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StaatSsesretär Graf Pisadowsky: Der Herr Abg. Arendt hat e> für angebracht gehalten, mir eine Art von Lektion zu lesen, weil ich beute das Wort ergriffen habe. Er befindet sich vollkommen im In tum. Fürst Bismarck hatte den Grundsatz aufgestellt, daff die Verbündeten Regierungen sich bei Initiativanträgen hier nur ver- treten lassen sollten, wenn es im Interesse der Regierung liegt. Wenn ich heute zu diesem Initiativanträge das Wort genommen habe, so lag es gegenüber den Agitationen, von denen Sie alle Zeugen ge- Wesen sind, im dringenden Interesse der Reichsregierung, ihre Stellung zu dieier Frage klarzulegen. Herr Arendt ist mich vollkommen im Irrtum, wenn er annimmt. die Regierung habe sich bei Jnitiativant'ägen noch nie vertreten lassen. Ich erinnere nur an die Erklärung, die ich namens des Herrn Reichskanzlers bei der Beratung des Gesetzes über die Aufhebung des ß 2 des Jesuitengesetzes abgegeben habe, Im übrigen wird die Regierung selbst ermessen, wann sie eS für gut hält, hier das Wort zu ergreifen; darüber lätzt sie sich von keinem Abgeordnelen Vorschriften machen.(Bravo ! links,) Abg, Schräder(fr, Vg.): Ich danke dem Herrn Staatssekretär, daß er beule an der Beratung teilgenommen und sich nicht daran ge» stoßen hat, daß es von der Sozialdemokratie ausgeht. Die Ans- dehnung des Wahlrechts ist eine einlache Forderung der Gerechtig- keit, und die Gerechtigkeit darf nicht aus Furcht vor einer etwaigen sozialdemokratischen Hcrrschakt verringert werden. Die Gerechtigkeit erfordert, daß alle Staatsbürger die gleiche Mög- lichkeit haben, ihre Interessen zur Geltung zu bringen,(Sehr richtig! links.) Warum ist die Reichsgesetzgebung oft so unfruchtbar? Weil die Ausführung der Reichsgesetzgebung in der Hand der Einzel« staaten liegt, deren oft reaktionäre Landtage allerhand Schwierig- leiten machen.(Sehr richtig! links,) Daß' man den Arbeitern die Gleichberechtigung versagt hat und oft noch versagt, ist es, was die Sozialdemokratie groß gemacht hat und ihr noch immer neue An- hängerschare» zuführt. In Süddeutschland , wo das Scharfinachertum weniger mächtig ist, trägt die Sozialdemokratie einen weit weniger radikalen Charakter. Die Sozialdemokratie kann nicht verlangen, daß die bürgerlichen Parteien ihr zur Herrschaft verhelfen, sie hat aber Anspruch darauf, behandelt zu werden als große, angesehene Partei. Die Nationalliberalen in Baden haben danach gehandelt und durch ein Wahlbündnis mit der Sozialdemokratie die drohende Ge- fahr einer klerikal-konservativen Mehrheit abgewandt. Auch in Preußen können die Dinge sich doch noch in gleicher Richtung entwickeln. Wir werden, wenn der Antrag, wie wir wünschen, zur zweiten Lesung gelangt, zu den Einzelheiten Stellung nehmen.(Beifall links.) Abg. Kulcrski(Pole): Der Autrag ist uns im Prinzip an­genehm. ES ist ja erklärlich, daß die Herren von der national- liberalen Partei bald so. bald so sagen.(Heiterkeit.) Jedenfalls ist das preußische Dreiklassenwahlsystem das infamste Wahlsystem (Glocke des Präsidenten.) Präsident Graf Ballestrem: Wenn auch das Zitat deS Fürsten Bismarck der Geschichte angehört, so rechtfertigt das doch nicht, daß Sie Einrichtungen eines Bundesstaates in ähnlicher Weise charat- terisieren. Abg. Kulerski(fortfahrend): Dann will ich es ausnahmsweise mit dem Fürsten Bismarck halten und dies Wahlsystem das elendeste nennen.(Heilerkeit.) Bielleickt kommt Preußen auch zu einem besseren Wahlsystem, wenn die Duma die gleiche geheime und direkte Wahl hat. Abg. Graf Reventlow(Wirtsch. Vg,): Die Stimme der Ver- nunft, wie Abgeordneter Bernstein es nannte, ist hier in so umfang- reicher Weise aus dem Hause ertönt(Heiterkeit rechts), daß mir nur wenig zu sagen übrig bleibt. Ich bitte, den Antrag abzuweisen, weil seine Tendenz darauf abzielt, die föderativen Grundlagen des Reiches zu beseitigen. Aber man kann den Antrag begrüßen, weil er gute Gelegenheit zur Kritik der Vorgänge in Hamburg und am roten Sonntag- bietet. Ein OffiziosnS hat in derNorddeutschen Allgemeinen"' die bewundernswerte Disziplin der Sozialdemokratie gelobt, die Unruhen verhindert habe. Jedenfalls trifft dann auch das in Hamburg und Dresden geflossene Blut die sozialdemokratischen Führer, da sie dort die Diszipun hervorzuheben nlcht für gut be- fanden.(Lachen bei de» Sozialdemokraten.) Unter denzerbrochenen Fensterscheiben" des Abg, Bernstein sind auch einige halbtotgeschlagene Schutzleute. Aber das geniert ja die Kreise nicht, die de» Blaukoller als gesundes Lebensprinzip ansehen.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Gewiß ist das preußische Wahlrecht nicht auf dem Gipfel der Boll- kommenheit. Aber so ziellose Anträge werden im preußischen Land- tag nicht gestellt und nicht so lange BegründnngSreden mit so wenig Geist gewürzt. Das Zentrum hat ja eme siefe Verbeugung vor der Bolksstimmung gemacht. Wir aber lehnen den Antrag in jeder Form und für alle Zukunft ab. Ich gehe noch weiter als Dr. Arendt und sage: Selbst wenn derGenosse" Bernstein mit seinemGenossen" AhaSverus die Jahrtausende in die Schranken fordern wollt«, so würde er die Verwirklichung seines Antrages nicht erleben.(Heiterkeit rechts.) Abg. Delfor(Eis.): Ich muß aus meinen Erfahrungen die Herabsetzung der Wahlmiindigkeit auf das 20. Jahr ablehnen. Daß die Welt schlechter regiert werden würde, wenn die Frauen mitzu- wählen hätten, glaube ich ja nicht. Bei dem Wahlrechtskamps haben sich diese als tapferer gegenüber dem offiziösen Druck erwiesen, als die Männer. Schließlich stimmen auch viele Männer doch nur so, wie die Frau eS will.(Heiterkeit.) Im Elsaß bilden die roten Frauen übrigens nur eine verschwindende Minorität, die Sozial- demokraten sind also sehr uneigennützig, wenn sie trotzdem das Wahlrecht für die Frauen verlangen.(Abg. Singer: So sind sie immer! Große Heiterkeit.) Hierauf vertagt sich das Haus. Persönlich bemerkt Abg. Bernstein(Soz.): Der Honseatische Bundcsratsbevoll- mächtigtc hat gegen mich polemisiert, weil ich die WorteFrivolität" undBrutalität" auf die Hamburger Wahlentrechtung angewandt habe. Ich hoffe aber, daß jedesmal, wenn eine derartige brutale Wahlentrcchtung vor sich geht, sich Stimmen im Reichstage finden werden, die das richtig« Wort darüber sagen. Wenn der Bevoll- mächtigte ferner gesagt hat, ich hätte die Hamburger Aus- schrritungen, das Fenstereinschlagen auf unsere Partei genommen, so erwidere ich ihm,.. Präsident Graf Ballestrem: Sie dürfen nicht erwidern, sondern nur richtigstellen.(Heiterkeit rechts.) Abg, Bernstein (fortfahrend): so stelle ich richtig daß ich ge- sagt habe, es sei verständlich� wenn andere Element«, nicht die sozialdemokratischen Arbeiter, sich kleine Ausschreitungen zu schulden kommen ließen. Dem Abg. Arendt bemerke ich, daß ich nichts davon gesagt habe, daß das preußische Wahlrecht durch einen Staats- streich beseitigt werden solle. Wohl aber ist es durch einen Staats» streich geschaffen worden. Wenn schließlich der Abg, Reventlow mich in Beziehung mit dem ewigen Juden gebracht hat, so bemerke ich ihm, daß ich lieber mein ganzes Leben lang in Gemeinschaft mit dem ewigen Juden für das allgemein« Wahlrecht kämpfen werde, als wie Bilcams Esel zwischen den verschiedenen Ansichten hin. und herschwankcn.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Präsident Graf Ballestrem: Wenn ich gehört hätte, daß der Abg, Reventlow das Bild vom ewigen Juden auf einen bestimmten Abgeordneten dieses hohen HauseS angewandt hat, so hätte ich ihn zur Ordnung gerufen, Nächste Sitzung: Donnerstag 1 Uhr.(Fortsetzung der Debatte über den Etat des Reichsamts des Innern.) Schluß 6% Uhr.__ parlamcntanfchca» Interpellation Die sozialdemokratische Fraktion hat im Reichstage folgende Interpellation über das GrubenunglückBorussia" eingebracht: Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, durch Außerachtlassung welcher Arbeit-'rschutzbestiiiiiiinngen am 10, Juli 190b auf der Kohlenzeche.Borussia'' bei Dortmund ein Schachtbrand eingetreten ist, durch den SS Arbeiter getötet worden sind?~ WaS gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, damit ähnlichen Gnlbenunglücksfällen vorgebeugt wird?" Diese Interpellation kommt voraussichtlich am Freitag zur Be­sprechung._ Arbeitsverhältnisse in der Großcisenindustrie. Die sozialdemo- kratische Fraktion hat zum Reicksamt des Innern eine Resolution eingebracht, die den Reichskanzler ersucht, eine eingehende Unter- suchung der Arbeitsverhältnisse der Arbeiter der Großeiseniudustrie einzuleiten, die insbesondere auf folgende Punkte sich erstrecken soll: Feststellung der Dauer der täglichen normalen Arbeitszeit und Arbeitsschichten, Feststellung der Ueber stunden und Ueber- schichten unter Berücksichtigung der Zahl der Ueberzeitarbeit leistenden Arbeiter siir jedes einzelne Werk, sowie der auf sie ent- fallenden durchschnittlichen Summen der Ueberzeitarbeit, Unter- suckung über die Einwirkung der langen Arbeitszeit, der Nacht- und Ueberzeitarbeit aus die U n f a l l h ä u f i g k e i t und die Erkrankungsgefahr der Arbeiter, Feiistellimg über die Durchführung und Anwendung der bis jetzt erlassenen gesetzlichen S ch u tz b e st i m m u n g e n für die Arbeiter, Feststellung über die von den Werksleitungen getroffenen sanitären Ein- r i ch t u n g e n, wie Waschgelegenheit und Badeeinrichtnngen für die Arbeiter, über Beschassung von Räumen zur Aufbewahrung der Kleider und zur Einnahme des Mittagessens, Kantinen und dergl. DaS Zigarrttensteuergesetz, das nach dem Antrage der koasierten Steuerfexe mit der Banderolcsteuer belastet worden ist, gab bei der tortsetzung der Beratung in der Kommission auch gestern wieder ielegenheit, die Unlertigkeit und den Widersinn der einzelnen Paragravben festzustellen. Nach§ 2 wird die Steuer nach dem Kleinkaufsprcise berechnet, nach§ 3 soll aber die Steuer vom H e r st e l l e r der Ware entrichtet werden, der also die Kleinkaufspreise zu bestimmen hätte. Abg. v. E l m bezeichnete dies als eine ungeheuerliche Jnkoniequenz und beantragte stattHersteller" zu sagen:Verkäufer", welch' letzterer sich ja an den einznrichlenden Verkaufsstellen die Banderole kan'en könne. Abg. Geyer(Soz.) behauptete. durch diese Bestimmung werde den großen Unternehmern das Preismonopol in die Hände gespielt. Abgeorbneler Raab(Antisemit) hielt dies für vorteilhaft, weil damit der Schleuderkonkurrenz begegnet werde. Dem widerstritt Geyer, der nnsdieKonkunenzwirtschafi des amerikanischen Zigaretten- trnsteS in seinen deutschen Fabriken hinwies. Die Abgg Förster. Kaden und Schmalfeldt (Soz.) wiesen nach, wie dadurch der Klein- betrieb geschädigt werde, und polemisierten scharf gegen die Tendenz der Vorlage: die wichtigen. das ganze Geschäftsleben berührenden slusführungsbestimmungen dem Bundes- rate zu überlassen, der damit freie Hand bekoinme für mono- polistische Bestrebungen. Der Antrag v. Elnis wurde abgelehnt und s 3 nach der Vorlage angenommen. Bei ß S forderte G e y e r Aueknnft. ob mit der Bestimmung, daß Zigaretten nur involl- ständig geschlossenen Packungeii" verkauft werden dürfen, der Verkauf einzelner Zigaretten ans dem Palei untersagt werden solle. Die Antrag- fteller konnten darüber keine Auskunst geben, kennen alio die Trag- weite ihres Sndelwerkes gar nickt. Erst nach wiederholter Ans- fordernng gab der Direktor Kühn die Erklärung ab. daß die BundeSratsvorichriften darüber befinden würden. Geyer und E l m forderten darauf eine Aenderung im Geieg. weil sonst der Rückgang im Konsunl noch größer werde: auch dürfe der Reichstag keine legislatorischen Reckte aus der Hand geben und den Bundesrat nicht so wichtige gesetzliche Bestinimungen allein treffen lassen. Jedoch eS fruchtete nichts,§ 5 wurde nach der Vorlage angenommen. Ein Antrag v. Elms, in dieiem Paragraphen die Bestimmung zu streichen, nach der auf jeder Packung auch der Name und Sitz der Firma des Händlers angebracht sein muß. wurde abgelehnt. Feiner wurde» von sozialdemokratiicher Seite die 8, lO und 12 angefochten, welche Belästigung und Beeinträchlignng der Kleinbeiriebe brächten. Bei§ 8 wnrde eingewendet, daß er denschwarzen krausen Tabak" mit lreffe, der ausgepfundet und wegen seines FenchttgkeitSgehaltS gar nicht in Pakete verpackt, sonder» in tönernen Kruken gehalten werde. Die Antrag- steller der Mehrheit lehnten jede Aenderung ab. wollen aber den schwarzen Krnsen" von der Steuer ausnehmen. Durch 8 13 wird die ganze Rnuchtabakindustrie, die feingeschnittenen Tabak herstellt. in Mitleidenschaft gezogen und der polizeimäßigen Aufsicht unter- worfen, wie der Abg. Geyer feststellte, sodaß das Gesetz einen Ein- bruch in die Tabakindustne niacht. Aber es war alles m den Wind gesprochen die Mehrheit ist von einer wahren Seuche befallen, die Zigarettenindustrie schwer zu belasten ohne Rücksichtnahme auf das ganze geschäftliche Getriebe. Den Antisemiten wnrde mehrfach der Vorwurf gemacht, daß sie durch ihre Verteidigung des Ent- wurfeS gerade die Kleinbetriebe schädigen, die sie sonst zu schützen vorgeben. Nach unveränderter Annahme deS ß 13 wurde die Beratung vertagt. Die sozialdemokratischen Abgeordneten haben folgenden Antrag eingebracht: Die Kommission wolle beschließen: Den, Gesetz über die Zigarettensteuer folgende Bestimmungen "*§ 27 a. Personen, die als Arbeiter oder Arbeiterin in der Zigarettenindustrie gearbeitet haben und nach Inkrafttreten des Zigarettensteuergesetzes arbeitslos werden durch Einschränkung der Produktion oder durch Verlegung der Fabriken aus den Groß- städten auf das platte Land oder durch Uebergang vom Hand- betrieb zur Fabrikation vermittelst Maschinen, erhalten Ent- schädigung und zwar: a) Wenn sie zur Zeit deS Eintritts der Arbeitslosigkeit mindestens ein Jahr, aber nickt länger als zwei Jahre sich als Zigaretten- arbciter ernährt haben, den Betrag eines JahresarbeitS- Verdienstes, mindestens aber 500 M.: b) wenn der Arbeiter oder die Arbeiterin sich länger als zwei Jahre, aber weniger als zehn Jahre als Zigarettenarbeiter ernährt hat. den dreifachen Betrag des Jahresarbeitsverdienstes, mindestens aber 1500 M.: o) wenn der Arbeiter oder die Arbeiterin sich länger als zehn Jahre als Zigarettenarbeiter ernährt hat. den fünffachen Be- trag des Jahresarbeilsverdienstes, mindestens aber 2500 M." Gegen diesen Antrag haben die Antisemiten Raab und Wolf einen Antrag eingebracht, nach welchem die arbeitslos Gewordenen den Nachweis zu liefern haben, daß sie auch anderwärts keine ent- sprechende Arbeit haben finden können I Wir werden diesen arbeiter« semdlichen Antrag dem Wortlaut nach veröffentlichen, wenn er ge- druckt vorliegt. Ter Etat für Ostafrika stand gestern in der Budgetkommission des Reichstags zur Beratung. Die Gesamtausgaben sind auf 11 717 208 M. veranschlagt: die Gesamteinnahmen auf 4 637 881 Mark, so daß ein Reichszuschuß von 7 059 327 M. notwendig ist. Bei den Einnahmen sind die Zölle auf 1 707 200 M. ver­anschlagt. die Häuser- und Hüttcnsteuer mit 1,3 Millionen Mark, die Gelverbesteuer mit 169 000 M., die Salzverbrauchsabgabe mit 68 000 M., die Erbschaftssteuer mit 20 000 M. In der General­debatte wurde hauptsächlich das heutige Verwaltungssystem kritisiert. Die von einigen Lokalbehörden verfügte(die Regierung sagt be- scheidenerweise nurangeregte") Zwangsarbeit Eingeborener, die mit zum Nnfstand beigetragen hat, ist dergestalt erfolgt, daß Ein- geborene zu 24 Tagen Zwangsarbett beim Bebauen der Felder ge- zwnngen worden sind. Sic erhielten dafür ein Drittel des ver- dienten Lohnes,«in Drittel steckte die Gouverncmentskasse ein und daS letzte Drittel der Torfhäuptlingl Weiter teilte ein G e h e i.n r a t mit, daß der den Weißen durch den Aufstand zugefügte Schaden sich auf 150 000 M. belaufe. Der Gouverrieur prüfe jetzt, ob der Schaden ersetzt werden solle, aber mit der Maßgabe, daß die Eingeborenen die Entschädigungs- summ« wieder mifzubringen haben. Daß ein solches Verfahren wieder neue und große Nnzufriedenhett unter den Eingeborenen erregen muß, scheint von der Regierung für wenig beachtlich ge- halten zu werden. Gefordert wurde aus der Kommission heraus, daß den Offizieren und Beamten, die in die Kolonien geschickt werden, klar gemacht wird, sie seien m Pen Kolonien nicht kleine Potentaten, sondern die Beschützer der Bebölkerung. Angeregt wurde auch, die Beamten speziell für den Kolonialdiensi vorzubilden. DaS Zentrum gab sich die erdenklichste Mühe, den Missionaren, die angeblich die natürlichei' Vormünder der Eingeborenen sind, größeren Einfluß und größere Macht in den Lokal- und Bezirksverwaltungen zu sichern, natürlich in erster Linie in der Absicht, spezifisch katholisch- kirchlichen Zwecken zu dienen. Berücksichtigte die Regierung die Zentrumswünsche, dann werden die Zcntrumsredner in ganz kurzer Zeit die Verhältnisse in den Kolonien als ganz vorzügliche erachten. Donnerstag Fortsetzung der Beratung. Berggesetz-Kommission. Die Kommission deS Abgeordnetenhauses zur Vorberatung der Berggesetznovelle, welche das Knapp« schaftskassenwesen regelt, begann DienStag abend ihre Be- ratungen. Eine Generaldiskussion wurde nicht beliebt. Bei dem grund- legenden Paragraphen 165, der die Bergleute unter die KnappschaftS - vereine stellt, wnrde von freisinniger Seite angeregt, ein Nornialstatut für die Knappschafiskassen herauszugeben, um die allzu großen Unterschiede in den Beiträgen und Leistungen in einen gewissen Aus- gleich zu bringen. Der allgemeine Knappschaftsverband könne vielleicht auch noch einen besonderen Ausgleichsfonds bilden. Die heute bestehenden erheblichen Unterschiede in den Kassenleiswngen böten vielfach Anlaß zur Abwanderung aus den Gebieten mit schlechter gestellten Knappschaft;- vereinen in die Gebiete der Knappschaftsvereine mit höheren Leistungen. Die Kommission erkannte die Bedeutung dieser An- regung an, wünschte aber, daß die Frage nach Beendigung der ersten Lesung der Vorlage weiter erörtert werde. Bei§ 166, der bestimmt, daß die bestehenden Knappschastsvereine und KnappschastSkassen wirk- sam bleiben, wurde von freisinniger Seite eine Aufhebung dieser Bestimmung angeregt. Hiergegen wurde aber geltend gemacht, daß namentlich in Clausthal und in Schlesien diese Kassen sich sehr bewährt hätten. In Westfalen . wo die Arbeiterschaft von besonderen Krankenkassen nichts wissen wolle, werde man so wie so zu einer Einführung derselben nicht kommen. § 166 wurde unverändert angenommen. Im Z 168, wonach jeder Knappschaslsverein den Mitgliedern Krankengeld und Unterstützungen an die arbeitsunfähig gewordenen Mitglieder gewähren darf, wurde auf Antrag der Nationalliberalen das WortUnterstüüung" in .Leistungen" umgewandelt, weil die Arbeiter einen Rechts- a n s p r u ch hätten und mit dem WortUnterstützung" das Odium der Wohltätigkeit verbunden sei. Eine lebhafte Debatte knüpfte sich an einen Antrag der Freikonservativen: die Krankenhäuser und Heil- anstalten der Änappsckaftskassen für öffentliche Anstalten zu erklären. damit sie bei Verträgen von der Stempelsteuer befreit blieben. Der Antrag wnrde aber schließlich abgelehnt. Angenommen wurde ein Antrag der Nationalliberalen: die in der Vorlage für die Einreichung der Satzungen vorgesehene Frist von 3 Monaten auf 6 Monate zu verlängern. Eingehende Erörterungen knüpften sich an Z 170 a, insbesondere an die Frage, ob in gemischt- sprackigcn Landesteilen den Bergarbeitern, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien, die Knappschaftestatuten mich in ihrer Mutter- spräche zu geben seien. Von polnischer Seite wurde behauptet, daß gegen 80 Proz. der oberschlesischen Arbeiter der deutschen Sprache nicht mächtig seien, während von nationalliberaler Seite dieser Prozentsatz nur auf 5 Proz. angegeben wurde. Der Antrag wnrde'von der Mehrheit abgelehnt. Die nächste Sitzung soll in der nächsten Woche stattfinden._ Borussia"-J»terpellation. Vom Mg. B r u st(Z) ist mit Unterstützung der ZentrumSpartel im Abgeordneten hause folgende Interpellation ein« gebracht worden: Da von dem Ergebnis der amtlichen Untersuchung über die Ursachen des Grubenunglücks vom 10. Juni 1905 auf der Kohlen- SrudeBorussia" bei Dortmund noch nichts bekannt geivorden ist, :agen wir den Minister für Handel und Gewerbe an, ob 1. etwa an dem Grubenunglück schuldige Personen zur Per» antwortung gezogen worden sind. 2. Hält der Minister die seitens der königl. Bergbehörde nach dem Unglück getroffenen Maßnahmen für ausreichend, um ähnlichen Unglücken vorzubeugen?" Die Interpellation wird bereits heute, Donnerstag, zur Wer« Handlung kommen.________ Hud der Partei. Reichstags- Wahlkreis Niederbarnim . Am Montag, den 12. Februar. nachmittags 2 Uhr, findet im LokaleZmn schwarzen Adler", Frankfurter Chaussee, eme Gcmeindevertrctcr- Konferenz für den Wahlkreis Niederbarnim statt. Aul der Tagesordnung stehen folgende Punkte: 1. Kommunale Schulpolitik. Referent: Genosse AronS. 2. Etatsfragen und unsere grundsätzliche Stellung zu den Ge- meinde-EtatS. 3. Kommtinale Steuerpolitik. Sämtliche sozialdemokratischen Geineindevertreter und Stadt- verordneten des Kreises werden ersucht, zu erscheinen. Gemeindevertreter andererKreise sind als Gäste willkommen. I.«.: Georg Freiwaldt, Pankow , Florastr. 66. DaS furchtbare Urteil gegen den Genossen Löbe hat der Partei im BerbreitungSbezirke des Blattes, für das unser Genosse verurteilt wurde, einen gewaltigen Ruck nach vorwärts gegeben. Während die Abonnentenzahl der BreslauerVolkswacht" und der Wahrheit" im Januar 1905 noch 16 650 betrug, ist sie Ende Januar auf 25 700 gestiegen. Seit der Verurteilung unseres Genossen Löbe zu einem Jahre Gefängnis betrug die Zunahme der Ab onne nie»zahl 3264! Unter allen Parteiblättern steht jetzt die BreslauerVolkswacht" an der sechsten Stelle. In der Versammlung des Sozialdemokratischen Vereins zu Breslau , in der diese Mitleilungen gemacht wurden, teilte Genosse Löbe noch mit, er habe die Revision in seiner Ein-Jahr-Sache zurückgezogen! Er werde daher in der allernächsten Zeit seine Strafe antreten. Grund zu seiner Entschließung war die Ansicht seines Verteidigers, des Genossen Heine, daß seine Revision, juristisch beurteilt, wenig Aussicht auf Erfolg habe. Wir bedauern, daß sich Genosse Löbe von solchen Gründen rein technischer Natur bestimmen ließ. Seine Verurteilung hat doch nicht nur eine juristische, sondern eine diese weit überragende politische Bedeutung. Er hätte deswegen mehr als die juristische die politische Wirkung seines Entschlusses prüfen sollen. Und da muß man sagen: Urteile, die so wie dies dem Empfinden deS Volkes ins Gesicht schlagen, müssen schon deS- halb bis in die höchste Instanz verfolgt werden, um an ihnen als einem Prüfstein den, Volke den Wert unserer Rechtspflege im ganzen Umfange ad oculos zu demonstrieren. Dazu kommt, daß die un- geheure Aufregung, die dieses Urteil hervorgerufen hat und die starke politische Wirkung dieser Aufregung in jeder Instanz neu ge- weckt wird. Die Breslauer Genossen sehen an ihren eigenen Er- folgen. waS daS bedeutet. Politische Prozesse darf man eben nicht rein vom juristischen Standpunkt bewerten. Ein sozialistischer Sieg über die Kirche. Nachdem unsere bayerischen Genossen bei den LandtagSwahlen mit Hülfe des ZentruniS die Liberalen besiegt haben, besiegen sie jetz umgekehrt das Zentrum mit Hülfe der Liberalen, indem sie sich m» diesen vereinigen zu Kirchenwahle nl