Einzelbild herunterladen
 

Nr. 233.

Grscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1.10 mt, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer. 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage, Neue Belt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mr.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs Preisliste für 1892 unter Nr. 6652.

Vorwärts

9. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in ber Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Sernsprech- Anschluß Amt 1, Nr. 4186.

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Mittwoch, den 5. Oktober 1892.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Hinter den Dirchom- einem Hausbesitzer der Choleragefahr halber aufgegeben, fanden im Juni und Juli mehrere Ausstände, wenn auch

Rulillen.

-

-

"

seine überfüllte Kloake zu leeren. Das war dem Mann zu nur kleine, meist auf eine Fabrit beschränkte, statt.) 3. Am fostspielig. Er wußte sich aber zu helfen. In die Wand eines 3. August gab es Cholera- Unruhen in dem Städtchen dane ben gelegenen tiefen Kellers ließ er ein Loch schlagen, Lysobyki, und in der polnischen Stadt Lublin   ist die Cholera Man schreibt uns: um die Jauche in den Keller hineinfließen und dann das neuerdings in noch viel schlimmerer Form ausgebrochen, Es ist ein arges Mißgeschick für den Rektor der Loch zumauern zu lassen. Dann wäre der Kloakeninhalt als selbst in Hamburg  . Universität Berlin, Herru Geheimrath Professor Virchow, außer Seh, wenn auch nicht außer Geruchsweite gewesen, Doch diese Skizze russischer Zustände hinter den Virchow­Ritter hoher Drden zc. 2c., daß außer den Worten der und der inspizirende Beamte hätte alles in schönster kulissen würde nicht vollständig sein, wenn wir zarischen Würdenträger, welche ihn auf seiner russischen" Ordnung" gefunden. Nun passirte dem schlauen Hans- nicht ein Exemplar jenes Beamtenthums, das den deutschen  Reise angehuldigt, angetoastet und angeführt haben, wirth aber das Mißgeschick, daß die in den Keller ein- Geheimerath und Professor so sehr bezaubert hat, hinein­auch noch andere Mittheilungen, gedruckte und ungedruckte, strömende Jauche ihn selbst und zwei Arbeiter ersäufte, und zeichneten. Kein Geeigneterer dazu, als der Gouverneur von über die fosatenbewachte Grenze zu uns dringen. Denn da so kam die geniale Erfindung dieser Potemkin'schen Kloaken- Nischuij- Nowgorod  , Herr Baranow! Uns liegen zwei erfährt die Welt, daß es hinter den schönen Kulissen, die Kulisse an den Tag. Herr Rudolf Virchow   aber kann Restripte vor, welche dieser Gewaltige vor einiger Zeit au man den deutschen   Professor hat auftaunen lassen, ganz daraus ersehen, daß er doch selbst noch recht viel Russisch" die seiner besonderen Fürsorge überantwortete Unterthanen­anders, barbarisch und schmußstarrend aussieht. So sind lernen muß, wenn er das Zarenreich und seine Bräuche schaft erlassen hat. Nach Form und Inhalt repräsentiren ns jegt wieder anläßlich unserer Kritik der Birchow'schen verstehen will. sie in so vorzüglicher Weise die mit einigem bombastischem Jubelhymnen auf den Zaren und seinen Tschin( die Als die ersten Cholera- Unruhen am Wolgaflusse, in Flitteriverk aufgeputzte Willkürherrschaft der Zarendiener, Beamtenschaft) Nachrichten aus Rußland   zugegangen, die Sfaratow, Astrachan  , Wolst, Chwalinst ausbrachen, war daß sie am wirkungsvollsten für sich selbst sprechen. Sie auf etwas gründlicherer Forschung und Beobachtung be- davon auch im Reichs Anzeiger"( Prawitelstwiennji lauten: ruhen, als sie dem reisenden Professor in der gastfreund- Wjestnik) die Rede, jetzt schweigt er sich über spätere Vor­lichen Gesellschaft der Tschinowniti möglich gewesen wäre. tommnisse aber gründlich aus. Die Unruhen in den Land­Es ist deshalb so außerordentlich schwierig, die volle bezirken dauern nichtsdestoweniger fort. Unzufriedenheit herrscht Wahrheit über die im Zarenreiche( herrschenden Uebelstände überall, wenn auch ohne klare Erkenntniß der Ursachen des ans Licht zu bringen, weil die Regierung mit einer injolge Voltselends, und bald hier bald dort kommt es zu ganz langjähriger Uebung großen Fertigkeit alle unbequemen selbständigen und urwüchsigen Ausbrüchen. Keine Silbe Thatsachen zu vertuschen versteht. Trotzdem sichert hin und davon darf in den Zeitungen berichtet werden. Nur ganz wieder doch( der Bericht über einen symptomatischen Vor- unvermittelt bekommen wir zu lesen, daß da oder dort so gang in die zenfurirte Presse hinein und selbst aus den und so viel Personen wegen Aufruhrs" verurtheilt worden Spalten der Regierungsblätter tann man manche über- find. So berichtete dieser Tage der Reichs- Anzeiger" über raschende Aufklärung schöpfen, wenn man zwischen den Zeilen die Verurtheilung von 33 Bauern aus Abakamowka( bei zu lesen versteht. Sfaratow). Ein Weib und zwei Männer wurden zu Zwangs­arbeit, die übrigen zu mehr oder weniger langen Gefängniß­strafen verurtheilt.

9

"

1. Nebst vielen Tugenden besitzen die Bewohner der Stadt Nischnij- Nowgorod   auch mehrere Fehler. Ich spreche hier von der Manie, anonyme Briefe zu senden, welche voll sind von Beschimpfungen und Androhungen mit Mordthaten, Brand­stiftungen und Aufständen. In den letzten Tagen sind viele folcher Sendungen, darunter auch an meine Adresse gerichtete, durch die Post befördert worden. Die Vaterstadt von Minin*), der wegen seiner Liebe zu Gott und dem Zaren von ganz Rußland   geehrt wird, darf für die Thätigkeit einer wahn­sinnigen Bande fein Schauplaß sein. Aber nicht alle sehen das ein und benehmen sich gegen elende anonyme Drohungen so, wie sie sollten. Ich mache öffentlich bekannt, daß ich keinem Beamten befehlen werde, die übelthäterischen Verfasser der anonymen Briefe ausfindig zu machen. Aber wenn was Gott   verhüten möge! jemand durch Ausnutzung der Dumm­heit und Leichtgläubigkeit der dunkeln Volksmasse irgend welche Krawalle zu Stande bringen sollte, so werde ich mit Hilfe des Militärs die Ordnung wieder herstellen und die Führer und Aufhetzer auf der Stelle hängen lassen. Auch alle übrigen Theilnehmer werden streng öffentlich bestraft werden. Wer mich fennt, weiß, daß ich das, was ich angekündigt habe, auch auszuführen den Muth habe. Ich fordere alle bedrohten Personen auf, ohne Sorge um ihre Sicherheit ihre nützliche Thätigkeit fortzusetzen. Diese Aufgabe hat der Monarch mir anvertraut."

-

Im Anschluß an das vorstehende lautet denn das Restript:

Auf dieses Lesen zwischen den Zeilen ist man jetzt be­sonders hinsichtlich der Choleranachrichten angewiesen. Es ist in diesem Sommer fast teine Woche vergangen, daß nicht Man munkelt jetzt auch von großen Krawallen in Je in irgend einer Gegend Unruhen stattgefunden hätten, faterinoslaw; theils soll ein Ausstand der Metallarbeiter, größtentheils wegen der Cholera, die eine mindestens theils die Cholera die Veranlassung dazu gegeben haben. Behumal so schlimme Ausdehnung angenommen hat Das Bolt kämpfte gegen die Kosaken und vergriff sich an als in Deutschland  . Das Volk hat sich eingeredet, der orthodoxen Geistlichkeit. Letzteres ist eine bedeutsame daß die Regierung die Cholera macht". Das Neuerung in der Geschichte russischer Volksaufstände. Im ist allerdings einerseits ein Zeichen mangelnden Verständ- Reichs- Anzeiger" natürlich kein Wort davon! Nur im ehe­nisses für das Wesen dieser fürchterlichen Seuche, anderer maligen Königreich Polen lassen sich die Unruhen nicht fcits ist es aber auch ein Beweis dafür, wessen das Volk völlig todtschweigen. Die Nähe der Grenze und die die Barendiener für fähig hält. Die Bureaulisten und Entwickelung der Verkehrsmittel zwingen die amtliche Schreiber" büßen selbst im heiligen Nu land mehr und Bresse  , wenigstens etwas verlauten zu lassen. Während 2. mehr von ihrem Nimbus ein. Böllig Unreche hat obendrein der drei letzten Monate wurden folgende Unruhen offiziell der Volksmund nicht, wenn er davon redet, die Regierung bekannt gemacht: 1. Ein jüdischer Krawall in Hrubieschow mache" die Cholera. Ist es doch vorgekommen, daß( 22. Juli). Die Regierung hatte befohlen, eine Friedhofs­Beamte, die beauftragt waren, die Kleider der an Cholera mauer zu zerstören, worauf sich die Juden in einer Zahl Verstorbenen zu verbrennen, es vorzogen, sie zu verkaufen. von 1500-2000 Mann versammelten und von Drohungen " Geld riecht nicht"- es ist auch bazillenfrei nach Ansicht zu Gewaltthätigkeiten übergingen. 2. Vom 16.- 25. Juli dieser wackeren Tschinowniki. fand ein Streit der Bergleute in drei Kohlengruben statt.*) Kosma Minin war ein Bürger von Nischnij- Nowgorod  , Die Arbeiter benahmen fich durchaus ordentlich und mit der im Jahre 1612 einen siegreichen Aufstand gegen die Herr­selbstbewußter Zurückhaltung. Für russische Beamte zählt schaft der von den Polen   unterstützten Bojaren erregte und so ein solcher Streit aber doch zu den Unruhen".( Uebrigens den Romanow's zum Throne verhalf.

Dafür, daß auch die russische Bourgeoisie solchen beamteten Gaunern würdig zur Seite tritt, liefert ein Mos­fauer Borkommniß einen klassischen Beweis. Dort war

Feuilleton.

Magbrua verboten.]

Die Waffen nieder!

( 88

Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner  .

-

" Heute, am 10.( 22.) Juni, wurde auf der Kosakenstation ein großer Stein gegen das Gartenhäuschen geschleudert, in dem die Nonnen sich zu erholen pflegen, wenn sie von den Todten­gebeten ausruhen. Der Anprall des Steins war so start, daß ein Brett losgeriffen wurde und ein Fensterrahmen niedergestürzt ist. Der Schurke, welcher den Stein warf, hatte bei der Dunkelheit Zeit,

Ich hatte bisher regelmäßig Kunde erhalten. Obwohl geliebtes Weib. Auf mein Lager habe ich den Burl hin­er in seinem ersten Briefe mich darauf vorbereitet hatte, gelegt. war der müd', Der arme Kerl! Ich bereue daß er nur wenig werde schreiben können, so hat Friedrich fast, ihn mitgenommen zu haben; der ist auch, was die doch jede Gelegenheit benügt, ein paar Worte an mich zu unseren immer von der preußischen Landwehr behaupten: richten. Mit Bleistift, zu Pferd, im Zelt in flüchtiger, an die Strapazen und Entbehrungen eines Feldzugs nicht nur mir leserlicher Schrift, so schrieb er die aus seinem gewöhnt". Jetzt schnauft er wohlig und süß ich Notizbüchelchen herausgerissenen, für mich bestimmten glaube er träumt, wahrscheinlich von seinem Freund Blätter voll. Manche hatte er Gelegenheit abzuschicken, und Gönner Rudolf Grafen Dozky. Und ich träum' manche gelangten erst später, erst nach dem Feldzug in von Dir, Martha... Zwar bin ich wach; aber Dann behaupte wenigstens nie, daß der Krieg die meine Hände. täuschend, wie ein Traumbild, sehe ich Deine liebe Gestalt Menschen vereble!- Gestehe, daß er sie entmenscht, ver- Bis zur Stunde habe ich diese Andenken aufbewahrt. in jener halbdunklen Zeltecke, auf einem Feldstuhl sitzen. tigert, verteufelt! Siedendes Del!... Ach!" Das sind keine sorgfältig stilisirten Kriegsberichte, Welche Sehnsucht ergreift mich, dort hinzugehen und mein Gebotene Selbstvertheidigung nnd gerechte Rache, liebe wie fie Zeitungskorrespondenten ihren Redaktionen, Haupt in Deinen Schooß zu legen. Ich thu' es aber nicht, Martha. Glaubst Du etwa, ihre Bündnadelgeschosse thun oder Kriegsschriftsteller ihren Verlegern bieten, keine mit weil ich weiß, daß dann das Bild zerflattern würde.. den unseren wohl?... Wie das wehrlose Schlachtvieh Aufwand strategischer Fachkenntnisse entworfene Gefechts- Ich trat einen Augenblick hinaus. Die Sterne flimmern müssen unsere Tapferen dieser mörderischen Waffe unter- skizzen, und keine mit rhetorischem Schwung ausgeführte gleichgiltiger als je. Auf dem Boden huschen verschiedene liegen. Aber wir sind zu zahlreich, zu disziplinirt, zu Schlachtgemälde, in welchen der Erzähler immer bedacht ist, Schatten: es sind Nachzügler. Viele, viele, blieben unter­tampftüchtig, um nicht doch noch über die" Schneider seine eigene Unerschrockenheit, Heldenhaftigkeit und patriotische wegs zurück; jetzt haben sie sich, vom Wachtfeuer angezogen, gefellen" zu fiegen. Zu Anfang sind gleich ein paar Fehler Begeisterung durchleuchten zu lassen. Alles dies sind hierher geschleppt. Aber nicht alle manche liegen noch begangen worden. Das gebe ich zu. Benedet hätte gleich Friedrichs Aufzeichnungen nicht, das weiß ich; was sie aber in einem entfernten Graben oder Kornfeld. Das war aber die preußische Grenze überschreiten sollen... Es steigen sind, das vermag ich nicht zu bestimmen. Hier folgen auch eine Hitze, während dieses forcirten Marsches! Die mir Zweifel auf, ob diese Feldherrnwahl leine ganz glück einige: Sonne brannte, als wollte sie uns das Hirn zum Sieden liche war... Hätte man lieber den Erzherzog Albrecht  bringen; dazu der schwere Tornister, das schwerere Gewehr hinaufgeschickt und dem Benedek die Südarmee übergeben... Jm Bivoitak. auf den wundgewehten Schultern... und doch, es hat Aber ich will nicht zu früh verzagen bis jetzt haben ja Ohne Zelte Es ist ja eine so laue, herrliche Reiner gemurrt. Aber hingefallen find ein paar, und eigentlich doch nur vorbereitende Gefechte stattgefunden, Sommernacht der Himmel, der große gleichgiltige, voll konnten nicht wieder aufstehen. Zwei oder drei erlagen welche von den Preußen zu großen Siegen aufgebauscht flimmernder Sterne.. Die Leute liegen auf dem Boden, dem Sonnenstich und blieben gleich todt. Ihre Leichen die Entscheidungsschlachten kommen erst. Jetzt erschöpft von den langen, ermüdenden Märschen. Nur für wurden auf einen Ambulanzkarren geladen. fonzentriren wir uns bei Königgrätz  ; dort über hundert uns Stabsoffiziere wurden ein paar Belte aufgeschlagen. Die Juninacht, so mond- und sterndurchleuchtet, so tausend Miann stark- erwarten wir den Feind... dort In dem meinen stehen drei Feldbetten. Die beiden Kame- warm sie auch ist, ist doch entzaubert. Man hört keine wird unser nördliches Custozza geschlagen!" raden schlafen. Ich size an dem Tisch, worauf die ge- Nachtigallen und keine zivpenden Grillen; man athmet Dort würde auch Friedrich mitkämpfen. Sein letztes, leerten Groggkläser und eine breitende Kerze stehen. Beim teine Rosen- und Jasmingerüche. Die süßen Lante am selben Morgen angelangtes Briefchen krug die Nach- schwachen flackernden Schein der letzteren( es weht von dem werden durch die scharrenden und wiehernden Pferde, richt: Wir begeben uns nach Königgräs." offenen Eingang ein Luftzug herein) schreibe ich Dir, mein durch die Stimmen der Leute Stimmen der Leute und das Geräusch

werden

-

-

-