle beide wenig oder nichts. Serbien überhaupt nichts; denn seine Ausfuhr nach Oester- reich- Ungarn besteht zum überwiegenden Maße aus Vieh, und zu diesem Export braucht es eine Veterinärkonvention: und Oesterreich- Ungarn hat von der Meistbegünstigung wenig; denn ohne vorteilhafte Vertragszölle, die seinem Export angepaßt sind, ist es der Konkurrenz Deutschlands und Italiens nicht gewachsen. Natürlich steht für Serbien�weit niehr auf dem Spiele als für Oesterreich-Ungarn; denn Serbien ist mit seinem agrarischen Ueber- fchuß nach der geographischen Lage eben ganz aus Oesterreich-Ungarn angeloiesen: von seiner Gesamtausfuhr(66 Millionen Dinars) gehen Über 88 Proz.(55,1 Millionen Dinars) nach Oesterreich . Im vorigen Jahre sind von Serbien nach Oesterreich allein für 44,2 Millionen Kronen Schlacht- und Zugvieh(52 647 Ochsen und 112 511 Schweine) eingeführt worden was freilich auch beweist, daß die Unter- bindung dieser Einfuhr in Oesterreich leicht zu einer Verteuerung der Fleischnahrung führen kann. Die Bedeutung des serbischen Einkaufmarktes für Oesterreich-Ungarn(oder richtiger: ftir die Industrie Oesterreichs ) ist natürlich geringer. Immerhin beträgt die Ausfuhr nach Serbien etwa 32 Millionen Kronen(die Steigerung im legten Jahre ist 8 Millionen): im Budget der industriellen Ausfuhr kein geringer Posten. Zur empfindlichen wirffchaftlichen Störung, die natürlich auch ihre große politische Bedeutung besitzt, hat ebenso der Uebermut Serbiens wre die geradezu unglaubliche Ungeschicklichkeit des Grafen Goluchowski. des Leiters unserer sogenannten auswärtigen Politik, beigetragen. Der Ursprung des Konflikts liegt in einem etwas sonderbar gearteten Vertrage zwischen Serbien und Bulgarien , den einstigen Rivalen auf dem Balkan , die jetzt sehr intim verbündet sind. ES ist eine Zollunion, die die Zollschranken zwischen Serbien und Bulgarien niederreißt, während sie beide gegenüber dem Auslande selbständige Wirtschaftsgebiete bleiben. Den Pflichten der Meistbegünstigung(die Bulgarien schon durch den Berliner Vertrag auferlegt sind) scheint die Zollunion einigermaßen zu widersprechen; da aber der Viehverkehr ausdrücklich von der Union ausgenommen ist,(weil sonst tatsächlich Bulgarien an der Viehkonventron, die Oesterreich-Ungarn mit Serbien schließt, partizipieren würde), so hat die Sache eigentlich keine Bedeutung, wie ja überhaupt dieUnion " zum größten Teil nur eine auf dem Balkan landesübliche Auffchneiderei ist. Die Pointe liegt nun aber darin, daß die Sache vor Oesterreich- Ungarn geflissentlich verheimlicht wurde, wohl mit der bewußten Absicht, den, unbeliebten Oesterreich einen Tort anzutun. Das war für den wackeren Goluchowski eine doppelte Blamage: erstens weil die Verheimlichung gelang, und zweitens, daß sie überhaupt gewagt wurde denn Graf Goluchowski fühlt sich sozusagen als den geborenen Bormund der kleinen Balkanstaaten, insbesondere Serbiens , das.wir" bekanntlich einst vor dem Battenbergerge- rettet" haben wobei man übrigens zugestehen muß, daß die Be- Handlung, welche Bulgarien und Serbien der Großmacht angedeihcn ließen, nicht gerade von Respekt zeugte. Eine überlegene und überlegende Staatökunst hätte nun unschwer den voreilig geschlosienen Unionsvertrag zu einer für Serbien sehr empfindlichen Verlegenheit gestaltet; denn Serbien braucht den Vertrag mit Oesterreich tatsächlich sehr dringend und wäre hätte man in Wien einen Augenblick stolze Würde erheucheln können bald sehr weich geworden. Tatsächlich ließ die serbliche Regierung sofort in Wien erklären, sie sei bereit (daS hätte sie sich mit Bulgarien bedungen), alle von Oesterreich gewünschten Abandeninge» der Union vorzunehmen, nötigenfalls selbst de» gauzen Unionsvertrag. der in der bulgarischen Sobranje bereits angenommen, der serbischen Skuptschina aber noch nicht vor- gelegt ist. fallen zu lassen. Graf Goluchowski wollte aber feine Blamage durchEnergie" wettmachen und die unbot- mäßige serbische Regierung demütigen. Er verlangte also den glatten und sofortigen Verzicht auf die Union . Natürlich hatte die unzeitgemäße und falsche Energie die entgegen- gesetzte Wirkung. Serbien erklärte,»ur jene Aenderungen der Union zuzugestehen, die sich bei den Verhandlungen mit Oesterreich herausstellen". Goluchowski begehrte, schon recht kleinmütig, die Abänderungen, die Oesterreich bezeichnen werde, und der Schluß war. daß die Regierung des Königs Peter die Verhandlnngen mit der pathetischen Erklärung abbrach, ihreWürde" verbiete ihr. zu leisten, was Oesterreich-Ungarn von ihr begehre. Die serbischen Unterhändler sind von Wien abgereist, und der Zollkrieg hat mit der Grenzsperre begonnen. Politisch bedeutet die Sache, daß Oesterreich- Ungarn auf dem Balkan um jeden Einfluß gekommen ist. insbesondere daß cS an Bulgarien und Serbien , deren Eifersucht sonst seine Stärke war. ganz entschlossene Feinde hat. Das will gewiß nicht wenig in einem Augenblick bedeute», wo Oesterreichs Nebenbuhler, Rußland , so gründ- lich zusammengebrochen und jedes Einflusses ja jeder Anteilnahme an den orientalischen Dingen beraubt ist. An dieser Mißachtung der einstigen orientalischen Großmacht haben natürlich die inneren Wirren der dualistischen Monarchie den größten Anteil; ein Staat erwirbt sich schwer Ansehen nach außen, wenn im Innern alles kreuz und quer gebt. Immerhin hat auch die besondere Unfähigkeit des Grafen Goluchowski zu diesem gräßlichen Fiasko beigetragen; denn Goluchowski treibt eine Politik, die zwischen lächerlicher Untätigkeit und kindischer Geschäftigkeit hin- und herschwankt. Freilich ist eine Politik, die nie das Tageslicht erlebt(sie tritt eigentlich nur im Ausschüsse der berühmten Delegationen auf), in sich lebensunfähig und mußte allmählich verdorren. Wahrscheinlich wird Goluchowski den serbischen Konflikt nicht überleben; er wird wenn auch nicht sofort(denn so rasch schießt der alte Kaiser nimmer), doch in abseh- barer Zeit vom Schauplatz verschwinden. Tabakarbeiter-Kongrest. Berlin , den 30. Januar. Der Kongreß setzte heute früh die gestern begonnene Diskussion der Tabaksteuervorlage und der Tabakarbeiterverhältnisse fort. Gerlach-Achim: In den Fabriken werde 11 Stunden, in der Hausarbeit bis zu 13 und 14 Stunden gearbeitet. Sehr schädlich wirke die Gefängnisarbeit. Blohme-Bremen : Wenn seitens der Fabrikanten immer darauf hingewiesen werde, daß in dem Bremer und Hamburger Gebiet von manchen Arbeitern ein verhältnismäßig hoher Arbeitsverdienst er- zielt werde, so verschweige man dabei, daß das nur dadurch ermöglicht Iverde, daß Frau und Kinder von früh bis spät mitschuften müssen. Die Frau verloddere die Hauswirtschaft und arbeite, sowie sie aus dem Bett gestiegen sei bis in die Nacht hinein. Es sei kaum glaublich, in welchen Räumen die Arbeiter Hausen; das seien kein« menschlichen Wohnräume mehr, sondern Spelunken. Wenn die Regierung sich den Luxus erlaube, die Panzer und Torpedos auf dem Meere herum- gondeln zu lassen, dann sollte sie den Leuten, welche ihr Vergnügen daran hoben, die Kosten auferlegen. Bei Trinkgelagen und allen möglichen Anlässen werde betont, daß in erster Reihe das Blühen und Gedeihen der Industrie bei der Regierung im Auge behalten werden solle. Das sei auch kürzlich erst wieder geschehen, obwohl mau den Gesetzentwurf, der berufen sei, eine ganze Industrie zu ruinieren, bereits in der Tasche hatte. Solle da die Arbeiterschaft derartige Versicherungen der Regierungsvertreter noch ernst nehmen? Schüler-Bremen spricht das Bedauern aus, daß die Arbeiter der Nebengewerbe der Tabakindustrie so mangelhaft organisiert seien, so daß sie nicht imstande seien, sich ausreichende Löhne er- kämpft» zu können. Haberland-Deuben b. Dresden : Es sei bedauerlich, daß die Regierung die Wahrheit nicht hören wolle. Wenn die notleidenden Agrarier, die Scharfmacher oder Jnnungsmeister tagen, dann seien gleich so und so viele Geheimräte da. Aber wenn es sich um arme Tabakarbeiter handele, dann sei es etwas anderes. Da halte man es nicht ftir nötig, sich vertreten zu lassen. Nicht genug, daß mau jetzt alle Lebensmittel verteuert habe, wolle man auch noch der Ar- beiterfchaft die Arbeitsgelegenheit rauben. Wvlff-Verden : In Verden gebe es 556 Zigarrenarbeiter. Der Verdienst schwanke zimschen 10 und 30 M. pro Woche. Vor einigen Jahren sei von sehr hoher Stelle der Ausspruch getan worden: Zucht- Haus dem, der Arbeiter an freiwilliger Arbeit hindere. Und jetzt komme die Regierung und wolle taufenden Arbeitern die Arbeit nehmen. Die Arbeiter seien nicht dazu da, der Regierung die Mittel herzugeben zu ihrenmilitärischen Purzelbäumen".(Heiterkeit und Beifall.) Kadner-Zchdenick: Sehr zutreffend sei gestern schon gesagt worden, daß eine Regierung, die derartige schamlose Forderungen an die Arbeiter stelle, nicht wert sei, daß sie am Ruder bleibe.(Sehr richtig! Beifall.) Sommer-Goldberg i. Schles.: Im Tabakgewerbe sei die Zahl der beschäftigten Krüppel besonders groß. Es wäre wünschenswert gewesen, darüber eine Statistik hier auf dem Kongreß vorzuführen, damit der Regierung vor Augen gehalten würde, wie frivol sie handele, wenn sie diese ärmsten Elendsgestalten noch weiter zu schröpfen suche.(Stürmischer Beifall.) Alles andere sei währ, als das, was Frhr. v. Stengel im Reichstag über die gestiegenen Löhne der Tabakarbeiter gesagt habe.(Lebhafte Zustimmung.) Die Lage der schlesischen Tabakarbeiter sei viel trauriger noch als die der Weber. Mit 7 bis 8 M. Wochenverdienst müssen viele Tabakarbeiter ihre Familien ernähren.(Hört! hört!) Man könne sich das Elendsdasein solcher Familien denken!(Lebhafter Beifall.) Max Müller -Berlin (Zigarettenarbeiter): In Berlin müsse ein Zigarettenarbeiter 120 bis 130 Stunden wöchentlich arbeiten, inn ein menschenwürdiges Dasein führen zu können. Frhr. v. Stengel sollte mal in Bevlin im Scheunenviertel sich einige Zigarettenarbeiter. Wohnungen ansehen, dann würde er anders denken. Das Zentrum sollte bedenken, daß gerade die billigen Pfennigzigaretten stark in den von ihn, vertretenen ländlichen Wahlkreisen im Westen geraucht werden.(Beifall.) Buhl-Bcrlin widersprach der Ansicht der Regierungsvertreter im Reichstage, daß der Tabak eine Mehrbelastung ertragen könne. Schlüter-Bielefeld : In der westfälischen Tabakindustrie sei die Ausbeutung der Familien allgemein üblich. Es würden dort 7000 Schullinder in der Heimarbeit mit beschäftigt. Ihm liege eine Lohnstatistik vor, danach habe ein einzelner junger Mann bei 100 Stunden Arbeit 12 M.. also pro Stunde 12 Pf. verdient, und eine Familie, bestehend aus Mann, Frau und drei Kindern, zusammen 18 M. in einer Woche.(Hört!) Die westfälffchen Delegierten seien zu der Meinung gelangt, daß die Tabakarbeiter mit ihren 500 bis 600 M. Jahreseinkommen sich an allerletzter Stelle zu Schlacht- opfern eigneten. Graebcncr-Hanau : Als die Reichsregierung ihre Enquete ver- anstaltetc, sei er auch zugezogen worden und habe erklärt, daß die Zustände in der Tabakindustric nicht schwarz genug geschildert iverden könnten; da sei aber ein westfälischer Arbeiter aufgetreten und habe erklärt, daß die Tabakarbeiter nicht am Bettelstab ständen und daß die Heimarbeit keineswegs schädlich wirke.(Lachen.) Dieser Ar- beiter sei nicht wie ein ftcier Mann aufgetreten, sondern wie ein Rekrut, stramm mit den Häicken an der Hosennaht.(Ahal Gc- lächter.) Älaundorf-Frankenberg i. Sachs.: Die Lohnverhältnisse der Tabakarbeiter seien in Sachsen ebenso niedrig wie in Schlesien und Westfalen , und Frankenberg habe die schlechtesten Löhne aufzuweisen. Krausc-Finsterwalde führt die dottigen Lohnzahlen als Gegen. beweis für die Behauptung des Reichsschatzsclrctärs vom Steigen der Tabakarbeiterlöhne an. (Nachmittagssitzung.) Zur Berichterstattung über die heutigen Beschlüsse der Tabaksteuer- kommission erhält das Wort v. Elm: Die Erhöhung der Tabaksteuer habe die Reichstags- kommisfion einstimmig heute früh abgelehnt.(Stürmisches an- dauerndes Bravo l) Damit sei allerdings das Gesetz noch keineswegs als gescheitert zu betrachten.(Ruf: Leider!) Von konservativer Seite sei angekündigt worden, daß man zur zweiten Lesung einen Konchromißantrag vorbereiten wolle.(Ahal) Wahrscheinlich handele es sich um den Antrag, den Steuersatz auf Rohtabak von 35 auf 100 M. zu erhöhen. Er sei zwar der Meinung, daß auch diesem Antrag die große Mehrheit der Kommission ihre Zustimmung ver- sagen iverde.(Bravo I) Eine Erhöhung habe die Kommission allerdings heute beschlossen: die Erhöhung auf feingeschnittenen Tabak von 170 auf 320 M., fteilich sei die Mehrheit keine sehr große gewesen. Abgelehnt hätten sie auch den höheren Zoll auf Importen. d. h. alle eingeführte Zigarren. Man habe den Sozialdemokraten diese Position damit mundgerecht zu machen gesucht, daß man meinte, es würde ja hiermit auch das Interesse der Tabakarbeiter gewahrt.(Lachen.) Die Sorge für das Wohl der Arbeiter von dieser Seite sei ja rührend(Heiterkeit); sie hätten den Herren denn auch gesagt, daß sie bei anderer Gelegenheit deren Fürsorge für das Wohl der Tabakarbeiter in Anspruch nehmen wollten. Hier handele es sich um ein sehr minimales Interesse für verschwindend wenige Arbeiter und es sprächen andererseits mancherlei gewichtige Bedenken gegen den Zollsatz. Man habe allen Anlaß, sich gegen Wertzölle zu wehren. Weiter habe die Kommission aber noch einige Erleichterungen gegenüber den heutigen Sätzen beschlossen.(Beifall.) tMorgen früh gehe es mm an das Zigarettensteuergesetz. Für die Zigaretten sei die Situatton weniger günstig. Es ftage sich aber doch, ob dieses komplizierte Gesetz die Zustimmung der Kommission finden werde. Er halte die Zigarettenpapiersteuer technisch für unausführbar. Die Zigarrenarbeiter dürften sich durch die für sie günstige Situation nicht in ihrem Widerstand gegen das ganze Gesetz ermatten lassen. Auch sie seien an der Zigarettensteuer ebenso interessiert wie die Zigarettenarbciter(Beifall), denn ivenn es der Regierung gelingen sollte, hier ein irgend mögliches System aus- zuklügeln, werde sie in einigen Jahren sicherlich auch mit einer Zigarrenfabrikatsteuer kommen. Noch sei bis zur zweiten Lesung ja genug Gelegenheit zum Kuhhandel. Wegen der beschlossenen Er- Mäßigungen waren die Regierungsvertreter sehr ttaurig gestimmt und meinten: dann kommt ja schließlich noch weniger heraus als vorher.(Heiterkeit.) Der Reichsschatzsekretär habe auch heute Ivieder erklärt, daß es nicht die Absicht gewesen wäre, Industrielle und Arbeiter durch die Vorlage irgendwie zu belasten.(Gelächter.) Man habe nur eine leichte Belastung der Konsumenten im Auge gehabt. Von konservativer Seite sei der Mehrheit gesagt worden Sie sind ja römischer als Rom , denn die Tabakindustriellen wären ja selbst geneigt, einen Teil der Steuern zu bewilligen. Sie hätten die Herren. aufgefordert, doch die Namen dieser Industriellen zu nennen.(Sehr gut!) Es könnte ja möglich sein, daß ein Großindustrieller hoffe, durch die Niederzwingung der kleinen Konkurrenz ein große? Geschäft zu machen. Das kapi- talisttsche Interesse eines einzelnen Großindustriellen lasse sich doch aber unmöglich indentifizieren mit dem Interesse der Industrie und Arbeiterschaft.(Lebhafte Zusttnnnung.) Er habe heute auch wieder hervorgehoben, daß seitens der Industrie nicht eine Stimme für die Erhöhung laut geworden sei, eher würde man sich für Herabsetzung aussprechen, aber daran sei heute nicht zu denken. Die Regierung habe förmlich geweint, als sie sah, wie ihr in der Kommisston, alle die schönen Melonen aus ihrer Vorlage weg- geschwommen.(Heiterkeit.) Sie habe förmlich gebeten, ihr doch wenigstens etwas zu bewilligen. Na und wenn die Regierung schön bitte, dann bleibe das bei ihren Abgeordneten nicht ohne Einfluß. Deshalb sei es nötig, daß die Tabakarbeiter auch weiter fest zu- sammenstehen, damit den Vertretern ihrer Wahlkreise das Rückgrat gestärkt werde.(Stürmischer Beifall.) Sillier-Berlin giebt die Versicherung ab, daß das lithographische Gewerbe, Arbeitgeber und Arbeiter, mit aller Entschiedenheit gegen die ganze Vorlage austrete.(Beifall.) Tausende Existenzen seines Gewerbes seien an der Erhaltung der Zigarren- und Zigaretten- industrie interessiert, da sie die Ettketten und Reklamen herstellten. (Lebhafter Beifall.) Crohn-Speyer : Der Reichsschatzsekretär babe gemeint, daß die eventuell arbeitslos werdenden Tabakarbeiter in der Landwirtschaft Unterkunft finden würden. Bekanntlich seien die Krüppel und Schwachen bei Arbeitsmangel stets die ersten, welche entlassen würden. Und diese sollten bei der schweren Landarbeit Verwendung finden? Von einem Minister sollte man doch annehmen, daß er über die tatsächlichen Verhältnisse orienttert sei. Oder wolle man der Arbeiterschaft Sand in die Augen streuen? Es berichten dann noch Eckert- Bremen , Schmidt-Schwedt, Pieper- Spandau, Kusche- Neumark i. Schl., H u g- Würzburg, Hoffmann- Leipzig . Von allen Seiten wird übereinstimmend über Schmutzlonkurrenz und Ausbeutung in der Heimarbeit, über Kinderausbeutung. Lehrlingszüchterei sowie ungenügenden Verdienst und übermäßige Arbeitszeit geklagt, über schwere Mißstände in der Hausindustrie namentlich von dem Leipziger Bettreter. Der Vorsitzende Bormann-Dresden begrüßt die als Gäste er- schienenen Reichtagsabgeordneten Genoffen Frohme, Lesche und F ö r st e r, letzteren zugleich als Kollegen.(Bravo I) Patzig-Dresden: Er wolle sich jetzt einmal mit den Herren Aerzten beschäftigen, die täglich Gelegenheit haben. daS soziale Elend in den Hütten der Heimarbeiter anzusehen, die aber nichts dagegen einwendeten. Die Herren seien ja auch Hausärzte bei den Fabrikanten. Grntowski-BrcSlau beklagt sich über die schlechte Behandlung der Tabakarbeiter in einzelnen BreSlauer Fabriken. Da höre man Worte wie:Lumpengesindel",.Lausepack",die Hundepeitsche gehört Euch auf den Rücken". Und das müßten sich Arbeiter gefallen lassen, welche mit 910 M. Lohn pro Woche heimgehen.(Pfui!) Bloecke- Schwerin in Posen: Im Osten, wo man soviel für die Erhaltung des Deutschtums zu tun vorgebe, seien die Lohn- Verhältnisse so schlecht wie nirgends sonst. Ein verheirateter Mann verdiene dort 10 bis 11 M. im Durchschnitt, oft auch nur 6 biS8M. wöchentlich. Davon solle der Mann Frau und Kinder ernähren. Besonders blühe im Osten die Lehrlingszüchterei. Hellcr-Oggerstein(Hessen ) teilt mit. daß sie sich mit einer Anfrage an den Abgeordneten ihres Wahlkreises Frhr. v. Hehl gewendet.(Aha!) Herr v. Hehl habe geantwortet, er habe es immer als Ehrenaufgabe betrachtet, die berechtigten Interessen des Arbeiterstandes zu ver- treten. Auch in der Tabakftage sei sein ganzes Interesse bei den Arbeitern, zu welchen er aber auch die vielen tabakbauenden Klein- banern rechne. Die starken Schultern der holländischen Plantagen- besitzer verdienten aber das Hauptgeld der Raucher, während die schwachen Schultern unserer Bauern stark belastet seien. Er werde demnächst in Weinheim und Bosch erscheinen und hoffe sich mit den Arbeitern und Bauern verständigen zu können."(Lachen.) Schlagmann-Jauer : Der Abgeordnete seines Kreises Dr. Hermes (frs. Bp.) habe den Arbeitern erklärt, daß er gegen die Tabaksteuer in jeder Form stimmen werde.(Lebhafter Beifall.) Oldzyn-Vlotha führt aus, daß der Tabakarbeiter gezwungen sei, seine eigenen Kinder auszubeuten. So habe er seinen Kindern Märchen erzählen müssen, bloß damit sie wachblieben und ihm das Material verarbeiteten.(Höttl Bewegung.) Vorsitzender Börner-Berlin : Er habe dem Kongreß eine traurige Mitteilung zu machen. Es sei ein Vertreter der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine angemeldet gewesen. Derselbe sei jedoch nicht er- schienen; wie aber aus einer Anzeige in der Zeitung zu ersehen sei. sei derselbe am Sonnabend auf dem Wege z» seiner Wohnung ans der Treppe vom Schlage gerührt worden und verstorben. Zum Zeichen des Beileids erheben sich die Delegierten. ES folgten dann noch Berichte von K n a u p- Großhanftn. Täp lex-Hanau, Engler- Görlitz , Eb b en- Schambeck und Plotz-Schönlaake. Die Verhandlungen werden um 7 Uhr auf Mittwoch früh S Uhr vertagt.___ Soziales» Bom Bauräubertum. Unstreitig herrscht auf keinem Gebiete industrieller Betätigung mehr Gaunerei als im Baugewerbe. Daß mit Hülfe von Stroh- Männern Bauten hervorgezaubert werden, die später in den Besitz der Geldgeber übergehen, ohne daß alle Forderungen der Banhand- werker und Arbeiter beglichen sind, ist eine bekannte Tatsache. Der «Deutsche Oekonomist" veröffentlicht nun einen Artikel, der das Bau- Unternehmertum in Schutz nimmt und ziemlich allgemein die Hand- Iverlsmeister als die schlimmsten Gauner charakterisiert. In einer Zuschrift wird in einem speziellen Falle dargelegt, wie gemogelt wurde. DaS Blatt selbst sagt dann dazu: Jeder, der sich ein Haus bauen' läßt und dasselbe selbst bc- wohnt, wird von derartigen Tricks der Handwerker zu erzählen wissen; sie kontrahieren für gute Leistungen und liefern schlechte. was erst nach Jahr und Tag entdeckt wird, weil die Kontrolle bei